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CORAX Fachmagazin für Kinder- und Jugendarbeit in Sachsen Ausgabe 4/2016
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#4/2016 Fachmagazin für Kinder– und Jugendarbeit in Sachsen

Gutes Jugendamt

=

gute Jugendhilfe?

Internationale Jugendarbeit Schulausschlüsse von Kindern SGB VIII-Novelle: Kleine Geister „What the hell is going on here” und Jugendlichen /// Wenn statt großer Lösung /// Prof. /// Eine Auseinandersetzung mit „Gruppenunfähigkeit“ das Recht Reinhard Wiesner vergleicht das ethnographischen Forschungs­ auf Bildung aussetzt: § 39 Säch­ Agieren des BMFSFJ mit den paradigmen und ein Plädoyer sisches SchulG als Ordnungs„Geheimverhandlungen um das für mehr Feldforschung in der maßnahme TTIP-Abkommen“ (O)KJA

Preis 4,60 € /// ISSN 1860–9910 /// www.corax-magazin.de /// www.facebook.com/coraxmagazin

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editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Die Europäische Union steckt in einer existenziellen Krise.“ Mit diesen deutlichen Worten äußerte sich der Chef der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, Anfang September 2016 in einer Rede zur Lage der Union in Straßburg. Dabei konstatierte er, dass die 28 Mitgliedstaaten zunehmend ihre jeweiligen nationalen Egoismen kultivieren: „Die Zahl der Bereiche, in denen wir solidarisch zusammenarbeiten, ist zu klein.“ Mit der Finanz- und Bankenkrise im Jahre 2008 und dem darauffolgenden inner­ europäischen Umgang der „Lösungssuche“ mit Staaten wie Irland, Portugal, Spanien und schließlich Griechenland wurde für viele europäische Bürgerinnen und Bürger deutlich, wie wenig einig sich die Länder der EU tatsächlich in kritischen Sachfragen sind – wie sehr das Konstrukt „Europäische Union“ an Defiziten aus der Zeit seiner Konstituierung krankt und wie gut dies alles jahrelang unter einem Schleier guter und gutgemeinter ideeller Proklamationen und dem Appellieren an die „Idee Europa“ marginalisiert worden ist. Wann und womit diese drastische Entwicklung in Europa ihren Anfang nahm, ist sicherlich hier nicht so relevant. Kumuliert sind diese nationalen und teils separatistischen Tendenzen jedoch deutlich sichtbar im Brexit-Votum der Briten im Juni dieses Jahres sowie in den teilweise drastischen politischen Antworten einzelner Mitgliedsstaaten auf den Flüchtlingszustrom nach Europa. Die skandinavischen Länder, Österreich und auch Deutschland usf. verschärfen deutlich ihre Einwanderungsgesetzgebungen, die Staaten der sogenannten Visegrád-Gruppe wehren sich nach Kräften gegen eine einvernehmliche Quotenregelung bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Ungarn lässt unter

Viktor Orbán kilometerlange und stacheldrahtbewehrte Grenzanlagen bauen. Hinter den obigen Worten von Juncker, der Einrichtung eines Europäischen Parlaments mit Sitz in Straßburg und den politischen Bemühungen des Europäischen Rates sowie der EU-Kommission in Brüssel liegt eine fundamentale Annahme zu Grunde: Die Vorstellung und der Wunsch nach einem gemeinsamen und gemeinsam agierenden Europa. Doch dieser Wunsch, diese Idee wird von den Menschen in Europa getragen. Es sind die Bürgerinnen und Bürger, die dieser Idee leben geben. Das gemeinsame Europa entwickelt sich noch – und wie gerade in der letzten Zeit deutlich wird, hat es dabei noch einen weiten Weg vor sich, der viele Jahre dauern wird. Und es wird die heute junge Generation sein, in deren Verantwortung es liegt, ob das weitere Zusammenwachsen gelingen kann oder nicht. Ein Abbau von Ressentiments gegenüber dem vermeintlich Fremden und eine Akzeptanz – ja vielleicht sogar Begeisterung für Eigenheiten anderer Kulturen, ein Lernen von Lernenden – ist dabei eine zwingende Voraussetzung. Internationale Begegnungen, Erfahrungsaustausche und die Entwicklung von einer Selbstverständlichkeit für Selbstverständlichkeiten Anderer sind dabei eine Grundvoraussetzung für gemeinsames, zielgerichtetes Agieren. Im § 11 SGB VIII, in dem explizit die Internationale Jugendarbeit erwähnt ist, finden sich in Abs. 1 die zwei Sätze: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und gestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung

