Schauspiel Dortmund (2010-2020; Intendanz Kay Voges) Flipbook PDF

„Man kann nicht aus einem Wald herausgehen, wie man in ihn hineingegangen ist”, lautet ein Sprichwort. Das gilt auch fü
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2010 — 2020

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Der Dortmunder Sprechchor in Das schweigende Mädchen

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Vorwort 5 Erinnern #1 7 Der vielleicht schönste Komplettverriss aus zehn Jahren 8 Theater in und für Dortmund 12 Henrik Ibsen im Schauspiel 18 Erinnern #2 22 Diese irre Idee, Menschen zuzusehen, die aus Rollen Leben machen. Martin Kaysh über zehn Jahre Schauspiel Dortmund 24 Völlig unzensiert. Jörg Buttgereit und Susanne Priebs im Interview 28 Von Crazy Carts bis Theatertreffen. Best of MEGAPEDIA 40 Eine Welt zwischen den Dimensionen. Die Geburt des Live Animation Cinemas am Schauspiel Dortmund 44 Ein Kosmos aus Emotionen, Fragen und Sehnsüchten. Theaterfotografin Birigt Hupfeld über Dortmunder Bilder und Menschen 50 Dogma 20_13. Das Dortmunder Manifest 60 Irgendwann war die Guckkastenbühne zu klein. Über die Inszenierung eines Theaterstücks, in dem die Wirklichkeit explodiert 64 Man tanzt einen Abend mit. Tobias Hoeft, Mario Simon und Laura Urbach von der Medienabteilung des Schauspiel Dortmund im Gespräch 76 Digitale Dystopien. Theaterkritikerin Dorothea Marcus über 10 Jahre Schauspiel Dortmund 82 hell | ein Augenblick 86 The Times are a-Changin‘ – Ereignisse 2010-2020 94 Wohltuend wahr. Anne-Kathrin Schulz über Theater und Recherche, Gegenwartsgeschichten und Gegenwartsgeschichte 100 Gegenwart als Inhalt. Ein Interview mit Anne-Kathrin Schulz, Kay Voges und Andreas Beck zu „Die Schwarze Flotte” 104 Frechheit! Die zehn größten Aufreger aus zehn Jahren Schauspiel Dortmund 109 Neue Allianzen. Über das Zusammenspiel von Darstellender Kunst, Aktivismus, Journalismus und Bildender Kunst am Schauspiel Dortmund 114 Burn, baby, Burn! Ein Brief von Christian Römer ans Schauspiel Dortmund 120 Don’t You forget about Me – Wie auch? Zuschauer Hartmut Formeseyn zu zehn Jahren Schauspiel Dortmund 124 O Augenblick. Zwei Zuschauer_innen erinnern sich an ihre Lieblingsmomente 125 L’Ensemble 128 Die zehn Gebote. Eine streng biblische Exegese von Theaterkritiker Stefan Keim 136 Erinnern #3. Ensemblemitglieder erinnern sich 138 Der Dortmunder Sprechchor. Alexander Kerlin im Interview 158 Der totale Gegenentwurf zum Alltag. Ein Gespräch mit den Sprechchor-Mitgliedern Bärbel Schreckenberg und Udo Höderath 164 Insofern ist das Grabpflege, was ich betreibe. Regisseur Wenzel Storch im Interview 170 Die Wucht eines voll aufgedrehten Gitarrenamps. Ein Gespräch mit den musikalischen Leitern Paul Wallfisch und Tommy Finke 182 Aus Texten Schicksale schnitzen. Über Claudia Bauers Arbeiten am Schauspiel Dortmund 198 Ausnahmesituationen. 10 Jahre – 5 Festivals 206 Nicht nur Orchideen kultivieren, sondern viele Blumen. Ein Gespräch mit Regisseur Paolo Magelli 208 Blood Sugar Sex Magic. Schauspielfreund Sebastian Franssen über zehn Jahre Schauspiel Dortmund 212 Wenn das Schauspiel Dortmund ein Lied wäre. Die Playlist des Ensembles und des Publikums 214 Auszeichnungen 2010-2020 216 Unendliche Weiten des Raums. Eine Erinnerung an zwei Jahre MEGASTORE von Dirk Baumann 222 Mittendrin statt nur dabei. Über die Arbeit mit Jugendlichen in zehn Jahren Schauspiel Dortmund 238 Die Datendompteure. Ein Gespräch mit den Digitalspezialisten Dominik Bay und Lucas Pleß 242 Ein Raum für die Kunst. Ein Raum für die Forschung. Die Dortmunder Akademie für Theater und Digitalität 250 Erinnern / Vergessen #4. Über Gedächtnis, Zeit und Fragment. Essay von Alexander Kerlin 252 Ein Mashup Mashup von Roman Senkl, Anja Neumann & Co. 258 Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter. Ein Versuch über 10 Jahre am Schauspiel Dortmund von Theaterkritiker Sascha Westphal 264 Erinnern #5: Acht Fragen an… 268 Blackbox – die diskursive Tauschbörse für gute Argumente 288 Inszenierungen 2010-2020   290 Mitarbeiter_innen 2010-2020 312 Sponsoren, Förderer, Partner 316 Impressum 317 Erinnern #6 319

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Vorwort Das Theater ist geschlossen. Keine Zuschauenden, keine Schauspielenden, keine Proben. Nur noch im Netz ist eine Inszenierung zu sehen, aus dem Jahre 2014. Gestern wäre wieder eine der Premieren des großen Abschiedsfinales am Schauspielhaus gewesen – stattdessen nun die traurige Gewissheit, in dieser Saison den Vorhang nicht mehr öffnen zu dürfen. 25. April 2020. Wegen der COVID-19-Pandemie ist eine Massenkontaktsperre verordnet. Die Orte des kollektiven Kulturerlebens sind geschlossen, als Maßnahme zur Verlangsamung der Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland. Nun blättere ich die Endkorrekturfahne unseres Abschlussbuches durch, lese die Geschichten und Gedanken, erinnere mich an die vielen Figuren und Worte und Augenblicke aus den letzten 10 Jahren. Und neben der Melancholie und Trauer, dem Publikum und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht von Angesicht zu Angesicht Lebewohl sagen zu können, überkommt mich ein Gefühl der Dankbarkeit. Gegenüber der Stadt Dortmund, der Kulturpolitik und besonders Jörg Stüdemann, für das Zutrauen und Vertrauen, für die Unterstützung. Auch gegenüber den Geschäftsführenden Direktor_innen Bettina Pesch und Tobias Ehinger samt der gesamten Verwaltung, die vieles möglich machten und mir so vieles beigebracht haben, von dem ich vorher gar nichts wusste (so werde ich Dortmund auch als Brandschutzund Vergabeverordnungsfachmann verlassen). Dankbar bin ich all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Theaters, den Werkstätten, der Kasse und dem Einlassdienst, der Medien-, der Licht- und der Tonabteilung, der Maske und der Garderobe und nicht zuletzt der Bühnentechnik – für den permanenten Versuch, das „unmögliche Theater” möglich zu machen. Und all den Künstlerinnen und Künstlern, die an unser Haus kamen und uns bereicherten durch ihre Arbeiten, ihre Impulse und ihren Mut. Dankbar bin ich auch meinem Team, der Dramaturgie, der Theaterpädagogik, der Presseabteilung, der Intendanz. Alles was in den letzten 10 Jahren stattfand, entstand wegen dieser Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter. Sie haben durch ihre Suche und Arbeit Menschen zusammengebracht, Themen gesetzt, Experimente gewagt, haben mein Weltbild verändert und mich auch in weniger guten Zeiten ausgehalten. Mein Dank gilt natürlich auch dem Ensemble, neben den Assistent_innen, Inspizient_innen, Souffleusen besonders den Schauspielerinnen und Schauspielern. Sie waren das Herz, die Stimme und der Körper des Theaters, mit ihnen habe ich gelacht, geweint und das Theater immer wieder neu gelernt. Wenn auch ihre Kunst eine flüchtige ist, so hat sich ihr Spiel tief in meinen Körper eingebrannt. Sie waren ein Geschenk für mich – und vielleicht auch für die Stadt. Und nicht zuletzt bin ich Ihnen dankbar, dem Publikum. Es war eine Freude, für Sie Theater machen zu dürfen, denn Sie waren offen, begeisterungsfähig und niemals unkritisch. Danke für die gemeinsame Zeit, ich werde Sie vermissen! „Man kann nicht aus einem Wald herausgehen, wie man in ihn hineingegangen ist”, lautet ein Sprichwort. Das gilt auch für eine Theaterintendanz. Ich bin älter geworden, grauer, faltiger, und ich habe viele neue Freunde gefunden, habe geheiratet. Und wenn es stimmt, dass jede Zelle des Körpers sich alle sieben Jahre erneuert, so haben sich in Dortmund das Theater und all die Menschen, die ich kennenlernen durfte, in mich eingeschrieben, sind Teil von mir geworden. Da Theaterregisseur_innen eine Neigung zu symbolischen Handlungen haben, wollte ich mir als Liebeserklärung zum Abschluss meiner Zeit in Dortmund einen Stern über das Herz tätowieren lassen. Nun haben aber auch die Tattoostudios wegen Corona geschlossen. Somit teile ich nun kein Foto meines Sterntattoos mit Ihnen, jedoch dieses Buch, mit Bildern und Gedanken, die der Redaktion unter die Haut gingen – und vielleicht auch ein Teil von Ihnen wurden. Schön war es, danke und auf Wiedersehen! Ihr Kay Voges

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Caroline Hanke in Woyzeck

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ERINNERN #1 Roman Senkl. Studierte „Szenisches Schreiben“ (UdK Berlin) und „Regie“ (HfS Ernst Busch). Autor, Regisseur (Gorki-Theater, DT Berlin, Ringlokschuppen) sowie Dozent und Lektor (Kunstuniversität Graz, Princeton, Cornell University). Mitbegründer der Theaterkollektive „K.G.I.“, „minuseins“ „onlinetheater. live“ sowie „Initiative Interface“ und „Initiative Digitale Dramaturgie“. Erhielt u.a. den „Goldenen Löwen“, Cannes. Nach ersten Zusammenarbeiten 2018/19, seit 2019/20 fester Dramaturg am Schauspiel Dortmund und Akademie für Theater und Digitalität.

J e t z t v o r d e m l e t z t e n Ve r s t u m m e n a u f d i e s e n – g e l i e b t e n u n d v e rhassten und gefürchteten und vermissten und geliebten – Brettern: Mich erinnern an die eigene Erweckung durch das Theater ODER: D i e e i g e n e G e b u r t i m G e i s t e d e r Tr a g ö d i e – a l s d e r F u n k e ü b e rsprang – der Überschwang – im Dunkel des nur schlecht befüllten Saals M i c h e r i n n e r n h e i ß t : I c h b e t r a c h t e d i e B i l d e r, w e l c h e s i c h e i n g e brannt haben in die eigene Netzhaut M i c h e r i n n e r n h e i ß t : I c h b e t r a c h t e d i e B i l d e r, w e l c h e s i c h e i n g e schrieben haben in die eigene Haut Am Anfang waren: e r s t e G e h v e r s u c h e / Ve r s t e h v e r s u c h e / S e h v e r s u c h e b e i m B e t r a c h t e n v o n L i c h t u n d S c h a t t e n i m d i o n y s i s c h e n Ta n z m i t den Körpern i m Ta n z ​G E G E N D I E S T I L L E ​G E G E N D A S S C H W E I G E N GEGEN DAS DUNKEL GEGEN DAS ENDE E I N W O R T O D E R E I N S AT Z O D E R E I N E G E S T E O D E R EIN SCHREI DIE LÜGE – IM DIENSTE DER WAHRHEIT BLUT UND SPUCKE UND FLEISCH Umringt vom ewigen Schatten wird das Unsichtbare plötzlich sichtbar in den spielenden Körpern

AUSZUG AUS PLAY: MÖWE | ABRISS EINER REISE AUTOR: ROMAN SENKL

Nachbilder auf der Netzhaut den Augenblick festhalten den Nebel festhalten das Beinahe-Nichts festhalten d i e G e i s t e r d e r To t e n f e s t h a l t e n das Licht einen Moment lang noch festhalten Nachbilder eingebrannt in die Netzhäute Nachbilder eingebrannt in die Köpfe und Körper der Menschen Am Anfang war: der Leib

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DER VIELLEICHT SCHÖNSTE KOMPLETTVERRISS AUS ZEHN JAHREN Der Kritiker Peter Bilsing besucht für Der neue Merker im Januar 2012 die Dortmunder Premiere von Yasmina Rezas Erfolgsstück Der Gott des Gemetzels in der Regie von Marcus Lobbes. Es folgt der sprachlich furioseste, humorvollste und gleichzeitig wohl härteste Verriss, den wir in zehn Jahren erhalten haben, und den wir an dieser Stelle – leicht gekürzt – dokumentieren. Wir verneigen uns vor diesem Kunstwerk des Schmähs, sagen Dank – und hoffen inständig, dass der Zorn mittlerweile wieder verraucht ist…

Wenn Sekunden zu Stunden werden Es gibt in meinem bisherigen langen Kritikerleben nur zwei Produktionen, die ich frisch und fromm von der Leber weg direkt als „gequirlte Scheiße“ bewerten würde; das eine war der Ratten-Lohengrin aus den Bayreuther Versuchslaboren von Hans Neuenfels (2010/11), und das zweite ist dieses vorgestern in Dortmund unter der Regie von Marcus Lobbes aufgeführte Machwerk nach dem berühmten und wirklich tollen Theaterstück (mittlerweile auch sehr erfolgreich verfilmt!) Der Gott des Gemetzels von Yasmina Reza. Es sind mal gerade erst drei Sätze aufs schlimmste affektiert und künstlich verfremdet gesprochen, da möchte der Kritiker schon panikartig das Schauspielhaus verlassen. Kennen Sie solche Situationen? Sie wissen eines genau: Das ist „Scheiße hoch 3“ und wird garantiert nicht besser; Sie müssen aber noch 89 Minuten sitzen bleiben, weil man halt gut erzogen ist und sich nicht während der laufenden Vorstellung störend mitten durch die anderen Zuschauer quetschen möchte.   Puh! Jedes gesprochene Wort auf der Bühne wird zum Martyrium, welches sich in den unendlichen Sekunden des zäh springenden Zeigers der Uhr spiegelt. In der Tat: ein Gemetzel. Dabei weiß ich zumindest von Friederike Tiefenbacher, was für eine göttliche Schauspielerin sie wohl ist. Aber auch sie hat keine Chance. Der Versuch zu entfliehen, wenigstens virtuell, indem ich mich in den Sekundenschlaf flüchte, was sonst in jeder Oper gelingt, klappt diesmal nicht, denn mein Hals ist zornesgeschwollen und mein wütend forcierter Puls tendiert gegen 180 – Blutdruck 200. Ich bin in der Stimmung für eine ordentliche Schlägerei. Von Schlafen keine Spur; ich kann mich auch nicht in meinen zumindest körperlich doch vorhandenen Panzer zurückziehen. Keine nahegelegene Notausgangstüre ist in Sicht! Zwei Stunden sind scheints vergangen, doch meine exakt funktionierende Funkarmbanduhr zeigt erst 13 Minuten! Zu diesem Zeitpunkt gehe ich davon aus, daß ich diese Schmiere nicht überleben werde...  

Ekkehard Freye in Der Gott des Gemetzels

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Welcher Teufel hat den Regisseur  geritten, dessen 2010  mit großem Erfolg  in Wuppertal  aufgeführter  König Lear  allerhöchstes Lob auch der versammelten Kritik bekam, diese landauf, landab vielgespielte und international gefeierte wunderbare Tragikomödie so zu verhunzen, ein derartiges Affentheater mit grimassierenden Darstellern zu inszenieren? Natürlich dachte das Regieteam beim Titel  Gott des Gemetzels  an Antike. Die Griechen hatten bekanntlich viele Götter. Einen richtigen „Gott des Gemetzels“ gab es vielleicht bei den Inkas – allerdings noch unentdeckt. Wegen des Titels und weil halt keine Zeitsprünge im Stück sind – wir erleben alles in Echtzeit – verwendet Regisseur Marcus Lobbes Symbole griechischer Tragödien: Ein nachlässig umgeworfenes Bett-Tuch ziert als eine Art Toga alle Mitwirkenden. Da bei der griechischen Tragödie alle Rollen von Männern gespielt wurden, müssen auch hier die Männer Frauenkleidung tragen und sich auf Stöckelschuhen über die Treppen quälen, was dazu führt, daß sie natürlich öfter stolpern und sich hinlegen. Hahahaha... Das ist wirklich urkomisch, und das Premierenpublikum schlägt sich unentwegt auf die Schenkel. Manche, vor allem Besucher, die das Stück kennen und evtl. den superben Film gesehen haben, schauen allerdings so finster drein wie der Kritiker.   Ich versinke immer tiefer in meinem Theatersessel – was bei einer Größe von gut zwei Metern schwer fällt. Gerade versucht eine Schauspielerin, sich an einer der vielen von der hohen Decke herunterhängenden Klopapierrollen zu erhängen – jodelnde Begeisterung im Publikum! Die Akteure tun mittlerweile so, als ob sie sich besaufen. Auch diese Sequenzen werden natürlich künstlerisch intellektuell verklärt und verfremdet, indem man sich gegenseitig mit großen Stücken schwarzen Textilbandes verklebt. „Hier noch einen Drink!“ – klatsch, ein Stück Klebeband auf die Backe! Ich schließe die Augen. Die Schauspieler müssen mal schnell, mal langsam sprechen, zerhacken den Text, brüllen und grunzen sinnlos, rollen mit den Augen und gehen sich an die Wäsche. Als ich zwischenzeitlich mal wieder die Augen öffne, geht ein Darsteller nicht nur sich, sondern auch dem drei Meter großen Teddybären ans Gemächt. Wo ist der Sinn? Nur noch 60 Minuten signalisiert meine Uhr nach gefühlten und schmerzlich erduldeten zehn Stunden baren Unfugs. „Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani...“ ich erinnere mich nun mit Freuden an die Lateinstunden vor 50 Jahren und erkenne jetzt endlich den Sinn dieser Auswendiglernerei. Welch wunderbare Ablenkung! Ich versinke mental in Caesar und überlebe dieses Schmierentheater. Unmerklich ist es 21 Uhr geworden und das Publikum jubelt plötzlich. Ein paar wenige buhen.   Als ich dann bei mich vom Tacho ablenkendem brodelndem Zorn (wieviel sind eigentlich zwei Stunden gestohlene Lebenszeit wert?) auf dem Nachhauseweg auf dem Ruhrschnellweg Richtung Düsseldorf auch noch geblitzt werde, ist das Maß voll… Gott vergibt – Kritiker Big P. nie! Wir sehen uns nochmal, Freundchen! Das Dortmunder Theater sieht mich allerdings nie mehr; nicht in diesem Leben!

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Jakob Schneider in Auf, auf zum Kampfe, zum Kampfe, ihr Holzwürmer! (aus der Reihe STADT OHNE GELD)

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THEATER IN UND FÜR DORTMUND

Michael Eickhoff war seit 2010 Dramaturg am Schauspiel Dortmund. Seit 2019 gehört er außerdem zum Leitungsteam der Akademie für Theater und Digitalität.

von Michael Eickhoff

Eine Intendanz beginnt mit einem leerem Blatt Papier, so denkt man, auf das man als künftige_r Intendant_in die eigenen Ideen zur künstlerischen Arbeit der kommenden fünf Jahre schreibt. Die Kommune will ja wissen, wer da kommt und was man sich für neue Versprechen einkauft… Dass all diese Ideen auf dem Boden von künstlerischen Überzeugungen, Visionen und Wertvorstellungen bestehen, leuchtet den allermeisten Menschen schnell ein. Dass darüber hinaus zur Konzeptionierung der eigenen Arbeit auch dramaturgische Recherche und ein daraus resultierender Haufen von Vermutungen und Thesen über die dem neuen Team noch unbekannte Stadt gehören, deren künstlerisches Geschehen man als Intendant_in mit gestalten darf – das steht auf einem anderen Blatt. Da wird aus einer Kommune plötzlich ein mehrdimensionaler Körper, einem Stern gleich, irgendwo aufgehangen am Firmament auf seiner geschichtlichen Bahn. Und man selbst ist just ein kleines, winziges Stück Teil ihrer Reise durch Raum und Zeit, beobachtet ihre innere Dynamiken, Konflikte und Entwicklung, Macht und Ohnmacht, Interessen und Ideen – vor allem aber ihre Menschen und ihre Geschichten. Wie bündelt man aus all diesen vielfältigen Koordinaten von Ort und

Zeit, Vergangenheit und Zukunft einen sinnlichen und klugen Strauß an Theaterarbeiten, der in seinen Einzelteilen ein vielfältig interessiertes und divers zusammengesetztes Publikum ins Theater locken mag? Die allererste Wahrheit über diese Frage: Die Themen liegen auf der Straße. S TA D T O H N E G E L D Am 30. Januar 2009 wurde Ullrich Sierau als Nachfolger Gerhard Langemeyers ins Amt des Dortmunder Oberbürgermeisters gewählt. Am folgenden Tag informierte Langemeyer auf einer Pressekonferenz über ein 100 Millionen Euro großes Loch im Dortmunder Haushalt und verhängte eine Haushaltssperre. Der neu gewählte OB Sierau stand düpiert da – oder: wusste er es im Vorfeld, wusste er es nicht? – und geriet in die Kritik. Die Wahl wurde schlussendlich wiederholt. Viel schlimmer aber: Fortan war Dortmund deutschlandweit die „Stadt ohne Geld“. Für die neue Schauspiel-Leitung drängte sich – ebenso wie für viele andere Bürger_innen der Stadt - die Frage auf: Wo setzt ab Herbst 2009 die Stadt den Rotstift an? Welche Ausgaben stehen auf dem Prüfstand? Und in weiterer Flucht: Wofür gibt die Kommune das Steuergeld ihrer Bürger_in-

nen und Unternehmen eigentlich aus? Welche Ausgaben sind zwingend geboten, also Pflichtaufgaben, welche sind verhandelbar und freiwillig? Und wer und wie entscheidet man eigentlich, was aus den Steuereinnahmen einer Kommune freiwillig zu finanzieren ist – was gehört zu den gestaltbaren Herzensanliegen der Dortmunder Kommunalpolitik: Grünanlagen, Bibliotheken, Unterhalt von kulturellen Einrichtungen, Schwimmbäder, Veranstaltungen etc.? Das Schauspiel antwortete auf die ökonomisch-politische Krise mit künstlerischen Mitteln und setzte zum Auftakt der Intendanz die viermonatige Reihe Stadt ohne Geld mit 19 verschiedenen Veranstaltungen, Streitgesprächen, Stadtspaziergängen und kleinen Inszenierungen – gemeinsam mit den freien Künstler_innengruppen kainkollektiv und sputnic, die mit Dramaturg Alexander Kerlin die Reihe künstlerisch entwickelten. Begleitet wurden sie in ihrer Arbeit von Mareike Soerensen und Hendrik Feldkamp, die vom Institut für urbane Krisenintervention (IfuK), einem neoliberalen Thinktank, beauftragt waren zu eruieren, was denn die Kunst tun kann, um Kapital für die Kommune zu generieren: Der Segen der Kreativwirtschaft würde vom Schauspiel Dortmund ausgehen, so die Hoffnung, Allianzen zwi-

schen Läden der gerade entstehenden Thier-Galerie und dem Schauspiel könnten goldene Koalitionen zwischen Kapital und Kunst stiften, so das Narrativ. Dass indes diese unheilige Allianz zwischen Wirtschaft und Theater nicht unwidersprochen bleiben würde, zeigte bereits der Eröffnungsabend der Stadt ohne Geld-Reihe: das Economy Death Match am 6. Oktober 2010, als linke Aktivist_innen rund um die jüngst besetzte Kronenbrauerei die Bühne stürmten und lauthals gegen die Vereinnahmung öffentlich geförderter Kultur(institutionen) durch die Kreativwirtschaft wetterten. Doch: alles fake oder, wie man 2010 noch sagte: Fiktion. Denn die Aktivist_innen erwiesen sich als ebenso embedded wie die beiden Wissenschaftler_innen Soerensen und Feldkamp. Mit selbstironischem Witz verweist Regisseur und Dramaturg Fabian Lettow vom kainkollektiv darauf, wie irrelevant allerdings der Versuch einer Unterscheidung von Fiktion der Bühnenbehauptung und Realität harter Finanzmarktzahlen sei: „Haben Sie schon einmal eine Finanzblase platzen sehen?“ So lässt sich am Ende die Welt der Kunst nicht von der des Marktes trennen. Allein, es gilt, die drohende Vereinnahmung in Zeiten eines kreativwirtschaftlichen turns kritisch zu beschreiben – ebenso wie die

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Verausgabung der kommunalen Steuereinnahmen kritisch zu begleiten. H E I M AT U N T E R E R D E Dortmunds Strukturwandel, der den moderaten Übergang von der Kohle-, Stahl- und Bier-Stadt zur Stadt der Dienstleistungen und Versicherungen gestalten sollte, begann in den späten 1970ern. Der Bergbau begann bereits Anfang der 1970er zu schwächeln – bis dahin war der Bedarf an einfachen Arbeitskräften hoch, man hatte ab Mitte der 1950er Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien, Jugoslawien, Griechenland und 1961 auch mit der Türkei geschlossen. Bereits 1964 konnte man den 1.000.000sten Zuwanderer begrüßen. Menschen, die zunächst als billige „Gastarbeiter“ kamen, qualifizierten sich, blieben, holten ihre Frauen und Kinder nach Deutschland und hielten selber den Traum für sich lebendig, eines Tages wieder „zurück in die

Heimat“ zu gehen, für die man sparte. Doch aus wenigen harten Arbeitsjahren, die es anfangs sein sollten, wurde meist ein ganzes Leben; Kinder und Enkel kamen hier zur Welt – eingebunden und manchmal auch aufgerieben zwischen zwei Kulturen. Die Inszenierung Heimat unter Erde (Premiere im Januar 2011 in der Regie von Stefan Nolte) fragte im Gewand einer doku-fiktionalen Geschichte nach dem Schicksal der ersten türkischen Einwanderergeneration und deren Enkeln. Eine Art Tiefenbohrung in die Geschichte der Kohle, des Bergbaus und der Migration war Heimat unter Erde Dokumentation und Märchen zugleich, gespielt und gesungen von drei Zeitzeugen, Jugendlichen und Schauspieler_innen, auf Deutsch und Türkisch. War die Arbeit unter Tage, wo der Aschestaub den Kumpeln alle Unterschiede aus den Gesichtern tilgte, die große Gleichmacherin? Wie weit reichte die sprichwörtliche Solidarität? Bedingungsloses

Einstehen füreinander? Schloss sie alle ein – und das auch jenseits der Arbeit unter Tage? In einer Art Generationenabgleich fragte Regisseur Stefan Nolte nach den Hoffnungen und Schwierigkeiten der dritten Einwanderer-, der Enkelgeneration: Sind die Enkel angekommen? Wo gelingt Integration, wo überlagern die Schwierigkeiten das Erreichte und worin bestehen die Konsequenzen für die heute 15-25jährigen? Als von der Bühne herab die drei ehemaligen Steiger Arif, Peter und Max mit dem Männergesangsverein Harmonie der Zeche Victoria aus Lünen die türkischen Großfamilien im Publikum gemeinsam mit den (Enkel-) Kindern der deutschen Bergleute zum gemeinsamen Singen des Steigerliedes animieren konnten, war dies wohl kein rührseliger Kitsch, sondern ein glückvolles Moment, in dem die gemeinsame Geschichte kollektiv bezeugt wird. Die AfD wirkte hier, von heute aus betrachtet, noch Jahr-

zehnte entfernt – und vielleicht hat der Bergbau und die Mentalität, die er hervorgebracht hat, die Bewohner_innen des Ruhrgebiets ein wenig immuner gegen das Gift des Rassismus gemacht, das derzeit so sichtbar aus jeder Fuge quillt. C R A S H T E S T N O R D S TA D T UND RÜCKKEHR ZUR N O R D S TA D T Ein zweites partizipatorisches Projekt hatte in den Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 ungleich größere Dimension, war vor allem auf einen größeren Probenzeitraum angelegt, in dem sich mit längerem Atem mit Akteur_innen aus der Nordstadt arbeiten ließ. Im April 2011 bezog das stetig wachsende Crashtest-Team rund um Regisseur und Entwickler Jörg Lukas Matthaei das operationelle Headquarter erst in einem Ladenlokal, dann in der entweihten Neuapostolischen Kirche – beide unweit des Dortmunder Nordmarkts gelegen. Es blieb für die folgenden acht Monate die fast tägliche Anlaufstelle für die 120 Beteiligten des Crashtest Nordstadt. Der Crashtest, als zweiteiliges Sequel eines urban street game von matthaei & konsorten entwickelt, schleuste Zuschauer_innen in Kleingruppen auf unterschiedlichen Parcours durch das ihnen zumeist unbekannte Terrain vague der Dortmunder Nordstadt: Straßen, Hinterhöfe, Hotels, Privatwohnungen, Abbruchhäuser u.v.m. Auf sechs Quadratkilometern gab es für das Publikum in Begegnung und manchmal Konfrontation mit eingeweihten Nordstadt-Akteur_ innen eine Vielzahl von Aufgaben zu erledigen. Grundansatz

Stadt ohne Geld, Werbeplakat (sputnic)

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beider Spielformate war die Herausforderung, sich auf eine andere Spiellogik und Wertigkeit einzulassen, als dies die allermeisten Zuschauer_innen aufgrund ihrer weißen Biografie aus ihrem Alltag mitbrachten – wie ließen sich der kulturelle Code einer Aufgabe knacken und dann entsprechend die meisten Punkte einheimsen, die auf das jeweilige Spielekonto der Gruppe einzahlten? Ziel blieb weniger, den übel beleumundeten Dortmunder Norden in ein anderes Licht zu setzen, sondern vielmehr zu verstehen, dass der Stadtteil, der sonst durch alle Parameter sozialer Disqualifizierung beschrieben wird, anderen Regeln folgt und in dem andere Werte gelten, als dies von einer Statistik erhellt wird, die Sozialräume nach Kriterien von Jugendarbeitslosigkeit, Schulabschlüssen, Alkoholund Drogenkonsum, Anzahl der ALGII-Bezieher_innen etc. beschreibt und nicht anders kann, als den Dortmunder Norden als sozialen Brennpunkt „mit besonderem Erneuerungsbedarf“ zu kategorisieren. So war das Nordstadt-Projekt mit seinen ca. 120 Beteiligten aus dem Stadtteil selbst und der großen Zahl an Kooperationspartnern vieles: Börsenspiel, interaktiver Stadtteilparcours, Sozialprojekt und urban street game, das ehemalige Prostituierte, 1€-Jobber, Hacker_innen vom Chaostreff, Schüler_innen, Geflüchtete, Musiker_innen und ehrenamtliche Baumpat_innen zusammenbrachte. Sie alle arbeiteten an einem anderen Bild der Nordstadt, das im besten Falle im krassen Widerspruch stand zu dem weitverbreiteten Bündel an Vorurteilen, zwischen denen die Bilder einer anderen Wirklichkeit nur schwer hindurchscheinen konnten.

I C H , E U R O PA Mit Fremdbildern ging auch die Inszenierung Ich, Europa um, die der Regisseur Marcus Lobbes im Oktober 2018 mit elf Schauspieler_innen zur Premiere brachte. Die fast einjährige vorbereitende Spurensuche richtete sich auf das Verhältnis von Nahost und Europa, von Morgenland und Abendland, Orient und Okzident – auf die jahrhundertelange gemeinsame und wechselvolle Geschichte voller Nähe und Distanz, fruchtbarem Austausch und kriegerischem Streit. Verbunden mit der Frage, was denn „Europa“ im Unterschied zum „Nicht-Europa“ ausmache, wie man es definiere: kulturräumlich, geopolitisch, religiös etc. Was denken Menschen von und über Europa, die nicht in Europa leben, ihre künstlerischen Wurzeln nicht hier haben oder die eine Fluchtgeschichte nach Europa getrieben hat? Ich, Europa lud zum Perspektivwechsel ein und blickte von außen auf diesen vertrauten und doch fremden Kontinent. Es ging ein Aufruf an Autor_innen, Romanciers und Dramatiker_innen, zunächst der MENA-Region, später auch des Westbalkans, einen kurzen Monolog aus der Ich-Perspektive einer fiktiven Figur „Europa“ zu schreiben beginnend mit den Worten „Ich, Europa, …“. Der Aufruf zirkulierte in zahlreichen Verlagen, hing an einigen virtuellen schwarzen Brettern der arabischsprachigen Welt und wurde von Agent_innen in den einschlägigen Netzwerken verbreitet. Es entstanden am Ende elf Monologe von Autor_innen, die ihre Wurzeln in Afghanistan, Algerien, Bosnien-Herzegowina, dem Iran, Montenegro, dem Libanon, Syrien und der

Türkei hatten – ein Konglomerat aus diversen literarischen Stimmen, die weniger in Ereignisse der gemeinsamen Geschichte ausgreifen, sondern sich in den allermeisten Fällen auf Werte beziehen, die mit Europa identifiziert werden, aber von Europa verraten werden. Es entstand ein polyperspektivisches Bild von Europa, in dem jeder literarische Splitter in seiner poetischen Kraft und seinem wütenden Appell ein autonomer Teil des neu zusammengefügten Bildes war – eine Mischung aus Traum, Erinnerung und Zerrbild. Und auch dazu geeignet, sich selbst und den anderen darin zu erkennen. Ein Korrektiv? Eine Einladung zum Gespräch in jedem Fall… Vier Versuche, die den Weg vom Blatt Papier auf die Bühne gefunden haben; vier Versuche, Dortmund aus seiner Geschichte, aus seinen aktuellen Konflikten heraus zu lesen; vier Versuche, den Bewohner_innen über ihre Geschichten nahezukommen, die in den meisten Fällen Geschichten sind von Aufbruch und Ankunft, Verlust der Heimat und neuer Freundschaft, Reichtum in Fülle und der Armut der Straße, von Brüchen und Kontinuität, von Hoffnung und Tristesse, von tiefer Verbundenheit und unendlicher Einsamkeit, von Trauer, Schmerz und Glück. Wenn wir sie stets nur alle bezeugen könnten – diese Geschichten…

Marlena Keil in Ich, Europa

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Caroline Hanke und das Ensemble des Männergesangvereins „Harmonie” der Zeche Victoria aus Lünen in Heimat unter Erde

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Uwe Schmieder, Tobias Bülow, Caroline Hanke, Christian Freund, Ingeborg May, Anke Zillich und das Ensemble des Männergesangsvereins "Harmonie" der Zeche Victoria aus Lünen in Unsere Herzkammer

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HENRIK IBSEN IM SCHAUSPIEL

Nora mit Caroline Hanke, Axel Holst im Folgenden: Gespenster mit Luise Heyer, Björn Gabriel Peer Gynt mit Julia Schubert, Peer Oscar Musinowski, Sebastian Graf, Friederike Tiefenbacher, Bettina Lieder, Uwe Rohbeck Hedda Gabler mit Bettina Lieder, Marlena Keil, Ekkehard Freye

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ERINNERN #2 H a b n i e i m Tr a u m d a r a n g e d a c h t j e t z t h i e r z u s t e h e n . G e r a d e n o c h d i e Ve r r i n g e r u n g d e r A b s t ä n d e , d a s A u f l ö s e n d e r Z e i t , d e r D r o h n e n k r i e g , E u r o p a . B e t r ü g e r, To m a t e n b l u t , t o t a l e E r i n n e r u n g , a m A b g r u n d , m i t Ta u b e , i m To r. W u t , Tr ä n e n , L i e b e , E u p h o r i e , Ve r z w e i f l u n g , H o c h z e i t , M o r d , P o l i t i k , S h o w, P o e t i k , w a s w e i ß i c h . Vo r d e m Sturm, rotierend und rückwärts, verformt, geschnetzelt, versinkend, von Gärtnern freigejätet, im Weekendfeeling, im Elend, blau rot weiß mit Sternen, mit Hotdogs, mit Koffern und Ozeankarten, Lucy n e b e n m i r, d e r A p f e l b a u m u n d d e r E i s b ä r, u n d d a s A l l , k l a r, u n d d e r F i t n e s s r a u m a n d e r G r e n z m a u e r. Ich meine das alles natürlich nur beispielsweise, auszugsweise. Glücklicherweise. Beziehungsweise eben REIN EXEMPLARISCH! A m A n f a n g d r e i To n n e n S c h n e e . Und nackte Füße. Barocksein wollt ich nie, das passte also, mitten rein ins kalte Nass, arbeiten. Arbeiten. K e i n C h a m p a g n e r. H a s s e i c h . U n d ü b r i g e n s a u c h d i e s e a u s d e r W a n d w u c h e r n d e n O b e r k ö r p e r. Und ich hasse auch diesen rosa Hasen. Nein, Moment! Ich liebe diesen rosa Hasen.   Soll ich vielleicht etwas singen? Neulich wollte ich ein Musikvideo drehen, doch dann bekam ich einen Anruf, und es lachte in der Leitung: „Bin jetzt auch am Theater! Hab also auch nie wieder Zeit!“ Wo war ich stehengeblieben? A c h j a : H a b n i e i m Tr a u m d a r a n g e d a c h t h i e r j e t z t z u s t e h e n . So zwischen Zähneputzen und Zähneputzen Schreibtisch und Badewanne, (ja, es gibt immer irgendwo eine Badewanne…oder zumindest eine Dusche). N o c h m a l b i s h u n d e r t z ä h l e n ? O d e r d i e Tr e p p e r u n t e r g e h e n ? Oder zu den Patriarchenteichen? O d e r n a c h U t z b a c h o d e r N e w Yo r k ? Oder mich verlieben oder ans Kreuz? Oder soll ich lieber noch einen Apfel essen? Oder doch lieber jetzt was singen? AUSZUG AUS PLAY: MÖWE | ABRISS EINER REISE AUTORIN: ANNE-KATHRIN SCHULZ

Und ja, ich kann schon erklären, wenn etwas nicht funktioniert. A b e r d a s G e g e n t e i l g e h t s c h w e r e r. H a b n i e i m Tr a u m d a r a n g e d a c h t h i e r s o z u s t e h e n .

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Caroline Hanke und Eva Verena Müller in Das Goldene Zeitalter

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DIESE IRRE IDEE, MENSCHEN ZUZUSEHEN, DIE AUS ROLLEN LEBEN MACHEN

Martin Kaysh über zehn Jahre Schauspiel Dortmund

Die Schuhe haben mich gerettet. Ekkehard Freyes Schuhe, er trug sie im Epilog in der Fest-Inszenierung. Weil ich mal wieder zu spät gekommen war, saß ich in der ersten Reihe. Ein Traumplatz für Schuhputzer ist das, und wie ich diesen Berufsstand in Istanbul kennen gelernt hatte, würden sie ihrem Gewerbe hier in Dortmund auch ohne Hemmung nachgehen, so wie sie mir als Angebot zum Vollzug ihrer Dienstleistung in Beyoğlu und im Gehen einst Schuhcreme auf die Wildlederschuhe geschmiert hatten. Die Schuhe des Schauspielers glänzten, für mich war der Platz die Hölle, weil ich im Theater schüchtern bin. Wenn ich im Saal sitze, soll Dunkelheit mich vollends verschlucken, möchte ich unsichtbar werden, zur Not dieses Gemeinsamkeit stiftende Atmen als ein Publikumskörper oder -geist erreichen, auch wenn ich sonst wenig esoterisch bin. Was ich nicht möchte: Dem Spieler da oben in die Augen schauen und angeschaut werden in einer Nähe, die ich sonst im vollen Aufzug ertrage und im Privaten suche. Wenn ich die da oben auch noch ein bisschen privatös kenne, also nicht so richtig, sondern von Premierenfeiern und anderen Gelegenheiten in Privatschuhen, fühle ich mich auf die Entfernung nicht als Zuschauer, sondern als Zuglotzer. Vorderste Reihe, Frontline, da ist die Entfernung zu kurz, das Licht zu schnell, um da noch den Menschen auf der Bühne in seine Bühnenfigur zu verwandeln. Erste Reihe Parkett, das ist im Kabarett in Ordnung, da stehe ich dann oben, habe die Schuhe an, und Rufe und Zwischenrufe sind willkommen. Kabarett ist Kampfsport, wenn´s gut läuft. Ansonsten pennen dir da die Leute weg, wie in manchem Stadttheater Teile des Abonnentenpublikums, oder der mitgeschleppte Teil davon, Männer meist. Kabarettpublikum muss delphinös zwei Gehirnhälften

besitzen, die eine schläft, die andere lässt zustimmend lachen und klatschen. V I E L L E I C H T W A H R H E I T, IMMER ABER EINMALIGES Bei Premieren habe ich immer Bürgermeister_innen und Landtagsabgeordnete bedauert, die auch im Theater zeigen müssen, dass sie immer in die erste Reihe gehören. Am liebsten sitze ich da, wo in den Endproben das Regiepult steht, Reihe neun bis elf, je nach Haus, in der Mitte. Eine Begleiterin tendiert zum Rand. Das ist der mir völlig schleierhaften Angst geschuldet, man müsse bei allzu langer Spieldauer irgendwann mal kurz raus aus dem Saal. Theaterleute haben ja keine Ahnung, welch präzise Inszenierung so ein Publikum Abend für Abend leistet. Alternative sind die hinteren Reihen, wie früher im Bus auf Klassenfahrt. Im Schauspiel findet man da bei Premieren die Leute aus dem Haus, gute Leute, die selten zum Gesehenwerden da sind, grundsätzlich erst einmal wegen der Sache, dieser irren Idee, immer noch Menschen auf der Bühne zuzusehen, die Abend für Abend aus Texten ein Stück machen, aus Rollen Leben, vielleicht Wahrheit, immer aber Einmaliges. Angefangen hat meine Beziehung zum neuen Ensemble 2010 ohne Sichtkontakt. Rückblickend war dieser erste Kontakt fast schon prophetisch. Das wunderbare Straßenmagazin bodo feierte Jubiläum, öffentlich, Kay Voges sollte Gast sein, ich sollte ihn interviewen. Wir kannten uns nicht, mussten uns für ein Vorgespräch verabreden, telefonisch. Kurz vor dem Premierengewitter wollte ich nicht stören, auch da wieder Schüchternheit, hing selbst aber ständig auf irgendwelchen Probe-

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Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist (Geierabend), als „Steiger“ Ehrenhauer auf der Zeche Auguste Victoria, Autor, Kolumnist, Blogger und Podcaster (Wir und Heute mit David Schraven).

bühnen rum und war telefonisch quasi unerreichbar. Denn mein erstes Hightechhandy lag im elektronischen Sterben, seit Tagen war an Telefonieren mit dem Ding nicht mehr zu denken. Plötzlich aber klingelte das Gerät. Kay Voges war dran, mit diesem Menschenfischerding, entschuldigte sich für fehlende Zeit, dehnte sie aber in diesem Gespräch gefühlt ins Unendliche, war freundlich und höflich und witzig und sonst noch was. Nebenher hatte er mit dem Reanimieren meines Lazarus-Handys sein erstes digitales Meisterstück abgeliefert. Wenig später dieses öffentliche Gespräch. Kay* fühlte sich von den bisherigen Erlebnissen in der neuen Stadt bedrängt. (Nebenher: Tommy Finke trat dort auch auf; Mario Simon war Produktionsleiter des Abends.) Wir sprengten bei diesem Fest der Ausgestoßenen jede Zeitvorgabe, verstanden uns. Nur als der Neue dann in diese Fußballmetaphern griff, irgendeine BVB-Analogie bemühte, gab ich mich genervt. Trotzdem freute ich mich Jahre später, als ich im MEGASTORE, diesem Ausweichquartier, BVB-Spieler Neven Subotić traf (bei Geächtet), diesen klugen und coolen Star: Dem hatten Fans nach einer Meisterschaft im stets zugestellten Kreuzviertel einen eigenen Parkplatz auf den Asphalt gepinselt. T H E AT E R F Ü R E I N E C L I Q U E O H N E MITGLIEDSAUSWEISE Kay* musste ein Erfolg werden, das war ich mir schuldig, auch wenn ich weder zu entscheiden noch zu verantworten hatte, was da im Schatten *„Kay“ steht dabei für: Dieses ganze Vogesding, mit all den dramaturgisch Tätigen, den Spielerinnen und Spielern, dem Musikalischen Leiter, den anderen aus der Regie, der Ausstattung, den Kostümen, der Bühne und natürlich Mirjam Beck)

der Oper passieren sollte. Zu dringend war das Gefühl, dass in Dortmund endlich dieses Theater stattfinden musste, dieses Mehr als das Aufführen von abiturrelevanten Reclamheftchen. Schon bei der Vorstellung des neuen Schauspielchefs hatte sich analog und mit Leserbriefen über die Neuen ergossen, was heute Shitstorm hieße. Mich erinnerte das an die traumatische Erfahrung bei den Recklinghäuser Ruhrfestspielen 2004, als man dort Frank Castorf zum Intendanten machte, ihn aber zugleich mit allen Mitteln und noch vor der Eröffnungspremiere demontierte, woraufhin Castorf mit entschiedener Ignoranz der örtlichen Umstände zurückballerte. Zu sehr wünschte ich in Dortmund ein Theater, „wo man gerne hingeht“, um einen großen Kunstliebhaber zu zitieren, wobei „man“ hier für eine Clique ohne Mitgliedsausweise stand, für eine eher daherfantasierte Klientel der Neudenker_innen, der Blogger_innen, der Irgendwasmitmedienmenschen, der Sozis ohne Parteizugehörigkeit, für die Generation, deren letzter Bergmann in der Familie nicht der Vater, sondern der Großvater war. Es musste sich endlich was tun, dieses Bochumer Shakespearemuseum mit angeschlossenem Spielbetrieb konnte gerade nicht das neue Theater im Ruhrgebiet sein. Die Ruhrfestspiele mit ihrer immer noch rührenden Gründungslegende vom illegalen Tausch Kohle für Kunst hatten übersehen, dass man schon zur Grundsteinlegung des Festspielhauses 1961 mit Erdöl geheizt hatte und dass jetzt, 2010, gerade die fossilen durch die erneuerbaren Energien ersetzt wurden. Dortmund stand seinem Schauspiel nie feindlich gegenüber. Der großen Politik ist es egal,

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ist es Fortsetzung der Oper ohne Orchester, Anhängsel. Die Kulturpolitik, mit Ausnahmen, freute sich lange Zeit, wenn wenigstens in den Reclamumsetzungen keine Nackten auftauchten. Man dümpelte und ignorierte so vor sich hin.

der Auseinandersetzung mit diesem Geschwätz von der Kulturwirtschaft, und der Dortmunder Sprechchor sagte alles zu diesem betreuten Shoppen in der monströsen Thiergalerie nebenan, wo die Freien bis heute keine Worte oder Bilder finden.

Lange hielt ich etwa diese Dortmunder SB-Garderobenschränke fürs Publikum à la Hallenbad für das Sinnbild für diese Wurschtigkeit – bis ich eben dieses Selbstschließersystem im Hannoveraner Theater wiedertraf. Dahin reiste ich allerdings nur, weil ich Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson in Dortmund versprochen hatte, seine Edda in Hannover zu gucken. Dieses Theaterding ist für mich eine persönliche Sache, Beziehungsarbeit, sonst könnte ich auch Dramaturg werden und den Kopf gebären lassen.

Zum Abschied kann ich es verraten: Natürlich hat mich das Geschehen am Wall immer wieder getriggert. Draußen in Bövinghausen, bei diesem temporären Vergnügen Geierabend wollte ich auch Video auf der Bühne haben, wenn schon unser Video-Mann ablösefrei in die Innenstadt gewechselt war. Als die im Stadttheater für unsere Verhältnisse schwer subventioniert mit Digitalem begannen, musste ich mit erfundenen Facebook-Leben kontern, mit Liveposting, musste Amazons Alexa dazu bringen, auf der Bühne Texte zu sprechen, die wir ihr vorschrieben. Wenn Jürgen Klopp als Promi das Schauspiel besuchte, dann holten wir halt Neven Suboti´c auf die Bühne, wo er die Melodica bediente zu unserem heimlichen Fanhit „Boah ey, Borussia“. Und wenn an der Schauspielfront meterhoch der Duracell-Hase, den Kurt Cobain gebend, mit „Come As You Are“ fürs Haus wirbt, dann bekommt unsere ganze Saison halt den Titel: „Komm, wiesse bis!“

KOMM, WIESSE BIS Natürlich war dieses Voges & Co.-Theater auch für mich zehn Jahre Arbeit. Erst haben wir uns bei den Ruhrbaronen, diesem mittlerweile speziellen Blog ohne Heimatschwerpunkt, die Finger wundgeschrieben für das neue Bühnenleben in Dortmund. Da waren wir und die anderen Blogger_ innen im abklingenden Kulturhauptstadtjahr schon so erfolgreich digital, wie es das Schauspiel erst später wurde. Theater macht Spaß, aber auch viel Arbeit. Plötzlich saß ich in Pressekonferenzen, ließ mir Pressemappen in die Hand drücken, las Stücke vorab oder sah die Videos der alten Filmvorlagen, reiste nach Stuttgart oder Frankfurt und kaufte mir die „Internationale Klassifikation psychischer Störungen“, zur Vorbereitung, nicht zur Bewältigung einer Inszenierung. Viel Aufwand, aber zusammengefasst waren da kein Euro und keine Minute verschwendet. Die Ästhetik dieser Dekade sollen andere beurteilen. Da gibt es viel zu schreiben und zu reflektieren, das große Ding Digitalität harrt der Masterarbeiten. Der Zeitzeuge aus dem Parkett ist da nur der natürliche Feind des Theaterwissenschaftlers. Mir bereitete immer mehr Freude zu erleben, wie das Team die Stadtgesellschaft herausforderte, auch wenn niemand die Herausforderung annahm. Alle großen Themen wurden plötzlich nicht mehr von der freien Szene bearbeitet, sondern im städtischen Haus. Der Crashtest Nordstadt widmete sich diesem urbanen Lebenssystem viel direkter, liebevoller und offener als irgendein Bericht oder irgendeine städtische Armuts-/Vielfaltskommission zuvor. Gegen Nazis bezogen die Kays* aus dem Theater Stellung, wo andere noch eierten. Adolf Winkelmann mit seiner Geschichte des Dortmunder U war nur Teil

Angesprochen hat mich bis heute niemand auf diesen stillen Dialog. Man merkt in Dortmund nicht so gerne. Das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, das Gucken, Staunen, Fragen nicht zu verlernen. Ganz still habe ich in den Jahren auch immer wieder zurückgegeben, in kleinen Portionen, habe beim Dreh für die Nachrichten an das All sommernachts gegen drei im Gebüsch das Set abgesperrt, Kays frisch erworbener, pornoreifer, roter BMW parkte da im Unterholz. Für die DIE SHOW habe ich erst ein komplettes Hochhaus als Drehort besorgt, dann nachts an der Tanke eine Kiste Bier für das Drehende, Sachen halt, die das Leben im Ruhrgebiet früher möglich machten. Du musst nur immer einen kennen, der Dir was organisieren kann. Was bleibt? Wie immer: Die Haltung. Die Zuschauer bleiben, mal gucken, ob sie weiter schauen. Blenden wird sich niemand. Die Akademie bleibt. Einen Raucherbereich im Parkett wird es wohl nicht geben. Vielleicht sollten wir Kay einen Ehrenparkplatz für den roten BMW auf dem Theatervorplatz einrichten, da, wo stets nach den Vorstellungen das Leben wiederbegann. Mir bleibt nur die Schuhfrage, die Sache mit der ersten Reihe ist erledigt. Nein, die Frage lautet: Darf man sich während der Vorstellung eigentlich die Schuhe ausziehen?

Frank Genser, Bettina Lieder, Merle Wasmuth, Carlos Lobo in Geächtet

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VÖLLIG UNZENSIERT Regisseur Jörg Buttgereit und Bühnen- und Kostümbildnerin Susanne Priebs haben zusammen für das Schauspiel Dortmund sechs Inszenierungen realisiert. Ein Gespräch mit Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz Schulz

Buttgereit

Lieber Jörg, liebe Susanne, seit 2011 erzählt ihr am Schauspiel Dortmund von Menschen und Monstern. Die erste Produktion im September 2011 spannte einen Bogen von japanischen Atomangst-Kreaturen zum Sexploitation-Genre. Ich erinnere mich an diese erste Buttgereit-Premiere GREEN FRANKENSTEIN und SEXMONSTER! sehr deutlich: Das war wirklich ein Double-Feature in 3D: Kopfkino pur, mit roten Plüschsesseln, durchs Dunkel zuckenden Filmstrahlen, fünf Schauspieler_innen in zig Figuren zu Wasser, am Boden und in der Luft, und ich erinnere mich auch absolut an mein Unbehagen, als der Geräuschemacher live akustisch einen Penis absägte. Jörg, wie war damals Dein erster Eindruck vom Schauspiel Dortmund? Ich hatte zuvor nur zwei freie Theaterinszenierungen in Berlin gemacht. Das Ramones-Musical Gabba Gabba Hey! in der Columbia Konzerthalle und mein Superheldenstück Captain Berlin versus Hitler im großen Saal vom HAU. Ich hatte also noch nicht mit Schauspieler_innen eines Ensembles gearbeitet. Die Schauspieler_innen hier in Dortmund kannten meine Filme und Hörspiele nicht. Ich musste sie erst vom Sinn und Zweck meiner Arbeit überzeugen. Ich war sehr beeindruckt, wie „todesmutig“ sich alle auf meine erste Inszenierung hier eingelassen haben. Und ich war positiv überrascht, wie viel Vertrauensvorschuss ich von Kay Voges und der Dramaturgie bekommen habe. Immerhin war mein Film Nekromantik 2 einmal bundesweit beschlagnahmt. Für die Filmfördergremien war mein Name ein rotes Tuch. Doch hier am Theater konnte ich völlig frei und unzensiert arbeiten.

Jörg Buttgereit (*1963) ist Regisseur und Autor diverser Arthouse-Horrorfilme (u.a. Nekromantik 2, Der Todesking, German Angst), Hörspiele und Theaterstücke und Erfinder der Comicreihe Captain Berlin. Susanne Priebs (*1983) ist Architektin und seit 2006 Bühnen- und Kostümbildnerin, u.a. am Staatstheater Kassel, dem Schauspiel Essen und dem Schauspiel Dortmund. Außerdem ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der PBSA Düsseldorf.

D I E FA S Z I N AT I O N F Ü R D A S A B G R Ü N D I G E Schulz

Auf diese erste Premiere folgten fünf weitere: Kannibale und Liebe über den Körperteile sammelnden Grabräuber Ed Gein, Der Elefantenmensch über menschliche Deformationen, Nosferatu lebt! über den beliebten transsilvanischen Vampir, Besessen über Exorzismus und Im Studio hört Dich niemand schreien über einen sensiblen Geräuschemacher, der langsam den Verstand verliert.

Buttgereit

Schon als Kind habe ich Horror- und Monsterfilme verschlungen. Dieser eigenen Faszination für das Abgründige auf den Grund zu gehen war eine der Triebfedern für meine Filme und Hörspiele. Hier am Theater habe ich einfach so weiter gemacht. Ich habe lediglich das Medium gewechselt. Die Unmittelbarkeit, die so eine livehaftige Darbietung auf einer Theaterbühne mit sich bringt, ist manchmal schön erschreckend – oder auch entlarvend lustig. Wir alle haben unendlich viele Filme im Kopf. Diese popkulturelle Bildsprache auf die Bühne zu bringen, ist meine Intention. Ich erinnere mich, dass eine Kritikerin schrieb, ich hätte hier in Dortmund das „Genre-Theater“ erfunden. Diese Bezeichnung hat mir gut gefallen.

Uwe Rohbeck in Im Studio hört Dich niemand schreien

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Annika Meier, Uwe Robeck in Nosferatu lebt!

Susanne, Du hast für das Schauspiel Dortmund die Bar im MEGASTORE und das neue Schauspiel-Institut gestaltet und viele Bühnenbilder entworfen – sowie für alle Dortmunder Buttgereit-Inszenierungen sowohl Bühne als auch Kostüme. Wie war Deine erste Begegnung mit Jörg?

Schulz

Kay Voges und Alexander Kerlin sind damals zusammen nach Berlin gefahren, um diesen Jörg Buttgereit zu treffen, im Gepäck als Reiselektüre sein Buch Japan, die Monsterinsel. In meiner Vorstellung war Jörg eine Mischung aus King Kong und Godzilla, keine Ahnung, auf wen ich mich da eingelassen hatte. Die erste Begegnung war dann sehr menschlich: in einem Café in Berlin-Schöneberg.

Priebs

Und wie war Deine Herangehensweise an die sehr verschiedenen Stoffe?

Schulz

Jörg versorgt mich immer mit Filmmaterial des jeweiligen Genres, aus dem ich dann ein Gefühl für die Sache entwickeln kann. Die entsprechenden Bühnenbilder sind ja meist dekorative Räume, da ist das Gefühl für die Sache und die sattelfeste Bewegung in der entsprechenden Zeit wichtiger als z.B. eine Handlung durch das Bühnenbild erweitern zu können.

Priebs

Habt ihr eigentlich eine Inszenierung, von der ihr retrospektiv sagen würdet, dass sie Eure liebste ist?

Schulz

Nosferatu lebt!!

Priebs

Ich erinnere mich auch sehr gerne an Nosferatu lebt!. Das Stück ist ja meine Verbeugung vor dem Stummfilmklassiker von Friedrich Wilhelm Murnau. Der Film ist der Beweis, dass der Horrorfilm seinen Ursprung in Deutschland hat. Susanne hat eine wunderschön-expressionistische Bühne in Schwarzweiß entworfen. Die Schauspieler_innen sollten auch so expressiv wie in einem Stummfilm agieren und durften nur lautlos sprechen. Ich habe mir die letzte Vorstellung des Stücks nach einem Jahr angesehen und war begeistert, wie sich die Inszenierung in der Zwischenzeit entwickelt hatte. Das Ensemble hatte sie sich völlig zu Eigen gemacht. Nach der Vorstellung hat mich eine sehr alte Dame angesprochen und mir gesagt, sie hätte den Film Nosferatu damals im Kino gesehen. Und mein Stück sei ja noch besser als der Film. Ich glaube, ein schmeichelhafteres Kompliment habe ich nie bekommen.

Buttgereit

Ich mochte aber auch Im Studio hört Dich niemand schreien sehr. Vielleicht sind es immer irgendwie die letzten Stücke, die einem am liebsten sind? Außerdem hat bei Im Studio… die Zusammenarbeit mit dem Sounddesigner Frank Behnke großen Spaß gemacht. Seine Kompetenz war eine wahnsinnige Bereicherung für die ganze atmosphärische Arbeit, die zu leisten war.

Priebs

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Schulz

Auf Platz 1 meiner persönlichen Gänsehaut-Momente aus den Buttgereit-Inszenierungen ist eine Stelle aus Der Elefantenmensch, an der ein lebenslang Gefangener endlich freikommt. Uwe Rohbeck als John Merrick steigt unter großen Mühen aus einem der aufwändigsten Kostüme, das in den vergangenen zehn Jahren am Schauspiel Dortmund angefertigt worden ist.

Buttgereit

Oh ja, das ist wahrscheinlich auch DER Moment für mich. Der Elefantenmensch entledigt sich vor Publikum seiner entstellten körperlichen Hülle, die ihn sein Leben lang gemartert hat. Die Szene ist so nicht im Original-Theaterstück. Ich habe mich dazu von David Lynchs Film inspirieren lassen. Der Ganzkörperanzug, den Uwe Rohbeck tragen musste, war eine echte Herausforderung. Uwe musste ja mehrere Stunden in ihm überleben können. Wie man dann im Finale des Stücks sehen konnte, hat er literweise geschwitzt und war danach völlig ausgelaugt.

Priebs

Natascha Kohnke, Katja Motz und Susanne Mundt von der Maskenabteilung des Schauspiel Dortmund haben in monatelanger Handarbeit diesen im wahrsten Sinne des Wortes filmreifen Anzug hergestellt. Hinzu kamen dann noch unglaubliche Maskenzeiten vor den Vorstellungen – da sie ja den Kopf jedes Mal millimetergenau an Uwes Gesicht anpassen mussten.

Buttgereit

Uwe Rohbeck hat mich auch als Grabräuber Ed Gein umgehauen. Ich habe mich viel mit diesem wahren Fall aus der amerikanischen Kriminalgeschichte beschäftigt, der Filmklassiker wie Alfred Hitchcocks Psycho inspiriert hat. Habe sogar das Grab von Ed Gein in dem winzigen Ort Plainfield in Wisconsin besucht. Ich kenne wahrscheinlich alle Fotos und die wenigen Filmaufnahmen von Gein. Und als Uwe da so mit diesem unschuldig schrägen Lächeln vor mir auf der Bühne stand, hatte ich das Gefühl, der ruhelose Geist von Gein sei in ihn gefahren. D A S S U B K U LT U R E L L E I M T H E AT E R

Schulz

Deine Dortmunder Stücke verbinden oft Spielhandlung mit einer dokumentarischen Ebene – in GREEN FRANKENSTEIN erfuhr man beispielsweise viel über die japanische Angst vor atomarer Verseuchung, in Nosferatu lebt! über den Vampirmythos an sich, in Besessen über die Geschichte des Videofilms.

Buttgereit

Da ich in meinen Stücken Themen bearbeite, die dem traditionellen Theater eher fremd sind, liefere ich den kulturhistorischen Hintergrund gerne gleich mit. Ich kann nicht davon ausgehen, dass mein Theaterpublikum sich genauso gut mit den japanischen Monsterfilmen oder dem Sexploitation-Genre auskennt wie ich. Ich habe eine aufklärerische Mission. Das merkt man den Stücken auch an.

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Du zitierst in Deinen Theaterstücken oft Filme, sowohl szenisch als auch musikalisch. Ich erinnere mich an Psycho und The Texas Chainsaw Massacre in Kannibale und Liebe, und Susannes Bühnenbild von Nosferatu lebt! fand viel Inspiration bei Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari.

Schulz

Das stimmt, eigentlich hat der falsche Film Pate gestanden. Wir haben uns aber für Das Cabinet des Dr. Caligari entschieden, weil dieser Film so etwas wie der Urtyp des expressionistischen Films ist. Der Film, der den Leute am ehesten einfällt, dessen Bilder in unseren Köpfen sind. So funktionieren eigentlich fast alle Buttgereit-Räume: DAS Kino, DAS Jugendzimmer, DAS Tonstudio. Nach der Premiere von Besessen kam Zuschauer Kai Krick auf mich zu und erzählte mir, dass er in den 80ern nahezu 1:1 dasselbe Jugendzimmer hatte, gleiche Farbigkeit, gleiche Jalousien, gleiche Regale, ja sogar die Ausstaffierung der Regale war identisch – vom Maskottchen der Olympiade bis zur Flasche mit Segelschiff. Solche Archetypen zu erzeugen, durch die die Spieler_innen und das Publikum in vertraute Welten geführt werden, interessiert mich in der Zusammenarbeit mit Jörg.

Priebs

Bei Besessen gab es Referenzen zu Der Exorzist, Rosemarys Baby, Die Wiege des Bösen, Das Omen und Cronenbergs Videodrome. Und klar, in Im Studio hört Dich niemand schreien leben neben der Berberian Sound Studio-Geschichte von Peter Strickland auch diverse Dialoge aus den Giallo-Horrorfilmen von Dario Argento und Mario Bava.

Schulz

Ich habe selbst den Überblick verloren, wie viele Filmzitate ich in die Stücke gestopft habe. Wichtig ist mir, dass es sich dabei um Filme handelt, die vorwiegend aus der verpönten Trivialkultur stammen. Ich bin mit solchen Filmen sozialisiert worden, sie bedeuten mir viel, und ich nehme sie ernst. Triviale oder subkulturelle Filme im „hochkulturellen“ Umfeld des Theaters zu verhandeln, ist mein Ziel. Die Zuschauer_innen, die zu Anfang in meine Stücke gekommen sind, hatten zuvor kaum Berührung mit dem Theater. Ich bin ein bisschen stolz, dieses ganze verrückte Filmvolk aus dem Ruhrpott ins Schauspiel Dortmund gelockt zu haben.

Buttgereit

EIN LEBENDER, UNKONTROLLIERBARER ORGANISMUS „Wer von Ihnen hat schon einmal einen Film von Jörg Buttgereit gesehen?“ war eine Frage, die ich immer gerne bei den Stückeinführungen gestellt habe. Das Ergebnis: Neben den Filmfans haben Deine Dortmunder Arbeiten auch wirklich viele Menschen erreicht, die mit Deiner Filmarbeit noch nicht vertraut waren. Theater trifft Film, Film trifft Theater: Was ist für Dich der größte

Schulz

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Sarah Sandeh in Besessen

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Ekkehard Freye, Uwe Rohbeck und Axel Holst in Kannibale und Liebe

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Unterschied zwischen Deiner Arbeit als Theater- und Deiner Arbeit als Filmregisseur? Buttgereit

Filmemachen ist wie ein Puzzlespiel. Man dreht Momentaufnahmen und setzt sie später am Schneidetisch zusammen. Die technischen Kontrollund Manipulationswerkzeuge sind beim Film vielfältig. Eine Theateraufführung ist dagegen ein lebender, unkontrollierbarer Organismus. Ein echtes Monster! Die Schauspieler_innen auf der Bühne tragen mehr Verantwortung. Diesen Kontrollverlust als Regisseur musste ich erst mal akzeptieren lernen. Inzwischen ist dieses Loslassen genau das Spannende an der Theaterarbeit. TECHNISCHE AKRIBIE, HOFFNUNGSLOSE N A I V I TÄT U N D I M P R O V I S AT I O N

Schulz

Ihr habt immer wieder auch mit besonderen Requisiten gearbeitet. Für Besessen z.B. hat Lucas Pleß ein pneumatisches Bett gebaut, das auf Knopfdruck bedrohlich wackeln konnte, und er ließ Bücher aus der Wand fliegen. Ich erinnere mich auch daran, wie lange das Ausstattungsteam bei Im Studio hört Dich niemand schreien zusammen mit den Kolleg_innen der Requisite tüfteln mussten, bis die perfekte Frucht-/ Gemüse-Kombination für die blutige Mixerszene gefunden war.

Priebs

Spezialeffekte sind auf der Bühne so besonders, weil ja alles echt ist und man nicht durch die Setzung von Schnitten mogeln kann. Die Vorbilder der Spezialeffekte kommen aber immer aus dem Film. Die Effekte entstehen dann irgendwie in einer Mischung aus technischer Akribie, hoffnungsloser Naivität und Improvisation. Eine weitere Herausforderung ist auch, dass alles zu jeder Vorstellung wiederholbar sein muss.

Buttgereit

Eine logistische Herausforderung für alle Beteiligten. „MUSS DAS SEIN?“ – GUTE FRAGE

Schulz

Woran musstet ihr mit den Schauspieler_innen besonders lange experimentieren?

Buttgereit

Ich glaube, die Geburt des Monsterbabys in Besessen hat die Darstellerin der Linda, Sarah Sandeh, sehr gefordert. Die Fruchtblase, in der die Satansbrut auf ihre Geburt wartete, musste so widerstandsfähig sein, dass sie nicht schon im Verlauf der Aufführung platzt. Trotzdem musste Sarah in der Lage sein, die Blase zu zerstechen, ohne sich selbst dabei zu verletzen. Hinzu kommt die psychologische Ebene, mit der die Schauspielerin hier unweigerlich konfrontiert war: „Was tue ich hier eigentlich?“ In solchen Momenten frage ich mich oft selber, was ich den

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Schauspieler_innen da zumute. Selbst die BILD-Zeitung hat ein großes Farbfoto von Sarah mit dem blutverschmierten Satansbaby im Arm abgedruckt und in den obligatorisch großen Lettern gefragt: „MUSS DAS SEIN?“. Gute Frage.

Uwe Schmieder und Uwe Rohbeck in Der Elefantenmensch

Wieso gehst Du als Künstler – ob im Theater oder Film – eigentlich immer ins menschlich Abseitige? In die Abgründe, das Unerklärliche, das Schreckliche, das Abstoßende? Selbst bei Deiner Gesprächsreihe NACKT UND ZERFLEISCHT, die Du für Dortmund kuratiert hast, ist das ja so.

Schulz

Ich möchte das Unerklärliche verstehen. Deshalb versuche ich, in meinen Werken Dinge zu verhandeln, die mich im echten Leben beschäftigen und ängstigen. Die Ohnmacht vor der eigenen Vergänglichkeit ist wahrscheinlich der stärkste Motor unserer Kultur. Wenn ich meine Filme, Theaterstücke und Hörspiele nicht machen könnte, bräuchte ich einen geduldigen Psychiater.

Buttgereit

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Biedermann und die Brandstifter mit Ekkehard Freye, Frauke Becker, Alexandra Sinelnikova Fahrenheit 451 mit Björn Gabriel, Alexandra Sinelnikova, Uwe Schmieder

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VON CRAZY CARTS BIS THEATERTREFFEN

Best of MEGAPEDIA

Erinnern Sie sich? Als im Dezember 2017 das Schauspiel wieder ins Schauspielhaus in die Innenstadt zurückzog, gab es neben vier großen Premieren auch ein ganz besonderes Geschenk an alle treuen Zuschauer_innen: die MEGAPEDIA! Im legendären Suhrkamp-Stil designt und von den Dramaturg_innen verfasst, versammelte das Büchlein auf genau 200 Seiten 481 enzyklopädische Einträge zum Schauspiel Dortmund. Streng alphabetisch geordnet und mit zahllosen Hyperlinks versehen, ergab sich ein Almanach aus Dortmunder Theatermacher_innen, Ensemblemitgliedern, Projekten, Miniatur-Philosophien, Anekdötchen, Politik, Nerdkrams und unnützem Wissen! Die Startauflage der MEGAPEDIA ist längst vergriffen – hier aber ein paar Highlights aus dem besten Theater-Nachschlagewerk der Weltgeschichte.

Filmset für DIE SHOW

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A WIE ALLES IST MATERIAL Aus dem Leben gegriffenes Beispiel: Eine Künstlerin wirft im Streit ihren Ehering fort, alles ist existentiell und überschlägt sich emotional. Und doch gibt es einen kalten Anteil an dieser Szene, bei dem die Künstlerin die Erlebnisse schon zu Erzählungen macht, während sie noch geschehen. Sie denkt, während sie die Türe krachend zuschlägt: „Das nehme ich mit, das kann ich später sicher gut verwenden.“

B WIE BRÖTCHEN-ÜBER-DER-SPÜLE-AUFSCHNEID-THEATER Wunderschöne Begriffsschöpfung der Regisseurin Claudia Bauer für eine Art von Theater, das schon irgendwie extravagant aussehen (Brötchen statt Brot!), aber die Umgebung dabei nicht mit Schmutz bekleckern möchte. Es hat in der Geschichte schon unbegründetere Feindbilder gegeben.

C WIE CRAZY CARTS Die ca. ein Meter langen, 25kg schweren Boliden können nicht nur Geradeaus und Kurve (bis zu 45km/h, im Megastore schweren Herzens auf 20km/h gedrosselt), sondern auch im Drift-Modus crazy im Kreis schleudern. Bei Kasimir und Karoline (Regie: Gordon Kämmerer) kamen vier C.C. zum Einsatz, gebaut von Lucas Pleß, der im Ensemble die Pole Position hält, gefolgt von crazy Naturtalent Julia Schubert.

D WIE DAS KARUSSELL WIRD SICH WEITER DREH’N Zeile aus dem Refrain des Chansons Ich liebe das Leben von Vicky Leandros. Lief während der Probenzeit zu Das Fest (2013) allabendlich in der Stammkneipe Petit Paris und inspirierte das Team dazu, den Song mehrfach in der Inszenierung einzuspielen. Macht

schon auch inhaltlich Sinn: Kreisförmig bewegte sich in der Aufführung pausenlos eine Kamera an einer runden Schienenkonstruktion.

E WIE ERKLÄRBÄR Wenn er auf die Probe oder in die Vorstellung kommt, werden alle nervös. Dann wird die Theaterpolizei gerufen und die fragt dann: „Was ist hier los?“ Und die Künstler_innen sagen: „Man erkennt die Absicht und ist verstimmt! Der E. ist schuld daran!“ „Das geht natürlich gar nicht“, brummelt die Theaterpolizei und zwingt den E. zum Tanz auf dem heißen Stellplatz der Widersprüche, bis wieder genug Ambivalenz im Kunstwerk ist, dass alle sich entspannen können.

F WIE FÜHRENDES DEUTSCHSPRACHIGES THEATERLABOR Ritterschlag durch die Tageszeitung Die Welt nach der Premiere von Das Goldene Zeitalter (2013). Hier schließt sich die alte Frage an: Schafft Sprache Realität oder umgekehrt? Scheinen die Dinge, Menschen und Institutionen nach außen, wie sie sind? Oder werden sie zu dem, was sie nach außen scheinen? Auf jeden Fall erwies sich das Label als äußerst produktiv, um eine unverwechselbare Marke zu kreieren (die Wahrheit ist manchmal bitter).

G WIE GUMMIFISCH Regisseur Leonhard Koppelmann hatte auf den Proben zu Der nackte Wahnsinn (2014) stets einen kleinen, laut quietschenden G. neben sich liegen. Koppelmann quietschte den G. regelmäßig – und zwar dann, wenn im Ablauf der hochkomplizierten Stück-Choreographie das Timing noch nicht perfekt war (zwei Quietscher). Oder um alle Probenden zum Lachen zu bringen (fünf Quietscher). Das wahnwitzige Bühnengesche-

hen erzeugt im Zuschauerraum nämlich zwar große Lacher – die Proben vorab sind aber für die Beteiligten oft alles andere als komisch: Tür auf, Tür zu, Sardinen rein, Sardinen raus, üben, üben, üben, das ist Theater!

H WIE HÖCHSTSTAND-ENDE-REGEL Wissenschaftlich bewiesenes Gesetz, nach dem man bei der Bewertung einer Erfahrung weniger ihre Dauer und ihr zwischenzeitliches „Plätschern“ berücksichtigt als die intensivsten Ausschläge – und vor allem, mit welchen Gedanken und Gefühlen sie zu Ende ging. Bestätigt die augenzwinkernde Maxime eines gewissen Regisseurs, dass man „in erster Linie ein pompöses Ende“ inszenieren müsse, damit das Publikum zufrieden ist. Der Rest sei eigentlich egal.

I WIE IN EINEM BUCH GIBT’S NICHTS ZU VERSTEHEN „Findet die Stellen in einem Buch, mit denen ihr etwas anfangen könnt. Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches, sondern eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt’s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann.“ (Gilles Deleuze und Felix Guattari: Tausend Plateaus, Berlin 1977)

K WIE KILL YOUR DARLINGS Mitunter muss man sich von den Dingen trennen, die man liebt, um voranzukommen. Das ist im Leben wie auf der Theaterprobe, in der Beziehung wie in der Textfassung so. Es ist ein wundervoller Text, doch er führt zu nichts? Eine tolle Szene, aber sie liefert keine Anschlusspunkte? Wochenlang geprobt, nur man erkennt die Absicht und ist verstimmt? Tja, da heißt es dann: Don’t cry – work!

L WIE LANGEWEILE ALS STILMITTEL Die Darstellende Kunst kennt die L.a.S., allerdings ist sie nicht unumstritten. Der Freund der L.a.S. jubelt: „Das zur Anschauung gebrachte Vergehen von Zeit auf der Bühne stärkt die Wahrhaftigkeit des Abends! Publikum und Schauspieler_innen kommen sich im Aushalten-Müssen und in der Ermüdung näher! L.a.S. wird zum Erlebnis, sobald man sich der Langeweile lustvoll ausliefern kann! Sie erzählt ex negativo so viel über die neoliberale Gegenwart!“ Der Feind der L.a.S. hingegen motzt: „Narzisstische Nabelschau! Prätentiöse Pseudoidee! Frecher Frustauslöser! Und vor allem einfach saulangweilig!“

M WIE MAN ERKENNT DIE ABSICHT UND IST VERSTIMMT Unverzichtbarer Satz für Dramaturg_innen, Schauspieler_innen und Theaterpolizei! Wenn schon nach wenigen Sekunden einer Szene der Gedanke gezündet wurde und danach kümmerlich vor sich hinkokelt, wenn der Erklärbär die Honigtöpfe der Didaktik genüsslich leerschlabbert, wenn ein_e jede_r im Publikum unisono „Alles klar, das ist Kritik am Soundso-ismus!“ gähnt, dann hat man die A.e.u.i.v.! Falls dies in der Endprobenphase geschieht, werden noch mit heißer Nadel ein paar Konsenshürden geschreinert und auf den Stellplatz der Widersprüche gehievt.

N WIE NORDSTADT Dortmunder Stadtteil mit Bewohner_innen aus vielen Nationen. Bekannt für günstige Mieten, pulsiert in der N. längst noch der Geist der Großstadt, wenn im Rest Dortmunds bereits die Bürgersteige hochgeklappt sind. Das Image der N. ist dennoch oft schlecht: „Die Claims sind abgesteckt. Auf

42 Christian Freund in Tartuffe

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der einen Seite gibt es Drogen zu kaufen, die andere Seite ist bekannt als Arbeitsstrich“, meckerte die FAZ 2016. Die ungeheuer reiche kulturelle Vielfalt in diesem größten zusammenhängenden Altbaugebiet des Ruhrgebiets wird gern übersehen – und stand im Zentrum der Doppelinszenierung Crashtest Nordstadt (2011/2012) von Jörg Lukas Matthaei, die im Umfeld des Nordmarkts stattfand.

O WIE OPEN SOURCE Die O.S.-Bewegung steht für Durchblick, Transparenz und freien Ressourcenaustausch, sowohl hinsichtlich von Daten als auch von Software und Wissen. Das Vorhaben der O.S.-Philosophie ist durchaus epochal: Die technischen Errungenschaften der Jetztzeit für immer und für alle frei verfügbar und frei veränderbar zu halten. Es ist ein Aufruf an Zeitgenoss_innen, aktiver Part der elektronisch-menschlichen Evolution zu sein statt nur Konsument_in. Die von Entwickler_innen z.B. des Chaostreff Dortmund e.V. für uns entwickelte Software wird stets O.S. auf der Plattform Github zum kostenlosen Download bereitgestellt.

P WIE POFALLA, RONALD (*1959 in Weeze) Ehemaliger Bundesminister (CDU). In seinem Stück Einige Nachrichten an das All gewährt ihm Dramatiker Wolfram Lotz einen exklusiven Auftritt: „Von rechts betritt der echte Ronald Pofalla die Bühne (er kann durch einen beliebigen anderen Politiker ersetzt werden).“ Ursprünglich war in der Dortmunder Inszenierung des Stücks der Dortmunder Kulturdezernent und Stadtkämmerer Jörg Stüdemann (*1956) für diese Rolle angefragt. Stüdemann zeigte sich geehrt, konnte jedoch aufgrund von Ter-

mindruck nicht zusagen. Letztlich wurde die Szene mit (Noch-) Nicht-Politiker Ekkehard Freye auf der Halde Haniel bei Bottrop gedreht.

R WIE ROT IST DIE WIRKLICHKEIT UND DER HERBST Zeile des Dichters Ernst Herbeck (1920-1991) aus einem Gedicht über die rote Farbe. Herbeck, an Schizophrenie leidend und 45 Jahre lang Patient der Landesnervenklinik Gugging, begann unter Anleitung seines Arztes Leo Navratil Gedichte zu schreiben. Die faszinierende Fremdheit so schlichter wie einzigartiger Zeilenfolgen wie „Weiß ist nicht schwarz / weiß ist nicht hell / weiß ist der Schnee“ oder „Lila ist schon eine schöne Farbe / Lila ist unsere Farbe der toten Fahnen“ begeisterte Künstler_innen nachhaltig. In der Inszenierung Einstein on the Beach (2017) sprach Andreas Beck die Farbgedichte und öffnete so der Synästhesie Tür und Tor.

S WIE SCHREIB NICHT NUTELLA, SCHREIB JESUS CHRISTUS, SCHREIB JESUS CHRISTUS! Enthusiastischer Aufschrei von Kay Voges während der fünften Vorstellung von Das Goldene Zeitalter (2013), als er seinen Live-Texter Alex Kerlin zu einem Themenwechsel ins Religiöse bewegen wollte – der aber zu diesem Zeitpunkt offensichtlich einen ganz anderen, schokoladigeren Film fuhr.

T WIE THEATERTREFFEN Fetisch deutschsprachiger Theatermacher_innen, die jenem Berliner Festival in ewiger Hassliebe verbunden sind. Verhasst: Solange man selbst nicht eingeladen ist. Geliebt: Sobald man eingeladen ist. Seit 2017 verbindet uns und

das T. eine Liebesbeziehung. Warum? Siehe oben.

U WIE UNKLUGE FORMULIERUNGEN IN BEWERBUNGSSCHREIBEN „…gesehen habe ich persönlich leider noch nichts, ich interessiere mich aber generell sehr für Schauspielerei…“ / „Ich habe in der Summer School of Performance and Dancing in Glasgow viel gelernt, was ich nun auf der Bühne ausprobieren möchte.“ / „…wäre es mir eine Ehre, Teil Ihres Bochumer Teams zu werden…“ / „Im Anhang füge ich ein selbstgemaltes Bild bei.“

V WIE VR (kurz für Virtuelle Realität) Mit VR-Brillen auf dem Gesicht wirken wir heute in den Augen zukünftiger Menschen sicherlich ziemlich dämlich. Manchmal schwanken wir, kreischen, uns wird kotzschlecht (motion sickness). Die verbesserte Technik und unsere Gewöhnung an die Technologie werden das schon bald verändern, VR wird selbstverständlicher Teil unserer Kommunikation und auch Kunstproduktion bzw. -konsumption sein.

W WIE WELTRAUMSCHROTT Mantra im Theaterfilm Einige Nachrichten an das All (2012), gesprochen von Monstern in bunten Kostümen von Mona Ulrich: „All unsre Schmerzen, das Hoffen und Leiden, das Zwitschern der Schwalben: Schrott! Schrott! Weltraumschrott! Die Lichter am Abend, Spinat und Kartoffeln, Messer und Gabel, Kralle und Schnabel, Kain und Abel, der Turmbau zu Babel: Weltraumschrott!“ Die W.-Monster mischten auch das Pressegespräch zur Inszenierung auf, indem sie „Weltraumschrott!“ brüllend unter den Tischen krab-

belten, den Journalist_innen die Stifte klauten oder die Antworten der Regie übertönten.

Y WIE YPSILANTI Ort der Nervenheilanstalt, in dem Dr. Milton Rokeach 1957 drei schizophrene Patienten, die sich allesamt für Jesus Christus hielten, in einen Raum gesteckt hat. Seine Hypothese: Wenn sie mit ihren schizoiden Gegenparts konfrontiert werden, werden sie die Wirklichkeit akzeptieren und ihren Wahn aufgeben müssen. Dieses Experiment war Ausgangspunkt für das 2014 geplante Projekt The Madhouse of Ypsilantis – ein „Mystery-Crime-Science-Fiction-Hospital-Theater-Web-Adventure in 7 Teilen“, das es leider nie über den Planungsstatus hinaus schaffte (die Filmförderung: „Wir sponsern kein Theater“, die Theaterförderung: „Wir sponsern keinen Film“, die Förderung für digitale Künste – ach nee, war noch nicht erfunden…).

Z WIE ZAHL DER IM DORTMUNDER ENSEMBLE GEBORENEN KINDER ZWISCHEN 2010 UND (UPDATE!) JUNI 2020 15.

Z WIE ZAHL DER IN DIE BRÜCHE GEGANGENEN BEZIEHUNGEN IM DORTMUNDER ENSEMBLE ZWISCHEN 2010 UND (UPDATE!) JUNI 2020 Mehr als 15.

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EINE WELT ZWISCHEN DEN DIMENSIONEN Über die Geburt des Live Animation Cinemas am Schauspiel Dortmund

2015 feierte am Schauspiel Dortmund der erste Live-Animationsfilm der Welt Premiere – sputnics Die Möglichkeit einer Insel. Auf der Bühne des Schauspielhauses ließen Merle Wasmuth, Bettina Lieder, Frank Genser und Andreas Beck live vor den Augen des Publikums einen Trickfilm entstehen: Michel Houllebecqs Geschichte vom berühmtesten Comedian Europas, Daniel, und seinen Klonen Daniel24 und Daniel25 – eine Wanderung durch die Jahrtausende. 2017 ging sputnics Reise zwischen die zweite und die dritte Dimension dann interstellar im Megastore weiter – mit Der Futurologische Kongress. Anne-Kathrin Schulz spricht mit Nils Voges von sputnic. Schulz

Voges

Nils, dieses Live Animation Cinema, das Malte Jehmlich, Nicolai Skopalik und Du 2015 erfunden haben, war ein völlig neues Kunstformat irgendwo zwischen Theater und Film – wie ist die Idee dazu entstanden? Seit 2004 ist das Künstlerkollektiv sputnic, zu dem ich gehöre, einerseits im Bereich klassischer Animation unterwegs, z.B. für Erklärfilme und Musikvideos, andererseits sind wir regelmäßig als Videokünstler auf internationalen Bühnen in Theaterstücke eingebunden. Es lag auf der Hand, die zwei Bereiche einmal zu verbinden. Hier am Schauspiel Dortmund bekamen wir 2015 zum ersten Mal die Möglichkeit dazu. Da klassische Animation ein sehr langwieriger Prozess ist – für unseren zwölfminütigen Stop Motion-Kurzfilm Südstadt brauchten wir anderthalb Jahre –, mussten wir für die Theaterbühne eine völlig neue Animationsform erfinden. Denn wie kann man in „Echtzeit“ einen Trickfilm animieren, schneiden und vertonen? Aus diesen Fragen wurde ganz schnell eine Versuchsanordnung – bestehend aus drei „Tricktischen“, an denen jeweils eine Kamera befestigt war. Die Schauspieler_innen konnten vorbereitete „Anima-

Seit 2004 arbeitet das Künstlerkollektiv sputnic, bestehend aus den drei Medienkünstlern und Diplom-Designern Malte Jehmlich, Nicolai Skopalik und Nils Voges, kollaborativ, interdisziplinär und international. Die sputnics erschaffen graphische Kleinode, produzieren Filme, entwerfen Bühnenräume, inszenieren Theaterstücke, komponieren Klangwelten und entwickeln ortsspezifische Installationen. Am Schauspiel Dortmund debütierten sie 2010, als sie zusammen mit kainkollektiv die mehrmonatige Reihe Stadt ohne Geld kuratierten und inszenierten.

tionplates“ unter die Kamera legen – das waren Plexiglasscheiben, auf denen die gezeichneten Figuren, Hintergründe und die beweglichen Animationsmechaniken angebracht waren. Durch das Drücken eines Buzzers wurde das Bild der Kamera live auf die Leinwand geschaltet, und die jeweilige Schauspieler_in animierte die Figur. In dieser Zeit konnten die anderen Performer_innen ihre nächsten Platten vorbereiten und dann durch Drücken auf ihren Buzzer das vorherige Bild auf der Leinwand ablösen. Durch das Hin- und Herschalten zwischen den Tricktischen konnte also eine echte filmische Montage live auf der Bühne erzeugt werden. Es entstand im Zusammenspiel dieser Live-Herstellung und des dadurch entstehenden Films auf der Leinwand selber ein sehr poetischer Vorgang, eine eigene Kunstform, die wir seitdem erforschen und weiterentwickeln. ZAUBERN IN ECHTZEIT Bei Die Möglichkeit einer Insel gab es neben den drei Animationstischen zwei von Lucas Pleß konstruierte fahrbare Kameraroboter, Artur Gerz und Malte Jehmlich hatten Miniaturwelten gebaut, dazu die Animationplates, von denen Du eben schon sprachst, die aus Hunderten von Zeichnungen von Julia Zejn und Julia Praschma handgefertigt wurden. Auch für Euer zweites Dortmunder Live-Animation-Cinema-Theaterstück, Der Futurologische Kongress, wurde für jedes Motiv ein eigener Mechanismus erfunden.

Schulz

Wir haben uns bei Die Möglichkeit einer Insel sehr an filmischen Konventionen und Erzählweisen orientiert und versucht, charmante Entsprechungen mit einfachen Mechanismen auf die Animationplates zu bringen. So kennt man z.B. die Einstellungen aus Filmen, in denen eine Wegstrecke anhand einer Landkarte mit einer sich per Computeranimation verlängernden

Voges

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roten Linie dargestellt wird. Für die Inszenierung haben wir dann ein Animationplate gebaut, auf dem auf einer durchscheinenden Karte ein durchsichtiger Infusionsschlauch aus dem Krankenhaus befestigt war. Durch diesen hat Bettina Lieder mit einer Spritze rote Flüssigkeit gedrückt. Die rote Linie animierte sich dadurch wie in der filmischen Vorlage zum Reiseziel, jedoch ganz analog. Bei Der Futurologische Kongress haben wir das ganze Setup von Schattenriss-Ästhetik zu voll texturierten Figuren weiterentwickelt: also nicht mehr nur Silhouetten, sondern Figuren, die wie in einem Comic mit farbigen Anziehsachen, Hautfarbe, Mimik etc. illustriert sind. Das brachte die Schwierigkeit mit sich, dass alle Mechaniken versteckt werden mussten, denn die Gelenke und Scharniere, die beim Silhouettenfilm im Schatten verschwinden, müssen bei dieser Technik extra kaschiert werden. Schulz

Du meinst hier z.B. Ellenbogengelenke, wenn eine Figur einer anderen etwas reichen soll?

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Alle Gelenke, die bei einer Figur im Ausschnitt der Kamera liegen: Münder, Augen, Arme, Beine, das Schlagen eines Herzens. Aber auch Türen, Autos, Flugzeuge, Züge, Werbeanzeigen und digitale Displays – wie Handys oder die Etagennummern eines Aufzugs, die vom Erdgeschoss bis in den 200. Stock eines Hochhauses einen ganz schön langen Streifen an Zahlen ergaben. Damit auf der Leinwand dann ein fahrender Aufzug zu sehen war, musste Marlena Keil diesen Stockwerk-Streifen vorsichtig durch die kleine Aussparung des gezeichneten Displays ziehen. Insgesamt ließen wir uns diesmal nicht nur von Filmsprache, sondern auch vom Medium Comic inspirieren und haben z.B. die Erzählweise von Panels genutzt: Nacheinander klappte man eine Bildfolge auf, auf der in den einzelnen Einstellungen erst der Abschuss eines Raketenwerfers und dann der Einschlag zu sehen waren. K A S K A D I E R E N D E R E A L I TÄT S E B E N E N

Schulz

Der Futurologische Kongress nach dem gleichnamigen Roman von Stanislaw Lem hatte am 11. Juni 2017 im MEGASTORE Premiere. Ein interessantes zeitliches Zusammentreffen von Literatur und der Realität.

Voges Man könnte meinen, Stanisław Lem hat 1971 mit nahezu hellseherischen Fähigkeiten den Roman für un-

sere Gegenwart geschrieben. Viele der Themen sind aktueller denn je: Proteste gegen Weltwirtschaftsgipfel, die noch während unserer Aufführungszeit in Hamburg ausarteten, künstliche Intelligenzen, Gender-Identitäten, Neuro-Enhancement, chemische Kriegsführung und postfaktische Politik. Und das alles seziert Lem und garniert es mit einer gehörigen Portion Satire. Ich hatte den Roman vor vielen Jahren gelesen und war begeistert von der philosophischen Ideenflut und den kaskadierenden Realitätsebenen. Für uns bot sich der Stoff an, da wir für die verschiedenen Wirklichkeitsebenen unterschiedlichste Techniken nutzen konnten: Schauspiel, Puppenspiel, Live Animation und Video. Diese verschiedenen Darstellungsformen zu verbinden, war das Forschungsziel für diese Inszenierung. Stichwort „kaskadierende Realitätsebenen“ – in Der Futurologische Kongress zauberte TD Finck von Finckenstein live einen futuristischen Soundtrack, während Marlena Keil, Frank Genser, Friederike Tiefenbacher und Uwe Schmieder die Charaktere spielten, sie animierten und sich auch immer wieder mit einer Live-Kamera filmten, z.B. um Ebenenwechsel zu erzählen – oder die Schwerelosigkeit um die International Space Station…

Schulz

Die ISS, genau – die kommt in der Buchvorlage übrigens gar nicht vor, die gab es ja damals noch nicht. Aber sie war eine schöne Möglichkeit, die mit „Raumpilot“ bezeichnete Hauptfigur Ijon Tichy vorzustellen. Hierfür hatte Artur Gerz eine Konstruktion aus Konservendosen und Elektroschrott gebaut. Mit der richtigen Beleuchtung und einer Kamera erzeugten wir mit ihr Bilder, die an große Sci-Fi Klassiker erinnern: Eine Raumstation im All – es war phantastisch!

Voges

Beim Live Animation Cinema kann man als Zuschauer_in nicht nur einen Trickfilm sehen, mit Figuren, die „leben“, sondern gleichzeitig auch, wie diese Welten kreiert werden – ein wirklich verblüffendes Zusammenspiel. Wie wichtig ist Euch diese Live-Ebene?

Schulz

DIE ERFORSCHUNG DER RÄNDER Genau darum geht es uns bei Live Animation. Den Moment der Herstellung mitzuerleben, ist magisch. Die Figuren oszillieren zwischen der Leinwand und den real anwesenden Schauspieler_innen, die mehre-

Voges

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Die Möglichkeit einer Insel mit Bettina Lieder

re Handlungsebenen gleichzeitig erschaffen, die man nur staunend beobachten kann. Die Performer_innen werden zu Zauber_innen, obwohl das Publikum alle „Tricks“ mit eigenen Augen nachvollziehen kann. Im Zusammenspiel der Schauspieler_innen, der Figuren, des Schnitts und der Musik entsteht eine Geschichte mit eigenem Rhythmus und eigener Sprache. Schulz

Für die Schauspieler_innen ist diese Art des Theaterabends eine völlig neue Herausforderung. Sie müssen an genau vereinbarten Stellen ihre Kamera live schalten, kleinste Mechanismen präzise bewegen und dazu zahlreichen Figuren ihre Stimmen leihen. Und oft animiert jemand eine Figur, während jemand anderes sie spricht. Das klingt nicht unkompliziert.

Voges

Zunächst mal braucht es ungefähr zwei Wochen Probenzeit, bis das Prinzip des Schneidens, Sprechens und Animierens zu einem natürlichen Vorgang wird. Danach, das konnten wir jetzt schon öfter erleben, entsteht eine richtige Freude der Performer_innen, kleine schnitttechnische Finessen einzubauen und der Filmmontage eine eigene künstlerische Note zu geben. So wird der eigentlich einsame Beruf eines „Cutters“ zu einem kollektiven, spielerischen Vorgang. Das ist ein lustvoller Prozess, beim Zuschauen und auch beim Machen. Denn natürlich kann man dem anderen auch mal ganz bewusst das Bild „klauen“, indem man sich vorzeitig „live“ schaltet.

Schulz

Die Möglichkeit einer Insel wurde mit dem Dortmunder Kritikerpreis ausgezeichnet und Der Futurologische Kongress zum berühmten Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart eingeladen. Wie geht es weiter?

Voges

Nachdem das Schauspiel Dortmund uns sozusagen „entdeckt“ hat, uns das Vertrauen geschenkt hat, ohne Präzedenzinszenierung eine neue Kunstform zu entwickeln, und uns dann sogar die große Bühne zur Verfügung gestellt hat, haben auch andere Theater Interesse an unserer Arbeit gezeigt. Und wir versuchen mit jeder Inszenierung, unsere Kunstform weiterzuentwickeln und ihre Ränder zu erforschen.

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Der Futurologische Kongress mit Friederike Tiefenbacher, Carlos Lobo, TD Finck von Finckenstein, Marlena Keil und Uwe Schmieder

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EIN KOSMOS AUS EMOTIONEN, FRAGEN UND SEHNSÜCHTEN Theaterfotografin Birgit Hupfeld über Dortmunder Bilder und Menschen

10 Jahre Schauspiel Dortmund mit Kay Voges als Intendant, 10 Jahre konnte ich als Hausfotografin diese Zeit begleiten. Um meine wichtigsten Gedanken und Erfahrungen zu beschreiben, habe ich fünf Bilder ausgesucht: Die drei Fotos aus Biedermann und die Brandstifter / Fahrenheit 451, Das Fest und Die Dämonen stehen für mich für die wunderbare, gemeinsame Energie des Dortmunder Ensembles, die Spielfreude, die Kraft des Ausdrucks und die mutige Suche auf der Bühne. Diese Qualitäten lassen sich nicht einfach in den Proben herstellen, sondern sind eine Folge von dem, wie man einander begegnet – und dass man sich vertraut. Ich habe erlebt, wie Ensemble, Team und Kay Voges in ständigem Austausch über ihre Arbeit, ihre Visionen und Fragen sind, wie sehr sie Loyalität, Auseinandersetzung und gegenseitige Wertschätzung in ihre Arbeit einbringen. Das ist es, was mich auch auf der Bühne berührt.

PLAY: Möwe | Abriss einer Reise und Der Meister und Margarita: Diese beiden Inszenierungen stehen stellvertretend für viele Dortmunder Theaterabende, die in meinem Kopf einen ganzen Kosmos von Emotionen, Fragen und Sehnsüchten entstehen ließen – in einem Zusammenspiel von Schauspiel, Bildern, Text und den eigenen Lebenserfahrungen. Kay Voges ist ein Regisseur und Intendant, der immer wieder auf der Suche nach neuen Visionen für das Theater ist, der die Grenzen der Ausdrucksmöglichkeiten ständig erweitern möchte. Mit interdisziplinären Mitteln schafft er so philosophische, zeitlich offene Räume für die Inhalte seiner Inszenierungen.

Birgit Hupfeld arbeitet im gesamten deutschsprachigen Raum als Theaterfotografin, z.B. in Bochum, Essen, München, Basel, Berlin und Köln, als Hausfotografin am Schauspiel Frankfurt sowie (seit 2010) am Schauspiel Dortmund, wo auch 2019 ihre Ausstellung Bigger than Life zu sehen war.

Merle Wasmuth in Biedermann und die Brandstifter / Fahrenheit 451

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53 Bettina Lieder, Ekkehard Freye, Sebastian Kuschmann, Christoph Jöde, Uwe Schmieder, Julia Schubert in Das Fest

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Friederike Tiefenbacher, Alexandra Sinelnikova, Frank Genser, Ekkehard Freye, Christian Freund, Jakob Benkhofer in Die Dämonen

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Björn Gabriel in PLAY: Möwe I Abriss einer Reise

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Caroline Hanke in Der Meister und Margarita

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DOGMA 20_13 Das Dortmunder Manifest

Das Dogma-Original wurde von Lothar Schwengler ersteigert. Wir danken ihm für die Bereitstellung.

DOGMA 20_13 ist ein Kollektiv von Dortmunder Theatermacher_innen, gegründet im Frühjahr 2013 anlässlich der Aufführung von DAS FEST nach Rukov/Vinterberg. DOGMA 20_13 verfolgt das erklärte Ziel, gewissen Tendenzen in der zeitgenössischen darstellenden Kunst entgegenzuwirken. DOGMA 95 wird volljährig. Herzlichen Glückwunsch, DOGMA! Zeit erwachsen zu werden…! 1995 tobte ein Sturm der Technik! Zum ersten Mal in der Geschichte des Films hatte wirklich jede_r die Möglichkeit, Filme zu machen. Die Herstellung wurde für jede_n erschwinglicher und technische Kosmetik zur Maske der Mittelmäßigkeit. 1995 war das Maß voll! Der Individualis-

mus erreichte seinen vorläufigen Höhepunkt und der auteur wurde zum bourgeoisen Schöpfergott. Deshalb schneiderte man den Filmen eine Uniform und stellte dem individuellen Film ein unangreifbares Regelwerk entgegen, das sogenannte Keuschheitsgelübde: DOGMA 95. Die Parolen von Kollektivismus, Selbstdisziplin und Wahrheit brachten eine Zeitlang große Werke hervor, aber keine wirklichen Veränderungen. Die Beschränkung der Mittel erzeugte kurzfristige Freiheit, die der zunehmenden Entfremdung im Kino aber nichts Nachhaltiges entgegenzusetzen wusste. Die Welle wurde käuflich und DOGMA 95 eine Marke auf dem Markt. Das Ziel stimmte, aber nicht die Mittel. Der antibürgerliche Film wurde selbst massentauglich, weil sich seine Theorie des authentischen Bilds als erfolgreichster Marketingcoup in der neueren Geschichte der Avantgarde herausstellte. DOGMA 95 war der Aufbruch

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in eine Sackgasse, weil Filmkonventionen wie Montage, massenhafte Distribution und von Menschen bediente Kameras nicht radikal infrage gestellt wurden! Für DOGMA 20_13 ist Film ausschließlich eine Livekunst! „Das Kino der Zukunft ist live. Ich will mit Filmen auf To u r n e e g e h e n , a u f d a s P u b l i k u m r e a g i e r e n k ö n n e n , j e d e n A b e n d d i e S z e n e n n e u a r r a n g i e r e n . Te c h n i s c h i s t das bereits möglich. In Hollywood hat das nur noch kaum jemand begriffen.“ Francis Ford Coppola, 2012 Heute ist der Film tot. Die digitalen Medien haben ihn in eisiger Koalition mit dem Fernsehen erdolcht. Zwischen digital animierten 3D-Spektakeln in Vorstadt-Multiplexkinos, Weichzeichner-Sommerkomödien und Selfmade-Youtubing ist die natürliche Biosphäre für den Film unbemerkt verschwunden. Heute erfährt der Film seine Auferstehung im Theater. Einst raubte der Film den Kunstwerken ihre Aura, nun ist es an der Zeit, dem Film selbst eine Aura im Hier und im Jetzt zu verschaffen. Herzlich willkommen im Theater, Herr Coppola: Das wahre Kino der Zukunft und das wahre Theater der Zukunft sind eins! Für DOGMA 20_13 ist Film immer Illusion & Realität zugleich! Es gibt keine Realität ohne Illusionen und keine Illusion ohne Realitäten! Der Versuch, die Wirklichkeit 1:1 abzubilden, ist zu mickrig für die Wirklichkeit und zu mickrig für Film und Theater. Der mündige Zuschauer

sieht die Illusion und zugleich, wie sie im Hier und im Jetzt entsteht. Er betrachtet die Bilder und sieht ihnen zugleich auf den Grund. Unter seinem Blick entfaltet die reale Arbeit an der Illusion eine eigene poetische Kraft. DOGMA 20_13 verlangt die radikale Selbstständigkeit des Zuschauers! Der Bühnen-Film ist eine Antwort auf die Entfremdung der Kunstwerke von ihren Produktionsbedingungen. Deshalb verweigern wir den Schnitt und die massenhafte Reproduktion. Die Montage im Kopf des Zuschauers werten wir höher als die Manipulation durch den Monteur. Wir sind gegen die Hybris der Cutter, die Schauspieler und Zuschauer bei ihrer Suche nach Erkenntnis und Gefühl zu unterbrechen! Wir fordern, Filme ausschließlich im Moment ihrer Erschaffung zu zeigen! Wir fordern, immer zu zeigen, wie die Illusion entsteht! Wir fordern, Filme niemals aufzunehmen, zu kopieren oder massenhaft zu vervielfältigen! Wir fordern, auf eine Montage durch Schnitte grundsätzlich zu verzichten! Wir fordern, den ideologischen Blick des Kameramanns zu eliminieren! Wir fordern, der Monotonie des massenhaft reproduzierten Films endlich wieder den Thrill des Einzigartigen und die Originalität der Bühne entgegenzuhalten! Das wahre Kino der Zukunft und das wahre Theater der Zukunft sind eins!

Das Keuschheitsgelübde 20_13 „Ich gelobe, mich den folgenden Regeln zu unterwerfen, die von DOGMA 20_13 ausgearbeitet und bestätigt wurden:

1. Die Dreharbeiten dürfen nur dort stattfinden, wo die Zuschauer anwesend sind! 2. Niemals verwenden wir vorproduziertes Bildmaterial. Alle Bilder werden im Augenblick hergestellt. 3. Es darf keine Schnitte und nicht mehr als ein Kameraauge geben. Die Schauspieler erhalten die Macht über die Bilder zurück, die sie vor unvordenklichen Zeiten an die Montage verloren haben. 4. Das Kameraauge darf niemals von Menschen bedient werden. Der Kameramann ist der erste und schlimmste Manipulator. Sein subjektiver Blick muss eliminiert und durch die Objektivität eines Roboters ersetzt werden. 5. Das Kameraauge hält niemals still. Niemals! Die Erde friert ja auch nicht plötzlich ein. 6. Die Kulissen dürfen ausschließlich durch die Schauspieler bewegt werden und niemals den Eindruck von Naturalismus erzeugen! Das Leben ist hart, die Kulissen weich! Technische Manipulationen der Bildgestaltung wie Splitscreen, Zeitlupe, Zeitraffer, Filter, Color-Correction u.ä. sind absolut unzulässig!

7. Die Vertonung muss live geschehen. Der Ton ist ein ebenbürtiger Darsteller und geht ein kontinuierliches Wechselspiel mit den Schauspielern ein. 8. Die Musik durchweht Kulissen und Robotik, transzendiert sie und hebt das Kunstwerk auf eine höhere Wirklichkeitsstufe. 9. Morde, Waffen, Gewalt und explizite Sexualität sind zulässig, wenn sie der Veranschaulichung makrokosmischer Zusammenhänge dienen. 10. Kinder gehören nicht auf die Bühne. Gutes Schauspiel ist immer ein Kinderspiel. 11. Es darf kein Tageslicht verwendet werden. 12. Der Name des Regisseurs darf nie in Vergessenheit geraten.“

Dortmund, Dienstag, den 15. Januar 2013

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Szenen aus Das Fest mit Frank Genser, Caroline Hanke, Björn Gabriel, Sebastian Kuschmann, Christoph Jöde, Uwe Schmieder, Julia Schubert sowie aus Minority Report mit Ekkehard Freye, Merle Wasmuth, Julia Schubert

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IRGENDWANN WAR DIE GUCKKASTENBÜHNE ZU KLEIN Über die Inszenierung eines Theaterstücks, in dem die Wirklichkeit explodiert

Für dieses Gespräch reisen wir in eine andere Zeit: ins Jahr 2012 – genauer gesagt, zum Freitag, den 7. September 2012, Schauspiel Dortmund. Vier Menschen im Intendanzbüro, es ist 22:52 Uhr, es herrscht glückliche Erschöpfung. Die erste Endprobe für Einige Nachrichten an das All auf der Bühne des Dortmunder Schauspielhauses ist gerade vorbei. Das preisgekrönte Theaterstück des 1981 geborenen Autors Wolfram Lotz wütet zwischen Fiktion und Realität, hochkomisch, intelligent, mit Dialogen voll Suche nach dem Sinn des Lebens. In einer Woche ist Premiere. Kay Voges führt Regie, Daniel Hengst zeichnet als Director of Photography und Schnitt verantwortlich, Mona Ulrich ist die Kostümbildnerin, Anne-Kathrin Schulz die Co-Dramaturgin. Voges, Hengst, Ulrich und Schulz blicken auf die aufregende Reise in die Welt eines Theatertexts, der zu einem Film wurde, der Teil eines Theaterstücks war. Schulz

Der erste Satz in Einige Nachrichten an das All lautet: „Wir befinden uns in einer Explosion, ihr Ficker“. Als ihr das Stück gelesen habt, gab es ziemlich schnell in der Phantasie eine Bühnenvision: Ein Raum, der sich den Theaterabend hindurch radikal verändert. Und als klar war, dass das technisch einfach nicht machbar ist, wie war der weitere Weg? Von: „Wir haben ein Bühnenbildproblem“ über „Wir müssen uns ein neues Bühnenbild ausdenken“ bis zu „Jetzt drehen wir einen Film“, das ist ja kein kleiner Schritt.