und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ Und so gilt es, auch im Sinne der jungen Menschen selbst, in einer Welt zunehmender internationaler Kontexte im Arbeits- als auch im Privatleben dafür Sorge zu tragen, sie auf diesem Weg gerichtet und stützend zu begleiten. Eine systematische und konsequente Internationale Jugendarbeit in all ihren Facetten leistet genau das. Und so haben auch wir beim CORAX uns dieser spannenden Thematik angenommen. Wir fragten etablierte Protagonist(inn)en Internationaler Jugendarbeit in Deutschland nach dem Wesen, den Potenzialen, den Methoden und Möglichkeiten sowie den Zielen von Internationaler Jugendarbeit (S. 15–20). Wir gaben jungen Menschen ein Forum, von ihren internationalen Erfahrungen im Freiwilligendienst, in Freizeitcamps, in Praktika sowie im Studium zu berichten (S. 21–29 sowie 40–43) und wir warfen einen Blick auf die spezifischen Entwicklungen im Freistaat Sachsen zur weiteren Etablierung dieses Arbeitsfeldes der Jugendhilfe (S. 30–34). Da ein interkulturelles Zusammenwachsen nicht an den Grenzen Europas aufhört, sondern vielmehr auch eine globale Herausforderung darstellt, fragten wir auch nach Konzepten, die sich auf interkontinentale Aspekte Sozialer Arbeit beziehen und die ihre didaktische Schwerpunkte in der allgemeinen kulturellen Dezentralisierung haben als Voraussetzung für interkulturelle Kompetenz (S. 34–39). Vor Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, liegt eine spannende Ausgabe, zu deren Lektüre ich Ihnen viel Vergnügen wünsche.

Dirk Müntzenberg, CORAX–Redaktionsleitung

Korrektur: In der Ausgabe 3/2016 ist nach Drucklegung ein inhaltlicher Fehler aufgefallen, der während des Layoutprozesses entstand. Im Artikel „NEET-Indikator als Maß für soziale Exklusion? Eine qualitative Studie im Raum Dresden Teil 2“ findet sich auf der Seite 15, Tab. 2, Zeile 1 (Bildungskarriere), Spalte 2 folgende Feststellung: „linear, keine Verspätung, hoch qualifiziert“. Hier muss es richtigerweise heißen: „linear, keine Verspätung, gering qualifiziert“. Wir entschuldigen uns für den Fehler bei Leser- und Autorenschaft gleichermaßen.

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Seite 3

kolumne

Bitte belügt uns – aber nur ein bisschen Welches Wort fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an Pegida denken? Wahrscheinlich ist es „Lügenpresse“. Und wen assoziieren Sie mit dem Begriff „Lügenpresse“? Wahrscheinlich die Namen großer Zeitungen und die Sender des öffentliche-rechtlichen Rundfunks. Stattdessen sollten wir uns über diejenigen beschweren, die wirklich lügen – und noch nicht mal ein Geheimnis daraus machen. Foto ©: shutterstock

Wenn man sich bei Pegida umhört könnte man den Eindruck gewinnen, die Entwicklung vom Qualitätsjournalismus zur „Lügenpresse“ habe sich ruckartig in den letzten Jahren vollzogen. Früher war einfach alles besser. Pressefreiheit in der DDR? Na logo! Die meistverkaufte Zeitung der BRD ist seit Jahrzehnten berüchtigt für ihre zweifelhaften Arbeitsmethoden? Na und – nehmt mein Geld und gebt mir dafür saftige Schlagzeilen! Es stimmt schon, die Art, wie wir Medien nutzen, hat sich deutlich verändert. Früher hat man die Arbeitsteilung zwischen dem Journalisten als Informationsbereitsteller und dem Leser als Konsumenten meist als gegeben akzeptiert. Jetzt haben wir durch den Zugriff auf Zeitungen, Radiosender, Fernsehsender und neuerdings auch auf Internetseiten aus dem Ausland die Möglichkeit, diese