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Es war die Verzweiflung, die das Ausstattungsteam hatte. Mona Ulrich, Bühnenbildner Michael Sieberock-Serafimowitsch und ich, wir saßen zusammen und dachten, „Was machen wir jetzt?“ Denn der ursprüngliche Entwurf war ein Bühnenbild, das über neunzig Minuten zusammenstürzt. Und das jeden Abend. Es hätte also für jede Vorstellung ein neues Bühnenbild gebaut werden müssen. Das war einfach nicht realisierbar. Und ich fing dann an zu erzählen, wie die Szenerien eigentlich sein müssten. Und ich erzählte von Säuglingen, die geboren werden müssen, und von Häusern, die auf dem Wasser schwimmen wie Flämmlein auf dem Ozean und von Autounfällen. Und dann sagte Michael Sieberock-Serafimowitsch: „Dann müssen wir das wohl drehen, das kriegen wir nicht alles auf der Bühne aufgebaut.“ Der allererste Gedanke war aber, dass man dieses Stück nur zu Fuß begreifen kann. Wir wollten in einer großen Halle oder in einem Museum spielen, wo man von Raum zu Raum, von Erlebnis zu Erlebnis diese Reise zu Fuß erleben würde. Und da scheiterte es am Raum, wir haben den Raum nicht bekommen. Und irgendwann war diese Guckkastenbühne dann zu klein. Die hat der Explosion nicht standhalten können, so wie wir sie hätten machen wollen. Und ich erinnere mich an den Moment, an dem ich dachte: „Wenn auf einmal ein Auto durch die Leinwand bricht und die Zweidimensionalität

Wolfram Lotz‘ Einige Nachrichten an das All von Regisseur Kay Voges und Director of Photography Daniel Hengst hatte am 14. September 2012 am Schauspiel Dortmund Premiere, wurde 2013 als beste Inszenierung beim NRW-Theatertreffen sowie 2014 beim Sunset Film Festival Los Angeles und beim Artodocs International Filmfestival in St. Petersburg ausgezeichnet. Kay Voges, Regisseur für Schauspiel und Oper z.B. in Bonn, Dresden, Dortmund, Frankfurt, Hamburg, Berlin, Hannover, Wien, von 2010 bis 2020 Intendant des Schauspiel Dortmund, danach Direktor des Volkstheater Wien. 2017 wurde seine Inszenierung Die Borderline Prozession zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Daniel Hengst, international arbeitender Videoartist, Kameramann und Medienkünstler, bis 2012 Leiter der Videoabteilung des Schauspiel Dortmund, wo auch 2013 seine Inszenierung Der Live Code: Krieg und Frieden im Globalen Dorf Premiere feierte. 2014 wurde er mit dem Dr. Otto Kasten-Preis des Deutschen Bühnenvereins ausgezeichnet.

65 eines Film plötzlich in eine dritten Dimension aufreißt – dann lande ich im Theater, und das kann kein Kino mir geben.“ Die Phantasie von dem Auto war eigentlich eins der ersten Bilder, die wir hatten: „Wenn wir drehen, dann muss auf der Bühne ein Auto durch die Leinwand fliegen. Sonst machen wir Kino.“ Genau um diese Kollision von Fiktion und Wirklichkeit ging es, davon schreibt Wolfram Lotz.

Mona Ulrich, Kostümbildnerin für Oper, Schauspiel und Film, unter anderem in Berlin, Frankfurt, Oslo, Hamburg, Magdeburg, Hannover, Potsdam, Wien und Dortmund. Anne-Kathrin Schulz, von 2010 bis 2020 Dramaturgin und Autorin am Schauspiel Dortmund (Die Schwarze Flotte, Memory Alpha oder Die Zeit der Augenzeugen) sowie seit 2019 Vertretungsprofessorin im Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund – University of Applied Sciences and Arts.

Wir sind also raus aus dem Theater. Ständig kamen neue Drehorte dazu, mussten neue Sets gebaut werden. Die Crew wurde immer größer. Wind, Feuer, Erde, Wasser wurden sinnliche Teile des Spiels. Wir haben beispielsweise auf der Halde Haniel gedreht, auf einem Hochhausdach und eine ganze Nacht am Silbersee in Haltern. Daniel stand mit der RED One-Kamera in löchrigen Gummistiefeln stundenlang im Wasser, aus dem Julia Schubert und Björn Gabriel wieder und wieder aufgetaucht sind. Frank Genser und Uwe Schmieder warteten am Ufer – auf ihre Szene in dem Haus, das wie ein Flämmlein auf einem See schwimmt. Auch Sebastian Graf war da, der den „Leiter des Fortgangs“ spielte. Ein Mann, der mit einer Apparatur durch Raum und Zeit reist, zu den Protagonisten der vielen kleinen Mikrokosmen, in denen Autor Wolfram Lotz wieder und wieder die Lupe aufs Menschsein richtet. Die Figuren sollen dann ein einziges Wort erdenken, welches sich lohnt, als Botschaft ins Weltall geschickt zu werden – letztendlich in die Ewigkeit. Dieses Setting finde ich genial. Diese Reduzierung auf Ein-WortFunksprüche – komprimierter und mechanisierter kann die große Suche nach dem Sinn des Lebens kaum dargestellt werden. Und das alles in permanenter Präsenz des Alls. Denn das All, das hört man auch im Stücktitel, ist der Adressat der Funksprüche, es ist also ein Subjekt des Stücks. Aber – die Unendlichkeit auf die Bühne bringen? Den Himmel?

Schulz

Wir haben während der Dreharbeiten sechs Mal die Sonne aufgehen sehen. Wir haben versucht, mit der Natur zu arbeiten, mussten aber gleichzeitig auch gegen sie anarbeiten, wenn wir beispielsweise schneller sein wollten als die kurze Nacht. Schneller als der Sonnenaufgang, bei anderen Szenen schneller als der Sonnenuntergang – den Elementen ausgeliefert.

Voges

Genau wie die Figuren im Stück.

Schulz

Wir hatten Wind um uns, wir waren im Wasser, Julia und Björn haben gefroren, Eva Verena Müller auch. An anderen Drehtagen war unter uns Erde, Ekkehard Freye sprach einen großen Monolog umgeben von Sand, Uwe Schmieder rannte mit seinem nackten Fleisch über den Schotter der Halde Haniel in Bottrop. Und das Element Feuer hat sich nicht nur ein bisschen zu Wort gemeldet, sondern das ganze Auto abgefackelt.

Voges

Alle Beteiligten waren bereit zu einem großen Wahnsinn.

Hengst

Alle haben alles, was irgend möglich war, auch möglich gemacht. Eines von vielen Beispielen dafür sind auch die Kostüme. Ich habe innerhalb von zwei Wochen ein komplettes Kostümbild herstellen lassen. Die Kolleg_innen aus der Kostümabteilung haben, wie alle, unglaublich viel gearbeitet. Das, was wir in zwei Wochen realisiert haben, hat normalerweise eine Produktionszeit von einem Monat oder sechs Wochen. Mit einem Monat Vorlauf. Und dennoch haben alle Ja gesagt.

Ulrich

66 Filmszene aus Einige Nachrichten an das All

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Julia Schubert, Björn Gabriel und Sebastian Graf in Einige Nachrichten an das All

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Voges

Wir haben uns alle gemeinsam aufgemacht und gesagt: „Wir wollen das Unmögliche versuchen.“ Permanent sind wir der Zeit hinterher gelaufen und haben neue Fakten geschaffen, die überhaupt nicht in Frage gestellt werden konnten. Und dann regnet es, und man entscheidet kurzfristig, woanders hinzufahren, für eine andere Szene. Und dieser Prozess war ein permanentes Verwandeln. „Dafür haben wir aber das eine Requisit nicht dabei, um das zu besorgen, müssten wir den Dreh um einen Tag verschieben, das können wir nicht, haben wir weder Geld noch Zeit für, also wird mit einem anderen gedreht.“ „Jetzt ist es kalt, jetzt können wir nicht mehr.“ Man reagiert aufeinander, und das war das Schöne an dieser Kollektivreise. Es waren nicht ein oder zwei, die eine Reise machten und mit Dingen umgehen mussten, sondern die Bühne musste mit den Schauspieler_innen umgehen, die Schauspieler_innen mit dem Material, die Kostüme mit den Schauspieler_innen, diese mit der Situation, mit der Kamera, mit dem Licht, alle mit dem Wetter. Es wurde eigentlich permanent versucht, etwas zu kreieren – in einer Art Schicksalsgemeinschaft. Ausgeliefert, mit keinem Luxus, mit wenig Geld, mit viel zu wenig Zeit. Und damit mussten wir arbeiten. Natürlich kann man, wenn man genug Zeit hat, einen Wald perfekt ausleuchten. Aber wenn man erst eine halbe Stunde vorher weiß, ob überhaupt Strom kommt, dann wird das ein existentieller Moment: „Wir haben gerade Strom, wer weiß, wie lange, lasst uns anfangen!“ Und diese Existentialität – wenn man Ja dazu sagt, machte wieder und wieder neue Räume auf. Und stößt natürlich auch immer wieder auf neue Probleme und an neue Grenzen, die man überwinden musste. Um dann zur nächsten Grenze zu kommen. SCHEITERN ALS HERAUSFORDERUNG

Hengst

Der Einige Nachrichten an das All-Produktionsprozess unterlag nicht den Filmproduktionsmechanismen, die es normalerweise gibt. Wir mussten keinen Pitch gewinnen, wir mussten keine Treatments einreichen und dann gegen andere Leute bestehen, damit dieser Film produziert werden konnte. Es gab eine enorme künstlerische Freiheit, die wir nutzen konnten. Wir hatten die Freiheit zu sagen: „Wir nehmen uns das Medium Film am Theater und machen damit unser eigenes Ding.“

Voges

Eigentlich fast der Weg zurück zum Autorenfilm, wenn auch mit einer anderen Spielweise.

Hengst

Jede Produktionsfirma hätte uns bestimmt den Vogel gezeigt und gesagt: „Das geht niemals.“ Und wir haben es einfach gemacht, und das sieht man dem Film absolut an.

Schulz

Vielleicht sind praktische Probleme, egal in welcher Art der Inszenierung, bei diesem Stück ein inhaltliches Prinzip? Es gibt in Einige Nachrichten an das All viele Regieanweisungen und Settings von Wolfram Lotz, die ganz klar und deutlich jenseits vom im Theater praktisch Machbaren sind. Und man bekommt sehr schnell eine Ahnung, wie klug diese Settings gewählt sind. Die Grenzen, die das Medium Theater nun mal hat, lachen einem laut und fröhlich aus dem Text direkt ins Gesicht. Vieles von dem, was ihr schon zu unserer Umsetzung gesagt habt, könnte eine reine Formdebatte sein. Ist es für mich aber nicht – weil alles immer wieder inhaltlich zum Stück zurückkehrt. Es ist, als ob das Stück uns wirklich gut im Griff hatte.

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Die Entscheidung, die Szenen zu verfilmen, ist wirklich aus dem Text heraus getroffen worden.

Voges

Wir haben nicht ein Drehbuch geschrieben, was filmisch sein könnte, wir haben wirklich ein Theaterstück im Film gezeigt. Da treffen sich Film und Theater.

Ulrich

Zum einen bleibt es Theater oder ein theatraler Film, allein schon durch die Sprache, die Dialoge von Wolfram Lotz. Sie haben zum Teil einen lyrischen Ton, der dann aber immer wieder so bricht, dass das wirklich Literatur ist, Theaterdrama. Und dann sind da Lotz‘ Regieanweisungen. Die fordern beispielsweise eine Gruppe real krebskranker Kinder aus der Kinderonkologie. Wollen wir jetzt Schauspieler_innen sehen, die Kinder aus der Kinderonkologie spielen? Das will man doch eigentlich nicht. So kommt man dem nicht bei, diesem Lotz mit seinen Anforderungen. Und dann denkt man sich: „Also müssen wir doch reale Kinder casten.“ Doch auch das hat seine Tücken, weil diese Kinder diese Texte von Wolfram Lotz nicht einfach gesprochen bekommen. Lotz hat eine Phantasie geschrieben, die sowohl rechts- wie linksrum nicht machbar ist, weil sie eigentlich nur scheitern kann. Und die Herausforderung war, wie man mit dem Scheitern so umgeht, dass eine Grenze eingerissen wird – und dass etwas Neues entstehen kann.

Voges

Wusstest Du, dass der fertige Film sehr theatral wirken würde?

Schulz

Wir hatten ja in Nora bereits auf der Bühne mit der Kamera gearbeitet, und Daniel zusätzlich bei Martin Laberenz‘ Inszenierungen Visitor Q und Naked Lenz. Das war die Grundlage, von der aus wir gestartet sind. Ich habe überlegt: Wie geht ein Theaterteam an einen Theatertext? Was sind unsere Erfahrungen mit der Kamera? Film und Theater liefen also parallel. Es gibt im Film viele Reminiszenzen an das Theater – dass Vorhänge auf- und zugehen, dass Aktwechsel stattfinden und man als Zuschauende_r nicht weiß: Auf welcher Ebene befinden wir uns gerade? Ist das jetzt Theater? Oder ist das jetzt Film? Oder: Ist es die Wirklichkeit oder ist es der Traum? Es entsteht eine Unschärfe, und genau dieser Unschärfe liegt vielleicht eine Wahrheit zu Grunde. Was vielleicht diesen taumelnden Eindruck widerspiegelt, den auch die Figuren im Stück erleben – zwischen Himmel und Erde, Tod und Geburt festzuhängen und, wie Lotz schreibt, wie eine Kartoffel durchs Weltall zu eiern.

Voges

DER MENSCH AUF DER BÜHNE Und dann noch die weitere Ebene in unserem Theaterabend: der Moment, an dem die Schauspieler_innen nach dem Film auf die Bühne kommen. Erst sieht man sie in ihrer Kostümierung im Film, in Großaufnahme, in Totale, und sie sind Teil dieser Realität, und dann kommen sie auf die Bühne, und es ist eine völlig andere Realität. Da sieht man zum Beispiel Eva Verena Müller, die anderthalb Stunden gerade Schwester Inge war, also eine Art Übermensch, der die Dinge dieser Welt zu lenken scheint, und dann steht Eva da vorne und ist auf einmal Fleisch geworden. Das kommt mir vielleicht so intensiv vor, weil ich selber beteiligt bin, aber alles, diese Zeit und diese Arbeit, die dahinter steckt, ist in diesem Moment auf dieser Bühne repräsentiert. All die Kostüme und die Orte sind dann auf einmal da, durch diese Menschen sprechen sie zu einem. Aber ganz anders, als der Film es tut.

Hengst

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Schulz

Das hat mich eben auf der Probe wirklich überrascht. Ich habe das erste Mal beide Teile nacheinander gesehen. Und die sinnliche Wirkung, die die plötzliche physische Präsenz der Schauspieler_innen auf der Bühne auf mich hatte, hatte ich vorher nicht geahnt. Ich sah den Film, dann schien das Medium plötzlich zu stolpern. Und sie waren da. Durch das Verzichten auf den realen Menschen auf der Bühne während der 90 Minuten des Films wirkten die Menschen, als sie dann plötzlich auftraten, unglaublich kostbar. Und auch das Medium Theater. DAS ENTKÖRPERTE ICH

Voges

Es geht auch um Material und Entmaterialisierung. Erde und Feuer und Haut und Fleisch, das in Licht verwandelt wird. Und um das Theater, was dann ebenso konkret mit diesen Menschen, mit diesen Körpern im Augenblick umgeht. Diese Transzendenz liegt, glaube ich, nah an einem der Diskurse, die unsere Gegenwart durchziehen. Die Entkörperlichung. Dass man sagt: „Ich kann Geschichte schreiben, ohne meinen Computer zu verlassen. Ich brauche nicht mehr physisch irgendwo anwesend zu sein, um Dinge zu bewegen.“

Schulz

Das Ich ist überall?

Voges

Das Ich löst sich ab vom Körper, und das ist ein bisschen erschreckend und faszinierend zugleich. Und dann wird einem aber klar, dass beispielsweise auch in unserer Phantasie das Ich sich vom Körper loslöst. Die Phantasiewelt war schon immer eine, die entkörperlicht ist, und die Traumwelt auch. Und dazwischen besteht immer die Kunst, in dieser Nische zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen Körper und Immaterialität, wo Lotz dann auch hin möchte und sagt: „Da findet das Neue statt.“ Das sind alles so Phänomene, die man vielleicht noch nicht völlig beschreiben kann. Aber ich glaube, hier steckt ein sehr gegenwärtiger Diskurs in diesem Theaterstück und in diesem Abend. Wo es um Tod und Leben, Endlichkeit und Unendlichkeit, Wirklichkeit und Phantasie geht. Was dann auf diesem Grenzbereich zwischen Körper und Abbild stattfindet.

Hengst

Das Ich, wenn es sich wirklich auflöst, wenn es sich abtrennt von dem Hier und dann in Netzwerken stattfindet, welches Ich ist denn wichtiger? Welches hat eine Relevanz?

Voges Hengst

Welches ist vielleicht sogar realer? Welche Vorstellung von einem selbst ist realer? Ich denke, dass diese Fragen nach Netzwerken oder Virtualität für so manchen heute, im Jahre 2012, noch wie neumodisches Zeug klingt, aber für eine Generation, die gerade heranwächst, überhaupt kein neumodisches Zeug ist. Das Internet ist kein abgetrennter Teil, der woanders stattfindet, sondern der findet genau da statt, wo man ist. Und das, was dort stattfindet, findet genau hier statt. Das Dort und das Hier verschwimmen völlig.

Luise Heyer und Caroline Hanke in Der Meister und Margarita Folgende Seiten: Szenen aus 4.48 Psychose von Sarah Kane

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MAN TANZT EINEN ABEND MIT. Tobias Hoeft, Mario Simon und Laura Urbach von der Medienabteilung des Schauspiel Dortmund im Gespräch mit Matthias Seier über Live-Filme, Kamerafahrten und Softwareprobleme

Mario Simon studierte nach dem Abitur Germanistik, Literatur- und Kulturwissenschaften, Film- und Medienwissenschaften sowie Philosophie an der Universität Bonn, der TU Dortmund und der FernUniversität Hagen. Für das Schauspiel Dortmund arbeitete Mario Simon erstmals bei den Dreharbeiten zu Einige Nachrichten an das All. Seit 2013 ist Mario Simon fest am Schauspiel Dortmund, seit 2014 als Leiter der Medienabteilung. Für Kay Voges‘  DIE SHOW arbeitete er erstmals mit Director of Photography Voxi Bärenklau zusammen. Zudem arbeitete Simon auch an der Neuköllner Oper sowie an der Staatsoper Hannover. Im November 2017 erhielt er den „Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler“ in der Sparte Theater. Seit Sommer 2019 ist Mario Simon Leiter der Medienabteilung der Akademie für Theater und Digitalität. Tobias Hoeft, geboren 1982, bringt acht Jahre Video-Erfahrung aus Punk- und Hip-HopMusikvideos in seine Arbeit am Schauspiel Dortmund ein, wo er seit Beginn der Spielzeit 2017/18 als Mitglied der Videoabteilung tätig ist. Er wirkte u.a. als Dolly Grip bei Die Borderline Prozession mit und war Live-Kameramann bei Triumph der Freiheit #1 und Einstein on the Beach. Biedermann und die Brandstifter / Fahrenheit 451 war seine erste Arbeit für die große Bühne des Schauspielhauses. Bei den Arbeiten Schöpfung, Die Parallelwelt, Hedda Gabler, Everything Belongs to the Future sowiePLAY: Möwe | Abriss einer Reise führte er die Kamera. Laura Urbach studiert Film und Sound an der FH Dortmund und arbeitet derzeit an einem Dokumentarfilm über den Hambacher Forst. In norway.today war sie 2019 erstmals als Videokünstlerin am Schauspiel Dortmund tätig, gefolgt von Rainald Grebes Unsere Herzkammer undPLAY: Möwe | Abriss einer Reise. Seit Frühjahr 2019 ist sie fest in der Medienabteilung des Schauspiel Dortmund angestellt.

Mario, Du bist ein Quereinsteiger, was Videokunst und Kameratechnik am Theater angeht. Was waren Deine Stationen hier am Theater?

Seier

Vor zehn Jahren fing ich an, mit Video rumzuexperimentieren. Ich hatte gar nicht die große Absicht, Kameramann oder dergleichen zu werden, aber ich hatte eine kleine Flip-Kamera und hab Videos geschnitten. Eines Tages stand auf Facebook, dass das Schauspiel einen großen, 90-minütigen Film drehen möchte. Und ich dachte: „Cool, mach ich doch mal mit!“ Und so wurde ich bei den Dreharbeiten von Einige Nachrichten an das All der Set Runner. Das war der Startschuss. Bei der Folgeproduktion Endspiel war ich dann gleich der Sound Designer – weil Kay Voges sich gemerkt hatte, dass ich mal in ein paar Bands gespielt hatte. Und während des Sound Designs hat er mich gefragt, ob ich Regieassistent werden will. Hab direkt Ja gesagt, aber recht schnell gemerkt, dass meine Stärken eher im Videobereich lagen. So führte das Eine zum Anderen, und auf kurz oder lang wurde ich Leiter der Videoabteilung.

Simon

Du hattest bei den Proben zu Das Fest (2013) auch die zündende Idee, was die Steuerung des ewig kreisenden Kameraroboters anging – und zwar dank eines legendären Videospiels aus den 90ern.

Seier

Genau. Es ging um die Fernsteuerung des Kameraroboters, der in der Inszenierung unablässig auf einer ringförmigen Schiene mit acht Metern Durchmesser kreiste. Ich konnte mich da tatsächlich enorm schnell reindenken – gar nicht, weil ich so ein toller Kameramann war, sondern weil die Steuerung genauso wie bei dem Videospielklassiker Descent war! Da musste man mit zwei Joysticks so kleine Raumschiffe durch Korridore fliegen – das konnte ich intuitiv.

Simon

Videospiele haben mir auch den Einstieg direkt erleichtert! Beim ersten Regiekonzept von Geächtet (Disgraced) gab es ferngesteuerte PTZ-Kameras, die mit Joysticks bedient wurden. Das ging enorm rasch, dass ich die steuern konnte.

Hoeft

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Simon

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Seier

Hoeft

Die erste Version von Geächtet war wirklich der Wahnsinn. Zunächst gehörte eine drehende Scheibe zum Konzept, auf der vier Kameras befestigt waren. Um diese drehende Scheibe stand ein normal ausgestatteter Raum mit Küche und Wohnzimmer, die vier Kameras hätten sich also nonstop durch diesen Raum gedreht. Das hätte eine 360°-Projektion ergeben, die von außen auf den Raum projiziert werden sollte. Lucas Pleß und ich haben das alles gebaut und ausgeheckt. Aber: Wir haben im Stress vergessen, zu prüfen, ob die Kameras denn wirklich einen 90°-Winkel hatten. Hatten sie nicht! Nur 75°. Und deswegen gab es immer hässliche schwarze Flecken in dieser 360°-Projektion. Das war krass, gerade für meine allererste Theaterproduktion. Ich war an den Kameras, habe die nächste eingerichtet, während Mario gleichzeitig für vier Kamerabilder die Flecken herausschneiden musste. Jeder musste somit nonstop den Überblick über vier Kameras behalten. Oder wartet, waren das nicht sogar fünf…? Tobias, Du wirst dem Dortmunder Publikum auch durch eine, sagen wir mal, entschleunigtere Rolle im Gedächtnis bleiben: Du warst der Zen-Meister, der den Kamerawagen der Borderline Prozession zog – der sogenannte Dolly Grip. Ich habe vor meiner Zeit hier enorm viele Musikvideos gedreht – No Budget-Sachen im Punk- und HipHop-Bereich. Irgendwann fragte ich auf Twitter, ob jemand Bock hätte, was Narratives in Dortmund zu produzieren. Dominik Bay hat sich daraufhin gemeldet, dass das Schauspielhaus ein cooler Ort für sowas wäre. Plötzlich saß ich bei Mario im Büro und hatte das Gefühl, ohne jegliche Vorkenntnis in einem Bewerbungsgespräch zu sitzen. Ich saß plötzlich in einem Theater und hatte keine Ahnung von gar nichts!

Simon

So war’s bei mir doch auch.

Hoeft

Nach der Geächtet-Produktion blieben wir in Kontakt, und ich kam zur Borderline Prozession. Pro Vorstellung lief ich drei Kilometer mit dem Kamerawagen. Körperlich war das nicht so anstrengend, aber nach einer Zeit bekam man einen Drehwurm: bis zum Beginn des dritten Teils gab es keine einzige Pause, und ich musste stets rückwärts laufen. Ich sah den Schauspieler_innen jedes Mal erneut zu und versuchte, aufmerksam im Moment zu sein. Denn wenn du anfängst, währenddessen an andere Sachen zu denken, bist du nicht mehr präzise. Und wenn du anfängst, über das nachzudenken, was du da gerade machst, drehst du durch: „Fuck, noch zweieinhalb Stunden.“ Es hat mich aber nie genervt, ich würde es jederzeit wieder machen.

Laura, anders als die beiden hier haben Daniel Hengst, der erste Leiter der Videoabteilung, Du und Julia Gründer etwas in der Richtung Video/ Kamera/Medien studiert. Wie bist Du in diesem Haufen gelandet?

Seier

Ja, ich studiere derzeit noch an der FH Dortmund Film und Sound. Ich hatte schon länger im Foyer-Team vom Schauspiel gearbeitet, eines Tages stand ich im Foyer, als Regieassistentin Hannah Koester zu uns kam: „Es studieren doch viele von euch irgendwas mit Film! Kann jemand von euch Mario bei norway. today aushelfen?“ So bin ich da reingerutscht und fand das enorm spannend. Es war nochmal etwas komplett anderes als das, was ich an der Uni gelehrt bekam.

Urbach

Und die Aufstiegschancen hier am Haus sind auch ziemlich hoch. Deine Vorgängerin Julia Gründer ist jetzt als Videotechnikerin an der Schaubühne in Berlin engagiert und permanent auf Gastspielen unterwegs. Die müsste jetzt gerade in New York sein, glaube ich.

Simon

Kein Gespräch mit der Videoabteilung ohne Nerdkrams! Mario, von Dir stammt der fantastische Satz: „Gute Videosoftware ist wie ein Witz. Wenn man sie erklären muss, ist sie nicht gut.“ Was ist denn so die Software Eurer Wahl? Millumin? Resolume? Und was sind die Unterschiede?

Seier

Ich kann es ganz simpel erklären. Resolume ist für Mash-Up-Arbeiten toll: superspontanes Reagieren, Samplen, direktes Interagieren. Wenn allerdings Inszenierungen wie beispielsweise Der Theatermacher von vornherein klar durchgebaut sind und sich im Ablauf nicht mehr ändern, dann nimmst du Millumin – es ist genauer baubar, doch dafür nicht so flexibel. Resolume ist schneller, hat dafür aber weniger Funktionen.

Simon

Und dann gibt’s noch MXWendler, und oha, ich sehe direkt drei schüttelnde Köpfe.

Seier

Es stürzt nonstop ab…

Urbach

Es ist einfach das falsche Programm, es ist nicht für den Theaterbetrieb konzipiert. Bei Am Boden habe ich mit MXWendler arbeiten müssen, damit die Lichtabteilung das Stück während der Vorstellungen bedienen kann – und ich glaube, es gab keine Vorstellung, wo videotechnisch alles so lief, wie es hätte laufen sollen. Klar, meist waren das nur winzige Fehler, aber bei der Schwarzen Flotte haben wir mit Resolume gearbeitet – der Aufwand war viel größer und komplexer, aber es hat fast immer super funktioniert.

Simon

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Seier

Laura, Du machst hinter der Bühne bei PLAY: Möwe die Videoinspizienz. Was ist da so ein typisches Kommando?

Urbach

„Noch drei Sätze!“ Das ist für Tobi an der Live-Kamera wichtig, damit er backstage mitbekommt, wann es mit den Videoszenen weitergeht. Und ich gebe Material von außen hinein, zum Beispiel den legendären Hamster-Clip.

Seier

Stichwort Live-Kamera, kommen wir mal zu Eurem Schaffen auf der Bühne. Was sind die Dos und Don’ts für Schauspieler_innen, um mit Kameras auf Theaterbühnen gut agieren zu können?

Hoeft

Film- und Fernsehschauspieler_innen sind es natürlich gewöhnt, mit Kameras zu arbeiten. Das Dortmunder Ensemble ist es mittlerweile aber auch. Bei der Parallelwelt spürte ich seitens der Berliner Schauspieler_innen schon ein wenig Scheu oder Reserviertheit vor Menschen mit Kamera auf der Bühne. Man muss der Person hinter der Kamera einfach trauen, dass sie das Bild schon so baut, dass es gut aussieht. Denn sonst neigen manche Schauspieler_innen dazu, sich abzuwenden oder sich in einem Frame selbst neu einzurichten, den man gerade schon so schön gebaut hatte. Es muss während der Proben also eine Kommunikation miteinander stattfinden, dass man sich da gegenseitig vertraut. An anderen Häusern ist das mitunter so, dass Schauspieler_innen und Videoteam während der Proben eigentlich keinerlei Austausch miteinander haben und am Ende auch die Namen nicht kennen. Das ist ein klares Don’t!

Seier

Anke Zillich meinte, dass sie bei Dir nie das Gefühl habe, dass Du ihr auf der Bühne Energie rauben würdest. Das sei ungewöhnlich, sagt sie.

Hoeft

Wirklich? Das ist ein schönes Kompliment. Man probiert ja, sich ein wenig unsichtbar zu machen. Bloß nicht den Fokus von den Schauspieler_innen wegnehmen. Nicht rumstolpern, nicht während der Szene grobschlächtig mit der Kamera über die Bühne stapfen. Man braucht einen guten Flow.

Simon

Für mich ist Kamera-Arbeit im Schauspiel das, was sich am meisten dem Tanz annähert. Es ist wie eine Choreographie. Bei Tobi oder Jan Voges sieht man, dass die Bewegungen kontrolliert sind, es geht um Körpergedächtnis. Man tanzt so einen Abend mit, man ist Bestandteil der Erfahrung. Ich bin mir auch sicher, dass ich das nicht so gut könnte wie Tobi, weil mir dieses Körpergedächtnis fehlt.

Mich haben die Parallelwelt-Szenen auch immer sehr wegen Eurer tänzerischen Kamerabewegungen fasziniert: Der Beginn mit Uwe Schmieder auf dem Sterbebett, die Szene mit Merle Wasmuth und Xenia Snagowski am Weihnachtsbaum… es sieht aber auch immer sehr nach Work-Out aus. Wie schwer ist Euer KameraSetup eigentlich?

Seier

So zehn Kilo etwa? Man baut während der Probenzeit Muskeln auf, aber nach einer längeren Pause ist das wirklich anstrengend.

Hoeft

Das war echt lustig, wie Jan und Du nach der Wiederaufnahme der Parallelwelt nur auf dem Boden lagen und gejapst habt.

Simon

Hedda Gabler fand ich noch anstrengender. Es findet auf viel engerem Raum statt, und die Szene mit Bettina Lieder dauert 30 Minuten – kein Schnitt, keine Pause. Bei der Parallelwelt gab es wenigstens immer mal wieder Momente, wo einer von uns kurz verschnaufen konnte.

Hoeft

Du und Bettina Lieder haben mehrere großartige Live-Kameraszenen. Natürlich denke ich da an Hedda Gabler, aber auch die zwei großen Szenen mit Bettina bei PLAY: Möwe.

Seier

Da hat auch eine Entwicklung stattgefunden. Dass Bettina eine unglaubliche Schauspielerin ist, ist eh klar. Aber ich habe mich bei den Hedda Gabler-Proben auch genau mit ihr abgesprochen, zum Beispiel, wie die simulierte Kamera-Sexszene so stattfinden kann, dass es für uns beide okay und nicht unangenehm ist. Bei PLAY: Möwe war dann klar, dass wir uns gegenseitig absolut vertrauen können.

Hoeft

Was waren denn die schwierigsten Kamerafahrten in Eurer Karriere hier?

Seier

Genau diese Hedda Gabler-Sequenz. Denn während ich diese Szene 30 Minuten lang filme, habe ich auch eine MIDI-Steuerung an meinem Arm und gebe Kommandos ab, wohin das Videobild gerade projiziert wird – auf die rechte, linke oder mittige Bühnenfläche. Und dann muss ich auch noch währenddessen das Licht von der Kamera abmontieren, Bettina manuell beleuchten, und später wieder anschrauben. Allerdings muss ich dazu sagen, dass das während der Proben großen Spaß gemacht hat – wenn mal etwas schiefging, war das überhaupt kein Problem.

Hoeft

Bei mir die Szene in Das Fest mit der Nebelmaschine. Eva Verena Müller hatte eine Nebelmaschine, unsere Souffleuse Suse Kipp hat den Scheinwerfer davorge-

Simon

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Eva Verena Müller, Caroline Hanke, Björn Gabriel, Christina Hevicke und Daniel Hengst in Visitor Q

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halten, und es gab immer so Überblendungen in das Weiß hinein. Das war immer Horror für mich, weil ein gutes Ergebnis von so unglaublich vielen Menschen abhängig war. Ich musste zig Presets am Videoplatz abfeuern und gleichzeitig hoffen, dass alle Schauspieler_innen richtig positioniert standen und das Licht richtig gesetzt ist. Seier

Simon

Urbach

Hoeft

Simon

Und was waren Eure liebsten Kamerapassagen? Mein Favorit ist ganz unscheinbar: eine kurze Kamerafahrt in Szenen einer Ehe, wenige Sekunden lang. Eine auf engem Raum stattfindende Choreographie zwischen Mario, Julia Schubert und Frank Genser: Plötzlich hat Frank wie aus dem Nichts einen massiven Baumstumpf als Kopf, die Kamera dreht sich weiter, Julia sagt atemlos zwei kurze Sätze in die Kamera, die Kamera schwenkt zurück, plötzlich ist der Baumstumpf fort, als wäre nie etwas gewesen. Das war für mich der einzige Theatermoment bisher, der die oft genutzten David Lynch-Vergleiche wirklich bedienen konnte, das war grandios. Ja, das war klasse. Bei Republik der Wölfe gab es auch tolle Passagen, Claudia Bauer hatte viele tolle Kameramomente in ihren Inszenierungen! Aber Highlights gibt’s so viele. Die Parallelwelt, Die Borderline Prozession… ich glaube aber, die letzten paar Minuten von 4.48 Psychose sind mein Favorit. Es ist eher eine Mediensequenz als eine Kamerasequenz – ein unglaublich heftiges Zusammenspiel von Kamera, Projektion, Licht und Musik! Und dann der wabernde Nebel, die Stille. Mir ist der unmittelbare Anfang von Das Fest immer im Gedächtnis geblieben: die Autofahrt zum Familienfest, man sieht die Spieler_innen mit den Requisiten auf der leeren Bühne, die Gaze fährt hinunter, und plötzlich entsteht die Illusion des großen Filmbilds. Und ich bin ein sehr großer Fan von Wum und Wendelin beiPLAY: Möwe. Oder auch die allerletzten Sekunden der Borderline Prozession. Wir enden mit diesem barocken Gemälde all der erlösten Lolitas im Schlafzimmer, man denkt, was für ein Ende! Und dann geht‘s aber noch zwei Meter weiter ins Bad, Andreas Beck und Friederike Tiefenbacher sagen noch zwei seltsame Sätze, und dann erst Black! Das war der Hammer. Und hell | ein Augenblick – die elegische Grundstimmung, die das verbreitet hat. Den Mahler hätt’s für mich aber da nicht gebraucht am Ende, dann doch lieber das Benny Hill-Theme!

Aktuell gefällt mir die Sequenz von Bettina und Frank im Flur am Liebsten, bei PLAY: Möwe. Und ich bin auf diese Hedda Gabler-Passagen wirklich stolz.

Hoeft

Was ist denn Euer Lieblingsmoment, der ganz ohne Video oder Medieneinsatz auskommt?

Seier

Thorsten Bihegues Inszenierung Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm mit Alexandra Sinelnikova, Uwe Rohbeck und Ekkehard Freye – mein Lieblingsstück im Studio! Das macht so einen großen Spaß.

Hoeft

Ich habe auch nach über 40 Endspiel-Vorstellungen immer noch mindestens einmal pro Abend Tränen in den Augen, und zwar oftmals in den stillsten Momenten. Das war ja auch beim Fest so: Man wurde mit Bildern nonstop zugeballert, und dann tritt Bettina vor die Gaze, liest den Brief vor – und im Publikum hättest du jedes Mal eine Nadel fallen hören können.

Simon

Es ist zwar ein Stück mit viel Video, aber es geht mir jetzt nicht um das Filmische: Ich mochte die Atmosphäre in der DIE SHOW sehr! Dieser Fernsehshow-Zynismus, der immer krasser wurde. Und ich habe bei jedem Show-Applaus immer mehr Ekel entwickelt, warum im Himmel applaudiere ich hier gerade. Es war ein wirklich tolles Psycho-Spielchen, das da mit einem getrieben wurde.

Urbach

Und was war in der Theorie besser als in der Praxis?

Seier

Die LED-Leinwand bei PLAY: Möwe. In der Theorie war das deutlich leichter in der Handhabe. Nach einem Windows 10-Update während der Proben ging plötzlich gar nichts mehr, permanente Bildausfälle, niemand konnte helfen. Man hatte keine Kontrolle über das Ding.

Urbach

Oft sind Eure Kamerafahrten so perfekt choreographiert, dass sie fast wie vorproduziert wirken. Gab es denn auch mal dicke Pannen?

Seier

Als die Kamera bei der Premiere von Parallelwelt plötzlich in den Selfie-Modus geschaltet hat.

Hoeft

Bei Vorstellungen von Das Fest war manchmal ein Ring der Kameraschiene etwas verbogen, also klemmte der Kameraroboter. Jan Voges musste dann mit einem langen Stab auf die Bühne und die Kamera wieder anstupsen wie ein störrisches Schaf auf der Weide. Das sah so herrlich bescheuert aus, das Publikum sah es natürlich und lachte laut. Sie dachten, das gehört dazu.

Simon

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Seier

Bei einer Vorstellung von Schöpfung gab es ja mal einen schlimmen Videofehler.

Hoeft

Genau, das Bild kam nur sehr verfremdet in Fehlfarben und seltsamen Schemen auf die Leinwand, weil irgendein Video-Codec in der Software nicht umgerechnet wurde. Regieassistent Bjarne Gedrath schlich sich hinter mir ins Bühnenbild und sagte es mir. Das war der Horror, ehrlich. Ich hab die Funkverbindung neu gestartet, hat nichts gebracht. Ich konnte ja nicht aufhören zu filmen, sonst hätte man bei dem geschlossenen Bühnenbild überhaupt nichts mehr gesehen. Meine Assistentin Aileen war auch verzweifelt, Mario kam ins Haus geeilt, wir standen ganz kurz vorm Vorstellungsabbruch. Das Unglaubliche aber war: In der Sekunde, in der Frank den neugeschöpften Menschen präsentierte und auf die Bühne kam – da funktionierte es plötzlich wieder! Es wirkte wie ein unglaublicher Einfall, das Publikum fands toll.

Seier

Und zum Ende hin: Wenn das Schauspiel Dortmund ein Film wäre, welcher wäre es?

Urbach

Der Sinn des Lebens von Monty Python.

Hoeft

Dieser Asterix-Sketch mit Passierschein A38. Das Haus, das Verrückte macht. Nicht immer, Gott sei Dank. Aber manchmal.

Simon

Alle David Lynch-Filme und Ocean’s Eleven. Gleichzeitig.

Seier

Und wer sind die Filmemacher_innen, die Euch privat inspirieren?

Hoeft

Wong Kar-Wai mit seinem Director of Photography, Christopher Doyle.

Urbach

Michel Gondry. Dieses Kindlich-Kreative in seinen Filmen, das fasziniert mich sehr.

Simon

Christopher Nolan, der durch Bildästhetik auch direkt Inhalte vermitteln kann. Und Wes Anderson.

Hoeft

Oh ja, von dem habe ich mir einen Trick bei Kamerafahrten abgeschaut: Keine diagonalen Fahrten. Mit der Kamera immer im rechten Winkel durch eine Kurve. Wirkt viel intensiver.

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DIGITALE DYSTOPIEN von Dorothea Marcus Es gibt eine App, die hat es Kay Voges angetan. Auf Google Arts & Culture kann man bei X Degrees of Separation erleben, wie Künstliche Intelligenz Bilder aus Tausenden Jahren Kunstgeschichte in zehn Schritten verknüpft. Ein Werk wie Albrecht Dürers Feldhasen wird nach und nach formal zu Andy Warhols Carcrash – die Software füllt sie mit einem fließenden Übergang. Sie spannt den Bogen über zarte koreanische Tierzeichnungen und Douglas Couplands farbensatte geometrische Landschaften. Menschlich definierte Historie, Ikonografie, Kunstgeschichte sind außer Kraft gesetzt, es geht allein um Form- und Farbübergänge. Aus einer Million Bilder wird nebeneinander gestellt, was dem Algorithmus ähnlich erscheint. Kunstgeschichte, definiert von Künstlicher Intelligenz. Die App verbildlicht vielleicht ganz gut, was für Theater in Dortmund gemacht wird: ein Theater, das die Herausforderungen des Internets künstlerisch mitdenkt, damit experimentiert, sie formal einbezieht, sie auf ihre Gründe, Inhalte, Folgen für unsere Gesellschaft hin befragt. Ein Theater, das Fragen der Autorschaft neu definiert, lineare Erzählweisen und vermeintlich bestehende Gewissheiten durcheinander wirft. Denn der Glaube daran, dass Theater heute Geschichten repräsentieren kann wie im 19. Jahrhundert, ist im Zeitalter der Digitalisierung, Gleichzeitigkeit, Vervielfachung und algorithmischen Manipulationen fundamental erschüttert. Verteufeln jedoch muss man das keineswegs: „Es macht uns reicher und kreativer, wenn wir nicht immer kausal denken“, sagt Kay Voges. „Mit entlegenen Assoziationen kommt man in eine neue Konstruktion von Wahrheit, die neue Arten von Geschichten erzählt.“ Seit 2010 arbeitet er daran, das deutsche Theater digital zu revolutionieren und damit jener Umwälzung gerecht zu werden, die für ihn „gleichbedeutend ist mit der Erfindung des Buchdrucks“. Dass er sie von der westdeutschen Mittelstadt Dortmund aus begann, war von Beginn an gewagt. Dortmund ist widersprüchlich: Knapp 600.000 Einwohner, Arbeiterstadt, Heimat des zweiterfolgreichsten deutschen Fußballvereins, größte westliche Nazi-Hochburg – aber auch eine der größten Universitätsstädte Deutschlands. Und, neben den vielen hochgetunten Porsche-Cayennes in der Innenstadt, eins der Armut-Schlusslichter in NRW. Zwei Jahre lang brauchte der gebürtige Düsseldorfer Voges, um in der Stadt anzukommen, die ihn zunächst nicht gerade mit offenen Armen empfing. Fast alle Schauspieler_innen des 16-köpfigen Ensembles wurden ausgewechselt, die treuen Dortmunder_innen nahmen das zunächst übel, der Vorgänger-Schauspieldirektor Michael Gruner hatte elf Jahre lang ein beliebtes Ensemble gepflegt. Mit dem Stadtraumprojekt Stadt ohne Geld, das das Theater zum

Schein auf seine Effizienz hin verbessern sollte, befragten die Theatermacher_innen von kainkollektiv und sputnic den Nutzen von Kultur in Zeiten klammer Kassen und schickten das Theater selbst in Dortmunder Problembezirke. Die Sympathiewerte stiegen schnell, schon bald zogen die Abonnent_innen- und Zuschauer_innenzahlen nach und stiegen von da an kontinuierlich, das Publikum wurde durch eine „Theater-Flatrate“ an Uni und FH auch deutlich jünger. Wie sehr sich Denken, Handeln und Moral durch die Digitalisierung verändern, wurde am Schauspiel Dortmund seitdem in allen erdenklichen Varianten und Formaten durchgespielt. Wie verändern sich Perspektiven durch die Gleichzeitigkeit? Wie der Mensch durch den technischen Zugriff auf Körper und Seele? Nerds programmierten in Echtzeit Live-Codes, auf der Bühne wurden Live-Animationsfilme gedreht, per Twitter und SMS applaudierten die Zuschauer_innen, Schauspieler_innen wurden verkabelt und auf eigene körperliche und emotionale Beteiligung gescannt – so wie wir uns alle eben durch und durch für die Erfassung von Körper und Gehirn willig zur Verfügung stellen. Durchgespielt wurden Dystopien, in denen Maschinen Verbrechen vorhersehen und Gedächtnisleistungen manipulieren, etwa in Memory Alpha oder Minority Report. In Die Parallelwelt wurden zwei Theater in 500 km Entfernung synchron geschaltet, auch wenn das Ergebnis vielleicht nicht unbedingt zwingend das ganze Vernetzungspotential ausschöpfte (vielleicht wäre es bei einer zeitgleichen Verbindung von Dortmund und einem völlig anderen Kulturkreis verblüffender gewesen?).

Eine Feier für das zersplitterte Gegenwarts-Gehirn Und natürlich wäre jede Befragung der digitalen Gegenwart nicht möglich, ohne vor der Gefahr der exponentiell rechten Netzwerke zu warnen, die das Netz für Massenwut und Wahlmanipulation nutzen – und zugleich die Kraft des politischen Internet-Aktivismus zu zelebrieren, gerade in der von Nazis überlaufenen Stadt. Voges war der erste, der das Zentrum für Politische Schönheit zu einer Arbeit einlud und mit reißerischen Fake-News von getöteten Tierbabys unterstützte. Am Schauspiel Dortmund performte Internet-Aktivist Arne Vogelgesang linke und rechte Hassredner aus dem Netz, entwickelte das PENG!-Kollektiv neue Aktionen. Auch der demokratiegefährdende Bildermüll, den das Internet abwirft, durfte da nicht fehlen, ebenso wenig wie Warnungen davor, wie schnell das Internet zum rechtsfreien Hassraum werden kann, der unkontrollierbare Kettenreaktionen im echten Leben hervorruft. Am meisten aber merkte man den Schritt ins neue Zeitalter an der Ästhetik von Voges‘

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Eva Verena Müller, Daniel Hengst in DER LIVE CODE: Krieg und Frieden im Globalen Dorf

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eigenen Inszenierungen. Sie übersetzen die durchs Internet exponentiell wachsende Informationsflut, die menschliche Bewusstseinsveränderung, in eine Theaterästhetik des Loops, die Entwicklung setzte ein mit Das Goldene Zeitalter und wurde in Die Borderline Prozession weiterentwickelt: Aus 100 möglichen Bausteinen und Textfragmenten kreierte Voges jeden Abend in Live-Regie etwas Neues, Feuerwerke an Hoch- und Popkultur, selbstironisch, visuell überfordernd. Das Publikum ging auch da mit. Schon lange, bevor Die Borderline Prozession zum Theatertreffen eingeladen war, reisten Fans aus ganz Europa an und sahen sich in der weihrauchgeschwängerten Installation in einen quasireligiösen Rausch hinein, ließen sich bombardieren mit täglich neu gemischten Zitat- und Musik-Samples, feierten und betrauerten das eigene, zersplitterte Gegenwarts-Gehirn – und wurden Autor_innen ihrer jeweiligen eigenen Geschichte, jeden Abend aufs Neue. Inszenierungen und Aktionen am Schauspiel Dortmund waren, ästhetisch gesehen, manchmal auch nervig, trashig, schrill und zu Tode ironisiert – aber das war gar nicht so relevant. Denn: Gedanklich waren sie so sehr am Puls der Zeit, dass man sich fragt, wieso nicht mehr Theater sich mit den Abgründen und Chancen des Netzes beschäftigen, die unser aller Zukunft ohne Wenn und Aber umwälzen werden. Seltsam bleibt es, dass das Schauspiel Dortmund lange Zeit eine der wenigen Kulturinstitutionen blieb, die das erkannten. Glücklicherweise wurde ein Teil von Voges‘ Theaterrevolution in der ersten deutschen „Akademie für Theater und Digitalität“ in Dortmund verstetigt. Vermutlich liegt die unbedingte Leidenschaft von Voges, die das alles antreibt, ja auch in seiner eigenen Geschichte. Romanhaft ist sie, und auch schon oft aufgeschrieben: wie der heute 47-jährige von seinen Eltern zur charismatischen Gemeinde des Düsseldorfer „Jesus-Hauses“ geschleppt wurde. Wie sich da Hippietum mit Dämonenaustreibungen und Zungensprache verband. Wie er selbst, noch radikaler, in die Pfingstgemeinde eintrat und als 16-jähriger in den Sommerferien mit Holzkreuz durch Amsterdamer Straßen zog. Und wie er schließlich, mit 18 Jahren, einen Eklat produzierte und seine Bibel durch die Kirche warf, sich der Kunst und dem Zweifel zuwandte: theatralischer Befreiungsakt von einem, der sich heute immer noch als „Religionssympathisant“ bezeichnen würde. Irgendwie bestimmt der unbedingte Glaube an etwas immer noch seine Arbeit. Zusammen mit der permanenten Selbst- und Weltbefragung in jedem Fall eine zukunftsträchtige Mischung. Ob sie in Wien genauso gut ankommt, mögen andere beurteilen. Kay Voges´ Intendanz hat Dortmund aufregende Jahre beschert.

Dorothea Marcus ist Kulturjournalistin und Autorin für unter anderem Theater heute, Deutschlandfunk, taz und nachtkritik. Von 2017 bis 2019 war sie Jurorin des Berliner Theatertreffens.

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Sebastian Kuschmann, Uwe Schmieder, Björn Gabriel und Christoph Jöde in 2099

HELL

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Ein Augenblick

Eine fotografische Erinnerung einer Meditation über die einzige Konstante im Leben, der wir uns wirklich sicher sein können: die Vergänglichkeit. Fotografie: Marcel Urlaub

Foto: Birgit Hupfeld

Betrachtet die Herde, die an Euch vorüberweidet. Sie weiß nicht, was Gestern, was Heute ist. Sie springt umher, frisst, ruht, verdaut, springt wieder.

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Marcel Urlaub, Caroline Hanke, Uwe Schmieder

Und so vom Morgen bis zur Nacht und von Tage zu Tage kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust an den Pflock des Augenblicks und deshalb weder schwermütig noch überdrüssig.

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Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, weil er eifersüchtig nach dem Glück der Tiere hinblickt. Der Mensch fragt wohl das Tier: „Warum redest du mir nicht von deinem Glück und siehst mich nur an?“ Das Tier will auch antworten und sagen: „das kommt daher, dass ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte“.

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Julia Schubert, Carlos Lobo

Da vergaß es aber auch diese Antwort und schwieg: so dass der Mensch sich wunderte. Er wunderte sich über sich selbst das Vergessen nicht lernen zu können und immerfort am Vergangenen zu hängen. Mag er noch so weit, noch so schnell laufen: Die Kette läuft mit.

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Es ist ein Wunder. Der Augenblick: Im Husch da, im Husch vorüber. Vorher ein Nichts. Nachher ein Nichts. Der Augenblick kommt doch noch als Gespenst wieder und stört die Ruhe eines späteren Augenblicks.

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Bettina Lieder, Frank Genser

Fortwährend löst sich ein Blatt aus der Rolle der Zeit, fällt heraus, flattert fort und flattert plötzlich wieder zurück, dem Menschen in den Schoß. Dann sagt der Mensch „ich erinnere mich“.

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Und beneidet das Tier, das sofort vergisst, oder das Kind, das zwischen den Zäunen der Vergangenheit und der Zukunft in Blindheit spielt. Und doch muss sein Spiel gestört werden.

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Marlena Keil, Julia Schubert, Uwe Schmieder

Nur zu zeitig wird es aus der Vergessenheit heraufgerufen. Dann lernt es das Wort „es war“ zu verstehen, ihn zu erinnern, was sein Dasein im Grunde ist: eine nie zu vollendende Vergangenheit.

Friedrich Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. 1874.

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THE TIMES THEY ARE A-CHANGIN´

Ereignisse 2010-2020

21. August 2010: Christoph Schlingensief stirbt. +++ 30. September 2010: Demonstration gegen Stuttgart 21 – Polizei setzt Wasserwerfer und Reizgas ein. +++ 13. Oktober 2010: Chile – In der Atacama-Wüste werden 33 Bergleute aus 700 Metern Tiefe gerettet. +++ 23. Oktober 2010: Wikileaks veröffentlicht hunderttausende Akten der US-Armee zum Irakkrieg. +++ 28. Oktober 2010: Mit knapper Mehrheit stimmt der Deutsche Bundestag für die längere Laufzeit von Atomkraftwerken. +++ 29. November 2010: In Mexiko beginnt der UN-Klimagipfel. 194 Staaten versuchen erfolglos, ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zu erreichen. +++ 10. Dezember 2010: Erstmals seit 1936 kann der Friedensnobelpreis nicht persönlich übergeben werden, da der chinesische Preisträger Liu Xiaobo inhaftiert ist. +++ 14. Dezember 2010: Raumsonde Voyager 1 verlässt die Sonnenwind-Zone. +++ 17. Dezember 2010: Beginn des Arabischen Frühlings. +++ 31. Dezember 2010: Wort des Jahres 2010 „Wutbürger“. +++ 1. März 2011: Plagiatsaffäre – Karl-Theodor zu Guttenberg tritt zurück. +++ 11. März 2011: Fukushima. +++ 15. März 2011: Sieben deutsche Kernkraftwerke werden vom Netz genommen. +++ 18. März 2011: NASA-Raumsonde Messenger erreicht Merkur. +++ 19. März 2011: NATO beginnt mit Militäraktionen gegen Gaddafi-Regime in Libyen. Deutschland beteiligt sich nicht an dem Einsatz. +++ 12. April 2011: Russland feiert den 50. Jahrestag von Juri Gagarins Weltraumflug. +++ 26. April 2011: 25. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. +++ 29. April 2011: Hochzeit von Kate Middleton und Prinz William. +++ 2. Mai 2011: Amerikanische Soldaten töten Osama bin Laden. +++ 14. Mai 2011: Borussia Dortmund wird Deutscher Meister. +++ 3. Juni 2011: Die „Troika“ fordert extremen Sparkurs von Griechenland. +++ 30. Juni 2011: Deutscher Bundestag beschließt Atomausstieg bis 2022. +++ 1. Juli 2011: Aussetzung der Wehrpflicht in Friedenszeiten tritt in Kraft. +++ 9. Juli 2011: Amy Winehouse stirbt. +++ 21. Juli 2011: Space Shuttle-Programm der NASA geht nach 30 Jahren zu Ende. +++ 22. Juli 2011: Anders Behring Breivik tötet 77 Menschen. +++ 1. September 2011: Innerhalb der EU tritt das Verbot für 60 Watt-Glühlampen in Kraft. +++ 15. September 2011: In Dortmund eröffnet die Thier-Galerie. +++ 5. Oktober 2011: Steve Jobs stirbt. +++ 20. Oktober 2011: Muammar al-Gaddafi getötet, die genauen Todesumstände sind unklar. +++ 22. Oktober 2011: Libyscher Übergangsrat gibt die vollständige Befreiung des Landes bekannt. +++ 31. Oktober 2011: Palästina wird von UNESCO als erster UN-Sonderorganisation als Vollmitglied aufgenommen. +++ 20. November 2011: Die russische Raumfahrtagentur gibt außer Kontrolle geratene Marsmond-Sonde auf. +++ 23. November 2011: Erdoğan entschuldigt sich für die Tötung von ca. 14.000 Kurden während der 1930er Jahre. +++ 2. Dezember 2011: UN-Menschenrechtsrat verurteilt Syriens Gewalttaten gegen Zivilbevölkerung. +++ 13. Dezember 2011: Amoklauf im belgischen Lüttich, sechs Tote. +++ 16. Dezember 2011: Mehr als 1.000 Tote nach Wüstensturm auf Philippinen. +++ 31. Dezember 2011: Wort des Jahres 2011 „Stresstest“. +++ 9. Januar 2012: Lionel Messi wird erneut zum weltbesten Fußballspieler gekürt. +++ 13. Januar 2012: Costa Concordia. +++ 18. März 2012: Nach Rücktritt von Christian Wulff wird Joachim Gauck zum Deutschen Bundespräsidenten gewählt. +++ 9. April 2012: Facebook kauft Instagram für eine Milliarde $. Zuckerberg versichert: „Wir planen nicht viele weitere solcher Käufe, wenn überhaupt.“ +++ 6. Mai 2012: Stichwahl zur französischen Wahl des Präsidenten: Knappe Mehrheit für François Hollande. +++ 12. Mai 2012: Borussia Dortmund feiert das Double. +++ 17. Mai 2012: Wowereit: Flughafen Berlin-Brandenburg soll im März 2013 eröffnet werden. +++ 26. Mai 2012: In Syrien werden bei einem Massaker 116 Menschen getötet. Syrische Regierung bestreitet Beteiligung. +++ 26. Mai 2012: Space X gelingt das erste Andocken an die ISS. +++ 4. Juli 2012: CERN vermeldet die Existenz von Higgs-Bosonen. +++ 5. August 2012: Schießereien zwischen Militär und PKK im türkischen Hakkâri, 23 Tote. Selbstmordanschlag im nigerianischen Damaturu, sieben Tote. Amoklauf in einem Sikh-Tempel in Wisconsin, sieben Tote. Flut im indischen Bundesstaat Uttarakhand, sieben Tote. +++ 6. August 2012: Sensation auf dem Mars: Rover Curiosity erfolgreich gelandet. +++ 25. August 2012: Neil Armstrong stirbt. +++ 12. Oktober 2012: Friedensnobelpreis für die EU. +++ 12. Oktober 2012: Demonstrationen auf Tahrir-Platz in Kairo. +++ 6. November 2012: Havarie eines Flüchtlingsboots vor Gibraltar. 19 Menschen sterben. +++ 22. November 2012: Luftangriff auf Krankenhaus in Aleppo. 13 Menschen sterben. +++ 24. November 2012: Bangladesch: Brand in Textilfabrik, über 100 Tote, über 200 Verletzte. +++ 13. Dezember 2012: Die NASA-Weltraumteleskope Hubble und Spitzer entdecken sechs neue Galaxien. +++ 18. Dezember 2012: Mindestens 55 Flüchtlinge aus Somalia und Äthiopien ertrinken im Golf von Aden. +++ 31. Dezember 2012: Wort des Jahres 2012 „Rettungsroutine“. +++ 17. Januar 2013: Uli Hoeneß erstattet Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. +++ 12. Februar 2013: Französische Nationalversammlung stimmt für die Ehe homosexueller Paare und ein damit verbundenes Adoptionsrecht. +++ 19. Februar 2013: Bundesverfassungsgericht erklärt Beschränkungen beim Adoptionsrecht für homosexuelle Lebenspartner_innen für verfassungswidrig. +++ 13. März 2013: Neuer Papst: Franziskus. +++ 6. Mai 2013: Der Zschäpe-Prozess beginnt. +++ 25. Mai 2013: FC Bayern München gewinnt Champions League. Borussia Dortmund wird zweiter. +++ 1. Juni 2013: Hochwasser in Süd- und Ostdeutschland. +++ 9. Juni 2013: Edward Snowden in Hongkong. Die von ihm gesammelten Materialien decken massiven globalen US-Überwachungsapparat auf. +++ 15. Juni 2013: Der Gezi-Park in Istanbul wird gewaltsam geräumt. +++ 18. Juni 2013: Kabul: NATO übergibt Verantwortung für Sicherheit im Land an afghanische Kräfte. +++ 1. Juli 2013: Kroatien wird 28. Mitglied der Europäischen Union. +++ 22. Juli 2013: Geburt von Prinz George of Cambridge. +++ 13. Juli 2013: #BlackLivesMatter +++ 1. August 2013: Edward Snowden erhält in Russland Asyl. +++ 24. August 2013: In Dresden wird die Waldschlösschenbrücke eröffnet, Elbtal verliert Titel des Weltkulturerbes. +++ 18. September 2013: Marcel Reich-Ranicki stirbt. +++ 22. September 2013: Bundestagswahl: FDP scheitert erstmals an Fünf-Prozent-Hürde. +++ 3. Oktober 2013: Vor Lampedusa ertrinken über 400 Flüchtlinge. +++ 24. Oktober 2013: Snowden-Dokumente belegen: USA hö-

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ren sogar Merkels Telefon ab. +++ 24. November 2013: Sebastian Vettel wird zum vierten Mal in Folge Formel 1-Weltmeister. +++ 5. Dezember 2013: Nelson Mandela stirbt. +++ 18. Dezember 2013: UNO verabschiedet Resolutionsentwurf „Das Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter“. +++ 29. Dezember 2013: Michael Schumacher verunglückt bei einem Skiunfall in den Alpen. +++ 31. Dezember 2013: Wort des Jahres 2013 „GroKo“. +++ Januar 2014: Extreme Kältewelle mit bis zu -50 Grad in den USA und Kanada. +++ 30. Januar 2014: Der „Engel mit den Eisaugen“ Amanda Knox wird in Italien erneut des Mordes schuldig gesprochen. +++ Januar 2014: Chinesischer Rover Yutu bleibt nach 100 Metern auf dem Mond stehen. +++ 7. Februar 2014: Olympische Winterspiele in Sotschi. +++ 19. Februar 2014: Facebook kauft für 19 Milliarden Dollar WhatsApp. +++ 20. Februar 2014: In Kiew auf dem Maidan werden 80 Menschen getötet. Präsident Janukowitsch flüchtet. Der Kampf um die Ukraine beginnt. +++ 27. Februar 2014: Etwa 30 schwerbewaffnete Soldaten ohne Hoheitsabzeichen marschieren auf der Krim ein. Nach dem Umsturz in Kiew besetzt Russland die Krim. +++ 8. März 2014: Der Flug MH370 verschwindet mit 239 Menschen an Bord. +++ 23. März 2014: Ebola-Ausbruch zunächst in Guinea, später auch in Sierra Leone und Liberia. Über 11.000 Menschen sterben. +++ 14. April 2014: Nigeria: Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram entführt mehr als 200 Mädchen. +++ 16. April 2014: Havarie der südkoreanischen Fähre „Sewol“, 476 Menschen sterben. +++ 18. April 2014: ISIS sagt sich von Al-Kaida los. +++ 10. Mai 2014: Beim Eurovision Song Contest siegt Österreich mit Thomas Neuwirth aka Conchita Wurst. +++ 05. Juni 2014: Der DAX durchbricht die magische 10.000 Punkte-Marke. +++ 19. Juni 2014: Höhlenforscher Johannes Westhauser kann nach 274 Stunden aus Deutschlands tiefster Höhle gerettet werden. +++ 13. Juli 2014: Brasilien: Mario Götze schießt Deutschland in der 113. Minute zum Fußball-Weltmeister. +++ 17. Juli 2014: Der Flug MH17 wird über der Ost-Ukraine abgeschossen. 298 Menschen sterben. +++ Juli 2014: Die Ice Bucket Challenge hat die Welt fest im Griff. +++ August 2014: Erneuter Ausbruch von Ebola. Liberia errichtet Sperrzone für Infizierte. +++ 26. August 2014: Weltweites Entsetzen über IS-Enthauptungen. USA planen neue Luftangriffe, Deutschland liefert Waffen an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer. +++ 9. August 2014: In den USA erschießt ein weißer Polizist den jungen Schwarzen Michael Brown. Wochenlange Unruhen in Ferguson, Beginn der Black Lives Matter-Kampagne. +++ 12. September 2014: Südafrika: „Blade Runner“ Oscar Pistorius wegen Mordes verurteilt. +++ 19. September 2014: Das neue iPhone 6 erscheint. +++ 19. September 2014: Der chinesische IT-Konzern Alibaba geht an die Börse und erzielt 25 Milliarden $ Einnahmen: Der weltweit größte Börsengang der Geschichte. +++ 26. September 2014: In Iguala, Mexiko werden 43 Studenten_innen festgenommen. Danach verschwinden sie, vermutlich von einer Drogenbande ermordet. +++ 9. Oktober 2014: IS-Kämpfer versuchen, Kobane im Norden Syriens zu erobern, doch die Peschmerga verteidigen die Stadt. +++ 12. November 2014: Nach 10 Jahren Flugzeit landet die Raumsonde Philae auf dem Kometen Tschuri – leider landet sie im Schatten einer Wand – fatal für die Stromversorgung. +++ 13. Dezember 2014: „Wetten, dass ...?“ geht letztmals auf Sendung. +++ 21. Dezember 2014: Udo Jürgens stirbt. +++ Dezember 2014: Fast 350.000 Menschen hat es laut UN im Jahr 2014 in Flüchtlingsboote getrieben. Die meisten, nämlich 207.000, haben über das Mittelmeer Europa erreicht. +++ 10. Dezember 2014: Die 17-jährige pakistanische Kinderrechtlerin Malala Yousafzai erhält den Friedensnobelpreis. +++ 16. Dezember 2014: Bewaffnete Taliban überfallen eine Schule in Peschawar. Mehr als 140 Menschen werden getötet, die meisten Kinder. +++ 31. Dezember 2014: Wort des Jahres „Lichtgrenze“. +++ 7./8. Januar 2015: Drei Islamisten überfallen in Paris die Redaktion von Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt. Sie ermorden sechzehn Menschen. +++ 25. Januar 2015: Das Linksbündnis Syriza von Alexis Tsipras gewinnt die griechische Wahl, die vereinbarten Privatisierungen und Sparpläne werden gestoppt. +++ 6. März 2015: Der IS zerstört die Stadt Hatra im Nordirak und die assyrischen Ruinen. +++ 24. März 2015: Absturz des Germanwings-Flugzeugs in den französischen Alpen. Der Copilot steuert die Maschine vorsätzlich in ein Bergmassiv. Alle 150 Passagier_innen sterben. +++ 4. April 2015: Ein weißer Polizist erschießt den unbewaffneten Afroamerikaner Walter Scott bei einer Verkehrskontrolle in South Carolina. +++ 19. April 2015: In Baltimore stirbt der Afroamerikaner Freddie Gray in Polizeigewahrsam. +++ 27. April 2015: Der FC Bayern München wird zum 3. Mal in Folge Deutscher Meister. Der BVB wird siebter. +++ 21. Mai 2015: Der Ausstand der DB-Lokomotivführer dauerte neun Streikrunden. +++ Juli 2015: Der Juli ist weltweit der heißeste seit Beginn der globalen Wetteraufzeichnungen 1880. +++ 21. August 2015: Ein Anschlag im Thalys-Schnellzug von Amsterdam nach Paris scheitert. Vier Reisende überwältigen den marokkanischen Terroristen, der mit einem Sturmgewehr um sich geschossen hatte. +++ 22. August 2015: IS-Dschihadisten sprengen nach und nach die rund 2000 Jahre alten Tempel von Palmyra in die Luft. +++ 25. August 2015: In Deutschland wird das sogenannte Dublin-Verfahren ausgesetzt. +++ 27. August 2015: An der österreichischen Autobahn bei Parndorf werden in einem Schleuser-Lastwagen 71 tote Geflüchtete entdeckt. +++ 31. August 2015: Tausende Geflüchtete dürfen aus Ungarn über Österreich nach Deutschland einreisen. Merkel: „Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das.“ +++ 2. September 2015: Das Bild des auf der Flucht nach Griechenland ertrunkenen dreijährigen Syrers Aylan erschüttert die Welt. +++ 18. September 2015: Die US-Umweltbehörde wirft VW vor, bei Dieselfahrzeugen die Werte manipuliert zu haben. Etwa elf Millionen Autos sind weltweit betroffen. +++ 31. Oktober 2015: Auf der Sinai-Halbinsel stürzt ein russischer Airbus mit 224 Menschen an Bord ab. Der IS spricht von Rache für den Kampf der Russen in Syrien. +++ 3. November 2015: VW gibt zu: nicht nur Diesel-, sondern auch Benzinautos sind vom Abgas-Skandal betroffen. +++ 13. November 2015: IS-Anschlagserie mitten in Paris. In der Konzerthalle Bataclan kommt es zum Massaker, am Stade de France sprengen sich drei Attentäter in die Luft, Schießereien im 11. Arrondissement. 130 Tote. +++ 31. Dezember 2015: Unwort des Jahres: „Gut-

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mensch“. +++ 1. Januar 2016: Silvesternacht von Köln. +++ 10. Januar 2016: David Bowie stirbt mit 69 Jahren an Krebs. +++ 16. Januar 2016: Irans Staatspräsident Rohani handelt mit Obama einen Deal aus: Er verzichtet auf den Bau von Atombomben, dafür darf der Iran Kernenergie friedlich nutzen. +++ 07. Februar 2016: Roger Willemsen stirbt mit 60 Jahren an Krebs. +++ 9. Februar 2016: Frontalzusammenstoß zweier Züge in Bad Aibling, zwölf Menschen sterben. Der Fahrdienstleiter gesteht, dass er während der Arbeit mit dem Handy gespielt habe. +++ 18. März 2016: Guido Westerwelle stirbt an Leukämie. +++ 22. März 2016: Terroristen jagen sich am Brüsseler Flughafen und in der Innenstadt in die Luft, 35 Menschen sterben. Die Spur der Täter führt zur Terrormiliz IS. +++ 24. März 2016: Radovan Karadzic wird in Den Haag für seine Taten während des Jugoslawienkrieges zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. +++ 31. März 2016: Hans-Dietrich Genscher stirbt im Alter von 89 Jahren. +++ 1. April 2016: Ein Schmähgedicht auf Erdoğan in Jan Böhmermanns Show Neo Magazin Royale belastet die deutsch-türkischen Beziehungen. +++ 14. April 2016: Bernie Sanders mischt den US-Wahlkampf auf. Kandidatin der Demokraten wird dennoch Hillary Clinton. +++ 21. April 2016: Prince stirbt mit 57 Jahren an einer Überdosis eines Schmerzmittels. +++ 27. April 2016: Der Kriminalfall des „Horrorhauses“ von Höxter wird publik. +++ 6. Mai 2016: Margot Honecker stirbt im chilenischen Exil. +++ 7. Mai 2016: Der FC Bayern München wird zum 4. Mal in Folge Deutscher Meister. Der BVB wird zweiter. +++ 12. Juni 2016: 49 Menschen sterben in Orlando, als ein bewaffneter Mann in den LGBT-Nachtclub „Pulse“ eindringt und das Feuer eröffnet. +++ 23. Juni 2016: Großbritannien entscheidet sich für den Brexit. +++ 28. Juni 2016: Selbstmordanschlag am Flughafen Atatürk durch mutmaßliche IS-Terroristen. 45 Tote. +++ 19. Juni 2016: Götz George stirbt im Alter von 77 Jahren. +++ 2. Juli 2016: Ein Pilzsammler findet in Thüringen die Überreste der neunjährigen Peggy. +++ 6. Juli 2016: Fußball-EM: Deutschland wird von Gastgeber Frankreich nach Hause geschickt. Europameister wird Portugal. +++ 14. Juli 2016: In Nizza rast ein Mann am französischen Nationalfeiertag mit einem Lastwagen durch eine Menschenmenge. 86 Menschen sterben. +++ 15. Juli 2016: Militärputsch gegen Erdoğan – Panzer rollen durch Istanbul, das Militär besetzt strategisch wichtige Punkte in den beiden Metropolen. Doch der Putsch scheitert. +++ 24. Juli 2016: Ein Selbstmordattentäter sprengt sich am Rande eines Volksfestes im fränkischen Ansbach in die Luft. 15 Menschen werden verletzt. +++ 22. Juli 2016: Ein 22-jähriger Deutsch-Iraner ermordet in München neun Menschen und erschießt sich selbst. Der Täter soll ein Fan von Anders Breivik gewesen sein. Der Vorfall wird später als rechtsextrem eingestuft. +++ 24. Juli 2016: Die Olympischen Spiele von Rio starten mit einem Dopingskandal – zahlreiche russische Athleten werden ausgeschlossen. +++ 2. August 2016: Das neue Samsung-Smartphone, das Galaxy Note 7, geht mehrfach in Flammen auf. +++ 24. August 2016: 298 Menschen sterben bei schweren Erdbeben in Italien. +++ 21. September 2016: Brad Pitt und Angelina Jolie wollen sich trennen. +++ 4. / 18. September 2016: Der AfD gelingt auf Anhieb der Einzug in die Parlamente von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin - mit jeweils zweistelligen Ergebnissen. +++ 7. September 2016: Russische und syrische Bomber legen die Stadt Aleppo in Schutt und Asche. Die Weltöffentlichkeit sieht fassungs-, aber auch nahezu tatenlos zu. +++ 26. September 2016: Das erste TV-Duell zwischen Clinton und Trump – Trump prahlt, er habe sich nicht vorbereitet. +++ 7. Oktober 2016: Hurrikan Matthew tobt in der Karibik – Hunderte Tote in Haiti, zwei Millionen US-Amerikaner fliehen. +++ 12. Oktober 2016: Chemnitzer Ermittlern entwischt der mutmaßliche Islamist Jaber al-Bakr. Nach der Verhaftung die nächste Panne: Al-Bakr begeht in seiner Zelle Selbstmord. +++ 13. Oktober 2016: Bob Dylan erhält den Literaturnobelpreis. +++ 31. Oktober 2016: EU und Kanada unterzeichnen das umstrittene CETA-Abkommen. +++ 8. November 2016: Donald Trump gewinnt die Wahlen um das Amt des US-Präsidenten. +++ 18. November 2016: Historischer Schnitt bei VW: 30.000 Stellen sollen mit einem Mal gestrichen werden - 23.000 davon in Deutschland. +++ 25. November 2016: Der kubanische „Máximo Líder“ Fidel Castro stirbt im Alter von 89 oder 90 Jahren. +++ 4. Dezember 2016: Alexander van der Bellen, langjähriges Mitglied der Grünen, jedoch angetreten als unabhängiger Kandidat, gewinnt die Präsidentenwahl in Österreich knapp und beschert seinem FPÖ-Gegenkandidaten Norbert Hofer eine Niederlage. +++ 6. Dezember 2016: Angela Merkel wird mit dem Tief von nur 89,5 Prozent als CDU-Vorsitzende bestätigt. +++ 19. Dezember 2016: Terroranschlag des tunesischen Flüchtlings Anis Amri am Berliner Breitscheidplatz: 12 Tote. +++ 9. Dezember 2016: Das Wort des Jahres 2016: „postfaktisch“. +++ 25. Dezember 2016: George Michael verstirbt im Alter von 53 Jahren. +++ 11. Januar 2017: In Hamburg wird die Elbphilharmonie eröffnet. +++ 17. Januar 2017: Das Bundesverfassungsgericht lehnt erneut ein NPD-Verbot ab. +++ 20. Januar 2017: Donald Trump wird als 45. Präsident der USA vereidigt. +++ 21. Januar 2017: Beim Women’s March demonstrieren über zwei Millionen Menschen in über 600 US-Städten für Frauen- und Menschenrechte und gegen die Politik von Trump. +++ 7. Februar 2017: Die Borderline Prozession wird zum 54. Berliner Theatertreffen eingeladen. +++ 12. Februar 2017: Frank-Walter Steinmeier wird deutscher Bundespräsident. +++ 19. März 2017: Martin Schulz wird auf dem SPD-Parteitag mit 100% der Stimmen zum Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten der SPD gewählt. +++ 29. März 2017: Großbritannien lässt Artikel 50 in Kraft treten und erklärt, zwei Jahre später offiziell aus der EU austreten zu wollen. +++ 3. April 2017: In Wahlumfragen liegt die SPD mit Martin Schulz deutlich vor der CDU. +++ 7. Mai 2017: Präsidentschaftswahl in Frankreich. In der Stichwahl setzt sich Emmanuel Macron gegen Marine Le Pen durch. +++ 14. Mai 2017: Bei der Landtagswahl in NRW wird Rot-Grün abgewählt, Armin Laschet (CDU) wird neuer Ministerpräsident. +++ 20. Mai 2017: Der FC Bayern München wird zum 5. Mal in Folge Deutscher Meister. Der BVB wird Dritter. +++ 22. Mai 2017: Bei einem Konzert von Ariana Grande in Manchester wird ein islamistischer Terroranschlag verübt: 23 Menschen im Publikum kommen durch Bomben-Explosionen ums Leben. +++ 27. Mai 2017: Der BVB siegt im DFB-Pokalendspiel mit 2:1 gegen Eintracht Frankfurt. +++ 1. Juni 2017: Donald Trump kündigt den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen an. +++ 8. Juni 2017: Die vorgezogenen Neuwahlen in Großbritannien liefern keinen Erfolg für Theresa May – sie muss mit der radikal-protestantischen DUP aus Nordirland koalieren. +++ 14. Juni 2017: Bei einem Feuer im Londoner Grenfell Tower-Wohnhochhaus kommen 72 Menschen ums Leben. +++ 15. Juni 2017: Die EU schafft die Roaming-Mobilfunkgebühren im EU-Ausland ab. +++ 16. Juni 2017: Helmut Kohl stirbt im Alter von 87 Jahren. +++ 22. Juni 2017: Die früher nach §175 verurteilten Männer werden durch die Aufhebung der Urteile

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vom Bundestag rehabilitiert. +++ 30. Juni 2017: Der Deutsche Bundestag beschließt die Ehe für alle. +++ 7. und 8. Juli 2017: G20-Gipfel in Hamburg. Schwere linksautonome Krawalle und Plünderungen sowie zahllose Fälle von Polizeigewalt gegen Demonstranten. +++ 6. August 2017: Die Niederlande siegen bei der Fußball-EM der Frauen. +++ 21. August 2017: Eine totale Sonnenfinsternis zieht durch Mittleren Westen der USA. +++ 3. September 2017: Nordkorea führt mehrere Kernwaffentests durch. +++ 21. September 2017: Aufgrund gravierender Brandschutz-Mängel wird der Hochhauskomplex HANNIBAL II in Dortmund-Dorstfeld evakuiert, er ist seitdem unbewohnbar. +++ 24. September 2017: Bundestagswahl in Deutschland. Union und SPD verlieren massiv an Stimmen, die Union bleibt aber die stärkste Kraft. Unter tosendem Jubel erklärt Martin Schulz, dass die SPD für eine Große Koalition nicht mehr zur Verfügung stünde. +++ 1. Oktober 2017: Beim Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien werden Hunderte durch Polizeigewalt verletzt. Die spanische Regierung erklärte das Referendum für unzulässig. +++ 10. Oktober 2017: Das Bundesverfassungsgericht erklärt es als mit dem Grundgesetz unvereinbar, dass im deutschen Personenstandsgesetz bisher bloß ein männlicher oder weiblicher Geschlechtseintrag möglich ist. +++ 15. Oktober 2017: Die ursprünglich von Tarana Burke erstmals 2006 publizierte Phrase „Me too“ geht als Hashtag #MeToo im Rahmen des Weinstein-Skandals nach einem Aufruf der Schauspielerin Alyssa Milano viral. Der Hashtag macht auf das Ausmaß sexueller Übergriffe aufmerksam und ist seitdem millionenfach verwendet worden. +++ 15. Oktober 2017: Bei der vorgezogenen Nationalratswahl in Österreich wird Sebastian Kurz (ÖVP) neuer Kanzler, er koaliert mit der rechtspopulistischen FPÖ. +++ 27. Oktober 2017: Die katalanische Regionalregierung erklärt Katalonien für unabhängig. Wenige Stunden später wird sie von der spanischen Zentralregierung für abgesetzt erklärt. Separatistenführer Carles Puigdemont setzt sich ins Exil ab. +++ 17. November 2017: In Bonn endet die UN-Klimakonferenz mit dem Entschluss von 19 Nationen, vorzeitig den Ausstieg aus der Kohleverstromung durchzuführen. +++ 19. November 2017: Christian Lindner erklärt die Sondierungsgespräche zur Jamaika-Koalition für gescheitert. +++ 21. November 2017: In Simbabwe erklärt der greise Diktator Robert Mugabe nach mehreren Militärputschen seinen Amtsverzicht. +++ 6. Dezember 2017: Donald Trump erkennt Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels an. +++ 17. Dezember 2017: Das Schauspiel Dortmund kehrt aus dem MEGASTORE in die Innenstadt zurück. +++ 20. Dezember 2017: Die EU-Kommission beantragt wegen Menschenrechtsverstößen ein Strafverfahren gegen Polen. +++ 31. Dezember 2017: Wort des Jahres: „Jamaika-Aus“ +++ 14. Februar 2018: Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma tritt unter dem Druck seiner Regierungspartei ANC zurück. +++ 4. März 2018: Zwei Drittel der SPD-Mitglieder stimmen für eine Große Koalition mit der Union. Bei den Parlamentswahlen in Italien siegt die 5-Sterne-Bewegung, sie koaliert mit der rechtspopulistischen Lega Nord. +++ 7. März 2018: Britische Behörden geben bekannt, dass der ehemalige sowjetische Geheimdienstmitarbeiter Skripal und seine Tochter durch russische Agenten vergiftet worden sind. +++ 14. März 2018: Stephen Hawking stirbt im Alter von 76 Jahren. +++ 18. März 2018: Am vierten Jahrestag der Krim-Annexion hält Russland vielfach kritisierte Präsidentschaftswahlen ab. Putin erhält 77% der Stimmen. +++ 24. März 2018: Nach einem Schul-Amoklauf in Parkland gehen 800.000 Menschen beim March for Our Lives in Washington auf die Straße und fordern strengere Waffenkontrollgesetze. +++ April 2018: Es beginnt eine lang anhaltende Dürre- und Hitzeperiode, die neue Temperaturrekorde in Europa aufstellt. Gigantische Waldbrände und Ernteausfälle. +++ 7. April 2018: Bei einer Amokfahrt in Münster werden vier Menschen von einem geistig verwirrten Mann überfahren. +++ 12. April 2018: Kollegah und Farid Bang gewinnen einen ECHO. Aufgrund nicht abreißender Kritik wird entschieden, die gesamte ECHO-Verleihung zu beerdigen. +++ 20. April 2018: Der schwedische Star-Produzent Avicii begeht im Alter von 28 Jahren Selbstmord. +++ 22. April 2018: Mit Andrea Nahles wird erstmals eine Frau zur SPD-Vorsitzenden gewählt. +++ 27. April 2018: Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un trifft den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in. +++ 2. Mai 2018: Die ETA gibt ihre Selbstauflösung bekannt. +++ 8. Mai 2018: Die USA kündigen an, sich aus dem multilateralen Atom-Deal mit dem Iran zurückzuziehen. +++ 12. Mai 2018: Zum sechsten Mal in Folge wird der FC Bayern München Deutscher Meister. Der BVB wird Vierter. +++ 14. Mai 2018: Die nach Jerusalem verlagerte Botschaft der USA wird eröffnet, bei Protestaktionen an der Grenze des Gaza-Streifens werden mehr als 60 Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen. +++ 19. Mai 2018: Prinz Harry und Meghan Markle heiraten auf Windsor Castle. +++ 25. Mai 2018: Als Folge eines Referendums werden in Irland Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legalisiert. +++ 1. Juni 2018: Beschluss des Bayerischen Ministerrats: Im Eingangsbereich jeder staatlichen Behörde in Bayern muss ein Kreuz hängen. +++ 2. Juni 2018: Vor den tunesischen Kerkenna-Inseln sinkt ein Fischerboot mit 180 Migranten_innen, nur 68 werden gerettet. +++ 12. Juni 2018: Mit dem Gipfeltreffen in Singapur zwischen Donald Trump und Kim Jong-un findet erstmals ein Treffen der Staatsoberhäupter beider Atommächte statt. +++ 24. Juni 2018: Bei den vorgezogenen Wahlen in der Türkei bauen Erdoğan und seine AKP ihre Macht deutlich aus. In Saudi-Arabien wird das Autofahrverbot gegen Frauen aufgehoben. +++ 27. Juni 2018: Vorrundenaus für die deutsche Nationalelf bei der WM in Russland. +++ 4. Juli 2018: Innenminister Seehofer freut sich während einer Pressekonferenz, dass zu seinem 69. Geburtstag 69 Afghanen aus Deutschland abgeschoben wurden. +++ 11. Juli 2018: Beate Zschäpe wird in München zu lebenslanger Haft verurteilt. +++ 22. Juli 2018: Mesut Özil erklärt seinen Rücktritt von der Nationalmannschaft. +++ 28. Juli 2018: Der katholische Kardinal McCarrick aus Australien tritt wegen sexueller Übergriffe zurück. +++ 20. August 2018: Die schwedische Schülerin Greta Thunberg entscheidet sich erstmals dazu, den Freitag als Tag des Schulstreiks für das Klima zu nutzen. +++ 26. August 2018: In Chemnitz kommt es zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen. +++ 7. September 2018: Der Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, erklärt, er habe in Chemnitz keine rechten Hetzjagden erkennen können. +++ 18. September 2018: Die Große Koalition gibt bekannt, Maaßen als Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz zu kündigen, stattdessen wird er Staatssekretär. +++ 2. Oktober 2018: Im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul wird der Journalist Jamal Khashoggi zu Tode gefoltert. +++ 14. Oktober 2018: Landtagswahl in Bayern. Die CSU verliert ihre absolute Mehrheit. Starke Gewinne bei der AfD und den Grünen. +++ 28. Oktober 2018: Der rechtsextreme Nationalist Jair Bolsonaro wird zum Präsidenten von Brasilien gewählt. +++ 5. November 2018: Hans-Georg Maaßen wird nun

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Lea Sophie Wesner, Ensemble Dortmunder Sprechchor in Das phantastische Leben der Margot Maria Rakete

doch in den einstweiligen Ruhestand versetzt. +++ 29. Oktober 2018: Angela Merkel kündigt an, sich 2021 aus der Politik zurückzuziehen. +++ 6. November 2018: Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus in den USA erhalten die Demokraten nach acht Jahren die Mehrheit zurück. +++ 17. November 2018: In Nordfrankreich beginnen erste Proteste und Streiks durch die Gelbwesten. +++ 8. Dezember 2018: Annegret Kramp-Karrenbauer wird zur neuen Parteivorsitzenden der CDU gewählt. +++ 21. Dezember 2018: Mit der Schließung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop endet die Steinkohleförderung in Deutschland. +++ 22. Dezember 2018: Bei einem durch einen Ausbruch des Anak Krakatau ausgelösten Tsunami kommen in Indonesien mehr als 420 Menschen ums Leben. +++ 31. Dezember 2018: Wort des Jahres: „Heißzeit“. +++ 15. Januar 2019: Der von Theresa May und der EU verhandelte Brexit-Deal wird im britischen Unterhaus mit einer großen Mehrheit abgelehnt. +++ 30. Januar 2019: Die Dortmunder Produktion „Das Internat“ von Ersan Mondtag wird zum 56. Berliner Theatertreffen eingeladen. +++ 6. Februar 2019: Rudi Assauer stirbt im Alter von 75 Jahren. +++ 12. Februar 2019: Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien wird als Kompromisslösung eines jahrzehntelangen Konflikts in Nordmazedonien umbenannt. +++ 16. Februar 2019: Bruno Ganz stirbt, seinen Iffland-Ring vermacht er Jens Harzer. +++ 12. März 2019: Der abgeänderte, neue Brexit-Deal von Theresa May wird erneut mit einer großen Mehrheit angelehnt. +++ 15. März 2019: Am vom Fridays for Future organisierten weltweiten Klimastreik nehmen knapp zwei Millionen Jugendliche teil. Terror-Attentate auf zwei Moscheen in Neuseeland. +++ 29. März 2019: Der erneut abgeänderte, neue Brexit-Deal von Theresa May scheitert zum dritten Mal. Der Brexit wird auf den Herbst verschoben. +++ 10. April 2019: Dem Projekt Event Horizon Telescope gelingt es erstmals, ein direktes Bild der Akkretionsscheibe eines Schwarzen Lochs zu erstellen. +++ 15. April 2019: Notre-Dame fängt in den Abendstunden Feuer und brennt lichterloh. Ein Einsturz der Kathedrale kann verhindert werden. +++ 21. April 2019: Bei einem islamistischen Bombenanschlag auf Kirchen und Hotels werden in Sri Lanka über 250 Menschen getötet. +++ 17. Mai 2019: Der FC Bayern München wird zum siebten Mal in Folge Deutscher Meister. Der BVB wird Zweiter. +++ 18. Mai 2019: Im Rahmen der Ibiza-Affäre tritt der Vizekanzler von Österreich und FPÖChef Heinz-Christian Strache zurück. Kanzler Sebastian Kurz kündigt Neuwahlen an. +++ 22. Mai 2019: Das 90er-Eurodance-Lied „We’re Going To Ibiza“ von den Vengaboys schießt auf Platz 1 der österreichischen iTunes-Charts. +++ 24. Mai 2019: Unter Tränen kündigt Theresa May ihren Rücktritt als britische Premierministerin für Anfang Juni an. +++ 26. Mai 2019: Europawahlen. Der gesamteuropäische Rechtsruck fällt nicht so stark aus wie vorab befürchtet. In Deutschland werden die Volksparteien enorm geschwächt, die SPD fällt auf ein Allzeit-Tief von knapp 16 Prozent. Die Grünen erhalten 20 Prozent. +++ 27. Mai 2019: Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz wird durch ein Misstrauensvotum abgewählt. Übergangsweise übernimmt Brigitte Bierlein als Kanzlerin. +++ 2. Juni 2019: Der CDU-Politiker Walter Lübcke wird vom Neonazi Stephan Ernst ermordet. +++ 4. Juni 2019: Andrea Nahles zieht sich mit sofortiger Wirkung aus der Politik zurück. +++ 18. Juni 2019: In Hongkong kommt es zu ersten Protesten und Massendemonstrationen und im weiteren Verlauf des Jahres zu Ausschreitungen gegen die chinesische Politik. +++ 19. Juni 2019: In Dortmund beginnt der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag. +++ 16. Juli 2019: Das Europäische Parlament wählt Ursula von der Leyen zur ersten Präsidentin der Europäischen Kommission. +++ 23. Juli 2019: Boris Johnson wird neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs. +++ 5. August 2019: Die Schriftstellerin Toni Morrison stirbt. +++ 1. September 2019: Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Die AfD wird jeweils zweitstärkste Kraft. Schwere Verluste für CDU, SPD, Linke. Leichte Zugewinne bei den Grünen. +++ 17. September 2019: Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Israel kann sich die Knesset erneut auf keine Regierungsbildung einigen. Es werden weitere Neuwahlen beschlossen. +++ 29. September 2019: Nationalratswahl in Österreich: Die ÖVP von Kurz gewinnt deutlich, SPÖ und FPÖ verlieren massiv. Die Grünen ziehen mit 13,9% wieder ins Parlament ein. +++ 9. Oktober 2019: Der Incel und Neonazi Stephan Balliet versucht einen Amoklauf in der Synagoge von Halle an der Saale. Der Zutritt zur Synagoge scheitert, aus Frust erschießt er wahllos zwei Menschen. +++ 27. Oktober 2019: Beim US-Militäreinsatz „Operation Kayla Mueller“ wird der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi getötet. +++ 31. Oktober 2019: Beginn des Impeachment-Verfahrens gegen Donald Trump. +++ November 2019: Bei in mehrerlei Hinsicht als historisch beispiellos beurteilten Brandbedingungen breiten sich in Australien massive, monatelange Buschbrände aus. +++ 10. Dezember 2019: In Stockholm werden die Literaturnobelpreise an Peter Handke und Olga Tokarczuk (rückwirkend für 2018) verliehen. +++ 12. Dezember 2019: Vorgezogene Unterhauswahlen in Großbritannien enden mit Rechtsruck: Die Tories unter Johnson gewinnen dazu, Labour verliert stark. +++ 31. Dezember 2019: Wort des Jahres „Respektrente“. +++ 1. Januar 2020: Chinesische Behörden schließen einen Fischmarkt in Wuhan, nachdem dort das neue Coronavirus SARS-CoV-2 identifiziert wurde. Mehrere Todesfälle, Beginn einer weltweiten Pandemie. +++ 3. Januar 2020: Der Iranische General Qasem Soleimani wird bei einem US-Drohnenangriff umgebracht. Beginn schwerer diplomatischer Spannungen zwischen den USA und dem Iran. +++ 7. Januar 2020: In Wien wird die türkis-grüne Koalition unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vereidigt. +++ 8. Januar 2020: Als Folge der US-Iran-Krise schießt das Militär in Teheran irrtümlich einen zivilen Linienflug von Teheran nach Kiew ab. 176 Tote, schwere Proteste gegen das Regime in Teheran. +++ 16. Januar 2020: In einem verfassungsrechtlichen Coup zur Machtsicherung sorgt Wladmir Putin für den Rücktritt der gesamten russischen Regierung. +++ 18. Januar 2020: Der Buckingham Palace entlässt Prinz Harry und seine Gattin Meghan offiziell aus den Pflichten des Königshauses. Das Paar plant einen Rückzug ins Private. +++ 21. Januar 2020: Das Monty Python-Mitglied Terry Jones stirbt. +++ 23. Januar 2020: Die Doomsday Clock wird vom „Bulletin of the Atomic Scientists“ auf 100 Sekunden vor Mitternacht gestellt – die kürzeste Zeitspanne seit ihrer Einführung 1947. +++ 30. Januar 2020: WHO ruft wegen SARS-CoV-2 die internationale Gesundheitsnotlage aus. +++ 5. Februar 2020: Überraschend wird Thomas Kemmerich von der FDP mit den Stimmen von FDP, AFD und CDU zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt. Drei Tage später tritt er nach zahlreichen Protesten zurück. +++ 19. Februar 2020: 9 Menschen mit Migrationshintergrund werden in Hanau ermordet, ebenso die Mutter des Täters, der schließlich Selbstmord begeht. +++ 25. Februar 2020: Harvey Weinstein verurteilt. +++ 29. Februar 2020: Erste Hamsterkäufe in Deutschland. +++ 7. März 2020: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Christian Freund, Uwe Schmieder und die mächtigen Kassierer spielen „Die Kassierer und die Drei von der Punkstelle“. Später stellt sich heraus, dass dies die letzte reguläre Schauspielhaus-Vorstellung der Voges-Intendanz vor Publikum gewesen sein wird. +++ 11. März 2020: Die WHO ruft wegen COVID-19 den Pandemiefall aus. (Redaktionsschluss 11. März 2020)

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WOHLTUEND WAHR Anne-Kathrin Schulz über Theater und Recherche, Gegenwartsgeschichten und Gegenwartsgeschichte

Es gibt Begegnungen, die man noch Jahre später als besonders großes Glück erlebt, da sie sich nicht klar in den Bereich „privat“ oder „beruflich“ einsortieren lassen. Ich erinnere mich zum Beispiel an den Samstagmorgen des 30. Oktober 2011. Kay Voges und ich mailen uns gegenseitig und praktisch zeitgleich einen Artikel von Spiegel Online. Berichtet wird über einen Theaterabend im kleinen Saal des New York Public Theater über Apple-Mastermind Steve Jobs, der kurz zuvor verstorben ist. Ein Theaterabend, der offenbar sehr anders verläuft, als viele Zuschauer_innen erwartet haben. Denn der amerikanische Performer Mike Daisey erzählt in seinem Monolog The Agony and the Ecstasy of Steve Jobs nicht nur vom als „iGod“ verehrten Erfinder von Kultprodukten für die Informationselite. Er erzählt nicht nur von der von Jobs kreierten Wunderwelt, in der Menschen ein so inniges Verhältnis zu ihrem Mobiltelefon aufbauen, dass man von Freundschaft sprechen kann. Es ist auch Daiseys persönliche Geschichte: die eines glühenden Apple-Verehrers, dem die Unschuld abhandenkommt. Seit 2010 hatte Daisey über die Arbeitsbedingungen beim chinesischen Foxconn-Konzern recherchiert, der auch für Apple produziert und der nach Mitarbeiter_innen-Selbstmorden Fangnetze zwischen die Fabrikhochhäuser spannen ließ. Mike Daiseys Text über Globalisierungsethik am Beispiel von Apple ist nicht einfach zu bekommen. Denn es gibt ihn nicht. Daisey arbeitet bei jeder Vorstellung mit einem Stichwortzettel. Doch zum Glück sind wir nicht die einzigen, die den Monolog lesen wollen – und so veröffentlicht Daisey nach vielen Wochen des sehnsüchtigen Wartens endlich doch ein Textbuch. Nach dem Lesen ist sofort klar: Wollen wir machen! Wir übersetzen, Regisseurin Jennifer Whigham beginnt die Proben mit Andreas Beck, es folgt ein Treffen mit Mike Daisey in Berlin, die deutschsprachige Erstaufführungs-Produktion findet im Schauspiel Dortmund am 3. November 2012 statt und erlebt in den Folgejahren über fünfzig Aufführungen nicht nur in Dortmund. Wir bleiben mit Daisey in Kontakt. Im November 2016, kurz nach der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten, kann ich das erste Mal seinen neuen Text The Trump Card lesen. Auch dieser basiert auf einer ausführlichen Recherche. Und wieder gelingt es Daisey, auf erstaunlich unterhaltsame Weise aus Fakten einen hochdynamischen Text zu komponieren, der auch so manche persönliche Lähmung ob der aktuellen politischen Entwicklungen zu überwinden vermag – weil er genau diese thematisiert. T H E AT E R M I T FA K T E N A L S FA K T E N Wir reagieren sofort. Eine eigentlich nicht existierende Lücke in der laufenden, natürlich bereits durchgeplanten Spielzeit wird gefunden, Regisseur Marcus Lobbes und Ausstatterin Pia Maria Mackert entwickeln ein Konzept, während Matthias Seier und ich das Stück übersetzen. Bettina Lieder und Andreas Beck beginnen, den Text zu lernen. Ein paar Wochen später starten die Proben im MEGASTORE, die Deutschsprachige Erstaufführung von TRUMP findet am 3. März 2017 statt – nur sechs Wochen nach Trumps Amtsantritt.

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Ermutigt durch die Zuschauer_innenreaktionen auf Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs und TRUMP entscheiden wir, das Spannungsfeld zwischen Recherche und Theater weiter zu erforschen. Denn auch wenn viele das Theater klassischerweise dem Raum des Phantastischen und Emotionalen zuordnen: In einer gerne als „postfaktisch“ beschriebenen Zeit, in der digitale Medien-Plattformen permanent mit großem Erfolg Emotionen bewirtschaften, ein „Permaregen der Informationen ganz zentrale Standards wie Objektivität und Wahrheit auswäscht“ und eine „Demokratie der Nichtwissenwollengesellschaft“ droht (so der Philosoph und Physiker Eduard Kaeser), erscheint es als überaus reizvoll, den anderen Weg einzuschlagen: Theater mit Fakten als Fakten. Wir sind nicht die einzigen, die jenseits alterprobter Terrains forschen. Bereits 2015 gibt es die erste Begegnung mit David Schraven und seinen Kolleg_innen vom gemeinnützigen Recherchekollektiv CORRECTIV, die nach neuen journalistischen Erzählformen suchen – so zum Beispiel mit der Graphic Novel Weisse Wölfe zu den Morden des rechtsradikalen sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, zu der sie auch eine Ausstellung im Schauspiel Dortmund konzipieren. Schnell entsteht eine gemeinsame Fragestellung: Könnte man aus einer journalistischen Reportage ein Theaterstück machen? Und wenn ja: Zu welchem Thema? Und wie genau? Von Anfang an ist klar, dass dies nur möglich ist, wenn Journalist_innen und Theatermenschen eng zusammenarbeiten. Denn wie auch immer ein solcher Theaterabend konkret aussehen wird, eins ist klar: Die Fakten auf der Bühne sollen stimmen. Nicht im weitesten Sinne, sondern 1:1. Fakten als Fakten. Am 23. Oktober 2016 feiert Kay Voges‘ Inszenierung Die Schwarze Flotte (basierend auf CORRECTIVs gleichnamiger Reportage über Menschen-, Waffen- und Drogenschmuggel im Mittelmeer) Uraufführung auf der Bühne des Dortmunder Megastores – erzählter Journalismus, eine erlebbare Recherche in gespielter Bühnenwirklichkeit (siehe Gespräch auf der nächsten Seite). BÜHNENGESCHICHTEN SYNCHRON

UND

W E LT G E S C H I C H T E

Zu diesem Zeitpunkt schnetzelt sich die Gegenwart längst regelmäßig in Dortmunder Produktionen. Während einer Vorstellung von Das Goldene Zeitalter schaltet Videokünstler Daniel Hengst per Live-Stream nach Kiew, zu den pro-westlichen Euromaidan-Demonstrationen des Winters 2013/14 – die Szenen des Abends über Wiederholung, Utopie, Revolution und Sehnsucht erweitern ihren Resonanzraum. Bei Die Borderline Prozession lauschen Live-Texter Alexander Kerlin und seine Dramaturgiekollegen Matthias Seier und Dirk Baumann dann während jeder Vorstellung in den Pulsschlag der Zeit. Text- und Soundsnippets werden allabendlich neu gesampelt. Bühnen-Geschichten und Welt-Geschichte laufen synchron. Bereits bei der Uraufführung am 15. April 2016 hört man O-Töne aus Wien, wo am Vorabend Identitäre eine Bühne der Universität Wien gestürmt

haben, auf der gerade eine Aufführung von Die Schutzbefohlenen von Elfriede Jelinek unter Beteiligung von Geflüchteten gezeigt wurde. Auch die abendlichen Hochrechnungen der französischen Präsidentschafts-Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen am 7. Mai 2017, die Hamburger Proteste gegen den G20-Gipfel Anfang Juli 2017 und vieles mehr werden zum Teil dieser Prozession um Barrieren und Grenzen, vorbei an Leben und Tod. Immer neue Expert_innen mit Energie und hoher Fachkenntnis stoßen zu uns. Arne Vogelgesang entwickelt im Frühjahr 2017 mit Co-Regisseurin Wiebke Rüter die Lecture Performance Flammende Köpfe zu den Methodiken von rechtsradikalen Netzwerken in Deutschland und Österreich. Vogelgesang zieht rote Fäden zwischen vorgestern, gestern und heute. Und zeigt teils launig, teils tief böse aufgemachten Online-Content, mit dem die Urheber_innen versuchen, mehr und mehr Menschen langsam nach rechts zu rücken. Eines von Vogelgesangs vielen Beispielen: die in den letzten 30 Jahren erfolgte politische Kontextverschiebung des Ausrufs „Wir sind das Volk!“ – von seiner Entstehung 1989 im Rahmen der prodemokratischen Demonstrationen gegen die DDR-Regierung hin zur heutigen Verwendung bei Versammlungen der Neuen Rechten. Währenddessen haben Moritz Riesewieck und Hans Block von der Gruppe Laokoon bereits auf den Philippinen recherchiert. Die Dortmunder Uraufführung Nach Manila entführt im Juni 2017 in den Dschungel der Social Media-Welt von Facebook, wo zahlreiche Content-Moderators, sogenannte Clickarbeiter_innen, die Timelines sauber halten müssen, indem sie Tag für Tag Bilder und Videos voll Grausamkeiten, Hetze und Menschenverachtung sichten und löschen. 2018 folgt Blocks und Riesewiecks Dokumentarfilm The Cleaners, der international Aufmerksamkeit erregt. Die theatralen Forschungsreisen zwischen Theater und Recherche werden weitergehen. Nicht nur aus inhaltlichen Gründen. Denn die Begegnungen mit Menschen wie Mike Daisey, David Schraven und seinem Kollegen Frederik Richter, mit Moritz Riesewieck, Hans Block und Arne Vogelgesang führen nicht nur zu Theaterarbeiten, in denen die klassische emotional-investigative Kraft des Theaters und die sachlich-investigative Kraft der Recherche verschmelzen, sondern bringen auch Mut in so manche persönliche Gegenwart. Es sind Begegnungen mit wohltuend wahren Geschichten. Und mit Forschenden, für die das Eintauchen in die menschlich erschütternden Themenbereiche einer scheinbar immer undurchschaubareren Welt nicht zu Resignation führt, sondern zu mehr Erforschungslust. Eine Neugier auf Gegenwart, die uns seitdem begleitet: Enjoy Complexity.

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Andreas Beck in Die Schwarze Flotte

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GEGENWART ALS INHALT Die Schwarze Flotte: eine Reportage, die zu einem Theaterstück wurde

Neue Wege sind der Schlüssel zu Veränderung. Ob als Flüchtling auf der Reise, Reporter_in auf der Jagd nach Fakten oder als Theaterschaffende_r im Prozess, Geschichten auf die Bühne zu tragen. Aber von vorne. Alles beginnt 2015. Über ein halbes Jahr hatten die Journalist_innen Cecilia Anesi, Frederik Richter, Giulio Rubino und David Schraven vom gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV zum Thema Frachter im Mittelmeer recherchiert. Schiffe, die illegal Drogen und Waffen transportieren – und die auch Geflüchtete nach Europa bringen. Am 10. Dezember 2015 erscheint CORRECTIVs Reportage Die Schwarze Flotte. Am 23. Oktober 2016 wird dann das Theaterstück Die Schwarze Flotte im MEGASTORE des Schauspiel Dortmund uraufgeführt. Welche Herausforderung es war, den Stoff in ein Theaterstück zu verwandeln, welche Möglichkeiten und Chancen diese Liaison aus Journalismus und Bühnenkunst bietet, darüber sprechen Regisseur Kay Voges, Autorin Anne-Kathrin Schulz und Schauspieler Andreas Beck mit dem Dramaturgen Michael Eickhoff.

Wir kamen erstmals ins Gespräch, als David Schraven beim Schauspiel Dortmund für seine Comic-Reportage Weisse Wölfe anfragte, ob er sie hier als Ausstellung präsentieren dürfe. Die Gespräche mit ihm waren so aufregend, dass er auch prompt in unserer Diskussionsreihe BLACKBOX auftrat, wo er von seinen Recherchen berichtete. Bei all den Gesprächen und Veranstaltungen erhielten wir dann neue Informationen, woran CORRECTIV gerade arbeitet und was sie zurzeit interessiert – beispielsweise diese gigantische Recherche, die dann die Grundlage für Die Schwarze Flotte wurde.

Voges

Wie entstand die Idee, daraus ein Theaterstück zu machen?

Eickhoff

In der digitalen Moderne gehen dem Theater die narrativen Erzählformen verloren. Wir fragen uns, wie man es schafft, für unsere Gegenwart Theater zu machen: Wie geht politisches Theater heutzutage? Und die Journalist_innen haben ein ganz ähnliches Problem: Wie geht in der digitalen Moderne noch Journalismus, wenn die Print-Medien zurzeit mehr und mehr an Substanz und Bedeutung verlieren? Wie kommuniziert man Recherchen heute? CORRECTIV geht da seit Jahren Wege der Erneuerung, ob nun in Zusammenarbeit mit Comic-Künstlern, Radio-Features, Podcasts oder Webseiten. Auf der Suche nach neuen Wegen des Journalismus und neuen Erzählungen des Theaters trafen wir uns. Wir dachten uns, vielleicht finden wir neue Möglichkeiten durch Kollaboration. Es treffen sich also Schauspiel und Journalismus im gemeinsamen Interesse an einer politischen Erzählung für das 21. Jahrhundert.

Voges

Was war als Autorin die Herausforderung, die Recherche in einen dramatischen Text auszubuchstabieren?

Eickhoff

Es gab für mich zwei Hauptfragen: Wie verwandelt man die vielen Informationen, die in der journalistischen Recherche stecken, in einen Theatertext? Was wählt man aus, was nicht? Und: Wer ist die Figur des Erzählers im Stück? Denn eine solche Position gibt es in der journalistischen Reportage nicht, es ist ja keine

Schulz

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Ich-Erzählung. Für mich beim Schreiben war von großem Vorteil, dass ich wusste, für wen ich den Monolog schreibe. Ich wusste: Andreas Beck wird die Figur spielen, und Kay Voges wird inszenieren. Ich hatte beim Schreiben stets die Stimme von Andreas im Kopf. Eickhoff

Andreas, was für eine Figur spielst Du?