Unsere Kolumnistin Claudia Flach studiert in Leipzig und schreibt über die Welt

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Arbeitsteilung aufzubrechen und selbst mand, Journalisten seien parteiisch und auf Informationssuche zu gehen. Oft würden sich alles schön schreiben. Da passiert dann Folgendes: Kaum hat je- passt doch was nicht zusammen... Ehrlichkeit und Selbstkritik sind mand heute im Internet einen vermeinteben nicht so einfach. Stören sich dielichen oder echten Widerspruch zu dem entdeckt, was die Tagesschau berichtet, jenigen, die auf Pegida-Demos „Lüschreit er in den entsprechenden Foren genpresse auf die Fresse“ rufen, an den Zeter und Mordio. Nehmen wir als Bei- wohlbekannten Arbeitsmethoden der spiel den Konflikt in der Ukraine. Sie „Bild“? Stören sie sich an den unzähligen hätten neben der deutschen Perspektive Manipulationsstrategien von Scripted gerne noch eine zweite? Dann lesen Sie Reality-Formaten im Fernsehen? Stören sie sich an dem offensichtlichen Widerausländische Medien, das steht jedem spruch, wenn auf Leistung getrimmfrei. Darin wird eine andere Meinung vertreten? Welch‘ Überraschung. Natür- te Spitzensportler Werbung für Coca lich berichten verschiedene Länder aus Cola oder McDonalds machen? Nein? verschiedenen Perspektiven über das- Warum nicht? Anderes Beispiel, gleiselbe Ereignis. Wie sollte es auch anders ches Problem: die Klatschpresse. Das sein? eine Blatt behauptet, Katharina Witt sei todunglücklich, das andere Blatt Je größer der Widerspruch, schreibt noch in derselben Woche groß desto besser aufs Titelblatt „Sie strahlt vor Glück!“ – am Ende stellt sich heraus: Beides waren Populismus funktioniert hervorra- nur Fotomontagen, mit Wahrheit oder gend mit großen Widersprüchen. Man Journalismus hat es rein gar nichts zu könnte sogar sagen: Je größer, desto bes- tun. Und trotzdem verkaufen sich die ser. Erst heißt es, die Ausländer nähmen meisten dieser Klatschblätter wie geuns alle Jobs weg. Dann heißt es, sie leb- schnitten Brot. So gut, dass die „Bild“ten auf unsere Kosten von Hartz IV. Ge- Zeitung übrigens lange Zeit das meistnauso wird mal behauptet, Journalisten gekaufte Boulevardblatt in ganz Europa müssten sich an Vorgaben von „ganz war. Die Deutschen bilden sich eben oben“ halten und dürften nicht frei be- gern ihre Meinung – aus mal mehr und richten. Dann wieder beschwert sich je- mal weniger seriösen Quellen.

inhalt

3 4 5 6 7

editorial kolumne Bitte belügt uns – aber nur ein bisschen (Claudia Flach) inhalt

jugendhilfe im prozess Meldung: Save the Date. Vernetzungfachtag „Partizipation durch Patenschaft?!“ Landkreisportrait: Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

11

Rahmenkonzeption “Demokratieförderung und Beteiligung” für Dresden in Arbeit (Julia Franke, Peggy Stockhowe)

12

Wenn „Gruppenunfähigkeit“ das Recht auf Bildung aussetzt (Alina Peters)

13

Verspielte Welt(en) (Mandy Ziegler)

14

Die SGB VIII – Novelle: Kleine Geister statt großer Lösung (Carsten Schöne)

14

Wie lief das denn in diesen Ferien? (Tilo Kießling)

15 18 20 23

titelthema: Internationale Jugendarbeit Chancen für Jugendu nd Fachkräfte (Marie-Luise Dreber) Verstehende Prozesse und Kompetenzen in Internationaler Sozialer Arbeit (Alexander Stauß) „Observe“ „Rethink“ „Act“ (der CORAX im Gespräch mit Martin Kleinfelder) Erlebe die Vielfalt! (... im Gespräch mit Karina Cyriax, Olena Vasyuk und Hana Campos)

25

„...zweifelsohne eine der besten Erfahrung, die ich bisher gemacht habe.“ (... im Gespräch mit Sophie Prescher)

27

„Keep Calm und Do EVS...“ (... im Gespräch mit Sabine Baumgärtel)

28

„... it shows how much you can learn and improve without much money.“ (... im Gespräch mit Vivien Olasz)

30

Ein Schiff in trüben Gewässer oder volle Kraft voraus? (Silvia Beckert und Claudio Orlacchio)

32

Fachgespräch internationale Arbeit – „Teilnehmende dringend gesucht“ (Sylvia Schöne)

34

Sozialarbeit des Südens (Ronald Lutz und Inkje Kristin Sachau)

37

Streetwork in Salamanca und Leipzig (Valentin Kannicht)

40

praxis & projekte „Jeder geht auf den anderen zu, und in der Mitte trifft man sich“ (Interview Marcus Boros und Raimo Siegert) Julias Camptagebuch

44

mensch & meinung „What the hell is going on here” … (Michaela Gloger)

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alles was recht ist § Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers und die Folgen verspäteter Zahlung (RA Jens Cramer) leser(innen)service/impressum

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