Beck

Es ist ein Journalist auf der Suche, auf einer großen Recherche. Es heißt beispielsweise im Stück „Die Welt verstehen und der Welt mitteilen, was man verstanden hat“. Es ist also auch eine große Sehnsucht nach diesem Suchen vorhanden.

Eickhoff

Der Stoff ist zum einen sehr der Gegenwart abgelauscht, horcht aber auch tief in die Geschichte hinein. Wenn ich den Proben zusehe und den Text lese, denke ich oft an den Begriff „Verantwortung“. Liegt es daran, dass der Text konkretes realistisches Recherche-Material beinhaltet?

Beck

Eickhoff Schulz

Auf jeden Fall! Ich habe als Schauspieler in der DDR angefangen. Die Zeitungen in der DDR waren allesamt Partei-Organe. Da hat das Theater dann oft jene Funktion der Zeitungen übernommen und die Menschen informiert und gesagt, was wo verändert werden müsse. Das ist in diesem Text genauso. Es ist ein sehr journalistischer Text mit belegbaren Fakten. Von Verantwortung würde ich aber nicht sprechen. Man hat als Schauspieler genau die gleiche Verantwortung, wenn man bei Schneewittchen den siebten Zwerg spielt – man trägt dort vor den Kindern eine große Verantwortung. Die Verantwortung ist für eine_n Schauspieler_in auf der Bühne immer groß, weil man immer ein Publikum hat, das dabei etwas lernen oder empfinden soll. Mir persönlich macht es aber mehr Spaß, solch einen konkreten Text zu haben, den man erzählen kann, als irgendetwas Fiktives. Anne, wie gelang Dein Schreibprozess? Ich hatte die Reportage von CORRECTIV gelesen und die Fernsehreportage gesehen. Wir führten dann ein sechsstündiges Gespräch mit David Schraven und Frederik Richter in Dortmund und ließen es transkribieren. Dieses Gespräch war für uns Dortmunder unglaublich faszinierend. Wir wollten eigentlich gar nicht aufhören zu sprechen. Und dann stieß ich in den folgenden Wochen beim Sortieren und Denken und Schreiben immer wieder an Punkte, wo ich merkte: Ich habe Nachfragen. Und mit diesen habe ich Frederik und David gelöchert. Das führte dann z.B. dazu, dass mir Frederik die Daten schickte, mit denen das vierköpfige Reporter_innenteam damals während ihres Rechercheprozesses gearbeitet hatte. Ich habe versucht, die Daten zu verstehen, für das Stück neu

zu strukturieren. Die Reise, von der der Protagonist im Stück erzählt – dieses Abenteuer auf der Suche nach der Wahrheit – habe ich sozusagen auch angetreten. Und dann entstand ein kontinuierlicher Austausch zwischen Kay, Andreas und mir. Für mich war diese Zusammenarbeit etwas ganz Besonderes, auch die Großzügigkeit, mit der sich David und Frederik zur Verfügung stellten, wie sie mir kontinuierlich dabei halfen, die Thematik im Detail so zu verstehen, dass ich sie für einen Dritten notieren konnte. Und wenn auf einer Probe eine Frage entstand, die ich nicht beantworten konnte, dann griff ich zum Telefon und rief Frederik oder David an. Der Arbeitsprozess war also ein kontinuierlicher Austausch mit vielen Menschen. Der Satz, den Andreas eben zitierte – „die Welt verstehen und der Welt mitteilen, was man verstanden hat“ – ging so ein bisschen wie Stille Post: Von Frederik und David zu Anne, die es dann aufschrieb, so dass wir nun verstehen mussten, was Anne geschrieben hat. Und dann zu Andreas als Sprachrohr, das der Welt mitteilt, was man verstanden hat. Und im besten Falle passiert es, dass Zuschauer_innen, die aus dem Theater kommen, die Welt ein bisschen mehr verstanden haben und dann anderen mitteilen, was sie von der Welt verstanden haben.

Voges

Ein großer Vorteil von Theater ist das kollektive Erleben eines Textes und dass man sich diesem Narrativ nicht so schnell entziehen kann. Eine Zeitung oder ein Buch kann man schnell weglegen, aber solch einen Abend, den muss man aushalten. Das ist vielleicht unsere Chance in der heutigen Zeit, in der viele Leute sagen, die Welt sei schon schlimm genug und man brauche diese ganzen Nachrichten nicht mehr und wolle nicht mehr drüber nachdenken. Wenn man solche Geschichten dann im besten Fall noch charmant und mit einer gewissen Komik erzählt bekommt, dann hat man doch eher Lust zuzuhören. Da besteht für uns als Theater eine Chance, auch solche „unschönen“ Sachen zu verpacken und den Leuten nahezubringen.

Beck

Kommen wir zum Text – was ist fiktionaler Anteil, was ist Recherche?

Eickhoff

Die Fakten im Stück sind die Fakten, die die Journalist_innen von CORRECTIV recherchiert haben. Die Erzählerfigur gibt es so in der Realität aber nicht. Es gibt sehr viele Sätze im Stück, die nie jemand gesagt hatte, bevor ich sie aufschrieb. Aber die Figur ist durchaus stark inspiriert von den Menschen, die an dieser Arbeit eng beteiligt waren. Ich habe David Schraven und Frederik Richter als Menschen kennen gelernt, die die Komplexität eines Themas als etwas höchst Positives erleben, etwas, wo man schnell Lust

Schulz

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bekommt noch genauer und genauer hinzuschauen. Das war ein Momentum, das wir alle enorm interessant fanden und das ich für meinen Text habe nutzen können – als Idee, warum jemand das Wort ergreift und uns Zuschauende mit auf ein großes Abenteuer nimmt. Voges

Der Inhalt wird dadurch transportiert, dass hier ein Mensch versucht, diesem Inhalt Herr zu werden. Ich als Zuschauer_in vereine mich mit ihm, weil ich auch diesem Inhalt folgen können möchte. Diese Zurückführung auf den Menschen – in diesem Fall auf den Journalisten – schafft einen neuen Blick auf die Welt, aus seiner Perspektive heraus. Das ist ja sowieso die Kraft des Theaters: Wir lernen, neue Perspektiven durch die Schauspieler_innen zu sehen und so aus unserer eigenen Subjektivität heraustreten zu können. Das schafft Andreas wunderbar, die Menschen mitzunehmen auf diese Reise und auch auf die Fragestellung, was das Wissen um die Komplexität der Welt für Konsequenzen besitzt.

Das komplette Gespräch, das wir hier in Auszügen abdrucken, erschien ursprünglich im Oktober 2016 im Heft Die Schwarze Flotte. Die Story hinter dem Theaterstück von CORRECTIV - Recherchen für die Gesellschaft gemeinnützige GmbH (www.correctiv.org).

Bettina Lieder und Andreas Beck in TRUMP

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Plakatmotiv zu Einige Nachrichten an das All (sputnic)

FRECHHEIT! Die zehn größten Aufreger aus zehn Jahren Schauspiel Dortmund Ein Ranking von Matthias Seier und Dirk Baumann Skandale sind allgegenwärtig: Tagtäglich werden uns durch Google, Twitter und Facebook neue Aufreger in die Timelines gespült – manchmal finden sie sogar ihren Weg in die Tagesthemen – um wenige Tage später bereits durch die nächsten Echauffier-Angebote abgelöst zu werden. Wenn Andy Warhol 1968 prophezeite, dass in Zukunft jede_r 15 Minuten lang berühmt sein werde, dann heißt es heute: In Zukunft wird jede_r fünf Minuten lang Teil eines Skandals sein, denn nie war es so einfach oder so gefährlich, in den Mittelpunkt eines Skandals zu geraten. Da liegt es auf der Hand, dass auch das Schauspiel Dortmund in den letzten zehn Jahren zum Gegenstand mehrerer Skandale wurde – mal bewusst kalkuliert, mal weniger. Sie alle eint, dass sie den herkömmlichen Theaterort für Geschichten und Konflikte erweiterten: Die Aufreger fanden längst nicht nur auf der Bühne statt. Sondern auf YouTube, in Twitter-Timelines, im Fernsehen, in der BILD-Zeitung (hier gehört ein richtiger Skandal vielleicht auch hin), auf der Straße, im Zuschauerraum, in Einkaufszentren… und naja, irgendwie auch im Zoo.

#10 DIE KÖNNT IHR BEHALTEN! (2015) Schon im Vorfeld der Inszenierung 2099 der Aktivist_innen-Gruppe Zentrum für Politische Schönheit im Schauspielhaus war damit gerechnet worden, dass sie bestimmt irgendwie aus dem Ruder laufen würde. Während der Vorstellung kam es dann zum Eklat im Zuschauerraum: Die Schauspieler Sebastian Kuschmann, Uwe Schmieder und Björn Gabriel warfen große Mengen an Kleidung von der Bühne ins Publikum, verbunden mit der Anklage, doch etwas Wirkliches zu tun anstatt ‚nur‘ Kleidung zu spenden. Die Inszenierung kritisierte damit die überwältigende Hilfs- und Spendenbereitschaft der Dortmunder Bevölkerung, als 2015 zahlreiche Züge mit Geflüchteten am Dortmunder Hauptbahnhof eintrafen. Und forderte eine Bekämpfung der Ursachen statt der Symptome, der kriegerischen Auseinandersetzungen in den Herkunftsländern – zur Not auch mit militärischen Mitteln. Das Theaterpublikum, das nicht selten persönlich bei der Betreuung der Geflüchteten geholfen hatte und auch noch immer half, fühlte sich persönlich angegriffen. Der Ärger entlud sich nicht selten in den stets angesetzten Nachgesprächen im Anschluss an die Inszenierung, die teils länger dauerten als die Vorstellung selbst. Auch in der Theaterleitung war dieser Teil der Inszenierung hochumstritten: War der Vorgang künstlerisch zu rechtfertigen oder beleidigend? Die Meinungen gehen bis heute auseinander. #09 DER KLÖNG IST KAPUTT (2012) 2012 drehten Kay Voges und Daniel Hengst in den Bürofluren des Schauspiels einen satirischen Kurzfilm über die kafkaesken Verwaltungsvorschriften der Stadt Dortmund. Das „absurde Lehrstück mit Texten aus der Wirklichkeit“ starring Ekkehard Freye, Axel Holst, Luise Heyer und Kay Voges nahm die „Handlungsanleitung für die Durchführung von freihändigen Vergaben in dezentraler Bearbeitungszuständigkeit der Fachbereiche“ aufs Korn, die alle Anschaffungen – auch dringende technische Ersatzteile – ab einem Wert von 250€ betrifft. Auf YouTube ging der Film rasch viral und wird offenbar auch noch Jahre später angeschaut. Wie viele Views es aus dem Dortmunder Vergabeamt gibt, ist nicht bekannt.

#08 SPRECHCHOR-REVOLTE IN DER THIER-GALERIE (2011) In der Dortmunder Innenstadt führt kein Weg an der Thier-Galerie vorbei, dem hellgrauen Shopping-Bollwerk vis-à-vis des Schauspiels. Kurz nach dessen Eröffnung im Herbst 2011 testete der damals ebenfalls frisch gegründete Dortmunder Sprechchor das Einkaufszentrum mit einer spontanen Intervention: Gemeinsam mit dem Chorführer Christoph Jöde ging es in das stets überfüllte Einkaufs-Labyrinth. Dort skandierten die etwa 50 Chor-Mitglieder Texte aus Heiner Müllers Hamletmaschine. Rasch bildete sich eine Zuschauertraube, die dem ungewöhnlichen Theater-Flashmob gebannt folgte. Die Reaktion der Thier-Galerie ließ derweil nicht lange auf sich warten: Die alarmierte Security sprach Christoph Jöde einen Platzverweis aus und führte ihn ab. Der Chor sprach unbeirrt weiter. #07 FLIEGENDE BOLOGNESE UND NACKTE FANS IM ZUSCHAUERRAUM (2014-15) Als im Januar 2014 die Wattenscheider Vollblutmusiker Die Kassierer mit ihrer Punk-Operette Häuptling Abendwind, frei nach Johann Nestroy, die Bühne des Schauspiels betreten, herrscht im Publikum Ausnahmezustand: Ein massiver Kassierer-Fanblock jubelte bei jedem ihrer legendären Lieder („Geh mir weg mit deine vegane Pampe“) ekstatisch. Dazu gab das Schauspiel-Ensemble (Ekkehard Freye, Uwe Rohbeck, Julia Schubert, Uwe Schmieder) alles: Riesige Schweinetröge gefüllt mit Spaghetti Bolognese, dutzende Liter Bier und Kunstblut wurden in jeder Vorstellung auf der Bühne verschüttet, und so ziemlich jeder auf der Bühne zog früher oder später mal blank („Mein Hodensack ist der schönste auf der Welt“). Um allzu enthusiastische Fans am Stürmen der Bühne zu hindern, wurde eigens ein Security-Team engagiert. Einem Flitzer gelang es dennoch, splitterfasernackt und euphorisch johlend auf die Bühne zu sprinten. Die ihn verfolgende Security rutschte derweil auf der Bolognese aus.

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#06 Wir befinden uns in einer Explosion, ihr F  R! (2012) Es ist direkt der erste Satz im grenzensprengenden Stück Einige Nachrichten an das All von Wolfram Lotz: „Wir befinden uns in einer Explosion, ihr Ficker!“– ein lautstarker Hilferuf in einer auseinanderfallenden Welt. Auf dem Werbeplakat zum Stück prangte der Satz in Großbuchstaben an rund 100 Bushaltestellen der Stadt. Bald folgten Beschwerden wegen des als vulgär wahrgenommenen F-Wortes. Wolfgang Herbrand, Sprecher der Dortmunder Stadtwerke, zur alarmierten Presse: „Die DSW21 ist kein Theater, Bushaltestellen sind kein Ort der Kunst“, und verlangte die Überklebung des problematischen Wortes. In der zensierten Variante wurde die Mitte des Wortes mit Comicsymbolen überklebt. Doch so leicht ließen sich Botschaft und Plakat nicht austricksen: Ab Sonnenuntergang waren die Plakate von hinten be- und durchleuchtet – und das F-Wort klar und deutlich wieder zu lesen. Der BILD-Zeitung war das immerhin einen Aufmacher wert. #05 Der Emma-Shitstorm (2013) Als Dramaturg Alexander Kerlin Vater wurde, erhielt seine neugeborene Tochter ein Willkommenspaket der Stadt Dortmund – inklusive Werbematerial des BVB: Schnuller, Lätzchen, Vereinsanmeldungsbogen und ein Kuscheltier des BVB-Maskottchens Emma (eine schwarzgelbe Hummel). Kerlin schrieb in seiner Ruhr Nachrichten-Kolumne Sterntagebuch über das gebrandete Geschenk: „Ich finde, dass meine Tochter sich ihren Lieblingsverein eines Tages selbst aussuchen dürfen soll. Es ist schlechter Stil, eine Neugeborene auf diesem Weg als Kunde an ein börsennotiertes Unternehmen mit Rekordumsatz binden zu wollen.“ Prompt entzündete sich ein tagelanger Shitstorm gegen Kerlin: „Wer diese Stadt nicht versteht, soll die Stadt einfach verlassen!“, hieß es in einem noch freundlich formulierten Facebook-Kommentar. #04 Der Kampf gegen die Waffenlobby (2017) Ab 2016 begannen die Arbeiten an der größten Kampagne zwischen dem Schauspiel Dortmund und den Aktivismus-Campaigning-Aktionskünstler_innen des Peng! Collective: mehrere Aktionen gegen die Rüstungsindustrie, ihre Lobby in der Politik, und die halbseidenen Waffenexport-Deals der Bundesregierung. Zuerst ging im April 2017 eine gefakte Pressemitteilung von Heckler & Koch an über 200 amerikanische Waffenhändler_innen: Der Konzern gab bekannt, aufgrund sicherheitspolitischer Bedenken auf seine Geschäfte in den USA verzichten zu wollen und forderte seine US-Zwischenhändler zur Rückgabe der Waffen auf. Kurz darauf tauchte im Netz ein viraler Clip der fiktiven CDU-Ortsgruppe Schwenke auf: CDU-Ortsgruppenvorsteherin Brigitte Ebersbach forderte die Merkel-Regierung zum Exportverbot von Kleinwaffen auf. Die Presseagentur AP griff den Coup auf, die fiktive CDU Schwenke schaffte es so in die New York Times, Fox News, Washington Post und andere internationale Medien. Das Finale der dreiteiligen Aktion: die große Verleihung des frei erfundenen „Deutsch-Französischen Preises für Sicherheit und Frieden“ an ThyssenKrupp Marine Systems! Bei der bis ins letzte Detail inszenierten Preisverleihung in einem Berliner Luxushotel waren knapp 30 Schauspieler_innen und Statist_innen (auch aus dem Dortmunder Ensemble) zugegen – und ein echter Waffenhändler: Christian Stuve – seines Zeichens „Senior Vice President Politics and Strategy“ bei ThyssenKrupp, verantwortlich für umstrittene milliardenschwere

U-Boot-Deals mit Israel und Malaysia. Stuve blieb lange bei der zunehmend surrealer werdenden Festehrung, bis er kurz vor der Preisverleihung die Veranstaltung kommentarlos verließ. #03 Der rote Stern über dem Schauspielhaus (2010) Wie macht man aus einer Straftat Kunst? Indem man sie im Museum ausstellt. Aber der Reihe nach: 2010 inszenierten kainkollektiv und sputnic bei der Eröffnungsveranstaltung der Reihe Stadt ohne Geld Gegenproteste auf dem Theatervorplatz. Diese Proteste wurden vom linksautonomen Utopischen Zentrum Dortmund (UZDo) ausgetragen und richteten sich gegen die Kooperation des Schauspiels mit dem (fiktiven und stramm neoliberalen) Institut für Urbane Krisenintervention (IfuK). Die rund 50 UZDo’ler gaben ein Zeichen der Uneinigkeit mit dem Establishment: Sie kletterten dem Schauspiel aufs Dach und besprühten den weiß leuchtenden Stern mit sozialistischem Rot aus der Dose. Das IfuK wusste sofort, wie man Subversion und Protest in kulturelles Kapital umwandelt: Der rot angesprayte Stern ging als Exponat in eine Museumsausstellung des Dortmunder U, als Ready-Made in der Mitte eines Triptychons zum Thema Stadt ohne Geld. #02 Die Spiegelbarrikade (2016) Eine heiß diskutierte und im Gedächtnis gebliebene soziale Plastik der Künstlergruppe Tools for Action in Kooperation mit dem Schauspiel Dortmund und einem großen städtischen Netzwerk: Mit explizitem Bezug auf die Barrikade als Protestform mit langer Tradition entwickelte die Gruppe um den niederländischen Künstler Artúr van Balen aufblasbare, verspiegelte Silberwürfel mit einer Kantenlänge von 1,40m, die mit Klettverschluss aneinander befestigt werden konnten. Mehr als 600 Schüler_innen und weitere Dortmunder_innen fertigten über mehrere Wochen die Würfel an, über 100 Würfel entstanden gemeinschaftlich, Hunderte nahmen an den Barrikaden-Trainings im Stadtraum teil. Ziel war es, die Würfel für die Demonstrationen gegen den sog. „Tag der deutschen Zukunft“, einem europaweiten Neonazi-Aufmarsch am 4. Juni 2016 in Dortmund, zu nutzen: um Barrikaden zu bilden, um den Gegenprotest in die Zivilgesellschaft zu mobilisieren und ein weithin sichtbares Zeichen zu setzen. Die Würfel fanden ihren Weg auf die Demos – mal beim bürgerlichen Protest, mal bei selbstkoordinierten Schulaktionen und mal im linksautonomen Schwarzen Block, was zu Handgreiflichkeiten seitens der Polizei führte (zahlreiche der Würfel wurden dabei von ihr zerstört). Und auch auf dem Dorstfelder Wilhelmsplatz – im direkten Umfeld der Häuser, in dem sich die Neonazi-Szene versammelt – glitzerte es später silbern. Die Nazis selbst bekamen die Würfel dabei nur kurz aus der Ferne zu Gesicht. Es bleibt aber die Diskussion, was Kunst im Protest bewirken kann – und inwiefern es bei Kunst überhaupt Sinn macht, von direkter Wirkung zu sprechen. 2017 wurde das Projekt von Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit dem BKM-Preis Kulturelle Bildung ausgezeichnet. #01 Raja muss sterben! (2015) Noch einmal 2099. 2015 war es die Sensation des Dortmunder Zoos: Raja, das neugeborene Jaguar-Baby! Die Verliebtheit der Stadt in Raja war für die Aktionskünstler_innen des Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) rund um den Aktivisten Philipp Ruch eine ideale Untermauerung

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Das Skandal-Plakat zur Inszenierung 2099 am Schauspielhaus (sputnic)

ihrer Theorie: Während alle in kollektive Ekstase um ein Tierbaby geraten, ertrinken im Herbst 2015 täglich Flüchtende bei ihrer Passage über das Mittelmeer – fernab der öffentlichen Wahrnehmung! Für die Premiere des Stücks 2099 greift das ZPS daher zu einer kontroversen Kampagne: Es ruft öffentlichkeitswirksam zur kollektiven Tötung des Tierbabys im Anschluss an die Premiere auf, um auf das unterrepräsentierte, echte menschliche Leid aufmerksam zu machen. Die Figuren aus 2099 verhandeln im Stück genau diesen Konflikt um öffentliche Wahrnehmung, Verdrängungsprozesse und damit einhergehender moralischer Schuld. Dafür brauchen sie „natürlich die Augen der Weltöffentlichkeit“, erklärt Philipp Ruch der Presse. „Sie brauchen CNN hier am Samstag, die inte-

ressiert sind an dem süßen Tier, das da erschossen wird.“ Bundesweit sind nicht nur Tierschützer in heller Aufregung, auch der Zoo Dortmund reagiert mit Unverständnis. Zoo- und Theater-Hotlines laufen heiß, die Social Media-Auftritte des Schauspiels werden mit Kommentaren überschüttet, dutzende Journalisten bitten um Statements. Das Schauspiel Dortmund bot schließlich an, die 2099-Premiere notfalls abzubrechen, falls das Jaguarbaby tatsächlich ermordet werden sollte. Das Schicksal des Tiers beherrscht kurzzeitig die Medien im Land – so, wie Ruch es prophezeit hatte. Tatsächlich geht es dem Tierbaby während der Premiere nicht ans Fell. Stand Redaktionsschluss geht es Raja gut, allerdings ist er mittlerweile kein Baby mehr, sondern ein erwachsener Jaguar.

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Für die Spiegelbarrikade erhielten Tools for Action und das Schauspiel Dortmund 2017 den Preis für Kulturelle Bildung der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters.

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NEUE ALLIANZEN Über das Zusammenspiel von Darstellender Kunst, Aktivismus, Journalismus und Bildender Kunst am Schauspiel Dortmund von Michael Eickhoff Das Auswärtige Amt hat jüngst der UNESCO offiziell den Antrag übergeben, die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkennen zu lassen. Denn diese zeichne sich, so die Begründung, durch eine besonders hohe Dichte und Vielfalt von Genres, Ästhetiken und Ausdrucksmitteln aus. Dies gründet einerseits in der Jahrhunderte währenden politischen Zersplitterung Deutschlands, in deren Folge zahlreiche höfische Theater entstanden, und andererseits in der späten nationalen Einigung von 1870/71. Das aufstrebende Bürgertum des 19. Jahrhunderts suchte die eigene Identität in Sprache, Literatur und Kultur – und gründete bis ins 20. Jahrhundert in zahlreichen weiteren Städten „sein“ Theater als Institution der bürgerlichen Bildung und Erbauung. Diese höfischen und bürgerlichen Theater entwickelten sich über Jahrhunderte zu spezialisierten, hochprofessionellen und arbeitsteiligen Betrieben, in denen sich ein ausdifferenziertes und von außen schwer nachzuvollziehendes System von Arbeitsprozessen und Betriebsabläufen erhalten hat. Und in denen Künstler_innen mit unterschiedlichsten Mitteln der darstellenden Kunst der Welt den Spiegel vorhalten. So werden hier über Generationen Wissen und Fertigkeiten weitergegeben und weiterentwickelt – in den technischen Abteilungen und Gewerken genauso wie im künstlerischen Bereich, der sein Wissen in Form eines tradierten Stücke-Kanons, von Interpretationsweisen, Aufführungspraxen und Inszenierungsstilen speichert und weiterentwickelt. Phasen der (gefühlten oder tatsächlichen) Stagnation in der künstlerischen Bewegung wechseln ab mit Momenten, in denen das System Theater offen und seine Strukturen fluide und durchlässig genug sind, um Impulse von außen aufzunehmen. Mitunter legen aber Krisen, die unsere Gesellschaft als ganze erschüttern, die etwas behäbig wirkende Resonanzfähigkeit unseres Theatersystems offen – solch eine Krise bahnte sich beispielsweise mit dem Bürgerkrieg in Syrien an und wurde manifest, als unklar war, wie sich ein Kontinent, der die christliche Nächstenliebe in seinem Wertekanon führt, zu jenen Hunderttausenden Menschen aus dem Nahen Osten verhalten sollte, die auf dem Land- oder Seeweg nach Europa flüchteten. Wie reagiert die Kunst, wie die Institution Theater? Und was sind adäquate Stoffe und Erzählweisen, mit denen sich Flucht, Vertreibung, fragwürdige Waffendeals und der aus allen Ritzen deutscher Geschichtsvergessenheit hervorquellende rechte Terror „thematisieren“ lassen? Das Schauspiel Dortmund ging dazu eine ganze Reihe von Allianzen ein. T H E AT E R U N D J O U R N A L I S M U S Die ersten Kontakte zum Essener Recherchenetzwerk CORRECTIV um den Journalisten David Schraven kristallisierten sich früh.

Schraven und der Graphiker Jan Feindt hatten just ihre profunden CORRECTIV-Recherche-Ergebnisse zur Dortmunder Neonazi-Szene in die schroffen Bildstrecken der Graphic Novel Weisse Wölfe gegossen. Nachgezeichnet sind darin die Combat 18-Strukturen und die internationale Vernetzung der Dortmunder Neonazi-Szene, deren professionelle Ausbildung an Schusswaffen bis hin zum Dortmunder NSU-Mord an Mehmet Kubaşık, erschossen am 4. April 2006 unweit eines damaligen rechten Treffpunkts an der Mallinckrodtstraße. Das Ganze in schroffer Schwarz-Weiß-Ästhetik und in mehreren klug miteinander verwobenen Erzählsträngen gefasst. Dies inspirierte David Schraven und den Dramaturgen Alexander Kerlin zu einer Suche nach einer weiteren Form der Präsentation (nach fundierter Recherche, deren Online-Publikation und dem Erscheinen als gebundene Graphic Novel): In Kooperation zeigten CORRECTIV und Schauspiel Dortmund ab April 2015 für mehrere Monate großgezogene Seiten, ganze Passagen der Weisse Wölfe-Graphic Novel im Foyer des Schauspiels. Sie verwickelten die abendlichen Schauspiel-Besucher_innen in die graphisch aufbereitete Recherche, die einmal mehr die singuläre Täterschaft des NSU fraglich erscheinen ließ, ja, die Verwicklung der lokalen Nazi-Szene mit den Mördern des NSU assoziierte und als weitere Aufgabe polizeilicher Ermittlungsarbeit und juristischer Aufarbeitung offen im Raum stehen ließ. Einerseits der Genauigkeit einer journalistischen Investigativ-Recherche verpflichtet und andererseits die Radikalität der künstlerischen Umsetzung zuspitzend vergrößerte das Schauspiel mit der Weisse Wölfe-Ausstellung nicht nur die Resonanzfähigkeit der vierten Gewalt im Staat, sondern auch die des Schauspiels selbst: Der Diskursraum Theater beginnt bereits im Foyer – ja mitunter noch früher oder davor, wenn öffentlich in Frage gestellt wird, ob eine Institution der Kunst diese Grafiken überhaupt zeigen solle. So in Kommunikation gebracht taugen diese nicht nur „zur Lernfibel für Jugendarbeit in dieser Stadt“, wie Friedrich Küppersbusch anlässlich der Vernissage sagte, sondern weit darüber hinaus… Davon angezündet fanden CORRECTIV und Schauspiel die nächste Kooperation in dem Monolog Die Schwarze Flotte, der nach einer weiteren ausführlichen Investigativ-Recherche des Recherchenetzwerks CORRECTIV im Herbst 2016 im Megastore zur Premiere kam. Ausgangspunkt war die offene Frage, mit welchen Texten sich über die Mittelmeer-Fluchtrouten erzählen lässt, was eine angemessene Form des dramatischen Erzählens für das Sterben von Geflüchteten auf dem Mittelmeer ist – und für den Profit, den einige wenige daraus zu ziehen wissen. Originär dramatische Texte erschienen unterkomplex – die Recherche der CORRECTIV-Journalist_innen Cecilia Anesi, Frederik Richter, Giulio Rubino und David Schraven hingegen, zuerst im Tagesspiegel und als Fernsehbeitrag im RTL-Nachtjournal Spezial veröffentlicht, waren das genaue Gegenteil: Mit detektivischer Manie legten sie ein komplexes Netzwerk von kriminellen

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Dreieck-Handelsbeziehungen offen, die Reedereien rund um das Mittelmeer, das Schwarze Meer bis hin zu den Küsten Ostafrikas betreiben – für den Schmuggel von Waffen, Drogen, Menschen. (Siehe auch Gegenwart als Inhalt, S. 104) In enger Zusammenarbeit und auf Grundlage der Recherche-Ergebnisse schrieb die Dramaturgin und Autorin Anne-Kathrin Schulz einen fesselnden Monolog – gespickt voll mit Fakten, Fakten und nochmal Fakten. Einen Monolog für einen fiktiven Journalisten, gespielt von Andreas Beck in der Regie von Kay Voges – Andreas Beck gelang es, mit dem Gestus eines modernen Sherlock Holmes das Publikum von Frage zur Antwort zu führen und ihm zugleich den Stachel für die nächste Frage einzupflanzen: Der innere Drang, wissen zu wollen, zu verstehen, warum Dinge erst in einem größeren Zusammenhang gesetzt einen Sinn ergeben. Die Leidenschaft, eine Geschichte erzählen zu wollen, führte die Macher_innen zur Notwendigkeit, faktenbasiert und fiktional zugleich zu erzählen – „politische Bildung auf der Theaterbühne: sehenswert“, so die Ruhr Nachrichten. SCHAUSPIEL UND POLITISCHER AKTIVISMUS I Bereits vor der Weisse Wölfe-Ausstellung im Foyer war das Schauspiel aufmerksam geworden auf eine Gruppe von „aggressiven Humanisten“, die bis dahin eine ganze Reihe öffentlich sichtbarer Aktionen zur „Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit“ umgesetzt hatten – so schreibt das Zentrum für Politische Schönheit über sich selbst. Nadelöhr jeder geschichtlichen Erkenntnis und Bezugspunkt jeglichen politischen Handelns müsse der Holocaust sein – nicht nur aus der Geschichte zu lernen, sondern im Geiste des „Nie wieder Auschwitz“ auch zu handeln: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und genozidale Verbrechen gelte es mit der radikalen Kraft der Kunst zu thematisieren und so dem mahlenden Rad (geo)politischer und ökonomischer Interessen in die Speichen zu greifen. Die künstlerischen Aktivist_innen des Zentrums suchen das moralische Gewissen wieder im politischen und künstlerischen Diskursraum zu verankern und dieses der politischen Teilnahmslosigkeit entgegenzusetzen. Dabei legt das Zentrum eine stets moralisch rigorose Ernsthaftigkeit an den Tag und führt seine Aktionen stets im Modus des bewussten Regelverstoßes einerseits und des „als ob“ andererseits aus: So behauptete das Zentrum bspw. in der Aktion Die Toten kommen, die irgendwo im Hinterland südeuropäischer Staaten verscharrten sterblichen Überreste von Geflüchteten, die auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunken waren, an jenen Ort zu überführen, an dem mittlerweile nicht nur ihre Verwandten lebten, sondern zugleich auch in „die Schaltzentrale des europäischen Abwehrregimes“: nach Berlin. Tote identifizieren, exhumieren, nach Deutschland bringen? Darf man das? Oder ist das nur „ein Spiel“ mit der Fiktion? Hat das Zentrum wirklich im Geiste von Moral und

menschlicher Großgesinntheit sterbliche Überreste überführt und würdig (neu) bestattet? Oder waren am Ende gar keine Leichen in den auf einem Berliner Friedhof bestatteten Särgen? Wie hätte man dies herausfinden können, ohne die Totenruhe zu stören, ein Straftatbestand? Die Vehemenz der verschiedenen Reaktionen führt die Öffentlichkeit an den schmerzhaften Punkt, an dem wir dieser Debatte nur dann entgehen können, wenn wir das Sterben auf dem Mittelmeer beenden… „Die Aktion ist schockierend - viel schockierender aber ist die Realität an den Außengrenzen Europas“ (Vice). Die Frage, die das Schauspiel im Herbst 2014 umtrieb, war, ob und wie man von einer moralischen Position aus theatral erzählen kann. Und ob sich über die genozidalen Verbrechen des Assad-Regimes in Syrien auf der vom Zentrum erprobten Grenze von Theater und Realität auf einer Stadttheaterbühne sprechen lässt. [Nebenbei bemerkt: Welche Grenzen erscheinen dann wichtiger: die der Begriffsbildung oder jene, an denen Menschen sterben?] Und schließlich – dann schon wieder praktisch gewendet: Beschneidet man eine Gruppe künstlerischer Aktivist_innen, wenn man versucht, sie in den starren Regelapparat von Produktion und Rezeption eines Stadttheaterkontextes einzubinden – und wenn ja, wie verändert sich die Institution unter der gemeinsamen Arbeit? Die Arbeit 2099, die das Zentrum für Politische Schönheit dann nach achtmonatiger Vor- und Probenarbeit im September 2015 zur Uraufführung brachte, war ein Zwitter: Eine Art moralisch geronnene Publikumsbeschimpfung im Gewand einer Zeitreise, die vier Philosophen vom Ende des 21. Jahrhunderts in das Jahr 2015 unternehmen, um uns Zeitgenoss_innen vor den vor uns liegenden Verbrechen des 21. Jahrhunderts zu warnen: Nur wir, wenn wir denn handelten, könnten die Katastrophen und Genozide abwenden. Das Bühnengeschehen selbst, das im Übrigen die wohl längsten Nachgespräche unserer Geschichte nach sich zog, war flankiert von zwei öffentlichkeitswirksamen Aktionen: Ein Hausbesuch im Nazi-Nest in der Emscherstraße in Dortmund-Dorstfeld – hier, so die Erzählung des anrückenden theatralen Räumkommandos, würden jene Verbrecher_ innen des 21. Jahrhunderts sitzen, müsste mal aufgeräumt werden. Und die zweite, die ungleich schärfere Reaktionen der bundesweiten Öffentlichkeit erfuhr, war die Bekanntgabe, man hätte zwei Zwergseidenäffchen aus dem Dortmunder Zoo entführt, die noch zum Einsatz auf der Bühne kommen würden. Als dann – Tiere gehen als Aufreger immer gut – bekannt gegeben wurde, die Aktivist_innen würden im Anschluss an die Premiere in den Zoo einbrechen und Raja, das damalige Lieblings-Jaguarbaby der Dortmunder_innen, im Eingedenken an die Verbrechen im syrischen Bürgerkrieg opfern, war das Maß voll: Was ein Tierbaby an Empörung zu entfesseln vermag, das schafft kein_e tote_r Syrer_in an irgendeiner europäischen Grenze. Indes, die Sphäre der Kunst und jene, in der die beiden Aktionen auf einer Grenze zwischen Fiktion und Realität arrangiert waren,

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blieben weitgehend getrennt – die Rezeptionsgewohnheiten erschienen in der guten alten Guckkastenbühne als zu mächtig. Gebrochen wurde es allein durch jene Momente im Verlauf der Inszenierung von 2099, in denen ebenfalls mit der bewussten Grenzverletzung von Realität und Fiktion gespielt wurde: Am Abend des 5. September 2015, genau zwei Wochen vor der Premiere von 2099 hatte der erste Zug mit Menschen aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet auf ihrer Flucht durch Europa von der deutsch-österreichischen Grenze kommend Dortmund erreicht – Mitgefühl und Hilfsbereitschaft waren außerordentlich, das zur provisorischen Erstaufnahmestelle umgewidmete Dietrich-Keuning-Haus quoll über an Spenden von Kleidung, Lebensmitteln, Spielzeug. Nun gab einer der Spieler auf der Bühne vor, gespendete Kleidung, „die ihr den Syrern an den Bahnhof gebracht habt“, ins Publikum zu werfen – und entlarvte damit die empfundene (und tatsächliche) Hilflosigkeit, in der Menschen voll des Mitgefühls ihre Keller ausgeräumt hatten: Was sollte man auch anderes tun im Angesicht der Assad-Regierung, die nicht davor zurückschreckte, die eigene Bevölkerung zu foltern oder mit Fass-Bomben zu bombardieren (von denen das Zentrum im Übrigen eine auf der Bühne zeigte). „Authentischer“ oder „echter“ als der Zünder jener Fass-Bombe war allerdings das kollektiv empfundene Gefühl der Hilflosigkeit, das viele Menschen mit Säcken voll Kleidung an die Bahnhöfe trieb und das man hier im Zuschauerraum von 2099 verspottet sah. Auf einmal war es ganz greifbar: Was kann ich denn sonst tun? Wie soll ich jetzt handeln? SCHAUSPIEL UND BILDENDE KUNST Neben der Hilfsbereitschaft jener ersten Monate und Jahre schwappte eine Welle dumpfer Ressentiments den Geflüchteten entgegen: Fremdenfeindliche Pegida-Demos brachten seit Ende 2014 in schrillen Tönen ihren Hass zum Ausdruck; eine sogenannte Alternative betrat 2013 noch als EU-skeptische Partei das politische Parkett, bevor sie Mitte 2015 merklich ins rechte und rechtsextreme Lager zog. In Dortmund mobilisierte eine rechte Kleinstpartei für den 4. Juni 2016 europaweit zu einer Demonstration (zu der dann neben mehreren Hundert Rechtsradikalen auch Nazi-Größen wie William Browning und Thorsten Heise erschienen). Würde sich solch eine Demonstration mit den Mitteln der Kunst verhindern lassen? Sicher nicht – aber wie angemessen darauf reagieren? Artúr van Balen war einige Monate zuvor zu Gast am Schauspiel Dortmund im Rahmen der Konferenz zu Theater und Aktivismus Theater trifft Aktion. Er ist Gründer von Tools for Action, einer internationalen Künstler_innen-Gruppe, die seit 2012 an der Schnittstelle zwischen Bildender Kunst, Performance und Aktivismus im öffentlichen Raum agiert. In Workshops vermitteln sie Kenntnisse zum Bau von aufblasbaren Objekten, die im öffentlichen Raum zum Spiel oder zur Blockade eingesetzt werden können. Tools for Action und Schauspiel entschieden, eine hochgradig mobile, künstlerische Blockade aus federleichten, aufblasbaren Würfeln aus spiegelnder Folie zu kreieren – im Eingedenken an die Blockaden der Pariser Commune und zugleich als Soziale Plastik à la Joseph Beuys. Für dieses Zwitterwesen aus Protest und Kunst, Blockade und Ballett fertigten ca. 600 Menschen in einer gut fünfwöchigen Bau- und Trainingsphase insgesamt 110 Würfel, die sich problemlos zu knapp 3 Meter hohen Barrikaden verkletten ließen. Dazu gab das Team um Artúr van Balen in Koope-

ration mit dem kommunalen Respektbüro 14 Schul(bau)workshops, um dort einerseits über die Aktionen und Mobilisierung der rechten Szene in Dortmund aufzuklären und andererseits mit den Schüler_innen die aufblasbaren Würfel zu bauen: Information und Empowerment. An den Mai-Wochenenden 2016 stand das Foyer des Schauspiel Dortmund darüber hinaus offen für interessierte Freiwillige, die ebenfalls aufblasbare Würfel aus spiegelnder Folie in Eigenarbeit produzierten. Im Vorfeld des 4. Juni veranstalteten die zahlreichen Kooperationspartner_innen (vom DGB bis zu den Kirchen), Künstler_ innen und Freiwilligen öffentlichkeitswirksame Aktions-Trainings und ein Barrikaden-Ballett auf öffentlichen Plätzen – Mobilisierung und Training für den Tag der Nazi-Demo: Nicht nur den Nazis symbolisch den Spiegel vorzuhalten, sondern vor allem sich selbst, verbunden mit der Frage, wie unsere Zivilgesellschaft mit rassistischen Tendenzen umgehen kann. Die Proteste am 4. Juni brachten viele Schüler_ innen der am Projekt beteiligten Schulen erstmals auf die Straßen Dortmunds – und auch ihre Eltern, denen wie vielen anderen der spielerisch-künstlerische Umgang mit dem Blockade-Material erlaubte, eine der zahlreichen Gegendemonstrationen zu besuchen. Gleichwohl standen die in der Sonne des 4. Juni 2016 glitzernden Würfel im Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung: Antifa, Staatsschutz und Polizei, Schul-Dezernat und die diversen Kooperationspartner_innen – das Ringen um das ob (Kunst das soll), das wie (kann man denn nicht anders protestieren), das wieviel (ist doch nur Symbolpolitik), die Sicherheit (leiten die Würfel eigentlich Strom der Straßenbahnen?) tat der Freude und dem Engagement der Beteiligten beim Bau, Training und vor allem am 4. Juni auf den Straßen keinen Abbruch. Die Besetzung des „Wohnzimmers“ der Nazis gelang, des Dorstfelder Wilhelmplatzes, den die Protestierenden in eine öffentliche Spielfläche voll fliegender Spiegelwürfel verwandelten – während am anderen Ende der Stadt Protestierende mit (und ohne) Spiegelwürfel von der Polizei eingekesselt und die Würfel von wenig kunstaffinen Polizisten_innen aus Bayern kurzerhand aufgeschlitzt wurden. Ihnen schien die spiegelnde Folie zu gefährlich für die öffentliche Sicherheit, die indes von den marschierendenFaschist_innen in Frage gestellt wurde. Was hingegen in diesem Schulterschluss von politischem Aktivismus und (darstellender) Kunst gelang, war das Gefühl von künstlerischer Selbstermächtigung und politischer Aufklärung in Aktion – beides schuf einen dezidiert anderen Resonanzraum als ein abgedunkelter Theatersaal. SCHAUSPIEL UND POLITISCHER AKTIVISMUS II Auch eine weitere Kooperation nimmt das kunstvoll-aktivistische Vexierspiel zwischen Realität und Fiktion in den Fokus und explorierte dazu mehrere Performance-Räume jenseits klassischer Guckkastenbühne oder der Black Box. Im Rahmen einer Doppelpass-Förderung der Kulturstiftung des Bundes ging das Schauspiel in den Spielzeiten 2015/2016 und 2016/17 eine Kooperation mit einer Aktivist_innengruppe ein, die ebenfalls beim Festival Theater trifft Aktion zu Gast war: Peng! Die Kooperation verband ein ganzes Bündel verschiedener Aktionen, von denen nur zwei hier angeführt werden. Deutschland sagt Sorry bildete den Auftakt im April 2016 – eine Aktion, die zum 10jährigen Jubiläum die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, verkürzt Hartz IV genannt, aufs populistische Korn nimmt. Zunächst

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lancierten die Populistinnen, so nannte sich die Koalition aus Peng! und Schauspiel in der zweijährigen Kooperation, auf einer eigens eingerichteten, fingierten Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ein Video, in dem sich ein vermeintlicher Ministeriumssprecher bei den Leidtragenden der Agenda 2010 entschuldigt. Ein Portal auf der Website war offen für Betroffene – angesprochen wurden vor allem alleinerziehende Mütter und Arbeitnehmer_innen aus dem Niedriglohnsektor –, ihre Geschichte einzureichen; verbunden mit der Aussicht auf ein persönlich signiertes Entschuldigungsschreiben des Bundespräsidenten. In einem zweiten Teil der Aktion trat eine golden kostümierte Schar von Tänzer_innen und Performer_innen in der Dortmunder Agentur für Arbeit auf, um den um Beratung anstehenden Arbeitslosen das Schlangestehen zu erleichtern. Eine Aktion, gefilmt von lokalen Fernsehsendern, die eine NRW-weite Verbreitung erreichte und so eine andere Form künstlerisch-politischer Öffentlichkeit generierte. Deutlich ins Politischere zielte eine dreiteilige, eng orchestrierte Aktionsreihe im zweiten Jahr der Kooperation, die auf die Fragwürdigkeit des Exports von Kleinwaffen abzielte – denn, so die ganz und gar nicht populistische Argumentation, Paragraph 26 des Grundgesetzes verpflichte Deutschland zum Frieden: Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker gefährden, sind laut §26 GG ebenso unter Strafe zu stellen, wie Exporte von Waffen, die dazu geeignet sind, einen Angriffskrieg zu führen – über die Genehmigung zum Export habe die Bundesregierung, oder vielmehr der Bundessicherheitsrat, zu entscheiden. Dafür gründeten die Populistinnen zunächst einen fiktiven CDU-Ortsverband im westfälischen Schwenke mit gefakter Website, Biographien, Aktivitäten etc. – geführt von der engagierten Ortsvorsitzenden Brigitte Ebersbach, die sich in einem leidenschaftlichen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein Verbot von Kleinwaffenexporten stark machte. Das Video, eingebettet in eine professionelle Website (www.cdu-mit-gefuehl.de), trendete in mehreren Online-Portalen – auch überregionale Zeitungen nahmen den Appell auf, der sich entgegen der Parteilinie auf die christlichen Werte der Partei berief und sich für ein Verbot von Kleinwaffen stark machte. Nur wenige Tage später lancierten die Populistinnen eine fingierte Rückruf-Aktion von Kleinwaffen des Herstellers Heckler & Koch – die USA seien, so schrieb vermeintlich Heckler & Koch in einem Fax an lokale US-amerikanische Händler, seit der Wahl Donald Trumps nicht mehr länger als sicheres Drittland einzustufen, in das bundesdeutsche Waffenunternehmen legal exportieren dürften. Die angeschriebenen Händler waren aufgefordert, ihren Bestand an Kleinwaffen des Heckler & Koch-Konzerns an den Mutterkonzern im baden-württembergischen Oberndorf zurückzusenden. Heckler & Koch sah sich umgehend genötigt, auf seiner Website auf die Irregularität der Vorgänge hinzuweisen. Wiederum wenige Tage später sollte in einem Konferenzsaal eines Berliner Luxushotels der erste „Deutsch-Französische Preis für Sicherheit und Frieden“ verliehen werden – der von einem reichen Erben, so die Erzählung, gestiftete Preis würde an ein Unternehmen der deutschen Waffenindustrie gehen, das sich international um die Wahrung von Frieden und Sicherheit verdient gemacht hätte. Mit gefakter Biografie und umfänglichen Hintergrundinformationen versehen wurden in dessen Namen eine Vielzahl von Rüstungsunternehmen angeschrieben und deren Vertreter_innen zur Feier eingeladen:

In deren Rahmen würde vor der Hauptstadtpresse der ausgelobte Preis erstmals verliehen. Ein Schauspiel, das die Populistinnen in einem Konferenzsaal mit über 40 Schauspieler_innen und Statist_innen, allesamt mit fiktiven Biographien für den sicherheitspolitischen Smalltalk präpariert, für den Preisträger aufführten. Gekommen war als einziger Vertreter der eingeladenen Rüstungsunternehmen ein Repräsentant von ThyssenKrupp Marine Systems – allen anderen ca. 20 Vertreter_innen, die zuvor zugesagt hatten, war das fingierte Unterfangen dann doch zu windig. Sie erschienen nicht. Aus dem gewonnenen Drehmaterial der Preisverleihung und dem Material der eingeschleusten und zum Teil eingeweihten Presse generierten die Populistinnen wiederum einen online sich schnell verbreitenden Abschlussbericht, in dem aufgezeigt wurde, wie man mit diesen drei Live-Hacks die Vertreter_innen der Waffenindustrie enttarnt, sie ins Licht der Öffentlichkeit zieht und wie man schlussendlich ihren Ruf ruiniert. Allen Allianzen gemein ist der Versuch, auf anderen Plattformen mit Mitteln unserer digitalisierten Öffentlichkeit und vor allem im Verein mit Spezialist_innen aus angrenzenden Bereichen des Journalismus, der Bildenden Kunst und des politischen Aktivismus eine andere Resonanzfähigkeit für die drängenden Themen unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu erfinden, zu erproben und zu verfeinern. Jede Zeit braucht ihre eigenen Narrative, ihre Allianzen und Koalitionen, ihre je eigene Formensprache und ihre Mittel – letztlich ein Theater, das auf das Hier und Jetzt antwortet. Insbesondere das Zentrum für Politische Schönheit und Peng!, die auf sehr verschiedene Art und Weise ein verwirrendes Vexierspiel auf der Grenze von Fiktion und Realität anrichten, konterkarieren jenes taktische und unverhohlene Verdrehen von politischer Wahrheit und öffentlicher Lüge, von wissenschaftlichem Beweis und fake news, mit dem Donald Trump die US-amerikanische Präsidentschaft gewann. Aus dem Feld der Kunst kommend greifen beide Gruppen ins Politische aus und geben dem Theater im Diskurs darüber, was Kunst darf, kann und soll, jenes politische Moment zurück, dessen es als öffentliche Institution bedarf. Dergestalt spannt es uns ein zwischen die Notwendigkeit, sich zu jenen Themen zu positionieren, die den öffentlichen und politischen Diskurs unserer Zeit bestimmen, und die Herausforderung, Geschichte als gestaltbar zu begreifen.

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Peng! Kollektiv in Grundgesetz Galore Arne Vogelgesang in Flammende Köpfe

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BURN, BABY, BURN!

Ein Brief von Christian Römer ans Schauspiel Dortmund

Sehr geehrtes Schauspiel Dortmund, ein mazedonischer Intendant gestand uns einmal, nachdem er allen ein großes Glas Raki eingegossen hatte: „Look, theatre is just an excuse to be friends.“ Dann trank er auf ex und erwartete dasselbe von seinen Gästen. Genauso war Euer Theater in diesen Jahren, zwischen Probebühne und El Mundo. Punkband s p i e l t N e s t r o y, N a c k t e i m P u b l i k u m . T h e a t e r m i t B i e r in der Hand. Schöpfung in Gemeinschaft. Wenn Euch etwas interessiert hat, dann habt ihr die Sache gleich in die Hand genommen, wie vor Ort üblich: anpacken war die Devise. Und immer den L a u t s t ä r k e r e g l e r s c h ö n a m A n s c h l a g . Vo l l , n i c h t h a l b . D e z e n z i s t S c h w ä c h e . A k t i v i s m u s w a r E u e r L e i t m o t i v, und wenn ihr mal übers Ziel hinausgeschossen seid, egal, nächste Baustelle. Es kann nur besser werden. Christian Römer ist Kurator, Dialektiker, Regisseur, Dramaturg, Politikversteher und brillianter Konferenzenmacher der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Seit 2013 kuratiert er dort z.B. gemeinsam mit nachtkritik.de die Konferenz Theater und Netz, die mit immer neuen Konstellationen und Schwerpunkten Fragen zur Darstellenden Kunst im digitalen Zeitalter beleuchtet.

Eine schöne Konferenz haben wir zusammen gemacht, Moritz Riesewieck erzählte uns da von der Müllabfuhr i m I n t e r n e t u n d s p ä t e r w u r d e e i n F i l m d r a u s , A r n e Vo gelgesang tourt seine Flammenden Köpfe noch heute und mit dem PENG! Collective habt ihr auch gegroovt. Ihr habt Euch eingemischt, weil es der einzige Weg ist, etwas zu verändern. Eigentlich ist Theater ein ephemeres Medium, es zischt und dampft und dann ist es verschwunden. Es bleiben nur Erinnerungen. Eure tiefe Leidenschaft für Film und für das Netz in all seinen Erscheinungen s c h l ä g t d e m Ve r g e s s e n e i n S c h n i p p c h e n . D i e A k a d e m i e f ü r T h e a t e r u n d D i g i t a l i t ä t i s t Ve r m ä c h t n i s u n d Ve rsprechen zugleich. Ihr geht jetzt und Ihr bleibt trotzdem. Für Eure neuen Abenteuer wünsche ich euch alles Gute, B u r n , b a b y, B u r n ! Euer Christian

Folgende Seiten: Patrick Berg und Uta-Holst-Ziegeler in Sauerstoff Andreas Beck, Ekkehard Freye, Caroline Hanke und Sebastian Kuschmann in Rambo plusminus Zement

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Winkelmanns Reise ins U mit Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher, Axel Holst, Luise Heyer

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DON‘T YOU FORGET ABOUT ME – WIE AUCH? Die erste Begegnung mit dem neuen Theaterensemble fand im Frühjahr 2010 vor unserer Haustür statt. Von der Arbeit kommend traf ich auf eine Gruppe, die offensichtlich mit einem Einzug beschäftigt war und wie eine etwas chaotisch anmutende studentische Wohngemeinschaft wirkte. Es war der Einzug von Anne-Kathrin Schulz, einer der Dramaturg_innen am Theater, und wie selbstverständlich war Kay Voges tatkräftig mit dabei, den ich natürlich zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht kannte, geschweige denn einordnen konnte. An diese erste Begegnung habe ich mich über all die Jahre immer wieder erinnert, weil es die Selbstverständlichkeit eines paritätischen und solidarisch verbundenen Miteinanders auf den Punkt brachte, welches die Arbeit des Ensembles wesentlich auszeichnete. Es blieb nicht dabei. Voges hatte auch Paul Wallfisch als Musikalischen Leiter von New York nach Dortmund geholt, der wenige Wochen später in die Wohnung unter uns zog. Auch hier ahnten wir noch nicht, was auf uns

zukam, bis dann Paul mit seiner Small Beast-Konzertreihe begann, wir Little Annie und Baby Dee im Hausflur über den Weg liefen und langsam verstanden, was gerade sowohl in unserem altehrwürdigen Theater als auch unserem etwas schläfrigen Kreuzviertelhaus passierte. Die Zusammenarbeit zwischen Paul, Kay und Pauls Band Botanica zeigte sich für mich in besonders eindrücklicher Weise in der Inszenierung Der Meister und Margarita. In ebenso nachhaltiger (sowohl begeisterter als auch genervter) Erinnerung ist mir Das Goldene Zeitalter (von Voges gemeinsam mit dem phantastischen Alexander Kerlin) geblieben. Retrospektiv darf die Phase des MEGASTORES nicht unerwähnt bleiben. Es war vom gesamten Ensemble eine „Megaleistung“, wie sie unter diesen widrigen Umständen die Arbeit weiterführten, die in der Inszenierung der Borderline Prozession ihren stärksten Ausdruck fand. Zu Beginn der Arbeiten an dem Stück wohnte ein Schauspieler des Ensembles, Ekkehard Freye, kurzfristig bei uns, und kam spät-abends nach der ersten

Spielzeitplakat von124 sputnic

Von Möbelpackern und Megaleistungen: Zuschauer Hartmut Formeseyn zu zehn Jahren Schauspiel Dortmund

Hartmut Formeseyn (*1953), in Hörde geboren, nordfriesischer (väterlicherseits) und ostpreußischer (mütterlicherseits) Herkunft, ein Leben zwischen Familie, Südtribüne, Radiohead, Theater, 60er Jahre Idealisierung und mehr. In der Voges-Intendanz das erste Mal im Schauspiel in Begleitung von Beate Formeseyn am 29. Oktober 2010 bei Small Beast, Dortmund und gleich am Folgetag bei der Premiere von Die 39 Stufen.

brainstormigen Besprechung sehr angefixt zurück, er verstehe noch gar nicht, was für eine Stoffentwicklung das genau werde, sie sollten sich aber alle mit Ideen einbringen und daher müsse er jetzt unbedingt und sofort nach Münster fahren und in seinen Buchbeständen forschen. Ein wesentliches Merkmal des Dortmunder Theaters unter Kay V. war für mich die Positionierung in sozialen und gesellschaftlichen Fragen. 2012 fand das Projekt Crashtest Nordstadt statt, das einen ansonsten nicht besonders theaterlastigen Stadtteil in den Mittelpunkt stellte. Erinnert sei auch an die Barrikaden-Aktion von Artúr van Balen mit seinen aufblasbaren, von Zuschauer_innen und Schauspieler_innen gefertigten Würfeln, die dann im Rahmen einer Anti-Nazi-Demo tatsächlich zur Anwendung kamen – wo ein Teil von ihnen leider von offensichtlich nicht besonders kulturaffinen Polizisten zerstört wurde. Beispielhaft für die wunderbaren Kooperationen mit anderen Regisseur_innen (Ersan Mondtag, Peter Jordan, Tuğsal Moğul uva.)

seien die Inszenierungen und Formate von Jörg Buttgereit erwähnt. Tolle Stücke sind dabei entstanden (Der Elefantenmensch, Nosferatu lebt! – Uwe Rohbeck!, Im Studio hört Dich niemand schreien – AK Schulz!), und die absolute Trash-Gesprächsreihe NACKT UND ZERFLEISCHT. Das „alles und noch viel mehr“ (Rio!) wäre natürlich ohne das tolle Ensemble und den Dramaturgiestab nicht möglich gewesen. Ich habe mich im Schauspiel immer sehr wohl gefühlt, häufig lief Kay V. mittendrin herum, ganz unprätentiös und ansprechbar. Gerade dieser Unterschied wurde für mich noch einmal deutlich, als ich die Aufführungen von Die Parallelwelt sowohl im Berliner Ensemble als auch im Schauspielhaus Dortmund sehen konnte. Dortmund ist auf eine angenehme Weise „anders“. Nun soll Kay Voges die inspirierende Wirkung des Wiener Zentralfriedhofs (wunderbarer Ort) „und aller seiner Toten“ (Wolfgang Ambros) genießen – und den großen Dortmunder Dank nachhaltig spüren und mitnehmen.

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O AUGENBLICK Zwei Zuschauer_innen erinnern sich an ihre Lieblingsmomente JUSTIN GENTZER Embedded - Ein Jahr Afghanistan (2011, Regie: Jonas Fischer) Das Stück hat einen großen Platz in meinem Herzen – allein schon, weil es der erste Theaterbesuch meines Lebens war. Und direkt kein klassisches Guckkastentheater mit Bühne und Zuschauersaal. Sondern: 25 Zuschauer_innen, die im Maschinenraum der Unterbühne auf Tuchfühlung mit dem Kriegsalltag in Afghanistan gehen. Es war heiß, staubig, dunkel – und Ekkehard Freye und Randolph Herbst verhandeln stellvertretend auf der Bühne, was man selbst in dem Moment in sich spürt. Einstein on the Beach (Philip Glass und Robert Wilson, 2017, Regie: Kay Voges) Das Schauspiel Dortmund hatte irgendwie immer das Talent, bereits den Publikumseinlass als erhabenen Teil der Performance zu inszenieren. Mit dem Bier in der Hand betrat man den Opernsaal und hörte bereits die ersten Klänge, die einen in andere Dimensionen abdriften ließen. Ich weiß noch, wie ich vor der Herausforderung stand, den Drang zum Interpretieren und Deuten auszuschalten - und dass trotzdem Gedanken und Bilder der letzten Jahre in mir aufkamen. Und am Ende Andreas Becks Text über die Liebe: irgendwie eine rührende Erkenntnis, dass es letztlich immer dieselben kitschigen Gefühle sind, die uns alle bewegen. Justin Gentzer (23) stammt aus Dortmund, lebt seit 2014 in Berlin und studiert Kulturwissenschaften in Frankfurt an der Oder. Er arbeitet für die Akademie der Künste.

Komm in meinen Wigwam (2014, Regie: Wenzel Storch) Was für ein Wahnsinn! Ein Stück, das sich mindestens für den Heino-Ohrwurm lohnt. Psychedelischer Humor, katholisches LSD-Hochamt. Eines der seltsamsten und lustigsten Stücke, die ich je gesehen habe.

CANDAN BAYRAN Republik der Wölfe – Ein Märchenmassaker mit Live Musik (nach den Gebrüdern Grimm und Anne Sexton, 2014, Regie: Claudia Bauer) Die Republik der Wölfe war für mich eines DER Highlights am Schauspiel Dortmund. Es hat mich emotional gepackt, erschüttert, gegruselt und fasziniert. Ich bin noch heute zutiefst begeistert von der schauspielerischen Leistung des Ensembles, dem ungewöhnlichen Bühnenbild und der fantastischen Inszenierung von Grimms Märchen. Eine echte Besonderheit waren für mich die projizierten extremen Nahaufnahmen der Schauspieler_innen und die düster anmutende Musik der Ministry of Wolves, die das Stück zu einem außergewöhnlichen Theatererlebnis machten. Häuptling Abendwind und Die Kassierer (frei nach Nestroy, 2015, Regie: Thorsten Bihegue und Andreas Beck) Eine Punk-Operette! Die musste ich sehen. Was für eine herrlich skurrile Idee für ein Stück. Ich habe gelacht, gestaunt und mich zuweilen geekelt. Es war fantastisch!

Candan Bayram leitet seit 2010 das Referat Hochschulmarketing der TU Dortmund.

Das Reich der Tiere (Roland Schimmelpfennig, 2019, Regie: Thorsten Bihegue) Das Reich der Tiere ist ein fabelhaftes Stück, das humorvoll und verrückt inszeniert ist. Hier hatte ich das Gefühl, dass ich nicht nur den Gedanken der Figuren auf der Bühne lausche, sondern die echten Gedanken und Emotionen zu Existenzfragen und Selbstzweifeln der Schauspieler*innen hinter den Charakteren erfahre. Das bewirkte eine neue Art der Nähe zum Ensemble des Schauspiels Dortmund, das ich die große Freude hatte über viele Jahre in den unterschiedlichsten Stücken zu erleben.

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Xenia Snagowski, Andreas Beck, Janine Kreß, Christian Freund, Uwe Rohbeck in Der Theatermacher Julia Schubert und die Band Die Kassierer in Häuptling Abend und Die Kassierer: Eine Punk-Operette

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L´ENSEMBLE

Ensemble in Die Borderline Prozession

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Melanie Lüninghöner

Frank Genser

Christoph Jöde

Sebastian Graf

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Tommy Finke

Bettina Lieder

Ekkehard Freye

Alexandra Sinelnikova, Andreas Beck, Christian Freund

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Björn Gabriel

Uwe Rohbeck

Peer Oscar MusinowskI

Caroline Hanke

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Raafat Daboul

Uta Holst-Ziegeler

Carlos Lobo

Luise Heyer

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Julia Schubert

Eva Verena Müller

Sebastian Kuschmann

Uwe Schmieder

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Friederike Tiefenbacher

Anke Zillich

Paul Wallfisch

Tobias Hoeft, Laura Urbach, Lucas Pleß, Mario Simon, Dominik Bay

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Axel Holst

Jakob Schneider

Marlena Keil

Merle Wasmuth

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DIE ZEHN GEBOTE Theaterkritiker Stefan Keim liefert den passenden Verhaltenskodex zu zehn Jahren Kay Voges in Dortmund. Eine streng biblische Exegese.

Auf unzähligen Bildschirmen hat die Theatergöttin Thalia den Menschen zehn Gebote gegeben. Sie sind eine Richtschnur zum Erleben des Theaters von Kay Voges und seines ruhmreichen Teams.

D A S E R S T E G E B O T: D a s i s t K a y, k e i n G o t t . D u d a r f s t a n d e re Götter haben neben ihm. A u s l e g u n g : A u c h w e n n K a y Vo g e s ö f ter als „Theaterguru“ bezeichnet wird, ist ihm jede Form von Anbetung fern. Er hat von Anfang an das Dortmunder Schauspiel als Ort für alle Bürgerinnen und Bürger begriffen, vom Obdachlosen bis zum Chaos Computer Club. Kommunikation geschieht stets auf Augenhöhe, m e n s c h l i c h , f e h l b a r, k r i t i s c h , h e r z l i c h . D a s E n s e m b l e b e s t e h t a u s a u t a r k e n P e rsönlichkeiten, von denen einige auch Regie führen.

D A S Z W E I T E G E B O T: Du sollst die Namen anderer Theatergötter nicht missbrauchen. A u s l e g u n g : W e r K a y Vo g e s E p i g o n e n t u m vorwirft, weil er ästhetische Elemente zum Beispiel von Christoph Schlingensief, Frank Castorf oder René Pollesch aufgreift und weiterführt, geht am Ker n s e i n e s W e r k s v o r b e i . D e n n Vo g e s s t e l l t in vielen Aufführungen die Möglichkeit, ein originales Kunstwerk zu schaffen, s e l b s t i n F r a g e . E b e n d a r i n l i e g t n a t ü rl i c h e i n Te i l s e i n e r O r i g i n a l i t ä t , w e i l e r s i c h d e n Ve r ä n d e r u n g e n d e s L e b e n s u n d des Kunstschaffens im Onlinezeitalter wie kaum ein anderer Theatermacher stellt. Das klassische Instrumentarium einer Theaterkritik ist hier weitgehend ohne Nutzen.

D A S D R I T T E G E B O T: Du sollst den Feierabend heiligen. Auslegung: Manche Inszenierungen von K a y Vo g e s b e s t e h e n a u s u n e n d l i c h e n Schleifen. In den beiden Ausgaben von Das Goldene Zeitalter fährt irgendwann d e r e i s e r n e Vo r h a n g h e r u n t e r. Wa n n d a s geschieht, ist keine künstlerische Ents c h e i d u n g . D a s Te c h n i k p e r s o n a l b e e n d e t die Aufführung, wenn es Feierabend hat. Dahinter steckt die Einsicht, dass alle Mitarbeitenden im Theater die gleichen Rechte haben und sich die Kunst bei all e r R a d i k a l i t ä t u n d Te c h n i k b e g e i s t e r u n g den Erforder nissen des mensch- lichen Lebens unterordnet.

D A S V I E R T E G E B O T: Du sollst den Menschen ehren. Auslegung: Im Zentrum der Diskussionen steht bei vielen Aufführungen die i n n o v a t i v e i n g e s e t z t e Te c h n i k . Z u m B e i spiel eine Kamera, an deren Bewegung sich das Ensemble anpassen muss, in Das Fest. Oder die Zuschaltung der Bühne des Berliner Ensembles zu interaktivem Spiel in Die Parallelwelt. Doch bei aller R a f f i n e s s e i s t d i e Te c h n i k n i e m a l s S e l b s t zweck. Im Zentrum steht der Mensch und s e i n e E m o t i o n a l i t ä t , s e i n e Ve r l o r e n h e i t u n d s e i n K a m p f , i n e i n e r W e l t d e r z e rfallenden Zusammenhänge zu bestehen.

D A S F Ü N F T E G E B O T: Du sollst töten. Auslegung: Die Auseinandersetzung mit Gewalt, mit Mörder n und Monster n, gehört zum Kern der zehnjährigen Intend a n z v o n K a y Vo g e s . Tr a s h f i l m p a p s t J ö r g Buttgereit gehört zu den wichtigsten Nebengöttern. Ihm gelingt es, die Faszina-

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t i o n f ü r B l u t t a t e n , Wa h n s i n n u n d To d a u f die Bühne zu bringen und gleichzeitig ihren kulturellen Zusammenhang zu reflektieren. Gerade in der Konfrontation mit dem Amoralischen und Dämonischen der menschlichen Seele entsteht ein Theater der Aufklärung, das sich den dunklen Seiten überzeugend und oft auch mit Humor stellt.

D A S S E C H S T E G E B O T: Du sollst zechen. Auslegung: Das Theater als Forum für eine Stadtgesellschaft braucht Räume auch außerhalb der Aufführungen. Das Schauspielfoyer und das Institut waren Tr e f f p u n k t e , d i e n i c h t n u r r u n d u m d i e Inszenierungen geöffnet sind. Eine lebendige Diskussionskultur ist entstand e n , a n g e f e u e r t d u r c h P a n e l s , Vo r t r ä g e , Aktionen und Kampagnen. Mit Ensemble und Theaterleitung ins Gespräch zu kommen ist kein Problem. Vieles lässt sich bei einem Bier besser besprechen als in e i n e r ö f f e n t l i c h e n Ve r a n s t a l t u n g .

D A S S I E B E N T E G E B O T: Du sollst stehlen. A u s l e g u n g : D a s P l ü n d e r n l i t e r a r i s c h e r, philosophischer und wissenschaftlicher Gedanken ist nicht nur erlaubt, sondern G r u n d l a g e v i e l e r To t a l t h e a t e r a b e n d e v o n K a y Vo g e s . D i e l e g e n d ä r e B o r d e r l i n e P r o zession im Megastore ist – wie viele andere Inszenierungen auch – ein Mash-Up der kompletten Kulturgeschichte bis in die Gegenwart der Aufführung hinein. Der geistige Diebstahl ist ein kreativer A k t , d e r a n j e d e m A b e n d z u n e u e n E rkenntnissen und Assoziationen führt.

D A S A C H T E G E B O T: Du sollst nicht Missachtung vermuten wider die Schauspielkunst. Auslegung: Das Ensemble hat zwar wenig Gelegenheit, durch psychologisches Spiel zu glänzen. Doch lebt das Theater v o n K a y Vo g e s v o r a l l e m d u r c h d i e L e i denschaft, den Mut und die Persönlichkeiten der Schauspielerinnen und Schau-

Stefan Keim arbeitet als freier Kulturjournalist zu den Themen Theater, Musik, Literatur, Film und Kulturpolitik. Regelmäßige Beiträge u.a. für den WDR, Deutschlandfunk Kultur, die Welt am Sonntag und den Westfalenspiegel. s p i e l e r. S i e s i n d e s , d i e s i c h z u s a m m e n mit dem Publikum immer wieder der lustvollen Überforderung aussetzen und unvergessliche Momente schaffen. Regisseure mit eigenwilligen ästhetischen Vo r s t e l l u n g e n w i e T h o r l e i f u r Ö r n A r n a r s son, Wenzel Storch oder Claudia Bauer verlangen enorme geistige und körperliche Flexibilität, die nur ein erstklassiges Ensemble leisten kann.

D A S N E U N T E G E B O T: Du sollst rechtzeitig verlassen dein Haus und es deiner Nächsten übergeben. Auslegung: Schon bevor er eine neue I n t e n d a n z i n d e r Ta s c h e h a t t e , g a b K a y Vo g e s b e k a n n t , d a s s e r n i c h t l ä n g e r a l s zehn Jahre in Dortmund Schauspielintendant bleiben wollte. Die Entscheidung ist richtig, denn sein Theater verträgt keine Routine, die sich durch ein zu langes Bleiben und Zusammenwachsen unweigerlich einstellt. Insofern war die erzwungene Zeit im Megastore bei allen Beschwerlichkeiten ein wichtiger kreativer Impuls. Durch die Gründung der Akademie für Theater und Digitalität ist ein Forschungszentrum geblieben, das weiter für Furore sorgen wird.

D A S Z E H N T E G E B O T: Du sollst der großartige Mensch und durchgeknallte Theatermacher bleiben, der du bist. Auslegung überflüssig. Oder doch noch e i n s : D a s G e b o t g i l t n i c h t n u r f ü r K a y. S o n d e r n f ü r s e h r, s e h r v i e l e L e u t e , d i e am Dortmunder Schauspiel arbeiten und Überragendes geleistet haben. Natürlich auch in weiblicher Form oder mit Gendersternchen. Danke und Umarmung.

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ERINNERN #3 Was kommt Dir in den Sinn, wenn Du an das Schauspiel Dortmund denkst? Genser Tiefenbacher

Sinelnikova Keil

Der Stern, der leuchtet, hell. Lange Nächte des Diskutierens mit angeregten, auch glücklichen Gesichtern. Und Whisky Sour im El Mundo. Ein an einem Hut angebrachter Stern-Button. Ein Hase.  Ein marodes Gebäude, das sehr viel Liebe braucht.

Schmieder

Das wunderbare Ensemble und die daraus resultierende Ensemblearbeit.

Zillich

Experimentierfreudig, wach. Das kürzeste Engagement meines Berufslebens, und ich liebe diesen rosa Hasen!

Freund Wasmuth Freye

Schräge Bühne, Gipsarme, Goldenes Licht, Ratten, wunderbares Team. Mut. Liebe. Kampf. Punk. Der reinste Wahnsinn!

Graf

Rock’n’Roll!

Jöde

Der Vorplatz des Theaters. Hier trifft man sich, hier sieht man sich. Zu jeder Tageszeit ein schöner Ort und die Begegnungen geschehen nach dem Zufallsprinzip. Dieser Platz versucht seit zehn Jahren, die fehlende Theaterkneipe zu ersetzen. Im Winter harrt man oft in Eiseskälte aus, nach Hause gehen ist keine Option.

Lobo

Ein Theaterhaus, das nie schnöselig wirkte! Ich denke an Christiane – die Garderobiere, die mich immer an Jörg Pilawa erinnerte, das weiß sie (grüß dich, Liebelein!).

Musinowski

Geile Zeit. Viel Unterstützung. Viel Liebe. Intensive Momente. Vielfalt. Komplexität. Zeitlos. Glaube. Hoffnung. Aber, aber gibts auch, aber kannste immer sagen. Ja zum Schauspiel Dortmund. Liebe.

Kuschmann

Insgesamt eine wilde, lustvolle Zeit, voller wahnsinniger Menschen und Produktionen. Ein Lebensabschnitt. Deutlich.

Holst

Die Farbe Gelb.

Christian Freund (*1990) war seit 2017 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Von 2015 bis 2017 war er im Studio des Staatsschauspiel Dresden. In Dortmund spielte er u.a. Ferruccio in Thomas Bernhards Der Theatermacher, Damis in Tartuffe, Lövborg in Hedda Gabler und Kirillow in Dostojewskis Die Dämonen. Zudem war er u.a. in Das Internat von Ersan Mondtag, Im Irrgarten des Wissens und Unsere Herzkammer zu sehen. Ekkehard Freye (*1971 in Hannover) war seit 2010 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Er arbeitete hier u.a. mit den Regisseur_innen Kay Voges, Claudia Bauer, Paolo Magelli, Peter Jordan, Liesbeth Coltof, Jörg Buttgereit, Martin Laberenz, Klaus Gehre, Marcus Lobbes, Wenzel Storch, Sascha Hawemann und Gordon Kämmerer zusammen. 2018 wurde er mit dem Preis der Dortmunder Kritikerjury ausgezeichnet.

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Merle Wasmuth in Lessings Gespenster Frank Genser, Uwe Schmieder in Endspiel Andreas Beck, Uwe Rohbeck in Warten auf Godot

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Ekkehard Freye, Julia Schubert, Carlos Lobo, Uwe Schmieder, Eva Verena Müller, Bettina Lieder in Der Revisor

Was ist Deine prägendste Erinnerung an deine Arbeit hier?

Frank Genser (*1975 in Köln) war seit 2011 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Hier spielte er u.a. bei den Regisseur_innen Claudia Bauer, Kay Voges, sputnic, Jordan / Koppelmann, Paolo Magelli, Julia Schubert und Sascha Hawemann. 2019 feierte sein Regie-Debüt norway. today Premiere. Gemeinsam mit Uwe Schmieder erhielt er 2013 für Endspiel den Preis der Dortmunder Kritikerjury. Sebastian Graf (*1982) war von 2010 bis 2015 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Dort arbeitete er u.a. mit Kay Voges, Peter Jordan, Björn Gabriel, Liesbeth Coltof und Marcus Lobbes. Von 2015 bis 2018 war er im Ensemble des Theater Bielefeld. Er lebt als freier Schauspieler und Musiker in Berlin.

Die Borderline Prozession.

Tiefenbacher

Das Ensemble.

Schmieder

Himmel, das kann ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht sagen.

Freye

„Das funktioniert so leider überhaupt nicht! Es liegt sicher nicht an euch!“

Genser

Ich habe mich noch nie so schnell wohlgefühlt in einem Ensemble!

Zillich

Die knapp sechs Monate lange Beschäftigung mit dem Theatermacher von Thomas Bernhard.

Freund

Die Kommunikation durch Schreibblock und Stift in der Endprobenphase vom Theatermacher, ich hatte vom Arzt Sprechverbot bekommen. Ein Jahr später fand ich einen Block mit dahingekritzelten Sätzen wie: „Richtet sich das Sieg Heil nach meinen Schritten?“

Sinelnikova

Als die Kalaschnikow, die ich während der Vorstellung von Die Perser hinter mich warf, wie ein Pfeil in der Vorbühne stecken blieb! Das ist live!

Graf

Unsere WG im MEGASTORE. Wie wir Kolleg_innen in schwierigen Produktionen zusammengerutscht sind und miteinander sprechend und denkend uns durch Krisen durchgearbeitet haben. Innerlich nackt, außen angezogen zu spielen. Das können meine Kolleg_innen.

Keil

Wäre das Theater eine Farbe, wäre es ein Regenbogen. Und ich brauche es bunt, und ich brauche einen Spielplatz. Viele wollten das. Von all denen habe ich gelernt, wie weitere Farben aussehen können. Was für unterschiedliche Begegnungen und Handschriften in den Jahren. Wo heutzutage so viel zensiert wird. Offenheit und Empathie war gesucht.

Musinowski

Das „Brülltennis“ zwischen Ton und Video während der Hamlet-Proben.

Kuschmann

Der Kampf zwischen Körper und Eis in Woyzeck.

Holst

Der Dortmunder Sprechchor.

Jöde

Dass man mit Restalkohol noch ganz gut proben kann. ;)

Lobo

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Was nimmst Du mit aus Deiner Zeit in Dortmund? Tiefenbacher

Wo wir zusammen sind, kann uns nichts passieren… außer zu scheitern und gemeinsam neu zu beginnen.

Schmieder

Ensemblearbeit ist das Wichtigste für die Entwicklung einer Schauspielerpersönlichkeit.

Freund Sinelnikova Wasmuth Kuschmann

Viele Erinnerungen und ein paar Premierengeschenke! Freundschaften. Eine Liebe. Und ein Kind.  Wie wertvoll es ist, in einem angstfreien Raum zu arbeiten. Wehmut. Und herrliche, lustige Erinnerungen auf und neben der Bühne. Warmes Herz.

Freye

Einiges an Schulden.

Holst

Eine genaue Vorstellung davon, wie ich meinen Beruf nicht mehr ausüben mag.

Jöde

Liebe, Freunde und meine kleine Familie. Den Rest lass ich da und hol den beim nächsten Mal ab.

Musinowski

In erster Linie ein Kind. Und was ich schon immer versucht habe zu leben, wurde in Dortmund oft bestärkt: Unmögliches ist möglich. Lieber sich an einer Vision abarbeiten, eine Handschrift entwickeln, als irgendjemandem, irgendetwas hinterherzulaufen. Das ist Mut. Erlebe ich sehr differenziert in diesem Beruf.

Lobo Graf

Axel Holst (*1967) war von 2010 bis 2013 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Dort arbeitete er u.a. mit Kay Voges, Liesbeth Coltof und Marcus Lobbes. 2012 wurde er beim NRW-Theatertreffen als Bester Darsteller für seine Rolle in Henrik Ibsens Nora ausgezeichnet. Christoph Jöde (*1985 in Hamburg) war von 2010 bis 2017 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Arbeiten u.a. mit Kay Voges, Paolo Magelli, Jörg Buttgereit. 2012 erhielt er den Dortmunder Publikumspreis. Seit 2019 ist er fest im Ensemble des Schauspielhaus Hamburg.

Neue Frau und vier Kinder (zwei selbst gezeugt). Und neue Freunde. Meinen Anspruch ans Theater! Dortmund hat mich dahingehend schon versaut! Ein paar kleine Narben... und hoffentlich auch ein paar Freunde.

Jakob Schneider, Luise Heyer, Jele Brückner in Miss Sara Sampson

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Marlena Keil (*1985 in Münster) war seit 2015 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Sie arbeitete u.a. mit den Regisseur_innen Ed. Hauswirth, Julia Schubert, Kay Voges, Jörg Buttgereit und Laura N. Junghanns. Zudem spielte sie ihr Solo Zerline in der Regie von Matthias Rippert. 2018 wurde sie mit dem Dortmunder Publikumspreis ausgezeichnet. Sebastian Kuschmann (*1968 in Hamburg) war von 2010 bis 2017 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Er arbeitete u.a. mit Claudia Bauer, Kay Voges, Martin Laberenz, dem Zentrum für Politische Schönheit und Paolo Magelli. In der DIE SHOW spielte er den Todeskandidaten Bernhard Lotz. Seit 2017 ist er Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt.

Ekkehard Freye, Christoph Jöde, Bettina Lieder in Kasimir und Karoline Bettina Lieder, Julia Schubert, Merle Wasmuth in Eine Familie

Was war der schlimmste Dortmunder Moment? Und was der beste? Der schlimmste Moment: Das Scheitern der Nibelungen. Der beste Moment: Das Scheitern der Nibelungen.

Schmieder

Schlimmster Moment: Meine Ankunft am Bahnhof. Der Beste: Der erste Anblick des Bildes meiner Frau im Foyer im Museum am Ostwall….. er hält an!

Genser

Während des Premierenapplauses von Leonce und Lena bin ich im Black rückwärts zweieinhalb Meter ins Dunkel gestürzt. Ich hatte großes Glück, ohne schwerste Verletzungen davon gekommen zu sein. Während der Vorstellung Waisen im obersten Stockwerk das Harenberg City Centers wurde aus bislang ungeklärten Gründen der Feueralarm ausgelöst. Weder wir Spieler noch die Zuschauer wussten damit umzugehen. Für die Zuschauer gehörte dieser Alarm (passend zum höchstdramatischen Ende des Stückes) zur Inszenierung. Für uns Spieler war er eine akustische Überforderung, die absurderweise zur Situation passte. Für Kay Voges führte der Alarm zur hitzigen Debatte mit einer Horde entschlossener Feuerwehrleute im Vorraum. Mit vollem Körpereinsatz stellte er sich ihnen in den Weg und schrie flüsternd: „Sie können da nicht rein! Die spielen da drin Theater!“ Mit den letzten Sätzen des Stückes von Frank Genser und Melanie Lüninghöner verklang auch der ohrenbetäubende Alarm. Black. Und vor den Fenstern, im Dortmunder Nebel, rot und blau. Die Lichter von Feuerwehr und Polizei.

Jöde

Mein Vorsprechen – unvergessen! „Es ist nicht Bochum. Es ist nicht Essen. Denn die beiden Städte kannste echt vergessen. Es ist Dortmund, mit dem Kussmund, damit du weisst, wo es noch echte Städte gibt.“ Ist mir eingefallen auf der Zugfahrt. Das war das Erste, was ich gesungen habe. Hab ich sonst eigentlich etwas vorgespielt? Wir haben doch nur schön gequatscht. Und gefühlte zehn Glücksbringer hatte ich am ganzen Körper verteilt.

Musinowski

Das Malaga-Spiel gegen Dortmund (ich bin aus Malaga!), Horror-Schlussphase! Der schönste Moment: Die Geburt meines Sohnes im Krankenhaus, zwei Tage später Premiere von Disgraced, dazwischen nochmal Herrn Tarantino kennengelernt, aufregende Zeit!

Lobo

Eine Premiere, bei der jemand zehn Minuten vor Spielbeginn ausfiel! Und dann zehn Minuten später mit Kay in Frauenkleidern als Ersatz zu spielen – mein bisher schönster Bühnenkuss!

Graf

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Welches Stück, das Du in Dortmund gespielt/gesehen hast, hat Dich am meisten beeindruckt? Schmieder Zillich Freund Sinelnikova Jöde Keil Holst

Endspiel und das dortige Spiel von Frank Genser. Die Borderline Prozession. Die Dämonen. Die Borderline Prozession und Der Theatermacher. Naked Lenz, Regie: Martin Laberenz. Waisen, Regie: Kay Voges. Dieser L-Raum Borderline Prozession. Und Heimliche Helden.

Das Goldene Zeitalter, Die Borderline Prozession, Im Irrgarten des Wissens.

Lobo

Tatsächlich am Anfang die Übernahme des Präsidenten von Walter in Kabale und Liebe, ich habe ihn ein bisschen à la Mafiosi/Gandolfini angelegt, das machte Spaß. Dann habe ich noch meine Feuerwehrbrandschutz-Rolle in Das Goldene Zeitalter sehr gemocht. Brandschutz ist ja auch wichtig!

Kuschmann

Visitor Q, Naked Lenz, Die Bluthochzeit,PLAY: Möwe | Abriss einer Reise, Szenen einer Ehe, Schöpfung.

Freye

Peer Oscar Musinowski (*1987 in Berlin) war von 2013 bis 2016 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Peer Oscar Musinowski arbeitete u.a. mit Claudia Bauer, Liesbeth Coltof, Paolo Magelli und Kay Voges, mit dessen Inszenierung Die Borderline Prozession er 2017 zum Berliner Theatertreffen eingeladen war. Seit 2016 ist er Ensemblemitglied am Schauspiel Stuttgart. 

Woyzeck und Wer hat Angst vor Virginia Woolf.

Wasmuth

Graf

Carlos Lobo (*1970) war von 2013 bis 2017 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Er arbeitete u.a. mit Claudia Bauer, Kay Voges, Liesbeth Coltof, Marcus Lobbes, Maximilian Lindemann und Paolo Magelli. Neben seiner Tätigkeit als Schauspieler arbeitet Lobo u.a. als Synchronsprecher für die Stimme von Javier Bardem. 

Das Fest und Das Goldene Zeitalter. Alle.

Peer Oscar Musinowski, Sebastian Graf, Andreas Beck in Tod eines Handlungsreisenden

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Uwe Schmieder (*1959 in Bautzen) war seit 2011 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Er arbeitete u.a. mit Claudia Bauer, Jörg Buttgereit, Kay Voges, Gordon Kämmerer, Sascha Hawemann, Julia Schubert und Thorleifur Örn Arnarsson. Gemeinsam mit Frank Genser erhielt er 2013 für Endspiel den Preis der Dortmunder Kritikerjury. Alexandra Sinelnikova (*1994 in St. Petersburg) war seit 2017 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Ihr Debüt gab sie im Theatermacher von Kay Voges. Danach Arbeiten mit Gordon Kämmerer, Thorleifur Örn Arnasson, Jan Friedrich sowie ihr gefeierter Monolog Am Boden in der Regie von Thorsten Bihegue.

Marlena Keil, Ekkehard Freye, Friederike Tiefenbacher in Orlando Folgende Seiten: Andreas Beck und Alexandra Sinelnikova in Der Theatermacher

Welches Stückzitat hat sich am meisten bei Dir eingebrannt? „Es gibt kein Leben ohne kaputtes Leben.“

Graf

Der gesamte Wer hat Angst vor Virginia Woolf-Text.

Freye

„Dies wird wieder ein wunderschöner Tag gewesen sein.“ (Glückliche Tage, Samuel Beckett)

Tiefenbacher

„Das Ende liegt im Anfang und doch macht man weiter“ (Endspiel, Samuel Beckett)

Schmieder

„Das Wichtigste für jeden Menschen, ob er mit Kunst zu tun hat oder nicht, ist, dass er lernt, auszuhalten, was ihm geschieht. Nicht der Ruhm ist wichtig, sondern die Kraft, etwas auszuhalten!“ (Tschechow, Die Möwe)

Zillich

Das war Carolines Versprecher in der letzten Vorstellung von Im Studio hört Dich niemand schreien: „Der fehlende Phallus fehlte“. Das ist eine Perle, die ich nie vergessen werde.

Keil

„Der fehlende Phallus fehlte sehr.“ „Kalabrien! Dass ich nicht lache.“ „Trostlos – Kulturlos – Utzbach. Utzbach wie BUTZBAAAACH!“

Sinelnikova

„Kunstinteresse, immerhin, Kunstinteresse…“

Freund

„Was ist das Problem? Warum geht es nicht weiter?!.......Suse versteck dich nicht!!!!“ aus Naked Lenz

Jöde

„Tja mein Junge, wenn du einmal die Nase irgendwo hineingesteckt hast, kannst du sie nicht einfach wieder herausziehen...“

Holst

„In a manner of speaking / I just want to say / That I could never forget the way / You told me everything / By saying nothing…“

Wasmuth

„Ich hab’s geschafft…!“ (DIE SHOW)

Kuschmann

Von Kollege Uwe Schmieder aus dem Goldenen Zeitalter: „Ein Mann muss ein Haus bauen, ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen!“ Danach habe ich tatsächlich ein Haus gebaut und Kinder gezeugt, mit Mitte 40! Danke Uwe, ich wäre nichts ohne dich.

Lobo

Mein liebstes Stückzitat wurde gestrichen.

Genser

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Und welche Szene auf der Bühne hat sich Dir eingebrannt? Schmieder

Die erste Hauptprobe von Nora! Ich war damals heimlicher Zuschauer in meiner ersten Spielzeit am Theater Dortmund. Die Darsteller_innen sprangen mit Mikroport in einen echten Pool mit echtem Wasser. Ich dachte nur: Hier bin ich Mensch – hier will ich sein! Das ist Punk!

Keil

Die Probe von Im Irrgarten des Wissens, in der Frank plötzlich Kevin Wilke war und dann nicht mehr reden konnte.

Sinelnikova

Die Szene zwischen dem Soldaten am Kiosk und der Kioskbesitzerin bei der Borderline Prozession. Ich saß – bevor ich selbst mitspielte –, direkt vor dem Kiosk und war fasziniert vom Spiel der Kolleg_innen und der Intensität. Später durfte ich einige Rollen übernehmen – unter anderem die des verwundeten Veteranen mit der Gummimaske. Ich erinnere mich daran, wie ich unter der Gummimaske beobachtend, selbst Teil dieser Szene, dieser Begegnung, dieser Intensität wurde.

Musinowski

Wie Andreas mir den Stuhl weggezogen hat im Nackten Wahnsinn als Regisseur und ich auf den Arsch fiel. Unerwartet, schön. Mit Andreas habe ich den Tod eines Handlungsreisenden liebend gern gespielt. Vater und Sohn. Wie ich Poledance getanzt habe bei Drama Queens. Wie Ekke und Kuschmann sich bei den Proben zur Republik der Wölfe wie das doppelte Lottchen aufgeführt haben. Wie Uwe Schmieder sich auf der Probe ein frisches Steak mitgebracht hat und es blutig-roh wie ein Wolf gefressen hat. Immer begleitet von Musik. Bettina in Sascha Hawemanns Eine Familie.

Lobo

Das Treppensteigen als Mangamädchen im Goldenen Zeitalter und Szenen einer Ehe als Hase und diverse anderen Kapriolen von Frau Bauer. :)

Tiefenbacher Freye Freund Kuschmann Holst

Die Todesszene am Ende der Dämonen. Der gesamte Abend von Das Fest. Die Oper beim Theatermacher! Hedda Gabler, alles von Bettina. Ich liebte die finale Kulminationsszene in Nora.

Graf

Caroline im Schnee bei Woyzeck.

Jöde

Ekkehard Freyes virtuose Darstellung einer Böschung in Visitor Q.

Zillich

Da gibt es zu viele, um sie auf eine zu reduzieren!

Friederike Tiefenbacher war seit 2010 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Nach mehrjährigen Engagements in u.a. Wuppertal und Dresden arbeitete sie in Dortmund u.a. mit Paolo Magelli, Liesbeth Coltof, Ed. Hauswirth, Kay Voges, Claudia Bauer, Laura N. Junghanns und Marcus Lobbes. Merle Wasmuth (*1988 in Manado, Indonesien) war von 2013 bis 2019 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Arbeiten u.a. mit Kay Voges, Claudia Bauer, kainkollektiv, Ersan Mondtag, Thorleifur Örn Arnasson, Gordon Kämmerer und Moritz Riesewieck. 2016 erhielt sie den „Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler“ in der Sparte Theater.

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Anke Zillich war seit 2018 fest im Ensemble des Schauspiel Dortmund. Sie war zuvor an mehreren Theatern festes Ensemblemitglied, unter anderem in Stuttgart, Bonn und zuletzt langjährig am Schauspielhaus Bochum. Arbeiten in Dortmund u.a. mit Kay Voges, Rainald Grebe und Jonathan Meese.

Was war eine Lern-Erfahrung, die Du in Dortmund gemacht hast? Nach der Verzweiflung wird’s spannend!

Genser

Es geht immer weiter, man muss nur machen.

Tiefenbacher

Die befruchtende Arbeit des Schauspielers mit der Kamera und umgekehrt!

Schmieder

Das ist ein weites Feld, ich bin gespannt, wohin das führen wird.

Freye

Geh deinen Weg! Bleib immer neugierig und wach! Habe ich allerdings vorher schon gedacht, aber in Dortmund scheint sich ein Kreis geschlossen zu haben!

Zillich

Fuck patriarchy!

Sinelnikova

Ein weiser junger Mensch sagte zu mir: Das Theater ist ein größerer Raum als die Bühne.

Keil

Ideen sind GEMA-frei. Also Vorsicht!

Holst

Dass verdammt viel möglich ist!

Wasmuth

Wie wichtig es ist, Menschen um sich herum zu haben, die versuchen und suchen und kämpfen, tanzen mit sich und der Welt. 

Musinowski

Die Auseinandersetzung mit dem Stoff, die Reibung bezüglich Inhalten und Formen, war beglückend herausfordernd. Durch diese Arbeitsweise gerann Kunst nicht zum ewigen Zitat oder Dogma, sondern war angewandt und setzte sich aus. Wir stellten mehr Fragen als vermeintliche Antworten zu kennen.

Kuschmann

Diese Frage klingt mir zu schulisch, lernen tue ich permanent. Dortmund hat mir letztlich gezeigt, dass ich in Köln wohnen will!

Lobo

Das waren meine ersten fünf Berufsjahre, prägend für alles, was danach kommt... mit Leuten, die so ziemlich das Gleiche wollen wie ich... ich kann mir nix besseres vorstellen und würde nie tauschen!

Graf

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Merle Wasmuth, Björn Gabriel in Der Prozess Björn Gabriel, Uwe Rohbeck, Melanie Lüninghöner in Macbeth

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DER DORTMUNDER SPRECHCHOR

Viele auf der Bühne. Und jede_r einzigartig. Von 2011 bis 2019 betreute Alexander Kerlin das 17. Ensemblemitglied des Schauspiel Dortmund – den Dortmunder Sprechchor. Matthias Seier spricht mit Kerlin über die Anfänge des Dortmunder Sprechchors, über Enttäuschungen und Erfolgsmomente – und über das künstlerische Potenzial von 50 Menschen, die sich bei Karstadt auf den Boden legen.

Seier

Woher kommt Dein Interesse an Sprechchören am Theater?

einzeln anschauen kann, tritt ihre Individualität erst zutage, genau im Kontrast zum nächsten.

Kerlin

Im Jahr 2004 wurde an meine damalige Uni in Bochum ein ehemaliger Chorleiter von Einar Schleef eingeladen, um dort mit uns Theaterwissenschaftsstudent_innen ein Chorstück zu machen. Dazu muss man wissen: Einar Schleef war wohl der wichtigste Chor-Theatermacher im 20. Jahrhundert und der einzige, auf den Heiner Müller laut Eigenaussage jemals wirklich neidisch war. So kam auch ich erstmals mit dem Chor-Theater in Berührung und habe überhaupt verstanden, dass der Chor eine der beiden Theaterfiguren ist.

Wie erwuchs aus dieser eher theoretischen Auseinandersetzung der Wunsch, einen Sprechchor am Schauspiel Dortmund zu gründen?

Seier

Ich hatte bei vielen Inszenierungen, die ich gemacht habe, Chöre auf der Bühne. Und dann kam von Kay Voges 2010 die Idee, sowas nun auch hier am Schauspiel zu probieren. Das war zunächst nur im Rahmen der damaligen „Kulturhauptstadt Ruhr.2010“ für eine Veranstaltung am Dortmunder U. Beim ersten Zeitungsaufruf meldeten sich direkt sage und schreibe 70 Menschen, davon sind heute noch vielleicht vier, fünf Leute dabei. Inzwischen stand der Chor knapp 300 Mal auf der Bühne, in wechselnden Konstellationen und in verschiedenen Stücken: Mal sind es nur 10, mal 40, mal 90 Leute.

Kerlin

Hättest Du 2010 gedacht, dass der Sprechchor über die Jahre ein unverwechselbares, wertvolles Ensemblemitglied werden wird?

Seier

Nein, sicher nicht. Der Chor wurde aber sehr schnell unverzichtbar für das Theater, das Ensemble. Er hat eine unheimlich große Reichweite in die Stadt, trägt unsere Themen weiter, öffnet das Theater für neue Leute. Aber der Hauptgrund ist künstlerischer Natur: Viele Regisseur_innen interessierten sich für den Chor und fragen ihn für ihre Inszenierungen an. Künstler wie Thorsten Bihegue oder Uwe Schmieder haben sich sehr reingeworfen in die Arbeit mit dem Sprechchor und viel Verantwortung übernommen. Sie kümmern sich auch um Einzelne aus dem Chor, wenn es ihnen nicht gut geht. Uwe bindet sie auch

Kerlin

Seier Kerlin

Eine der beiden Theaterfiguren? Also die eine Theaterfigur ist die Einzelfigur, der Protagonist. Und der Gegensatz dazu ist das Kollektiv, der Chor. Im antiken Theater repräsentierte der Chor die bürgerliche Stadtgesellschaft. Im Zuge der Moderne und der Erfindung der Guckkastenbühne hat der Chor seinen Platz im Theater verloren: Wo früher der Chor unter freiem Himmel tanzte und sang, sitzt heute das Parkettpublikum in roten Plüschsesseln. Parallel dazu setzte sich in Europa ein bürgerlich-kapitalistisches Denken durch, das den Einzelnen entweder als Produzenten oder Konsumenten verstand. Der Gedanke des Wimmelns, des Kollektiven, das Massenhaften wurde verdrängt und kam dann als grauenhafte Fratze im Faschismus aus den Gullideckeln wieder hoch. Das Schöne am Chor ist aber, dass das Kollektive und Einzelne sich in ihm vereinigen: Beim Sprechchor stehen die Vielen auf der Bühne, doch jede_r von ihnen bleibt einzigartig. Dadurch, dass die Menschen so im Licht stehen und man jedes Gesicht

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in seine eigenen Arbeiten ein, z.B. in seine Heiner Müller Factory (2015). Das Tolle ist, dass das ganze fast ohne bürokratischen Aufwand funktioniert: Kein behäbiger Apparat steht dahinter, sondern ein einziger Emailverteiler und 100 Menschen, die zuverlässig, leidenschaftlich und gleichberechtigt arbeiten, über Wochen, Monate, Jahre. Meines Wissens nach ist dieses Konstrukt einzigartig in Deutschland. Seier

Gab es in der Zeit denn auch Momente der Skepsis oder der Niederlage mit dem Chor?

Kerlin

Klar.  Republik der Wölfe  nach Märchen der Gebrüder Grimm (2014) war so ein Fall, in dem es uns nicht gelungen ist, den Chor so ins Stück zu integrieren, wie wir es uns anfangs vorgestellt hatten. In der heißen Endprobenphase flogen die Szenen eine nach der anderen raus oder wurden reduziert, und einige Chormitglieder waren wütend oder enttäuscht. Das lief unglücklich, obwohl es letztlich künstlerisch die richtige Entscheidung war. Letztendlich haben sie es mit Fassung getragen und fuhren am Ende auch mit nach Berlin, standen bei unserem Gastspiel mit auf der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Das hat sicher wieder etwas gut gemacht.

Seier

Chorregie besteht darin, achtzig Leute in mühsamer Textarbeit und Choreographie durchzuorchestrieren. Warum tut man sich sowas an?

Kerlin

Einerseits stimmt das: Es ist ein solches Gewusel auf den Proben und eine solche Chaos-Gefahr, dass man sehr geduldig sein muss und gefühlt sehr langsam vorankommt. Aber irgendwie kann man’s nicht lassen, nach einem Projekt zu sagen: „Ich will noch einen Schritt weitergehen und was Neues mit ihnen ausprobieren.“ Man merkt nämlich immer wieder, dass noch mehr Potenzial im Chor steckt, als man schon weiß. Er ist in den Jahren so unglaublich gut geworden, mit toller Präsenz und Sprache. Ich habe mich bei irgendeiner Abschlussveranstaltung mal mit-

ten in den Chor auf die Bühne gestellt, um mit ihnen einen Text zu sprechen. Aufgrund ihrer Professionalität und Souveränität auf der Bühne fühlte ich mich dabei fast schon eingeschüchtert. Ihr hattet ja noch einen Kindersprechchor gegründet, also eine weitere Eskalationsstufe.

Seier

Ja, das war so ein persönliches Ding von mir bei unserem Stück Kaspar Hauser (2015),  weil ich selbst zwei Töchter bekommen hatte und man sich dann natürlich andere Fragen stellt als zuvor. Das ging mit Enthusiasmus los, aber nach der ersten Probe mit den 14 Kids dachte ich, oje, das wird niemals was. Wie schaffe ich es, dass sie sich auf der Bühne nicht privat verhalten? Dass sie einen Text nicht leiern? Das musste ich erstmal kapieren, das Motto war „Let’s cook first – recipe will follow“.

Kerlin

Eine der besten Sprechchor-Szenen war für mich das Ende von  Margot Maria Rakete (2013), als das jüngste und das älteste Sprechchor-Mitglied gemeinsam in die Rakete steigen. Solche biografischen Unterschiede waren ja immer wieder ein Sprechchor-Sujet, auch bei After Life (2018) von Thorsten Bihegue. Größtenteils ist der Chor aber weiblich, im mittleren bis fortgeschrittenen Alter und weiß.

Seier

Ich finde den Chor wunderbar, wie er ist. Vielleicht müssen sich Männer heute auch immer noch ein bisschen mehr überwinden, etwas zu tun, was mit Preisgabe oder Loslassen zu tun hat. Natürlich könnte der Chor noch diverser sein, mehrsprachiger, und es fehlt auch ein Alterssegment, die zwischen 20 und 40-Jährigen. Aber ich bin mit dem Chor und seiner Zusammensetzung zufrieden. Ich mag besonders die speziellen Charaktere darin, die liebenswerten Störfaktoren.

Kerlin

Eine Zeit lang erprobte sich der Dortmunder Sprechchor ja auch an künstlerischer Stadtgue-

Seier

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rilla mit Aktionen zwischen Flashmob und Theater im öffentlichen Raum. Kerlin

Ja, das war unglaublich. Man kann mit 100 Leuten in der Innenstadt mit Leichtigkeit untertauchen und dann plötzlich wie aus dem Nichts wieder auftauchen. Wir haben uns auf dem Hansaplatz beispielsweise in einer riesigen Menschenkette aneinandergekrallt, aber von außen war überhaupt nicht zu sehen, woher das entsteht und zu welchem Zweck.

Seier

Bei fast allen Flashmobs stecken heutzutage ja Marketing- oder Aufmerksamkeits-Gründe dahinter. Man erwartet immer, dass jemand danach ins Mikrofon sagt, dass damit ein neuer Laden beworben oder eine neue Kampagne vorgestellt werden sollte. Indem Ihr es aber gar nicht erklärt, woher diese Menschenmassen plötzlich kommen und warum sie das tun, wird es schön geheimnisvoll.

Kerlin

Diese Erwartungshaltung gab es auch uns gegenüber. Bei der Aktion auf dem Hansaplatz meinte ein Passant: „Ah, das ist eine Solidaritätsaktion für Karstadt-Mitarbeiter“, die sich zu dem Zeitpunkt gerade im Arbeitskampf befanden. Danach gingen wir in die Karstadt Sport-Filiale und haben uns allesamt im Erdgeschoss auf den Boden gelegt, zum Test. Wenn Securities nachgefragt haben, wieso man das macht, antworteten alle: „Ich wollte mal die Perspektive wechseln.“ Das ist schon eine geile Irritation und zeigt das Potential dieser Menschen: Unbescholtene, scheinbar harmlose Bürger_innen zwischen 40 und 70 Jahren liegen alle da plötzlich auf dem Boden, und die Securities sind in ihren festgezurrten Feindbildern erschüttert. Da sieht man auch, wie mutig und ja, rebellisch, die Sprechchor-Mitglieder sein können! 2011 gingen wir gemeinsam in die damals frisch eröffnete Thier-Galerie und haben unangemeldet ein paar

Aktionen gemacht und Texte skandiert. Christoph Jöde als Chorleiter wurde von Securities abgeführt, ebenso die Journalist_innen, die uns begleitet hatten. Den Chor hat das nicht abbringen lassen, er sprach einfach ohne Dirigent weiter.

Der Dortmunder Sprechchor in Das Bildnis des Dorian Gray

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DER TOTALE GEGENENTWURF ZUM ALLTAG Ein Gespräch mit den Sprechchor-Mitgliedern Bärbel Schreckenberg und Udo Höderath

Zwei Sprechchormitglieder der ersten Stunde: Bärbel Schreckenberg und Udo Höderath sind von Anfang an aktiv dabei und stehen immer wieder auf der Bühne! Ein Gespräch mit Dramaturg Matthias Seier über Highlights, Lampenfieber, Texthänger und den Ensemblegeist. Seier Höderath

Wie seid Ihr zum Sprechchor gekommen?

Wie waren die ersten Proben?

Seier

Das war 2011, durch's Lesen des Spielzeitbuchs. Dort stand, dass Choreuten für die Bildung eines Sprechchors gesucht werden. Da fühlte ich mich sehr angesprochen. 2012 hörte ich auf, aktiv zu arbeiten und bin in Altersteilzeit gegangen. Und ab 2011 war dieser Sprechchor dann für mich eine tolle Perspektive, etwas anderes zu machen als das, was ich schon mein ganzes Leben vorher gemacht habe. Jeder hat ja so seine Landkarte, wie er leben und arbeiten muss, und diese Karte wollte ich mit dem Ende meiner aktiven Arbeitszeit beiseitelegen. Von daher kam sowas wie der Sprechchor wie gerufen.

Von Anfang an mochte ich, dass man beim Chor auf seine Choreuten angewiesen ist. Allein ist man auf der Bühne ja nichts. Die Gruppenerfahrung ist es eben, Texte gemeinsam chorisch zu sprechen. Die ersten Proben waren dann eine sowohl körperlich wie geistig ganz neue Erfahrung. Ich bin da in eine neue Welt eingetaucht, von der ich zuvor überhaupt keinen Plan hatte. Durch dieses Eintauchen in diese andere Erfahrungswelt wird unser Tun ja auch zur Kunst – ob wir das nun so sehen oder andere so sehen.

Höderath

Im Sprechchor tut man etwas, wofür weder man selbst noch all die anderen eine Vorerfahrung mitbringen. Man fängt bei Null an, man probiert sich aus und es ist mitunter ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hetzte dann von der Arbeit zur Probe und tauchte dann bei der Probe in eine andere Welt ein, da ist man plötzlich mit Antigone unterwegs, mit Lessings Gespenstern  – oder mit  Dorian Gray. Und ich gehe fast immer völlig zufrieden wieder raus, der Stress vom Tag ist weg. Es ist der totale Gegenentwurf zum Alltag. Und natürlich bedeutet Sprechchor auch Zusammensein mit netten Leuten und gemeinsame Arbeit mit ihnen – das ist ein echter Gewinn.

Schreckenberg

Wie stark war das Lampenfieber vor den ersten Auftritten?

Seier

Sehr stark. Das ist heute aber auch noch so. Nach der ersten Hauptprobe kommt es dann immer langsam von hinten angeschlichen und klopft einem auf die Schulter. Aber diese Art innerer Anspannung braucht es auch, um bei der Sache zu bleiben und sich ihr hochkonzentriert zu widmen.

Höderath

Schreckenberg

2010 las ich in der Zeitung, dass das Schauspiel Mitglieder für einen Sprechchor sucht. In meinem Bekanntenkreis gingen zu der Zeit vor allem die Frauen dazu über, sich Gesangschören anzuschließen. Gegen Gesangschöre war ich leider schon immer allergisch, gehe auch nicht besonders häufig in die Oper. Da ich aber gern spreche, probierte ich daher diesen Sprechchor einmal aus. Ich wusste überhaupt nicht, was mich erwartet. Aber eins wusste ich: Die singen da nicht. Das war schon mal ein Plus.

Höderath

Ich fand, dass es eine hohe Hypothek vom Schauspiel war, den Sprechchor als festes Ensemblemitglied zu behandeln – ohne dass eine Person wirklich gecastet wurde. Das war eine Botschaft, dass man ernst genommen wurde. Die beiden Chorleiter Alex Kerlin und Christoph Jöde haben damals enorm viel an schauspielerischen und chorischen Ideen dazugegeben.

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2014 inszenierte Uwe Schmieder dann die Hamletmaschine von Heiner Müller mit Euch. Höderath

Schreckenberg

Ja, es ist immer toll, wenn man auch mal mit anderen Regisseur_innen zusammenarbeitet und mit neuen Impulsen an Texte und Inhalte rangeht. Die Hamletmaschine ist ja ein sehr politischer Inhalt, der mir sehr gelegen hat. Es war auch toll, mit Uwe Schmieder als Regisseur daran zu arbeiten, einen wirklichen Vertreter Heiner Müllers, und diesen Text tief auszuloten und zu sprechen. Ich hätte mir gewünscht, als Chor noch szenischer zu agieren. Wir haben ja schon viel aus dem Textbuch abgelesen. Die tollste Erfahrung am Sprechchor ist nämlich auch, dass ich dank des Chors keine Probleme mehr damit habe, etwas auswendig zu lernen. Von der  Hamletmaschine  schwärmen wir noch alle, das hätten wir gerne länger weitergespielt. Das war ja im Prinzip eine Stückentwicklung. Es gab den Text, aber das ist ja kein richtiger Theatertext. Die Proben waren stressig, aber Uwe war mit so einem Elan am Werk. Jeden Morgen bekam man von ihm eine E-Mail, was ihm noch in der Nacht als Idee eingefallen war. Da wusste man schon, beim oder nach dem Frühstück gab es wieder was von Uwe im Mail-Postfach. Darauf freute man sich nach einer Zeit richtig, denn es waren auch immer gute Ideen, die Sinn und Spaß machten.

Seier

Was waren denn die Highlights in Eurer Sprechchor-Karriere für Euch?

Schreckenberg

Ohne die anderen Produktionen herabsetzen zu wollen: Mein Sprechchor-Debüt Lessings Gespenster von kainkollektiv. 2012. Wir standen auf der Bühne mit Tüllröcken, weißen Strümpfen und Hosenträgern. Neben unseren chorischen Texten waren wir, auf eine gewisse Art, auch Bühnen-Deko. Das Schönste

war daran, dass man Merle Wasmuth beim Spielen zusehen konnte. Ich weiß, dass ich mich bei ihren Solo-Abschnitten immer im Stück verloren habe, weil es so eine Freude war, ihr zuzuhören und beim Spiel zuzuschauen. Mein Über-Ich sagte mir stets: „Denk dran, gleich musst du aufstehen und Text sprechen.“ Aber ihr Spiel war solch ein Sog, dass man fast die professionelle Distanz vergaß. Eigentlich muss man ja in jeder Situation ernst schauen, angespannt sein und auf das Stichwort warten – aber es war solch eine Freude, mit ihr zu arbeiten und zu proben. Als generelles Highlight: Ich finde es grandios, wie der Sprechchor von den Schauspieler_innen hier am Haus aufgenommen wird – bis hin zu Kay Voges, der uns mit offenen Armen hier empfängt und es klug versteht, durch eine Mischung von Nähe und Distanz einen guten Umgang mit uns zu pflegen.

Höderath

Ich habe auch mal als Vertretung für ein anderes Sprechchor-Mitglied bei Republik der Wölfe mitgespielt. Da war ich dann auch beim Gastspiel in Berlin an der Volksbühne dabei und habe gesehen, dass an dieser großen, wichtigen, berühmten Bühne auch solch eine Unordnung herrscht wie bei jedem anderen Theater – mit Applausordnungs-Zetteln an Heizungsrohren und so. Das hat mich amüsiert.

Schreckenberg

Und gab es auch Momente der Niederlage?

Seier

Bei der Jelinek-Inszenierung  Das schweigende Mädchen von Michael Simon gab es die etwas frustrierende Erfahrung, dass der Chor eingangs viel mehr geprobt hatte und auch viel mehr Anteil am Stück hatte als wir letztlich dann auf die Bühne brachten. Andere Choreuten hatten dabei eine ähnliche Frustrationserfahrung und wir überlegten zwischenzeitlich, ob wir nicht vielleicht ganz aussteigen sollten. Dann hätten wir aber einiges quittiert. Am Ende waren wir doch

Höderath

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auch mitverantwortlich für die Produktion und ihr Gelingen. Man ist halt tatsächlich ein Ensemblemitglied als Sprechchor – es ist nicht bloß eine Floskel. Schreckenberg

Stimmt, das war wirklich schade. Andererseits finde ich das Stück immer noch klasse, gerade wegen der Themenwahl und wegen der wunderschönen Kostüme von Mona Ulrich. Und außerdem war es das allererste Stück im MEGASTORE, als dieser noch kaum richtig eingerichtet war. Es war Proben unter stark erschwerten Bedingungen.

Seier

Mit über 50 Menschen einen Text einzurichten, kann durchaus mal zäh sein. Wie ist die Stimmung auf den Proben?

Höderath

Euphorisch-suchend-orientierend-ernüchtert-nervös-aufgeregt, das ist in etwa die Abfolge der Gefühle bis zur Premiere, aber dann: Happy, so sollte es werden - Glückwunsch!

Schreckenberg

Man nimmt sich ja nicht so sehr als Masse wahr. Es ist anders, als es für den Zuschauer vermutlich aussieht. Andererseits ist das chorische Sprechen schon eine Herausforderung, bis wir vielen Menschen mit einer Stimme sprechen. Neuen Mitgliedern sage ich immer, dass sie unbedingt mit Bleistift und Radiergummi zur Probe kommen müssen, um Textänderungen oder Betonungen direkt mitschreiben zu können! Und natürlich gibt es auch Sätze oder Wendungen, die man einfach nicht in den Kopf kriegt. Bei Margot Maria Rakete  gehörte zu unserem Text eine Auflistung statistischer Zahlen. Die konnte ich mir einfach nicht merken. Ich hab versucht, es mir mit verschiedenen Farben aufzuschreiben oder nachts zu lernen – ging nicht. Und sowas hat jeder.

Seier Schreckenberg

Uwe Schmieder und Julia Schubert in Republik der Wölfe

Was macht man dann in so einer Situation?

Folgende Seiten: Eva Verena Müller, Caroline Hanke in Arsen und Spitzenhäubchen

Ganz einfach: Der Trick ist, in diesen kleinen Momenten der „Schwäche“ die Lippen zu bewegen, aber dabei nichts zu sagen. Fällt keinem auf.

Uta Holst-Ziegeler, Uwe Rohbeck, Andreas Beck, Axel Holst in Die 39 Stufen

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INSOFERN IST DAS GRABPFLEGE, WAS ICH BETREIBE. Formulieren wir es mal ganz wertneutral: Wenzel Storch ist der vielleicht beste Filmregisseur der Welt. Seine psychedelischen Underground-Filme Der Glanz dieser Tage (1989), Sommer der Liebe (1992) sowie Die Reise ins Glück (2004) sollten aufgrund ihrer barocken Bildfreude und detailversessenen Low Budget-Ausstattung längst fester Bestandteil des deutschen Filmkanons sein! Es sind surreal-verstörende Trips in ein so sündhaftes wie erzkatholisches Universum voller Propagandaminister-Pissbuden und Popel-Rallyes zum Vatikan. 2014 nahm die Welt dann erfreut davon Kenntnis, dass Wenzel Storch auch unter die Theaterregisseure gegangen war. Der ehemalige Designer für katholische Tapetenfabriken feierte mit Komm in meinen Wigwam sein Theaterdebüt – ein bunter Gemeindeabend über katholische Aufklärungs-Literatur und die klebrigen 1950er Jahre! 2015 folgte dann Das Maschinengewehr Gottes – ein sakral-farbenfroher Bauernschwank einer Laienspielschar auf einer Überdosis Acid. Die Titanic wusste direkt: „Wenzel Storch ist jetzt auch Deutschlands bester Theaterregisseur!“ Im Gespräch mit Dramaturg Matthias Seier erzählt Wenzel Storch über seine Erfahrungen als Theatermacher, zitiert für uns Lion Feuchtwanger und öffnet seine geheimen Archive.

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Heiligenbildchen aus Storchs Sammlung: Ohnsorg-Star Heidi Kabel

Nach eigener Aussage hattest Du vor Deinen zwei Regie-Arbeiten bei uns fast gar keine Berührungspunkte mit dem Stadttheater. Was waren denn Deine Erfahrungen mit oder Mutmaßungen über Theater?

Seier

Meine Erfahrungen waren gleich Null, und mit Theater hatte ich nichts am Hut. Als Kind habe ich mal ein Weihnachtsmärchen und als Schüler den Zerbrochenen Krug gesehen. Beides fand ich öde und ätzend. Theater ist mir danach nur noch auf dem Bildschirm begegnet, und ich hab dann reflexhaft weggeschaltet. Außer beim Ohnsorg-Theater, wenn Henry Vahl dabei war. Oder bei Ein Herz und eine Seele – das war ja auch Theater, wenn auch bloß abgefilmt.

Storch

Wie hat man Dich dann letztlich davon überzeugen können, es mal hier in Dortmund mit Theaterregie zu probieren?

Seier

Ich glaube, Kay Voges hatte probiert, mich anzurufen. Das muss wohl irgendwie nicht geklappt haben, und so erhielt ich eines Tages einen Anruf von Ekkehard Freye, den ich aus seiner Zeit in Hildesheim kannte. Ob ich mir nicht vorstellen könnte, zur Abwechslung mal Theater zu machen? Ich bin dann nach Dortmund gefahren, um mich mit Kay und den Dramaturgen Thorsten Bihegue und Alex Kerlin zu treffen. Aus meiner angeborenen Theaterscheu habe ich keinen Hehl gemacht – was allerdings keinen zu beeindrucken schien –, hatte aber schon Lust, es mal zu probieren. Mir schwebte – Ohnsorg-geschädigt, wie ich war – sowas wie katholisches Bauerntheater vor. Irgendwas sakral-psychedelisches, also ungefähr das, was dann später Das Maschinengewehr Gottes werden sollte. Kay schien das als Einstieg nicht ganz so glücklich zu finden, und so lief es dann auf Komm in meinen Wigwam raus – eine halbdokumentarische Pilgerreise in die Abgründe der christlichen Sexualmystik. Das Stück ging auf eine Artikelserie zurück, die ich mal für konkret geschrieben hatte, und war eine Verbeugung vor dem Päpstlichen Ehrenprälaten und Ex-Piloten Berthold Lutz. Der von mir verehrte Lutz war der Oswalt Kolle der katholischen Sexuallehre und der wahrscheinlich beste Kenner der Erektion, den die christliche Kinder- und Jugendliteratur je hatte. Ein fröhlicher Fabulant, der in Kleinkinderdeutsch zugeknöpfte Hosenställe besang und nebenbei die Knabenzeitschrift Unser Guckloch herausgab.

Storch

Ich kann mir vorstellen, dass Du angesichts dieser Thematik auf den ersten Proben erstmal Überzeugungsarbeit leisten musstest, oder?

Seier

Eigentlich nicht. Ich hatte ziemlich bald das Gefühl, dass alle Beteiligten mit der Wigwam-Sache was an-

Storch

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fangen konnten, und offensichtlich hatten auch alle Sinn für die Komik, die für mich – trotz des Themas: durch die Blume ging‘s ja um Missbrauch – der Drehund Angelpunkt der ganzen Geschichte war. Die Proben waren für mich natürlich ziemlich aufregend. Theaterdramaturgie war für mich ja ein Buch mit sieben Siegeln. Seier

Was ist für Dich denn der Unterschied zwischen Film- und Theater-Regie?

Storch

Beim Filmen habe ich nie darauf bestanden, dass die Darsteller – ich habe ja immer mit Laien gedreht – ihre Texte auswendig lernen. Einfach deshalb, weil die, die ihre Texte angeblich stundenlang gelernt hatten, sie im entscheidenden Moment dann doch nicht konnten. Und so waren bei den Dialogszenen die Einstellungen meist relativ kurz – der Merkfähigkeit der Abgefilmten angepasst. Jetzt musste ich auf einmal längere Strecken inszenieren, halbe oder ganze Akte, mich an den gegebenen Raum halten, was für mich anfangs schon sehr irritierend war. Man kann ja nicht einfach wegschneiden oder schwenken! Da fühlt man sich, wenn man vorher gern draußen in der Natur gefilmt hat, auf so einer Probebühne schon ziemlich eingesperrt. Zumal man anfangs ja noch ohne Kulissen und Kostüme klarkommen muss – das ist für jemanden, der vorher Ausstattungsfilme gedreht hat, eine harte Nuss. Was ich auch nicht ganz so easy fand: wenn ein Dutzend Sprechchor-Damen auf der Bühne stehen, alle gleichzeitig im Blick zu haben, um sie dirigieren bzw. bändigen zu können – dafür braucht man mindestens acht Augen, und die wachsen einem nicht über Nacht. Ohne Thorsten Bihegue, der ja nicht nur einer der drei Hauptdarsteller, sondern auch der Dramaturg und bei den Tanzszenen der Vortänzer und Choreograph war, wäre ich da ziemlich aufgeschmissen gewesen.

Seier

Thorsten war ein zentraler Kollaborateur hier am Haus, aber auch Pia Maria Mackert übernahm den bei Dir ja nun wirklich nicht unwichtigen Teil der Ausstattung. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr?

Storch

Für mich war das ein Glücksfall. Schon bei den ersten Treffen – wo man noch überlegt, in welche Richtung die Reise ungefähr gehen soll – lief das fast ping-pongartig. Erst hatte Pia ne Idee, dann ich, dann wieder Pia... Dann war Pia irgendwann verschwunden, und ich brauchte nur noch abzuwarten und mich überraschen zu lassen. Gut fand ich auch, dass ich, bevor‘s richtig losging, erstmal wie ein Museumsbesucher durch den Fundus geführt wurde.

Der Jugendseelsorger Berthold Lutz war der ungekrönte König der katholischen Sex- und Trimm-Dich-Literatur

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Leon Müller, Ekkehard Freye und Dortmunder Sprechchor in Komm in meinen Wigwam

Hast Du aus deinen Arbeiten ein Lieblingskostüm?

Seier

Ich weiß nicht: Vielleicht die Wigwam-Blumen? Wobei mich besonders gefreut hat, dass die später, als das Stück längst abgespielt und vergessen war, in Hannover im Sprengel Museum bei einer Ausstellung meiner Arbeiten nochmal eine Art Wiederauferstehung gefeiert haben.

Storch

Deine Arbeiten (egal ob Theater oder Film oder Text) speisen sich aus einem Universum, das der Schriftsteller Frank Witzel einmal als BRD Noir beschrieb: die seltsam-düsteren Seiten der untergegangenen bundesrepublikanischen Vergangenheit. Ob Juliane Werding, Arno Schmidt, Karl May, Johannes Leppich, bunte Gemeindeabende und Bauernschwänke – Du greifst Dir diese Figuren und Formen und überführst sie in Deinen ganz eigenen Kosmos... woher stammt diese Faszination?

Seier

Das sind Dinge, über die ich selber gar nicht nachdenke. Kindheitseindrücke spielen da natürlich eine Rolle, und was die Vorliebe fürs Psychedelische angeht: Ich hatte es ja nie so mit dem Kiffen. Ich fand LSD immer die bessere Wahl, und das hat sich in meinen Arbei-

Storch

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Dortmunder Sprechchor in Komm in meinen Wigwam

ten, ob Text oder Film, bestimmt niedergeschlagen. Was ich bei den Trips immer gut fand: dass man nie wissen kann, was im nächsten Augenblick kommt, dieses permanente Schillern. Auf Acid steckt ja hinter den prächtigsten Dingen immer auch der plötzliche Horror und umgekehrt. Das war auch ungefähr das, was mich anfangs beim Filmemachen angetrieben hat: der Gedanke, einen Film herzustellen, bei dem selbst die gruseligsten Dinge gleichzeitig auch wieder ganz niedlich sind. Wobei es natürlich einen Film, in dem es nur halb so bunt und unberechenbar zugeht wie auf Pille, gar nicht geben kann. Und dass dann später in den Texten und Stücken Gestalten wie Berthold Lutz oder Pater Leppich herumgeistern – also Leute, deren Werk heutzutage keiner mehr kennt und die der Amtskirche längst peinlich sind –, das kann man vielleicht auch als Dienstleistung betrachten. Früher waren das Helden, heute sind die irgendwo verscharrt... Insofern ist das Grabpflege, was ich betreibe. Oder besser Geburts- bzw. Wiedergeburtshilfe: römisch-katholischen Zombies aus dem Sarge helfen. Seier

Storch

Woher rührt denn bei Dir diese intensive Auseinandersetzung mit dem Katholizismus? Wenn man zwischen Klingelbeutel und Rosenkranz groß wird, wenn zu Hause alles mit Hausaltären und

Weihwasserbecken zugeballert ist, dann schleppt man das, in welcher Form auch immer, bis ans Lebensende mit sich herum, das ist nun mal so. Ich hab’s vor Jahren mal überschlagen: Bis zur Volljährigkeit dürfte ich an die 50.000 Kreuzzeichen geschlagen haben. Morgengebet, Abendgebet, hier ein „Vaterunser“, dort ein „Gegrüßet seist du, Maria“, zwischendurch ein „Engel des Herrn“ – das läppert sich…! Und da sind all die Prozessionen und Maiandachten noch gar nicht mitgerechnet. Von daher wär‘s komisch, wenn sich das nicht in der Filmproduktion und später dann in der Theaterarbeit niedergeschlagen hätte. Aber „niedergeschlagen“ ist natürlich sehr vornehm ausgedrückt: Komm in meinen Wigwam und Das Maschinengewehr Gottes – das sind schon zwei knallkatholische Stücke, wie sie gebenedeiter nicht sein könnten! Ich muss mich manchmal selber wundern, dass mich das Thema immer noch so antörnt, dass ich nach wie vor Interesse an den Gottesmännern und ihrem Treiben habe. Und warum ist katholische Kunst ehrlich gesagt immer spannender als evangelische Kunst? Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache. Als Katholik, selbst als gewesener, hält man sich ja – nicht ganz zu Unrecht – für was Besseres. Und dieser Dünkel – das wird jeder Gerechte gern zugeben – hat die

Seier

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Trickszene aus „Der Glanz dieser Tage“ (1986-1989): Die Popelschmuggler Don Popelino und Donna Popeletta, wie sie auch in „Komm in meinen Wigwam“ zu sehen waren

Beichtstuhltapete (selbstklebend, abwaschbar) (aus: „Das ist die Liebe der Prälaten“)



Kafka-Kinderzimmertapete (aus: „Arno & Alice. Ein Bilderbuch für kleine und große Arno-Schmidt-Fans“)

Zoff bei der Christmette „Wer hat den Kot auf die Kanzel gelegt?“ (aus „Der Bulldozer Gottes“)

besten Gründe. Nur ein Beispiel: Götter gibt es wie Sand am Meer, aber wer hat schon solche Gottesmütter? Als Kronzeugen für die Schönheit des Römisch-Katholischen möchte ich den Romancier Lion Feuchtwanger anführen, einen Mann, der schon früh vom Katholizismus verhext war: „Alles, was schön war in der Welt, und das war, Gott sei Dank!, sehr vieles, Messen und Kirchen und Wein und Kunstwerke und Staatsstreiche“, läßt er den Gewalt- und Genußmenschen Friedrich Karl von Schönborn in seinem Roman Jud Süß spintisieren, „alles, was hell und heiter war in der Welt, war römisch und katholisch. Aber was dumpf war und verquollen und nebelig und spinnwebfarben, das war evangelisch...“ Ich finde, das trifft die Sache ganz gut. Auch wenn‘s im Buch ein Bösewicht sagt.

Der Pfarrer legt sein Ei in die Sakristei (aus „Der Bulldozer Gottes“)

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Spielzeitkampagnenplakate von sputnic

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Stückplakat von sputnic

WETTEN DASS..? WAR GESTERN - JETZT GEHT‘S UM ALLES KARTEN: Fachhochschule Dortmund

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Am Filmset für DIE SHOW mit Team Schelter-Racing, Jan Isaak Voges, Mona Ulrich, Tilman Oestereich, Robin Otterbein, Tommy Finke und Kay Voges

Frank Genser, Julia Schubert in DIE SHOW Peer Oscar Musinowski, Eva Verena Müller in DIE SHOW

Frank Genser, Robin Otterbein, 180 Uwe Schmieder, Julia Schubert in DIE SHOW

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DIE WUCHT EINES VOLL AUFGEDREHTEN GITARRENAMPS

Paul Wallfisch und Tommy Finke, zwischen 2010 und 2020 die beiden Musikalischen Leiter des Schauspiel Dortmund, über das Mitbewohnen von Bühnenwelten, miteinander atmende Bandkörper und die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit

Bettina Lieder in Einstein on the Beach

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Paul Wallfisch (*1962), Singer-Songwriter, als Pianist weltweit im Einsatz (zum Beispiel auf dem 2019erSwans Album Leaving Meaning), Bandleader (Botanica), Komponist für Theater, Film und Fernsehen, New Yorker Lockenkopf, war von 2010 bis Mitte 2015 Musikalischer Leiter des Schauspiel Dortmund. Ihm folgte bis Sommer 2020 Thomas David Finke (*1981) – Bochumer und Freizeit-Comiczeichner, der als SingerSongwriter Tommy Finke auftritt, wenn er nicht unter dem Pseudonym T.D. Finck von Finckenstein als studierter Komponist für elektronische Musik für Bühne oder Film (zuletzt Junges Licht von Adolf Winkelmann) arbeitet.

Anne-Kathrin Schulz

Lieber Tommy, lieber Paul – wir reden für dieses Gespräch aus drei Städten miteinander: Tommy aus Bochum, ich aus Dortmund und Paul aus Wien. Tommy, Du bist heute Abend als Live-Soundtrack-Macher wieder beiPLAY: Möwe im Saal des Schauspiel Dortmund. Paul, Du bist am Burgtheater für Dies Irae. An meine erste Begegnung mit Tommy erinnere ich mich sogar – vor Kay Voges‘ Büro, damals noch im dritten Stock des Schauspielhauses.

Finke

Mario Simon hatte mich ein paar Wochen zuvor – es muss im Frühjahr 2013 gewesen sein – gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für eine Stückentwicklung mit Sampling und Mash-Up die Musik zu machen. Ich war von Sprechtheater bis dahin eher enttäuscht, obwohl ich ja in der Theaterweltstadt Bochum wohne. Jedenfalls traf ich mich mit Kay Voges – wir redeten über Theodor W. Adorno und Britney Spears –, und ich wurde dann Teil des Teams von Das Goldene Zeitalter. Das war eine große Sause und mein Einstand ins Theaterleben.

Schulz Wallfisch

Paul, wo bist Du eigentlich Kay das erste Mal begegnet? Eigentlich ist alles die Schuld des Fotografen Philip Lethen. Er hat 2000 oder 2001 in Berlin die Band Firewater für die Visions fotografiert, ich war mit auf Tour und habe ihm ein Album meiner Band Botanica in die Hand gedrückt. Ein paar Monate später hat Botanica dann in Mönchengladbach gespielt, und Philip hat mich Kay vorgestellt. Ohne Philip wäre ich also jetzt gerade nicht in Wien.

Sich neu erfindende Bandmenschen Schulz

Damals hast Du in New York gewohnt, warst aber eigentlich praktisch die ganze Zeit auf Tour. Und irgendwann kam dann dieser Anruf von Kay, der Dich gefragt hat, ob Du nach Dortmund ziehen möchtest?

Wallfisch

Von 1996-2003 bin ich weltweit mit Firewater getourt, damals eine der weltweit besten Bands überhaupt. Firewater machten kluge, edgy Musik an der Kreuzung diverser New Yorker Musikszenen. Das war kurz bevor die Kommerzialisierung dort alles überrannt hat. Ich spielte auch mit Kid Congo Powers von den Bad Seeds und Cramps Gun Club, er war auch mal bei Botanica dabei. Kid hat mich auch Little Annie vorgestellt, mit der ich seit 2001 hunderte von Shows gespielt und vier Alben aufgenommen habe und die ja vom Dortmunder Publikum irgendwie adoptiert worden ist.

Schulz Wallfisch

Euer neuestes Album heißt Enchantment or Bust. Genau. Jedenfalls, 2009 waren Kay und ich schon befreundet, wir verstanden uns sehr gut, hatten einen ähnlichen Geschmack und trafen uns bei meinen Konzerten in Deutschland. Ich gab ihm irgendwann mein Exposé für eine Multimedia-Theaterinszenierung nach einem Paul Auster-Roman, und vielleicht hat Kay damals gespürt, dass ich nicht nur am Bandleben interessiert war. Wir sprachen damals auch viel über Filmsoundtracks. Davon hatte ich schon ein paar komponiert, denn wir alternden Bandmenschen müssen uns ja ab und an neu erfinden. Irgendwann bekam ich jedenfalls eine Mail von Kay, der schrieb, er würde Intendant vom Schauspiel Dortmund. Er fragte mich direkt, ob ich a) da mal ein Konzert spielen würde, b) für ein Theaterstück komponieren

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Axel Holst in Woyzeck

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Uwe Schmieder und die Band The Ministry of Wolves in Republik der Wölfe Uta Holst-Ziegeler und Sebastian Graf in Metalloid

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würde, c) eine Konzertreihe konzipieren würde – oder d) mir vorstellen könnte, Musikalischer Leiter zu werden. Ich hatte in Dortmund schon mal mit Botanica im Cosmotopia gespielt, aber sonst wusste ich nichts über die Stadt. Ich habe also ein paar Tage nachgedacht und dann Kay um 2 Uhr früh deutscher Zeit angerufen und gesagt: „Ich mach‘s.“ Im September 2010, bei Woyzeck, der Eröffnungspremiere von Kays Intendanz hier in Dortmund, standest Du gleich auf der Bühne – im Schnee.

Schulz

Woyzeck war fantastisch. Ich habe diese Inszenierung geliebt. Die Probenzeit war sowas von intensiv, ich meine, klar, ich hatte vorher schon Theater gemacht, aber das hier war etwas völlig anderes. Einmal auf der Probe hantierte Axel Holst mit einer Schaufel, ich spielte Optigan in einer Ecke der Probebühne, und plötzlich hörte ich Kay schreien, „Stopp, stopp!!!“ und Axel schrie zurück „Nein, nein, weiter, weiter!“, obwohl er sich mit der Schaufel am Kopf verletzt hatte und sein Blut auf den Boden tropfte... Es war eine so tolle Inszenierung – ein großartiger Text, und so klar und direkt inszeniert, auf fünf Tonnen Schnee. Und diese Schauspieler_innen! Axels erste Worte als Woyzeck, „Dieser Ort ist verflucht“ – das war mein Einsatz: für die ersten Noten, die ich je auf der Dortmunder Bühne gespielt habe. In einem weißen falschen Pelzmantel. Den hab ich 2015 als Abschiedsgeschenk bekommen. Mit einem Stückchen Bühne. Eine große Ehre. Ich weiß noch, wie mich meine Frau Pat Arnao kurz vor der Premiere fragte: „Bist Du denn gar nicht nervös?“ und klar, ich war schon nervös, aber wir waren einfach bereit – für was auch immer da kommen würde. Und ich weiß noch, wie ich von der Bühne zum Balkon hochschaute und mich freute, dass da endlich Menschen saßen.

Wallfisch

Du hast dann die Musik bei unzähligen weiteren Produktionen hier in Dortmund gemacht – z.B. für Bluthochzeit und Elektra in der Regie von Paolo Magelli, für Claudia Bauers Republik der Wölfe, wo Du mit Alex Hacke, Mick Harvey und Danielle de Picciotto auf der Bühne standest, oder auch für Kays Inszenierungen Einige Nachrichten an das All und Der Meister und Margarita, wo auch Brian Viglione, John Andrews und Jason Binnick dabei waren. Für diese Inszenierung wurde übrigens dieses metallene Musikpodest gebaut, auf dem Du, Tommy, dann erst mit Daniel Hengst und Jan Voges bei Das Goldene Zeitalter positioniert warst, und 2015 dann mit Pele Götzer, Daniel Brandl, Sven Petri bei DIE SHOW!

Schulz

Eine lebendig-schimmernde Aura Die Technik hat das Podest auf unsere Bitte hin verstärkt, weil wir uns anfangs dort nicht wirklich wohl gefühlt haben. Bei Meister und Margarita war es aber wirklich eine ausgezeichnete Platzierung für die Band – wir konnten die Spielhandlung sehr gut verfolgen und uns gut einklinken. Und das Publikum konnte die Band gut sehen.

Wallfisch

Tommy, wann hast Du eigentlich das erste Mal ein Stück mit Musik von Paul gesehen?

Schulz

Ich glaube, das erste, was ich wirklich bewusst gesehen bzw. gehört habe, war Republik der Wölfe – weil ich auch auf die Musik gespannt

Finke

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war. Für mich war es toll zu sehen, wie der Bandkörper so bewusst miteinander geatmet hat. Ich arbeite ja häufig mit ganz anderen Mitteln und bin deswegen immer positiv überrascht, wenn das an sich heutzutage vielleicht etwas museal anmutende „Kleinorchester“, wenn ich das mal so nennen darf, eine lebendig-schimmernde Aura erzeugt, in die man sich wie in eine Badewanne voller Blutegel hineinlegen kann. Die Wucht eines voll aufgedrehten Gitarrenamps ist schwer mit irgendetwas anderem zu vergleichen. Lautstärke, bzw. sehr bewusste Kontraste zwischen Laut und Leise, ist/sind auch in meinen Arbeiten ein zentrales Mittel, da sind Paul und ich uns, glaube ich, sehr nah. Schulz

Paul, wann bist Du Tommy das erste Mal begegnet?

Wallfisch

Ich habe Tommy und seine Musik das erste Mal bei einem Event im Dortmunder Künstlerhaus kennengelernt, wo meine Frau Pat ihr Atelier hatte. Da gab es eine Open-Air-Reihe, 2011 oder 2012, und Tommy und sein Cellist haben dort gespielt. Ich machte Live-Musik im Garten für eine Video-Installation von Pat mit mehreren Dortmunder Ensemblemitgliedern. Nachdem Tommy dann am Theater angefangen hatte, habe ich als erstes seinen Jonathan Meese-Song gehört -

Schulz

- aus Tommys Musikprojekt KRAFTWURST FEATURING DJ ÜBERKRAUT -

Finke Wallfisch Schulz

Ich habe mehr Projekte als Freunde… Diesen Song fand ich sowas von fantastisch, witzig und spot-on. Ihr habt beide als Singer-Songwriter über die Jahre unzählige Songs geschrieben für Eure jeweiligen Platten, und zusätzlich komponiert ihr für das Theater. Für mich ist es immer ein Rätsel, ehrlich gesagt, wie genau der Soundtrack für eine Theaterinszenierung entsteht. Oft beginnt ihr mit dem Komponieren lange vor Probenstart. Ihr habt also vielleicht einen Theatertext oder zumindest eine literarische Vorlage, wie Paul bei Woyzeck oder wie Tommy bei sputnics Der Futurologische Kongress, aber gerade bei Stückentwicklungen wie Republik der Wölfe und Schöpfung oder Das Goldene Zeitalter gibt es ja vor Probenbeginn oft erstmal nur Themen und Textmaterialien.

Auswählen aus unzähligen Möglichkeiten Finke

Ich habe im Grunde für jedes Stück einen eigenen Prozess, der mit dem Material und dem Team zusammenhängt. Bei 4.48 Psychose z.B. war klar, dass ich nicht nur das Stück lese, sondern außerdem versuche herauszufinden, wie die Soundästhetik wohl für Autorin Sarah Kane gewesen wäre, wenn sie sich in einer Kneipe oder Disco aufgehalten hätte in der Zeit, als das Stück entstand. Außerdem habe ich die Beipackzettel aller aufgezählten Psychopharmaka, soweit mir möglich, besorgt und auf Ideen hin untersucht, Nebenwirkungen und so weiter, alles kann einen musikalischen Anstoß geben. Bei DIE SHOW war klar, dass klassische Songs geschrieben werden müssen, die zu den im Text angelegten Stars und Sternchen passen, deswegen konnte ich das ausarbeiten, bevor es auf die Probebühne ging. Bei Schöpfung wiederum musste Haydns Musik total entschlackt werden. Immerhin gab es ja kein Orchester und keinen Chor, sondern drei Sänger_innen, einen Synthesizer, ein Cem-

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Stückplakat von Jonathan Meese

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DIE VIELEN

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Stückplakat von sputnic

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balo und einen Computermusiker. Dieser ganze barocke Ballast musste von der Musik runter, all diese Träller und Rhythmiken, ich wollte sphärische Musik, die zu den Flächen passen, die häufig in Claudia Bauers Inszenierungen stattfinden. Ansonsten benutze ich, neben Klavier und Saiteninstrumenten, für jedes Stück auch neue Software, Sampler oder Synthesizer. Ich benutze zum Beispiel Programme, die Bilder in Töne umwandeln, die extreme Timing-Manipulationen ermöglichen, mit denen man Musiken „einfrieren“ kann. Sowas war dann zum Beispiel für Stücke wie hell | ein Augenblick praktisch. Ich versuche häufig, eine Verbindung herzustellen – zwischen dem philosophischen Kern des Buches, der Inszenierung, der Probensituation (wo ich häufig Aufnahmen der Schauspieler_innen mache und diese fast unmerklich einfließen lasse in die Soundcollagen) und den (neuesten) technischen Möglichkeiten. Manchmal klappt das sogar. Scheitern ist allerdings auch Teil des Prozesses. FürPLAY: Möwe | Abriss einer Reise war ich richtig im Flow und habe unheimlich viel Musik geschrieben, im Stück gelandet ist letzten Endes nur ein (sehr schöner) Bruchteil davon. Das ist dann immer etwas schade, da wäre ich dann selber gerne der Regisseur. Aber ich bin ja auch Teil eines Teams, das eine Vision unterstützt und da nehme ich mich selbst dann zurück und betrachte das große Ganze. Es gibt übrigens aber auch totale Zufälle, die sich als Glücksgriff erweisen: Bei Geächtet/Disgraced hatten wir mit verschiedenen Eröffnungsmusiken experimentiert, aber Kay und ich kamen auf keinen Nenner. Das Stück beleuchtet ja ein sehr spezifisches amerikanisches Milieu, das mit einem sehr speziellen kulturellen Problem konfrontiert wird. Nach einer Probe war ich unheimlich gefrustet und hab mich erstmal ins Auto gesetzt, ohne zu fahren, einfach Radio an und durch die Kanäle. Da kam dann plötzlich Star Spangled (Original Mix), eine subversive Neuinterpretation der Nationalhymne der USA, von der Tochter eines ehemaligen kuwaitischen Diplomaten, Fatima al Qadiri. Grandios. Es passte sofort zu all dem, was in Disgraced angedeutet wird. Es ist wirklich bei jeder Inszenierung anders. Wenn man als Komponist mit den Schauspieler_innen probt, wird man Teil des Ensembles und entwickelt das Stück im Kollektiv. Aber natürlich muss man vorher eine Idee haben – oder Regeln, Themen, Referenzpunkte –, sonst landet alles im Chaos. Bei einer Produktion mit Live-Band macht das Casting 80 Prozent der Reise aus, vielleicht sogar 99 Prozent. Für Elektra habe ich mich mit Larry Mullins und Geoffrey Burton zusammengetan. Die Arbeit an Einige Nachrichten an das All habe ich besonders genossen, weil es zwar ein Theaterstück war, aber als Film. Bei Nachrichten gab es diesen Song, Reviere, den ich immer noch auf Konzerten spiele. Ich erinnere mich, wie ich an meinem Schimmel-Flügel im Büro spielte, während ich den Rohschnitt der Szene anschaute. Ich hab sie wieder und wieder angeschaut und dazu gespielt, bis ich das Timing richtig hatte. Es ist eine Live-Aufnahme, mit Live-Vocal. Normalerweise läuft es aber ganz anders. Wie jede_r Musiker_in heutzutage habe ich Tausende oder sogar Millionen von Sounds und Samples zur Verfügung. Sachen, die online zu Verfügung stehen, aber auch Klänge, die ich auf meinen Reisen aufgenommen habe: Vögel, Glocken, Boote und so weiter. Ich sample seit 30 Jahren. Also beginnt der Arbeitsprozess meistens damit, eine einzigartige Palette zusammenzustellen, mit der man dann arbeitet. Genau wie ein Bildhauer den Stein auswählt. Es geht immer darum, eine Auswahl aus unzähligen Möglichkeiten zu

Wallfisch

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treffen. Manchmal ist das ein besonderes Instrument – bei Königin Lear in Frankfurt habe ich z.B. einen inzwischen sehr seltenen EMS-Synthesizer benutzt. Am Anfang einer Soundtrack-Entwicklung kann aber auch ein Song stehen, den Kay vorschlägt. Beim 1. Evangelium in Stuttgart habe ich z.B. Losing My Religion von R.E.M gecovert und dekonstruiert, sodass wir für die Inszenierung neben dem kompletten Cover auch isolierte Elemente daraus separat nutzen und modulieren konnten. Generell finde ich viel Inspiration in der Literatur. Ich komme aus einer Sparte der Rockmusik, die Sprache und präzisen Ausdruck als sehr wertvoll erachtet: Lou Reed, Dylan, Iggy, Patti Smith, Nick Cave, Jacques Brel, PJ Harvey und so weiter. Auch die Bewegungen der Schauspieler_innen können eine Quelle der Inspiration sein. In einer Projektphase kann eigentlich alles in die aktuelle Arbeit einfließen – jeder Film, den man sieht, jedes Buch, jedes Gespräch. Jedenfalls bei mir. Wir haben das Glück, glaube ich, dass wir in einem Rahmen arbeiten dürfen, wo die Trennlinie zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmt.

Die Bühnenwelt mitbewohnen Schulz

Ihr wart beide bei vielen Dortmunder Stücken auch als Live-Musiker auf der Bühne – wie ist es für Euch, on stage Teil einer Theaterinszenierung zu sein? Gerade im Vergleich zu Euren eigenen Konzerten?

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Ich sehe da im Prinzip gar keinen Unterschied. Ich habe ja schon immer auf irgendeiner Bühne gestanden. Was natürlich ein Unterschied ist, ist der Umgang mit einem selbst als eine Rolle, die in einer Behauptung stattfindet. Da muss die Eitelkeit abgelegt werden, die ich mir als Musiker meiner eigenen Stücke noch leisten darf. Was mich aber wirklich zu einhundert Prozent überrascht hat, ist, dass ich keinerlei Nervosität vor Theaterauftritten mehr an den Tag lege, seit einmal der Rechner kurz vor einem Gastspiel von Das Goldene Zeitalter ausfiel und ich ihn pünktlich zum Einsatz wieder am Laufen hatte – ohne je herauszufinden, was losgewesen war –, wobei ich in meiner Erinnerung fast vor Stress gestorben wäre... Danach haben sich mein Herz und mein Gehirn offenbar aus dieser Gleichung verabschiedet und machen jetzt bei den Vorstellungen keine Anstalten mehr, mich zu nervösifizieren, falls es dieses Wort gibt.

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Für mich sind es zwei völlig verschiedene Erfahrungen. Es ist oft schwer, den Fokus zu halten. Der dynamische und emotionale Spannungsbogen, den man bei einem Konzert vielleicht kreieren will oder der von selber entsteht, existiert bei Live-Musik während einer Theaterinszenierung so nicht. Da muss man die Bühnenwelt mitbewohnen, den Rhythmus der Schauspieler_innen aufnehmen und darin Inspiration und Fokus finden. Und je nachdem, wie wichtig die Musik an der jeweiligen Stelle ist, hofft man, dass die Schauspieler_innen dasselbe machen. Zuhören und aufmerksam sein.

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Tommy, bei Die Borderline Prozession warst Du für die Live-Musik verantwortlich, aber Dein Material war die Pop-, Rock- und klassische Musik aus vielen Jahrzehnten.

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Die Borderline Prozession war die Essenz dessen, worauf Kay Voges und mein Alter Ego T.D. Finck von Finckenstein sich als Soundtrack der Geschichte einigen konnten. Und außerdem jeden Abend neu, bis auf

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Paul Wallfisch, Uwe Rohbeck, Luise Heyer in Der Meister und Margarita

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Lucas Pleß, Stefan Kögl, Anne-Kathrin Schulz, Mario Simon, TD Finck von Finckenstein, Chris Sauer in 4.48 Psychose

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einige Teile, deren Abfolge vorgegeben war. Das bedeutet erstmal, dass Kay und ich uns von der Idee bis zur Aufführung und noch während der laufenden Vorstellungen Musiken zugespielt haben. Die Songs und Musiken mussten vor allen Dingen eine ganz bestimmte Voraussetzung erfüllen: Sie mussten den Lauf-Rhythmus der Kamera sowie die Gesamtstimmung subtil unterstützen. Für eine halbe Runde um das Bühnenbild waren ungefähr 3 Minuten 20 Sekunden nötig, also eine gute Single-LP-Länge. Aber vom Gefühl her war der Rhythmus des Kamerawagens viel getragener. Manchmal wurde aber auch das Tempo angezogen. All diese Dinge galt es zu berücksichtigen. Der zweite Teil, in dem Dunkelheit und Abgründe eine große Rolle gespielt haben, war musikalisch hoch komplex, denn hier gab es eine Soundcollage aus meinen eigenen Kompositionen, Kriegsgeräuschen, Nachrichten-Einspielern, klassischer Musik und Naturgeräuschen, die in einer nicht vorher bestimmten Reihenfolge bei jeder Vorstellung neu vermischt wurden. Ich habe die ganze Borderline Prozession mit einem Array aus 256 Knöpfen (jeder Knopf war für einen Song, einen Sound oder sonstige akustische Elemente), 33 Lautstärkereglern und einem Keyboard für Livemelodien gestemmt. Ich träume jetzt manchmal noch davon, welcher Song auf welchem Taster liegt. Aber es war eine wunderschöne Inszenierung. Und es gab das Jahr des großen Musikersterbens, 2016, als David Bowie, Leonard Cohen, Prince und einige mehr gestorben sind. Jeder dieser Tode hat die Borderline Prozession vom Soundtrack her nachhaltig verändert, weil der Kontext der Werke nun ein neuer war. Man hörte plötzlich nicht nur einen Song, sondern wurde mit seiner eigenen Endlichkeit konfrontiert. In meinen Augen bekam Die Borderline Prozession dadurch mehr und mehr etwas Eschatologisches. Ich habe Die Borderline Prozession geliebt. Ich hab die Inszenierung zweimal gesehen und würde sie gerne nochmal sehen. Das Setting erlaubte eine wirklich einzigartige Theatererfahrung, und ich finde, die Mash-Up-Herangehensweise von Kay funktionierte hier besonders gut.

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Topkracherstars von Werweisswoher Schulz Und dann gab es auch noch Eure musikalischen Reihen, Small Beast Dortmund und The Mundorgel Project. Ich hatte Small Beast in New York 75 Wochen in Folge veranstaltet. Es war irre. Das Konzept war, dass es kein Konzept gab. Einfach nur zwei bis vier Gäste und ich – Freunde oder Freunde von Freunden. Einzigartige Künstler_innen aus allen möglichen musikalischen Genres, aber eben anders als bei anderen Veranstaltungen, bei denen dieselben Musiker_ innen auftraten – vor einer andächtigen Schar Zuschauer_innen, die viel zu teures Essen und viel zu teure Drinks bestellen mussten. Small Beast war einfach eine Bar! Wenn wir wollten, dass die Leute nicht mehr miteinander redeten sondern uns zuhörten, mussten wir uns das verdienen. Wir sind oft rauf auf den Tresen, wir haben getanzt, mit dem Publikum getanzt. Die besten Nächte endeten immer in wunderbarem, gemeinsamem Chaos. In Dortmund lief es ein bisschen anders, aber auch da war mir wichtig, das Publikum einzubeziehen. Bei Small Beast sind sich immer Menschen begegnet. Der Name Small Beast kommt übrigens von dem winzigen Piano auf der kleinen Bühne – das einzige, was da hinpasste. Pat Arnao hat das Logo in einer männlichen und einer weiblichen Variante entworfen. Und dann

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war Small Beast geboren: Puccini und Punk Rock, Noise und Gamelan. Kay war einmal in New York dabei und bat mich, damit in Dortmund weiterzumachen. Finke

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Paul hat für Small Beast immer absolute Topkracherstars von Werweißwoher angeschleppt, das Publikum staunte mit großen Augen, zurecht. Als ich nach Paul neuer Musikalischer Leiter wurde, wollte ich etwas machen, was die Fallhöhe zwischen Publikum und Performer_innen aufhebt. Etwas Einfaches: Ich wollte eine Symbiose zwischen Publikum und Band. Und eine Mitsingveranstaltung war genau der richtige Weg. Die Sache war schnell entschieden: Ein, zwei Treffen mit Kay, der in die gleiche Richtung dachte und Dir, Anne, denn Du hattest, glaube ich, überhaupt erst die Idee, die wunderschöne Mundorgel als Ausgangsbasis zu nehmen Nein, das war Kay.

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Jede Veranstaltung der Mundorgel am Schauspiel war ausverkauft, und inzwischen spielen wir in ganz Deutschland mit den Leuten auf Augenhöhe.

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Vorletzte Frage: Was war Eure Dortmunder Lieblingsinszenierung?

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hell | ein Augenblick. Dass diese Inszenierung nur im MEGASTORE und auf Gastspiel in Prag gezeigt werden konnte, tut mir in der Seele weh. Die Verbindung von Theater, Kunst und Musik in hell war beispiellos.

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Hamlet. Mit dem Hologramm von Bettina Lieder als Ophelia. Die Visuals waren so kreativ und wunderbar. Und auch auf die Musik bin ich stolz. Und Woyzeck. Aber es gab auch viele magische Momente in den drei Arbeiten mit Paolo Magelli. Natürlich auch Republik der Wölfe, das Konzept dafür ist ja übers Theater hinausgewachsen, die Band tourte in ganz Europa und es gab zwei Platten bei Mute Records. Bei Der Meister und Margarita ist Botanicas letztes Album entstanden, und die Inszenierung war auch insgesamt eine wichtige Arbeit für Kay und mich, weil wir hier das erste Mal die Möglichkeiten von Musik, Video, Technologie und Drehbühne und so weiter ausgeschöpft haben. Sie war der Ausgangspunkt für viele spätere Theaterarbeiten.

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Letzte Frage: Wenn das Schauspiel Dortmund ein Song wäre, welcher?

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Computer Age von Neil Young und Everyday Robots von Damon Albarn. Honorable Mention: Redneck School of Technology von den Flaming Lips.

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This Must Be The Place von den Talking Heads.

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Ensemble in Szenen einer Ehe

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AUS TEXTEN SCHICKSALE SCHNITZEN



Über Claudia Bauers Arbeiten am Schauspiel Dortmund von Dirk Baumann, Anne-Kathrin Schulz und Matthias Seier

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Claudia Bauer wurde 1966 in Landshut geboren und studierte als erste westdeutsche Studentin Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Inszenierungen u.a. in Jena, Stuttgart, München, Halle, Schwerin, Berlin, Magdeburg, Graz, Basel. In Dortmund inszenierte sie fünf Abende: Die Deutschsprachige Erstaufführung von Welt am Draht nach dem gleichnamigen Film von Rainer Werner Fassbinder (2013), das Märchenmassaker mit Live-Musik Republik der Wölfe (2014) nach den Brüdern Grimm und Anne Sexton, Szenen einer Ehe (2014) nach dem Film von Ingmar Bergman, die Uraufführung von Philippe Heules Stück Die Simulanten (2016) als Koproduktion mit den Ruhrfestspielen sowie 2018 den Sprech-und-Musiktheater-Hybrid Schöpfung. Claudia Bauers Inszenierungen wurden bisher dreimal zum Berliner Theatertreffen eingeladen: 2017 das Stück 89/90 (Schauspiel Leipzig, nach dem Roman von Peter Richter), 2019 PeterLichts Molière-Überschreibung Tartuffe oder das Schwein der Weisen (Theater Basel) sowie 2020 Süßer Vogel Jugend von Tennessee Williams (Schauspiel Leipzig).

Ensemble in Schöpfung

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„Man soll immer wahrhaftig spielen – aber man soll nicht die Wahrhaftigkeit der Figur spielen, sondern die Wahrhaftigkeit des Schauspielers.“ Claudia Bauer während der Proben zu Szenen einer Ehe, 2014

Zum Glück ist sie nicht gleich am ersten Probentag wieder abgereist. Als sie ihre Hündin Lilly erst nicht mit ins Theater nehmen durfte. Das war 2012. Denn dann hätte viel gefehlt – für das Theater, das Ensemble und die Stadt. Claudia Bauer gehörte in zehn Jahren Schauspiel Dortmund zu den prägendsten Regiehandschriften. Fünf Produktionen auf der großen Bühne hat sie während der Voges-Intendanz inszeniert, jede davon ein Highlight der jeweiligen Spielzeit. Was zeichnet sie aus? Ihr unvergleichlicher Humor, ihre hochkreativen Synapsenschaltungen, ihre Liebe zum Ensemble? Wahrscheinlich von allem ein bisschen – vor allem aber eine bedingungslose Leidenschaft für die Sache, ein hoher künstlerischer Anspruch, inhaltliche Tiefe und, trotz unverkennbarem Mut zum Trash: eine beinahe schon erschütternd stetige Geschmackssicherheit. Claudia Bauer hat bei ihren Dortmunder Arbeiten Stoffen und ihren Figuren direkt ins Herz geschaut. Sie suchte nach dem, was lebt. Nöte, Schicksale, Absurditäten als Zentrum eines atmosphärisch hochspannenden Bühnengeschehens – Bauer schärfte die Gegenwart. Selbst bei Texten, die auf den ersten Blick erstmal wenig Material boten. In ihren Augen war das Dortmunder Ensemble dafür genau das richtige: „Ich weiß, dass es auf so etwas Lust hat: Aus Texten Schicksale zu schnitzen“. In ihrer ersten Dortmunder Inszenierung, der Deutschsprachigen Erstaufführung von Welt am Draht (2012, nach dem gleichnamigen Film von Rainer Werner Fassbinder) stand sie dabei vor der Aufgabe, Figuren, die selbst Teil einer simulierten Welt und damit nicht real sind, zum einen authentisch erscheinen zu lassen, zum anderen aber auch ihre Künstlichkeit durchscheinen zu lassen. Noch bevor der Loop zum viel verwendeten Stilelement wurde, experimentierte sie hier damit: Julia Schubert alias Gloria Fromm beispielsweise fragte den Protagonisten Fred Stiller (Frank Genser) in wiederkehrenden, choreografierten Schleifen aus Bewegung und Text: „Noch Käsekuchen?“ – und verriet damit ihr eigenes Gefangensein in der Matrix.

Kosmen der Träume und Alpträume Und selbst bei scheinbar eher schematischen Figuren wie den Protagonist_innen der Grimm’schen Märchen: Bauer entdeckte in archetypischen Märchenfiguren Abgründe und Sehnsüchte und transportierte sie scheinbar mühelos ins Heute (Republik der Wölfe – Ein Märchenmassaker mit Live-Musik, 2014): Der Froschkönig (Sebastian Kuschmann) als triebgesteuerter Mann auf der verzweifelten Suche nach einer Partnerin, die Königstochter (Bettina Lieder) bei ihrem Versuch, sich den Annäherungsversuchen des Rumpelstilzchens (Uwe Schmieder) zu erwehren – notfalls mit Gewalt. Auch den reflektiert-bürgerlichen Ehepartner_innen des Ingmar Bergman-Films (Szenen einer Ehe, 2014) verlieh sie abgründige Tiefe – und legte so verborgene Konflikte, Widersprüche, Sehnsüchte und Hoffnungen offen.

Ein wichtiges Element war dabei immer die Arbeit mit dem Text, die oftmals gemeinsam mit dem Ensemble in praktisch-analytischer Hochenergie vonstatten ging: ausprobieren, improvisieren, konkretisieren. So klangen zum Beispiel Bergmans tiefenpsychologische Kammerspiel-Dialoge plötzlich nach wildem, gesellschaftskritischem Diskurs – in einer hochmusikalischen und rasanten Textpartitur, die auf acht Ensemblemitglieder verteilt war. Und auch der aus Improvisationen geformte Monolog des Müllers in der Rumpelstilzchen-Episode aus Republik der Wölfe gehört für Schauspieler Ekkehard Freye immer noch zu seinen schönsten Momenten in zehn Jahren Schauspiel Dortmund. Claudia Bauer schaut immer in die Matrix einer Geschichte – mit hoher Gedankenschärfe und einer ausladenden szenischen Phantasie. Gemeinsam mit ihrem Ausstattungsteam – zumeist mit Bühnenbildner Andreas Auerbach und Kostümbildnerin Patricia Talacko – erschuf sie in Dortmund Welten, die den Pulsschlag der Geschichten fühlbar werden ließen: Kosmen für Träume und Alpträume, mit schrillen Kostümen aus Historie und Phantasie, labyrinthartigen Bühnenaufbauten, Masken, bunten Tapeten, ausladenden Perücken, Fellkostümen und kuriosen Requisiten. Diverse formale Elemente wurden bei diesen Expeditionen zu regelmäßigen Reisebegleitern: zyklische Wiederholungen, Maskenund Puppenspiel, Voice-Over, körperlich-expressives Schauspiel, die Externalisierung innerer psychologischer Zustände. Setzungen, die direkt zum Kern des individuellen Schicksals einer Figur vorstoßen und es ans Tageslicht locken. Eine Arbeitsweise, die den Schauspieler_innen ungemeine Präzision abverlangt: Denn wo z.B. verschiedene Personen an der Darstellung einer Figur mitwirkten (der_die eine Körper, der_die andere Stimme), ist Präzision und Reaktionsschnelle gefragt. Und das muss geübt werden – immer und immer wieder.

Schicksal in die Texte hineinerfinden Danach gefragt, welche Art von Texten sie sucht, antwortete Bauer 2016 im Kontext eines Interviews für die Uraufführung von Philippe Heules Die Simulanten: „Mich interessieren Texte, die meine Phantasie herausfordern. Das Well-Made-Play interessiert mich weniger, weil es mich nicht braucht.“ Denn Bauer ist eine Regisseurin, die sich zugleich als Autorin eines Theaterabends begreift. Sie erfindet Situationen, wo keine sind und kompiliert Dialogfetzen zu Figuren, die es in der Vorlage so noch nicht gibt. „Ich mag Texte, die etwas einfordern und nicht alles liefern. Genau das ist es, was mich daran interessiert: dass ein Text mich anregt, etwas zu erfinden und ich nicht der Erfüllungsgehilfe des Textes bin“. Bei Die Simulanten hat sie mit Schauspieler_innen und Team viel erfunden, gegliedert, konsistenter gemacht – und eine Situation geschaffen, in der sich fünf Figuren am Ende der Zeit wiederfinden: zwischen Diesseits und Jenseits, in ihren individuellen postmodernen Lebenskonzepten verirrt, ohne die Fähigkeit, gemeinsam Probleme anzugehen. „Man muss die Situationen, die Figuren, die Schicksale, die Tragik in die Texte hineinerfinden, weil sie aus sich heraus ‚nur‘ eine Welt, eine Gesellschaft und ein Thema anbieten. Das macht es zwar komplizierter, aber das mag ich.“ In ihrer letzten Dortmunder Inszenierung erschuf Bauer 2018 mit ihrem Team dann einen Hybrid aus Sprech- und Musikthea-

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Ekkehard Freye, Bettina Lieder, Julia Schubert, Björn Gabriel in Die Simulanten

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Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Frank Genser, Julia Schubert, Sebastian Graf in Welt am Draht

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ter: Schöpfung nach dem Oratorium von Joseph Haydn. Auch hier brauchte sie wieder ihre szenische Phantasie und die Bereitschaft der Schauspieler_innen zum Miterfinden von Figuren, Situationen und Konflikten. Denn das Oratorium selbst ist ‚nur‘ eine Vertonung der biblischen Schöpfungsgeschichte – dramatisches Konfliktpotential bietet es keins. Dafür aber eine interessante thematische Parallelität ins Jetzt: Wenn Gott der Schöpfer des Menschen ist, welche Rolle nimmt dann der Mensch der Gegenwart ein, angesichts der Erschaffung von androiden Robotern und Künstlichen Intelligenzen? Wird der Mensch zum Schöpfer des neuen Menschen – und wohin wird das führen? Vielleicht schließt sich damit die Klammer, die mit Welt am Draht aufgespannt wurde: die Beschäftigung mit künstlichen, menschenähnlichen Wesen. Mit auf der Bühne standen diesmal neben dem Schauspielensemble auch drei Gesangssolist_innen, eine Pianistin und der Musiker T.D. Finck von Finckenstein. Musikalische Szenen und gesprochene Szenen wechselten sich ab, wobei die Musik immer elektronisch bearbeitet war, alle Sprechtexte hinzugefügt wurden – kompiliert aus verschiedenen Quellen und selbst geschrieben. Nicht weniger als die Evolutionsgeschichte des Menschen bildete sich auf der Bühne ab, die schließlich in einen Dialog zwischen dem menschlichen Adam und einer künstlich erschaffenen Eva mündete: ADAM Du bist auch eine Maschine! In Maschinenaugen kann man keine Seele sehen! E VA Aber ich zeige doch Gefühle. ADAM Das reicht mir nicht. E VA Wenn ich mich dir als Person darstelle, zeige ich Gefühle. Ich erzeuge sie durch eine entsprechende Modulation an meinen Ausgängen. ADAM Ich will keine simulierte Liebe. Ich will echte. Menschen, die eine Gegenwart erfinden – aber eine wahre. Bauer gibt sich nie mit bloßer Simulation zufrieden, sie fordert echte Hingabe und absoluten Einsatz. Anders funktionieren ihre Inszenierungen nicht. Sie braucht diese „echte Liebe“, die sie auch selbst auszeichnet – zum Theater und ihren Menschen auf und hinter Bühne. Und so überführt Bauer Geschichten immer in ein faszinierendes Schillern. Im Schauspiel Dortmund hat sie auch jenseits ihrer Inszenierungen Spuren hinterlassen: Ihre Hündin Lilly, die dann doch irgendwie immer mit im Theater dabei war, wird von allen geliebt, genauso wie zahlreiche Bauer’sche Wortschöpfungen. Allen voran das „Brötchen-über-der-Spüle-aufschneid-Theater“ – worum es sich dabei handelt, lässt sich im Artikel Best of Megapedia nachlesen. So viel sei hier verraten: Es hat in der Geschichte schon unbegründetere Feindbilder gegeben.

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AUSNAHMESITUATIONEN 10 Jahre – 5 Festivals Festivals sind Ausnahmesituationen, Überforderungen an den Theaterbetrieb und das Publikum. Erst in der Entrückung aus dem (Theater-)Alltag, aus Ort und Zeit gelingt es, ein Thema intensiv zu durchdringen, sowohl von künstlerischer als auch von Publikumsseite. Idealerweise stiften Festivals dabei neue Gemeinschaften, führen zu zuvor unbekannten Erkenntnissen und wirken sich auf die zukünftige Arbeit aus. Auch das Schauspiel Dortmund war 2010-20 Gastgeber verschiedenster Festivals – ein Überblick.

CYBERLEIBER 6.-9.6.2013 Mit dem Cyberleiber-Festival führte das Schauspiel Dortmund die begonnenen Stränge zum Thema Digitalität zusammen. Im Mittelpunkt der „letzten Dramen zwischen Mensch und Maschine“ standen Fragen zu Veränderungen der Digitalisierung auf das menschliche (Zusammen-)Leben zwischen Big Data, Transhumanismus und Hackertum – in Theater, Kunst und Wissenschaft. Der Chaostreff Dortmund verlegte für das Wochenende seinen Hackerspace aus der Nordstadt ins obere Foyer des Schauspiels. Das Festival war der Startschuss für den Ruf des Dortmunder Schauspiels als digitales Theaterlabor. Künstlerische Leitung: Alexander Kerlin Theatertreffen NRW 2014 13.-20.6.2014 Das Theatertreffen NRW zu Gast in Dortmund! Unter dem Titel „Theater und Virtualität“ zeigte es die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen aus NRW und führte den beim Cyberleiber-Festival begonnenen Diskurs zum Thema Digitalisierung in Vorträgen und Diskussionen fort. Auch musikalisch war viel los: The Tiger Lillies, PeterLicht, The Schwarzenbach undundund. Künstlerische Leitung: Thorsten Bihegue

Plakat von sputnic

MOBILIZE! Theater trifft Aktion – Neue Bühnen der Subversion 6.-8.11.2015 Wo liegen die Berührungspunkte von Theater und Aktivismus, zwischen künstlerischer und politischer Praxis? Anlässlich der Zusammenarbeiten mit dem Peng! Collective und dem Zentrum für Politische Schönheit lud das Schauspiel Dortmund gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung ein zu einer Konferenz, bei der Aktionskünstler_innen aus dem In- und Ausland auf Theatermacher_innen, Journalist_innen, Kurator_innen und Wissenschaftler_innen trafen. Ein fruchtbares Zusammentreffen, auf dem u.a. die Grundsteine für die Spiegelbarrikade (Artúr van Balen/Tools for Action), die zweijährige Kooperation mit dem Peng! Collective Die Populist_innen und für die Produktion Nach Manila von Moritz Riesewieck gelegt wurden. Künstlerische Leitung: Alexander Kerlin, Christian Römer

Enjoy Complexity 23.-25.2.2018 Als Startschuss für die zu gründende Akademie für Theater und Digitalität trafen sich 100 Künstler_innen, Wissenschaftler_innen und Techniker_innen zu einer Konferenz in den zunächst geplanten Räumlichkeiten der Akademie. Anhand künstlerischer Beispiele und diskursiver Beiträge diskutierten die Gäste die positive Seite der zunehmenden, durch die Digitalisierung vorangetriebenen Komplexität in Wissenschaft, Technologie und Politik – und ihre Auswirkungen auf Themen, Erzählweisen und Formate im Theater. Künstlerische Leitung: Michael Eickhoff, Alexander Kerlin

Inbetween – Theater zwischen Vorstellung und Ausstellung geplanter Zeitraum: 3.-5.4.2020 Dieses Festival war eine der Veranstaltungen, die den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zum Opfer fielen – und daher kurz vor Beginn abgesagt werden musste. Im Zentrum des dreitägigen Festivals sollte der Grenzbereich zwischen darstellender und bildender Kunst stehen – mit internationalen Gastspielen, die mit neuen Zeit- und Raummodellen experimentieren, die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum sprengen und alternative Formen der Zuschauereinbindung erproben – Kunst von den Probebühnen über die Foyers bis zu den Bühnen. Kontextualisiert werden sollte das Programm von Lectures, Keynotes und Diskussionen, in denen führende Wissenschaftler_innen, Theaterleiter_innen und Künstler_innen über transdisziplinäre Potentiale jenseits von Black Box und White Cube, neue Theaterräume, veränderte Publikumsrollen und das Theater von morgen diskutieren. Stand Redaktionsschluss wird nach einer Möglichkeit gesucht, das Festival zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen – Ausgang ungewiss. Künstlerische Leitung: Dirk Baumann

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NICHT NUR ORCHIDEEN KULTIVIEREN, SONDERN VIELE BLUMEN! Regisseur Paolo Magelli - aus einem Gespräch mit Roman Senkl über das Ensemble im Schauspiel Dortmund

Dieses Ensemble habe ich wahnsinnig gerne – es sind wahre Wunder geschehen durch dieses Ensemble! Ich habe Kay am Theater in Dresden kennen gelernt, und mir war sofort klar, dass seine Inszenierung, die ich soeben erlebt hatte, ein ganz besonderes Werk war. Als er dann in Dortmund angefangen hat, hat er in meinen Augen zwei wichtige große Kämpfe gewonnen. Einmal: Zusammenhalt – er hat wirklich ein Ensemble geschaffen. Häufig sagen wir „Ensemble” und vergessen dabei, dass Ensemble nichts anderes bedeutet als „zusammen”. Oft bleibt das nur ein Wort, in diesem Fall ist das eine ästhetische und vor allem auch eine ethische Tatsache. Zweitens: Er hat mit absoluter Konsequenz eine neue Ästhetik für dieses Theater erfunden; und dennoch zugleich stets ganz unterschiedliche Autor_innen und Regisseur_innen respektiert, hat also die Sprachen der anderen zugelassen. Das ist mit das Wichtigste an der Arbeit eines Intendanten: Die Sprachen der anderen zu respektieren, nicht nur Orchideen zu kultivieren, sondern verschiedene Blumen. Ich sehe durch meine Reisen sehr viel Theater in ganz Europa, Frankreich, Belgien, in vielen slawischen Ländern, auch Ungarn usw. – das Dortmunder Theater ist ein besonderes Theater. Meiner Meinung nach eines der wichtigsten in Europa. Vielleicht klingt das zu prätentiös, ich kann an sehr vielen Orten einen schönen Theaterabend erleben, aber in Dortmund gibt es eine gewisse Konsistenz. Auch wenn Abende manchmal umstritten sind, auch wenn nicht jede Vorstellung sofort Anklang findet – das Niveau am Schauspiel Dortmund ist bei jedem Versuch sehr hoch, weil dieses Ensemble immer zusammenhält. Das ist seine Stärke. Ganz selten nur bleiben einem ganze Gruppen von Leuten im Gedächtnis, aber diese Leute bleiben in meinem Kopf und in meinem Herzen – für immer. Ich kann nicht aufzählen, mit wie vielen Schauspieler_innen ich gearbeitet habe, vermutlich tausende. Viele davon sind aus meiner Erinnerung verschwunden. Mein Kopf ist da wie eine Maschine, die aussortiert, was nicht wichtig ist. Nur sehr selten bleibt dort etwas für immer erhalten. Diese Dortmunder Menschen, nicht nur das Ensemble, auch einige Menschen aus der Technik, vom Licht, auch aus der Leitungsebene, der Dramaturgie sind Skulpturen in meinem Kopf geworden. 10 Jahre sind ein großes Stück Leben, das darf man nicht vergessen. Und diese 10 Jahre – in und mit dem Dortmunder Ensemble – die kann man nicht kaufen, die sind unbezahlbar!

Paolo Magelli, geboren in Prato, ist Regisseur. Er arbeitet seit 1966 für Schauspiel und Oper, u.a. am Théâtre de la Colline in Paris, am Gavella in Zagreb, am Theater Wuppertal und am Staatsschauspiel Dresden. Er war Künstlerischer Direktor des Zagrebacˇ ko Kazalište Mladih (ZKM) in Zagreb, am Beogradsko Dramsko Pozorište in Belgrad sowie Intendant des Teatro Metastasio Stabile della Toscana im italienischen Prato. Paolo Magelli inszenierte in vielen Ländern der Welt, u.a. in Italien, Frankreich, Rumänien, Bulgarien, Belgien, Schweiz, Venezuela, Kolumbien, Israel und Palästina. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt er mehrfach den Preis für die beste Regie beim internationalen Theater-Festival MESS in Sarajevo. 2010 wurde Paolo Magelli zum außerordentlichen Professor bei der Akademie für darstellende Künste der Universität Zagreb ernannt.

Paolo Magelli inszenierte regelmäßig am Schauspiel Dortmund. In der Spielzeit 2010/11 brachte er Federico García Lorcas Bluthochzeit auf die Bühne; das Stück war auch als Gastspiel in Zagreb zu sehen. 2012 inszenierte Paolo Magelli Georg Büchners Leonce und Lena in der Phoenix-Halle auf dem Dortmunder Phoenix-West-Gelände. 2015 folgte Elektra nach Euripides, 2016 Die Wiedervereinigung der beiden Koreas im MEGASTORE.

209 Frank Genser, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth in Elektra

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Ekkehard Freye, Bettina Lieder, Luise Heyer, Jele Brückner, Caroline Hanke in Bluthochzeit Merle Wasmuth, Ekkehard Freye in Die Wiedervereinigung der beiden Koreas

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BLOOD SUGAR SEX MAGIC

von Sebastian Franssen, Vorsitzender der Dortmunder für ihr Schauspiel e.V.

When I am a man I will be an astronaut, And find Peter Pan. Kate Bush – In Search Of Peter Pan (1978)

Dekadende Kay Voges war ungefähr sechs Jahre alt, als der oben zitierte Song von Kate Bush veröffentlicht wurde. Ob dieses Lied unserem Punk-affinen Intendanten damals oder jemals zu Gehör gekommen ist, weiß ich nicht. Aber es bringt den besonderen Geist, den Flair der letzten Jahre am Schauspiel Dortmund auf den Punkt. Ein Versprechen, das eingelöst wurde.

Vorspiel Das erste Mal, dass mich ein Theater mit dem gesamten Ensemble komplett in den Bann geschlagen hat, war Ende der 90er Jahre im Schauspielhaus Bochum unter der Intendanz von Leander Haußmann, mit den Hausregisseuren Kruse und Gotscheff. Haußmann und Kruse inszenieren noch heute und wecken alte Erinnerungen. Aber auch ich habe mich verändert: Nostalgie versus erste Liebe. Diese Magie kommt nicht wieder! Gut zehn Jahre waren vergangen, seit der Herzschlag mit der finalen Inszenierung Peter Pan im Bochumer Schauspielhaus verklungen war, als mir in Dortmund die ungewohnt abgefahrenen „PLAY“-Plakate des bis dato verschmähten Schauspiels auffielen.

Erneuerung So saß ich eines Abends nach langer Zeit wieder im Schauspiel Dortmund und ein wohliger Schauer ergriff mich beim Blick auf Tonnen von weißblauem Eis und dem Klang von Paul Wallfischs Klavierspiel. Ich sah den ersten Woyzeck, der groovte und nicht nervte. Was für ein Einstand! Und es sollte noch viel besser werden. Vorstellung um Vorstellung festigte sich bei mir das Bild, dass hier ein außergewöhnliches Ensemble in Dortmund gelandet war. Jetzt – zehn Jahre später und mit Blick auf den Abschied – ist es noch zu früh, um zu sagen, was

unvergesslich bleiben wird. Die Erinnerungen werden bei jeder/jedem Schauspielfreund_in auch andere sein. Gibt es vielleicht einen gemeinsamen Nenner?

Vereinigung Es wäre ein Leichtes, dutzende Inszenierungen hervorzuheben, denen jeweils ein eigener Zauber innewohnte, die sie aus dem Meer an Inszenierungen herausragen ließen. Allerspätestens, als der Astronaut durch Die Borderline Prozession schwebte, war die Suche nach Peter Pan von Erfolg gekrönt… Aber das Ganze war mehr als die Summe der Inszenierungen. Kay Voges ist es gelungen, in der Schauspielleitung, in den bühnentechnischen Bereichen und natürlich mit den überragenden Schauspieler_innen, ein Team zu vereinen (wir Schauspielfreunde haben diese theatrale Dreifaltigkeit verkürzt einfach L’Ensemble getauft): konzentriert, auf den Punkt mit großen Soli. L‘Ensemble ist zehn Jahre einen Marathon gelaufen und hat nebenbei unzählige Sprints eingelegt.

Kompromisslosigkeit Ebenfalls ungewöhnlich: Das Schauspiel hat sich in all den Jahren nicht weichgespielt, war niemals anbiedernd, stets kompromissloser als am Tag zuvor. Sodass auch im zehnten Jahr jede Premiere ein Abenteuer ist. Aus den vielen Gesprächen mit Schauspielfreunden weiß ich: Nicht jedes Stück war für jede_n ein Volltreffer, aber keines war irrelevant. Der Impact des Schauspiel Dortmund in den letzten Jahren ist einerseits dem intellektuellen Erfassen relevanter aktueller oder potenziell wichtiger Fragestellungen zu verdanken. Andererseits wurde auf dem Altar des Intellekts weder das Spielerische noch das Assoziative oder das Gefühl geopfert. Getreu dem Motto: Wenn‘s nicht rockt, ist‘s für den A****.

Magie Blood Sugar Sex Magic: Ich habe bei weitem nicht alles, eher wenig verstanden, war gerührt und schockiert, habe den subtilen Humor geliebt und bin mehr mit Gefühlen als Gedanken aus den Vorstellungen gekommen. Die Magie meiner „First Love“ war wieder im Saal, durchflutete die

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Sebastian Franssen ist seit 2016 Vorsitzender der Dortmunder für ihr Schauspiel e.V. (DofiS). Der Förderverein wurde 1982 gegründet, um eine damals drohende Schließung des Schauspiels zu verhindern. www.dofis.de

Kammern und Korridore, strömte hinaus auf die Plätze und in die Städte. Die schönste Erkenntnis: Die Intensität einer „Second Love“ kann die Erste durchaus übertreffen. Das macht Mut!

Sternenhimmel Lieber Kay, liebes L‘Ensemble. Egal, wohin es Euch verschlägt: Zehn Jahre hat ein unglaublich heller Stern über Dortmund geleuchtet. Wir Schauspielfreund_innen werden euch nicht vergessen, in unseren Herzen unzählige Momente weitertragen und wünschen euch allen auf eurem Kurs einen funkelnden Stern zur Orientierung. Second star on the right, Straight on‚ til morning. Kate Bush – In Search Of Peter Pan (1978)

Paulina Alpen, Thomas Kaschel in Die Borderline Prozession

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WENN DAS SCHAUSPIEL DORTMUND EIN LIED WÄRE, WELCHES WÄRE ES? Die Playlist des Ensembles und des Publikums

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Love the One You’re With Stephen Stills. Friederike Tiefenbacher

Bartholdy und Eichendorff, Es weiß und rät es doch keiner. Marcus Lobbes

seit 2010 im Ensemble

Regisseur

Nirvana – Come As You Are Jörg Achim Zoll Zuschauer

Zuschauerin Placebo – Special Needs Leandra Sedef

Das Solidaritätslied von Ernst Busch: „Vorwärts und nicht vergessen / worin Eure Stärke besteht / beim Hungern und beim Essen…“ Uwe Schmieder

Irgendwas von Nick Cave vielleicht. Der Tupelo-Song? Oder was von Mark Hollis? Auf jeden Fall komischerweise eher was Romantisches, Balladiges. Daniel Roskamp

seit 2011 im Ensemble

Bühnen- und Kostümbildner

Zuschauerin

Daniel Norgren - The Flow. Christian Freund

Eindeutig You’ll Never Walk Alone und das nicht wegen der Süd oder Fußball. Das Lied stammt aus einem Theaterstück, es fand also seinen Weg vom Theater auf die Tribünen. Sascha Hawemann

Rolling Stones: Satisfaction Rainer Schmedemann

seit 2017 im Ensemble Nick Cave – God is in the House Alexandra Sinelnikova seit 2017 im Ensemble Etwas von Throbbing Gristle. Axel Holst 2010-2013 im Ensemble Komm in mein Boot von Nina Hagen, nicht von Rammstein. Carlos Lobo 2013-2017 im Ensemble Wahrscheinlich eines meiner Lieblingslieder! Irgendwas Härteres! Vielleicht Kyuss.... Sebastian Graf 2010-2015 im Ensemble In a Manner of Speaking von Tuxedomoon. Merle Wasmuth 2013-2019 im Ensemble Vicky Leandros – Ich liebe das Leben. Christoph Jöde 2010-2013 im Ensemble Blood Sport. Sebastian Kuschmann 2010-2017 im Ensemble Temple of Love von den Sisters of Mercy. Mona Ulrich Kostümbildnerin Cortez the Killer von Neil Young. Oder Lust for Life von Iggy Pop! Ed. Hauswirth Regisseur

Julia Schubert in Autschland d'Amour

Regisseur The Coast is Always Changing von Maximo Park. Klaus Gehre Regisseur Ton, Steine, Scherben: Ich will nicht werden, was mein Alter ist. Thorsten Bihegue Regisseur und Dramaturg Da bin ich überfragt. Mir fallen im Moment nur Schnadahüpferl und Shanties ein. Wenzel Storch Regisseur Di misera regina von Monteverdi. Oder die Sex Pistols. Liesbeth Coltof Regisseurin Eins mit sehr vielen Strophen, die in Loops ineinander verschwimmen. Laura N. Junghanns Regisseurin

Sufjan Stevens – You Are The Blood Ramona Pöpping

Zuschauerin Always look at the bright side of life. Daniela Berglehn

PeterLicht - Das Lied vom Ende des Kapitalismus Stefan Neuhaus Zuschauer Guru Guru – Der Elektrolurch Michael Witte Schauspieler

Zuschauer

Kapelle Petra – Geburtstag Dennis Hoffmann Zuschauer

Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist. Zappa Schüßler Zuschauer

Botanica – Everybody Lies Ulrike Niestradt Zuschauerin und ehemalige Kollegin

Pink Floyd - Another Brick in The Wall Thorsten Homberger Zuschauer

Einstürzende Neubauten – Sehnsucht Torsten Paffendorf Zuschauer

Rage against the Machine – Killing in the Name Of Ute Kidess

Bilderbuch – Europa 22 Carlo Nevio Wilfart

Zuschauerin

Zuschauer

Teho Teardo & Blixa Bargeld: Come Up and See Me. Sonja Bischoff

Britney Spears – Oops! I Did It Again (Beste Performance mit den Lolitas!) Romina Uhrlau

Zuschauerin

Zuschauerin The Smiths – There is a Light That Never Goes Out Therese Strobel Zuschauerin

Aphex Twin – minipops 67 [120.2] Geoffrey Burm Zuschauer

Undisputed Truth – Show Time Dieter Paetzold Zuschauer

New Order – Blue Monday Carina Fast Zuschauerin

Dinah Washington – What A Difference A Day Makes Rosemarie Klein

Irgendwas Experimentelles, Dystopisches, aus dem Weltschmerz rinnt, was aber zugleich auch Mut macht und die Absurdität des eigenen Daseins widerspiegelt. Meine ersten Assoziationen waren ELO, Arcade Fire und MGMT. Axel Kopp

Zuschauerin

Zuschauer

Zuschauer

Noclu feat. Aniyo Kore: The Peak Björn Maletz Zuschauer Joy Division – Transmission Frank Zensor

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Philipp Joy Reinhardt und Ensemble in Das Internat

AUSZEICHNUNGEN 2010-2020 Visitor Q (Regie: Martin Laberenz), Einladung zum NRW-Theatertreffen 2011 +++ Jakob Schneider, Uwe Rohbeck, Beste Schauspieler, Publikumspreis 2011 (Dortmunder für ihr Schauspiel) +++ Heimat unter Erde, Beste Inszenierung, Publikumspreis 2011 +++ Caroline Hanke, Beste Schauspielerin, Kritikerpreis 2011 +++ Stadt ohne Geld, Sonderpreis der Kritikerjury 2011 +++ Nora/Gespenster (Regie: Kay Voges), Einladung zum NRW-Theatertreffen 2012 +++ Axel Holst, Bester Schauspieler, NRW-Theatertreffen 2012 +++ Christoph Jöde, Bester Schauspieler, Publikumspreis 2012 +++ Der Meister und Margarita, Beste Inszenierung, Publikumspreis 2012 +++ Luise Heyer, Beste Schauspielerin, Kritikerpreis 2012 +++ Paul Wallfisch, Bester Künstler, Sonderpreis der Kritikerjury 2012 +++ Christoph Jöde, Bester Nachwuchsschauspieler, Förderpreis des Landes NRW 2012 +++ Einige Nachrichten an das All (Regie: Kay Voges), Beste Produktion beim NRW-Theatertreffen 2013 +++ Einige Nachrichten an das All, 2. Platz beim Sunset Film Festival, Los Angeles, Kategorie: Experimental Film +++ Andreas Beck, Bester Schauspieler, Publikumspreis 2013 +++ Das Fest, Beste Inszenierung, Publikumspreis 2013 +++ Frank Genser, Uwe Schmieder, Beste Schauspieler, Kritikerpreis 2013 +++ Kay Voges, Bester Künstler, Sonderpreis der Kritikerjury 2013 +++ Einige Nachrichten an das All, Einladung zum 5th Annual Atlanta Philosophy Film Festival 2013 +++ Kay Voges, Nominierung für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2013 für Das Fest (Regie) +++ Das Fest, Beste Inszenierungen des Jahres 2013, Kritikerumfrage Welt am Sonntag +++ Das Fest, Beste Inszenierungen des Jahres 2013, Leserumfrage nachtkritik.de +++ Das Goldene Zeitalter (Regie: Kay Voges), Einladung zum Heidelberger Stückemarkt 2014 +++ Jörg Buttgereit, Kannibale und Liebe (Aufzeichnung), 1. Preis, Filmfestival Weekend of Fear 2014 +++ Daniel Hengst, Videokünstler, Dr. Otto-Kasten-Preis 2014 +++ Andreas Beck, Bester Schauspieler, Publikumspreis 2014 +++ Republik der Wölfe, Beste Inszenierung, Publikumspreis 2014 +++ Bettina Lieder, Uwe Rohbeck, Beste Schauspieler, Kritikerpreis 2014 +++ Alexander Kerlin, Dramaturgie, NRW-Förderpreis 2014 (u.a. für Das Fest und Das Goldene Zeitalter) +++ Kay Voges, Beste Regie für Einige Nachrichten an das All, Artodocs International Filmfestival S. Petersburg 2014 +++ Das Goldene Zeitalter, Beste Inszenierung/Beste Ausstattung, Kritikerumfragen 2014 in Theater heute, Die deutsche Bühne, Welt am Sonntag +++ Pia Maria Mackert, Nominierung für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2014 für Das Goldene Zeitalter (Bühne/Kostüm) +++ Kay Voges, Beste Regie für Hamlet, nachtkritik-Theatertreffen 2014 +++ Klaus Gehre, Beste Regie für Minority Report, nachtkritik-Theatertreffen 2014 +++ Schauspiel Dortmund, Zweiter Platz, Kategorie: Bestes Theater 2015, Kritikerumfragen Theater heute und Welt am Sonntag +++ Kay Voges, Beste Regie für Das Fest, nachtkritik-Theatertreffen 2015 +++ Bettina Lieder, Kulturnachwuchsförderpreis Bajazzo der Theater- und Konzertfreunde Dortmund +++ Merle Wasmuth, Beste Schauspielerin, Publikumspreis 2015 +++ Minority Report oder Mörder der Zukunft (Regie: Klaus Gehre), Beste Inszenierung, Publikumspreis 2015 +++ Björn Gabriel, Bester Schauspieler, Kritikerpreis 2015 +++ Die Möglichkeit einer Insel (Regie: sputnic), Beste Inszenierung, Kritikerpreis 2015 +++ Dortmunder Sprechchor, Bester Schauspieler, Publikumspreis 2016 +++ Die Borderline Prozession (Regie: Kay Voges), Beste Inszenierung, Publikumspreis 2016 +++ Technische Abteilung des Schauspiel Dortmund, Herausragende Leistung Umbauzeit/Megastore, Kritikerpreis 2016 +++ Watch me!, Produktion des Jugendclub Theaterpartisanen, Sonderpreis Dortmunder für ihr Schauspiel +++ Schauspiel Dortmund, Zweitbestes Theater, Kritikerumfrage Theater heute 2016 +++ Kay Voges, Beste Regie für Die Borderline Prozession, nachtkritik-Theatertreffen 2016 +++ Merle Wasmuth, Beste Nachwuchsschauspielerin, Förderpreis des Landes NRW 2016 +++ Die Schwarze Flotte (Regie: Kay Voges), Einladung zum Heidelberger Stückemarkt 2017 +++ Kay Voges, Künstlerische Leistung, Auszeichnung mit dem Eisernen Reinoldus des Presseverein Ruhr 2017 +++ Kay Voges, Besondere Verdienste in Dortmund, Auszeichnung mit dem Ehrenring 2017 des Innenstadtbezirks West +++ Laura N. Junghanns, Beste Regie, Petra-Meurer-Preis 2017 +++ Die Borderline Prozession (Regie: Kay Voges), Einladung zum Theatertreffen Berlin 2017 +++ Spiegelbarrikade (Schauspiel Dortmund und Tools for Action), BKM-Preis für Kulturelle Bildung 2017 +++ Frank Genser, Uwe Schmieder, Beste schauspielerische Leistung, Festival 41st Fadil Hadzic Satire Days in Zagreb 2017 +++ Andreas Beck, Bester Schauspieler, Publikumspreis 2017 +++ Michael Eickhoff, Anne-Kathrin Schulz, Alexander Kerlin, Dirk Baumann, Matthias Seier (Dramaturgie Schauspiel Dortmund), Recherche und Aufbereitung aktueller Stoffe, Kritikerpreis 2017 +++ Merle Wasmuth, Beste Schauspielerin, Sonderpreis der Dortmunder für ihr Schauspiel 2017 +++ Schauspiel Dortmund, Bestes Theater in NRW, Kritikerumfrage Welt am Sonntag 2017 +++ Die Borderline Prozession (Regie: Kay Voges), Beste Inszenierung eines zeitgenössischen Stücks, Kritikerumfrage Welt am Sonntag 2017 +++ Merle Wasmuth, Andreas Beck, Beste Schauspielerin, Bester Schauspieler, Kritikerumfrage Welt am Sonntag 2017 +++ Schauspiel Dortmund, Zweitbestes Theater, Kritikerumfrage Theater heute 2017 +++ Die Borderline Prozession (Regie: Kay Voges), Beste Inszenierung, Kritikerumfrage Theater heute 2017 +++ Michael Sieberock-Serafimowitsch, Mona Ulrich, Nominierung für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2017 für Die Borderline Prozession (Bühne/Kostüme) +++ Mario Simon, Förderpreis des Landes NRW 2017 +++ Peng! Kollektiv, Aachener Friedenspreis 2018 für verschiedene Projekte, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Dortmund +++ Bettina Lieder, Marlena Keil, Beste Schauspielerinnen, Publikumspreis 2018 +++ Der Kirschgarten (Regie: Sascha Hawemann), Beste Inszenierung, Publikumspreis 2018 +++ Ekkehard Freye, Bester Schauspieler, Kritikerpreis 2018 +++ Tommy Finke, Beste künstlerische, musikalische Leistung, Kritikerpreis 2018 +++ Schauspiel Dortmund, 3. Platz als Bestes Theater, Kritikerumfrage Theater heute 2018 +++ Schauspiel Dortmund, Bestes Theater in NRW, Kritikerumfrage der Welt am Sonntag 2018 +++ Das Internat, Der Theatermacher, Beste Inszenierungen von Stücken nach 1945, Kritikerumfrage der Welt am Sonntag 2018 +++ Uwe Rohbeck, Bester Schauspieler, Kritikerumfrage der Welt am Sonntag 2018 +++ Das Internat (Regie: Ersan Mondtag), nominiert für den Nestroy-Preis 2018 +++ Schauspiel Dortmund und Europaschule, 1. Preis Wettbewerb Kooperation.Konkret, Bildungspartner NRW +++ Die Parallelwelt (Regie: Kay Voges), Nominierung für Friedrich-Luft-Preis 2019, Berliner Morgenpost +++ Das Internat (Regie: Ersan Mondtag), Einladung zum Theatertreffen Berlin 2019 +++ Der Theatermacher (Regie: Kay Voges), Einladung zum NRW-Theatertreffen in Münster 2019 +++ Andreas Beck, Bester Darsteller, Fachjury NRW-Theatertreffen 2019 +++ Der Theatermacher, Beste Inszenierung, Jugendjury NRW-Theatertreffen +++ Bettina Lieder, Beste Schauspielerin, Publikumspreis 2019 +++ Die Parallelwelt (Regie: Kay Voges), Beste Inszenierung, Publikumspreis 2019 +++ Jan Friedrich, Inszenierung Hedda Gabler, Kritikerpreis 2019 +++ Frank Genser, Bester Schauspieler, u.a. in Im Irrgarten des Wissens, Kritikerjury 2019 +++ Jörg Buttgereit, Inszenierung Im Studio hört Dich niemand schreien, Sonderpreis Dortmunder für ihr Schauspiel 2019 +++ Dirk Baumann, Marie-Zimmermann-Stipendium für Dramaturgie 2019

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zum Eingeladen en 2017 heatertreff

T

in Berlin

DE R KE RL IN AN N UN D AL EX AN UM BA RK DI S, VO N KA Y VO GE

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219 Stückplakate für das Berliner Theatertreffen (sputnic)

Ei n g e l aden zu m Th e a t er tref fen 20 19 in Ber lin

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Ensemble in Die Borderline Prozession

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UNENDLICHE WEITEN DES RAUMS

Eine Erinnerung an zwei Jahre MEGASTORE von Dirk Baumann

Dirk Baumann war von 2012 bis 2020 Dramaturg am Schauspiel Dortmund. Er arbeitete hier u.a. mit Claudia Bauer, Kay Voges, Sascha Hawemann, Jonathan Meese, Laura N. Junghanns und kuratierte das transdisziplinäre Festival Inbetween – Theater zwischen Vorstellung und Ausstellung. 2019 erhielt er das Marie-Zimmermann-Stipendium für Dramaturgie an der Akademie Schloss Solitude.

Anfang Juli 2015: Ein markerschütternder Schrei schallt über den Vorplatz des Schauspielhauses, der nach der letzten Vorstellung der laufenden Saison gut mit Zuschauer_innen gefüllt ist. Es ist Intendant Kay Voges, der seiner Erleichterung Luft gemacht hat. Denn gerade eben, auf den allerletzten Drücker vor Beginn der Sommerpause, hat er die erlösende Nachricht in Form einer SMS erhalten: Das Schauspiel hat eine Ausweichspielstätte. Nach langem Hin und Her, zahlreichen Besichtigungen und schier endlosen Verhandlungen heißt es nun: grünes Licht für den Megastore in Hörde. Der Zeitpunkt hätte knapper nicht sein können. Ende Januar schon wird eine alternative Spielstätte zum Schauspielhaus gebraucht, denn das kann dann wegen des Abrisses des alten Magazins und dem anstehenden Neubau eines neuen mindestens ein Jahr nicht mehr genutzt werden. Das Schauspiel Dortmund drohte nicht nur heimatlos zu werden, ihm drohte auch die Zwangspause. Eigentlich kam die Entscheidung schon zu spät, denn die kommende Saison ist wegen fehlender Räumlichkeiten nur zur Hälfte geplant, das Spielzeitheft führt lediglich den neuen Dortmunder Stadtmarketing-Slogan auf: „Dortmund überrascht Dich“. Dann geht alles ganz schnell: Die Theaterleitung und die technischen Abteilungen machen sich daran, den Umzug in die ehemalige, 4280 Quadratmeter große Lagerhalle des BVB zu planen. Doch noch erinnert hier bislang rein gar nichts an ein Theater. Als Intendant Voges die Presse zur Vorstellung der Spielstätte einlädt, klatscht er in der großen leeren Halle in die Hände – der Nachhall ist lang: „Das ist für ein Sprechtheater eine Katastrophe und eignet sich eher für ein Orgelkonzert mit Stücken von Bach.“

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Marlena Keil, Merle Wasmuth, Bettina Lieder in Das schweigende Mädchen

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Die beiden großen Hallen laden mit ihrem grauen Gewerbecharme wenig zu Theatererlebnissen ein: „Wir haben keine Traversen mit Scheinwerfern – vieles, was im Schauspielhaus selbstverständlich ist, müssen wir erst neu einplanen“, sagt Voges. Und so wird begonnen, technische Improvisationen zu planen, bspw. müssen Scheinwerfer auf Stativen stehen, weil ein Rigg wie im Schauspielhaus fehlt. Den Technischen Leiter des Schauspiels Thomas Bohl treibt indes weniger die technische Realisierung des Umzugs und Umbaus um als der Papierkram, denn die größte Herausforderung ist die sog. Umnutzungsgenehmigung von einer Lager- und Verkaufsfläche zur Versammlungsstätte – in Deutschland ist das alles geregelt. RAUM UND ÄSTHETIK ALS KORRESPONDIER E N D E PA R T N E R Theatergeschichtlich war es schon immer so, dass die Architektur von Theaterräumen mit den Formen und Praktiken der darin stattfindenden Vorstellungen korrespondierte – und umgekehrt: Theaterbauten berichten immer auch von der zum Zeitpunkt des Baus vorherrschenden gesellschaftlichen Ordnung und Verfassung, aber genauso von der Theaterästhetik, der die Bauten als vermeintlich ideale Spielstätten angepasst wurden. Man denke an das antike Amphitheater, dessen Halbrund eine bestimmte Spielweise vorgab und dessen Anspruch der möglichst demokratischen Sitzanordnung wir heute noch in Parlamenten wiederfinden. Oder an den Beginn des bürgerlichen Repräsentationstheaters, in dem mit verschiedenen Zuschauerrängen die Distinktion innerhalb der Zuschauerschaft markiert wurde, bis hin zur sog. ‚Kaiserloge‘. Hier

hatten nicht mehr alle eine gleich gute Sicht auf die neue Guckkastenbühne, die in ihrer Abschottung nach außen eine möglichst artifizielle Bühnenwelt behaupten wollte, während die einzelnen Zuschauer_innen als Kollektiv in der Dunkelheit verschwanden. Oder an die Bestrebungen von Walter Gropius und Erwin Piscator: Sie versuchten, das Theater als einen möglichst flexiblen Ort zu gestalten: In ihrem „Totaltheater“ – das nie realisiert wurde – versuchten sie Ansätze aus Amphitheater, Guckkasten und Flexibilität miteinander zu verbinden, indem sie einen zum Teil beweglichen Zuschauerraum konzipierten. Das Stadttheater heutiger Prägung ist in dieser Hinsicht zum einen eine Weiterentwicklung aus dem Geist der Historie, zum anderen aber auch ein Status Quo im Verlauf der Zeit. Seine Architektur der Aufführungsräume bestimmt auch heute noch die Form des Spiels im Innern des Gebäudes und auf seinen Bühnen: Die Spielpläne werden zumeist für eine größere Guckkastenbühne und eine zumeist kleinere Spielstätte mit mehr oder weniger Verwandlungspotential gemacht. SECHSER IM LOTTO Der Megastore ist in dieser Hinsicht eine große Chance – denn er ist als Theaterort völlig unbeschrieben. Während das Dortmunder Schauspielhaus (gebaut in den 1950ern) über die klassischen Bühnenräume Guckkasten- und Studiobühne verfügt, ist hier noch alles undefiniert. Und so ist sich Voges im Oktober 2015, kurz bevor es losgeht im Megastore, sicher: „Es werden sich neue Perspektiven für das Theater erschließen“. „Die beiden Hallen bieten eine ungeheure Flexibilität. Sie erlauben es, das Theaterspiel neu zu denken.“ Und auch der Technische Leiter Thomas Bohl ist sich

sicher: „Der Megastore bietet völlig neue künstlerische Möglichkeiten, nicht nur die räumliche Anordnung von Publikum und Bühne, sondern auch neue Möglichkeiten für den Einsatz von künstlerischen Mitteln“. Und so werden alternative Ideen gesammelt, wie sich Theater jenseits der Guckkastenbühne denken und spielen lässt. Noch ist alles möglich, der Megastore auch in dieser Hinsicht ein Glücksfall, der so nur wenigen Intendant_innen widerfährt, das weiß auch Voges: „Aus künstlerischer Sicht ist das ein Sechser im Lotto“. Unter seiner Schlichtheit birgt der Megastore eben auch ein Versprechen auf alternative Bühnenmodelle, auf das Unmögliche, das noch nicht Gedachte, bislang immer nur Geträumte. Intendanz und Dramaturgie denken fieberhaft darüber nach, welche Projekte sie schon immer realisieren wollten, die aber aufgrund der räumlichen Gegebenheiten des Schauspielhauses am Hiltropwall nicht zu realisieren waren. Kay Voges präsentiert eine noch gar nicht so alte Idee: Schon im Schauspielhaus wollte er einen Theaterabend entwickeln, dessen Bühnenbild zu mehreren Seiten hin offen ist – und bei dem das Publikum nicht den ganzen Abend fest auf einem Platz sitzt. Das Konzept hatte es schon bis zur Prüfung seiner Realisierung im Schauspielhaus geschafft, scheiterte aber letztlich am enorm aufwändigen, teuren und langwierigen Auf- und Abbau – unmöglich im Repertoirebetrieb des Schauspielhauses. Aber hier, in dieser über 2000qm großen Halle, da könnte es gehen. Wenn das Bühnenbild mitten im Zentrum der großen Halle stehen würde, dann könnte man ein Theater schaffen, in dem es statt einer Zentral- eine Multiperspektive gibt, die Zuschauer_innen ihren Standpunkt selbst

wählen, vielleicht sogar mobil sind während der Vorstellung. Der Megastore hat so viel Platz, hier müsste man dieses aufwändige Bühnenbild gar nicht mehr abbauen, es könnte einfach stehen bleiben. Und nebenan, in der ‚kleinen‘ Halle – immerhin auch 1500 Quadratmeter – könnte man so gut es geht eine Guckkasten-Bühne installieren, Stücke mit Zentralperspektive spielen. Eine Zuschauertribüne, die einer 30 Meter tiefen Bühne gegenübersteht – unglaublich, wenn man die Kompaktheit der Dortmunder Schauspielhausbühne gewohnt ist. Ein Name, der klingt wie ein Versprechen, ist auch bald gefunden: Was sonst außer „Megatheater“ soll im Megastore stattfinden? Für den Umzug sind vier Monate Zeit, das ist machbar, allerdings stößt die Technische Leitung auch auf Probleme mit den notwendigen Genehmigungen. Bald zeigt sich aber auch die Divenhaftigkeit des Megastore – schnell ist klar, dass sich aus brandschutzrechtlichen Gründen nie mehr als 200 Zuschauer_innen im Megastore aufhalten dürfen. Eine parallele Bespielung beider Hallen an einem Abend ist daher ausgeschlossen. Der Spielplan wird sich zwangsläufig ausdünnen. Doch auch im laufenden Probenbetrieb zeigen sich die Schwierigkeiten: Da beide Hallen akustisch nicht voneinander getrennt sind, können zeitgleich nur schwer Proben stattfinden – die parallel stattfindenden Proben würden gestört. Dem Hall kommt man mit mobilen Stellwänden bei, die mit Stoff bedeckt sind – sie nehmen zumindest einen Teil des Echos – trotzdem müssen viele Stücke mit Mikroport gespielt werden, weil die Schauspieler_innen ohne einfach keine Chance haben, die Zuschauer_innen zu erreichen. Wenn es regnet, sorgen die auf das Blechdach fallenden Tropfen im Innern für ein be-

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gleitendes Rauschen. Außerdem gibt es nicht genügend Starkstromleitungen, um das Beleuchtungsniveau aufrechtzuerhalten. DIE WANDELBARE: MEGASTORE 1 Als erstes inszeniert Michael Simon im Megastore, Regisseur und Bühnenbildner. Eine interessante Kombination, wie sich bald herausstellt. Auf dem Spielplan steht Elfriede Jelineks Das schweigende Mädchen, ein Text, der sich mit den unfassbaren Ereignissen um die NSU-Morde und die Aufarbeitung im schier endlosen Münchner Prozess befasst – in und für Dortmund ein Stoff, wie er relevanter kaum sein könnte, eines der zehn Opfer wurde in Dortmund ermordet: Mehmet Kubaşik. Und obwohl Simon in der ‚kleinen‘ Halle inszeniert, dem als klassisches Bühnenäquivalent geplanten Raum, nutzt er dessen Möglichkeiten anders: Das Publikum betritt die Vorstellung über die Bühne, steht das erste Drittel des Abends in einem installativen Setting inmitten der Schauspieler_innen, es kann herumgehen, sich eigene Perspektiven suchen. Dann verändert sich der Raum, das Publikum wird hinter eine Wand geführt, die Tribüne wird sichtbar, den Rest der Vorstellung sehen die Zuschauer_innen wie gewohnt von einem festen Tribünenplatz aus. Im Verlauf der Vorstellung wird die Bühne von Bühnenbildelementen befreit, bis der Raum in seiner ganzen Dimension sichtbar wird. Simon lässt die drei Schauspielerinnen Merle Wasmuth, Marlena Keil und Bettina Lieder aus der ganzen Tiefe des Raums auf die Zuschauer zuschreiten, sie tragen ein großes rotes Tuch. Ein eindrucksvolles Bild. Und ein bisschen auch ein Versprechen auf das, was der Megastore als Theaterraum noch bereithält. Dass aus Brandschutzgründen ein Feuerlö-

scher auf der Bühne stehen muss und der Gastrobereich noch nicht ganz fertig ist – geschenkt. Für die Dortmunder_innen ist wichtig, dass sie überhaupt ein Bier bekommen.

len Recklinghausen statt, Inszenierung und Bühnenbild mussten also in zwei Bühnenräumen funktionieren – erst im September war die Uraufführung auch im Megastore zu sehen.

Nach dieser Premiere zieht das Schauspiel Anfang Februar 2016 dann komplett um – inklusive aller Büros und der gesamten Schauspiel-Belegschaft. Unter dem Motto „Mehr Theater auf Phönix West“ zieht das gesamte kostümierte Ensemble in einer Prozession, angeführt von einer Pferdekutsche mit den beiden DIE SHOW-Moderator_innen Bodo Aschenbach alias Frank Genser und Ulla alias Julia Schubert, über Dortmunds Straßen zur neuen Spielstätte nach Hörde – und stellt dort den glitzernden Schauspiel-Stern auf.

Aber auch die frontale Bühnensituation wird im Megastore 1 umgesetzt: In Gordon Kämmerers Inszenierung Kasimir und Karoline ist nicht nur der Bühnenraum riesig, auch die aufblasbaren Bühnenelemente Weißwürste und Bierzelt, durch das die Schauspieler_innen auf eigens gebauten Elektro-Karts rasen. Brechts Furcht und Elend des Dritten Reiches in der Regie von Sascha Hawemann gibt Einblicke in den schleichenden Prozess auf dem Weg zu einem Klima der Angst, das auch vor dem Privaten nicht Halt macht. Ein hochaktueller Kommentar auf rechtspopulistische Tendenzen im Anschluss an 2015 – dem Jahr, in dem so viele Geflüchtete nach Deutschland kamen wie nie zuvor. Auch Die Schwarze Flotte von Anne-Kathrin Schulz nach einer Recherche des Journalist_innen-Verbunds CORRECTIV beschäftigt sich mit dem Thema Flucht, deckt dabei aber dunkle Geschäfte um schrottreife Frachter im Mittelmeer, dubiose Mittelsmänner und Profitgier auf. Kay Voges inszeniert den Monolog eindringlich und multimedial mit Andreas Beck. Auch Paolo Magelli führt hier Regie: Mit Die Wiedervereinigung der beiden Koreas inszeniert er ein szenisches Kaleidoskop um das Thema Liebe und zeigt Szenen, die mit Leichtigkeit und Leidenschaft in ihren Bann ziehen. Der Futurologische Kongress nach Stanisław Lem in der Regie des Medienkollektivs sputnic führt die Form des Live-Animation-Cinema fort, die es im Schauspielhaus begonnen hat: Die Schauspieler_innen erzählen die Science-Fiction-Geschichte mithilfe von Modellen,

Auch während der darauffolgenden Inszenierungen wird die ‚kleine Halle‘ immer wieder räumlich neu definiert, die verschiebbare Tribüne erlaubt verschiedenste Arrangements. Kay Voges verwandelt die kleine Halle in ein New Yorker Upper Eastside-Loft, um hier die Protagonist_innen von Ayad Akhtars Geächtet aufeinanderprallen zu lassen, und nutzt dafür die ganze Tiefe des Raumes: Bühnenbildner Michael Sieberock-Serafimowitsch dreht die Bühne um 90 Grad, gespielt wird über eine Bühnenbreite von 16 Metern. Ed. Hauswirth wiederum entwickelt mit seinem Ensemble Die Liebe in Zeiten der Glasfaser und halbiert die Spielfläche kurzerhand, indem die Zuschauertribüne mitten im Raum steht. Claudia Bauers Inszenierung von Philippe Heules Die Simulanten spielt indes in einem eigens gebauten Guckkasten, aus dem die fünf Protagonist_innen verzweifelt einen Ausweg suchen. Die Besonderheit: Die Premiere des Stücks fand im Juni 2016 bei den Ruhrfestspie-

Live-Kameras und aufwändig gearbeiteten Animation-Plates. Und auch der Dortmunder Sprechchor – annähernd 100 Mitwirkende – bringt seinen eigenen Theaterabend hier zur Aufführung: In Das Bildnis des Dorian Gray lädt er das Publikum ein, sich auf die Geschichte des nicht altern wollenden Dorian Gray zu begeben und sich gleichzeitig mit der Diskrepanz aus Alter und dem ewigwährenden Wunsch nach Makellosigkeit, Jugend und ewigem Leben zu beschäftigen. Dafür nutzt er den Raum wiederum multifunktional: Das Publikum kann den Akteur_innen zunächst ganz nah kommen, bevor es auf der Tribüne Platz nimmt. KREISBEWEGUNGEN Im Frühjahr 2016 tut sich auch in der großen Halle etwas. Hier entsteht sukzessive eine eigene Welt: eine Straße, ein Kiosk, Garten, Whirlpool, Garage, eine Wohnung mit Küche, Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer sowie Bad – eine Bushaltestelle und ein Van. Die Ausmaße sind gigantisch. Immer wieder laufen Ensemble und Belegschaft staunend um das sich im Aufbau begriffene Bühnenbild herum – und nehmen so unwissentlich das Konzept der Borderline Prozession vorweg. Im Februar dann beginnen die Proben – im Original-Bühnenbild (Michael Sieberock-Serafimowitsch). Ein nicht gekannter Luxus, der so nur hier möglich ist. Und auch notwendig, denn wie soll man Die Borderline Prozession auf einer Probebühne proben? Doch es zeigt sich, dass das multiperspektivische Konzept auch seine Tücken hat: Wie inszenieren, wenn der Regisseur laufend Dinge verpasst, weil alle Räume zugleich bespielt werden und er eben nicht überall gleichzeitig sein kann? Das Konzept schlägt zurück – wenn Die Borderline Prozession eine Überset-

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Friederike Tiefenbacher, Peer Oscar Musinowski, Julia Schubert in Die Liebe in Zeiten der Glasfaser

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Ensemble in Die Borderline Prozession

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Marlena Keil, Ekkehard Freye in Furcht und Hoffnung in Deutschland: Ich bin das Volk

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zung für die disparate Aufmerksamkeit in Zeiten der digitalen Dauerbeschallung sein will, so ist sie das auch schon bei den Proben: Sehen und Verpassen sind Komplementäre, das eine funktioniert nicht ohne das andere. 23 Schauspieler_innen bevölkern alle Räume gleichzeitig. Die Stückentwicklung wird auch auf Basis von Improvisationen geprobt – der erste Versuch endet nach nicht einmal zehn Minuten in massenhaftem (Selbst-)Mord, Vergewaltigung, Tod. Die Spieler_innen können sich nicht gegenseitig sehen und spüren. Außerdem ist Theater Konflikt, alle Spieler_innen hatten Angst, dass ihre Szene langweilig sein könnte. Und nun das. Es heißt erstmal Tempo rauszunehmen. Kay Voges und sein Team (u.a. Tommy Finke, Mario Simon, Dirk Baumann, Alexander Kerlin) entwickeln in den folgenden Wochen verschiedene Spielregeln, sie probieren aus, improvisieren, mit Spiel, Text, Musik, Kamerabild. Es ist eine einmalige Stimmung, die hier im Herzen des Megastore herrscht. Die technische Belegschaft schaut den Proben von den Zuschauerrängen aus zu, die Musik ist so laut, dass sie in das obere Bürogeschoss schallt. Voges verlangt dem gesamten Schauspiel-Ensemble viel ab. Mit Erfolg. Die Borderline Prozession feiert am 15. April ihre umjubelte Premiere und generiert überregionale Aufmerksamkeit. Nicht nur die Dortmunder_innen lieben die Inszenierung, selten kamen so viele Zuschauer_innen von außerhalb, z.T. sogar aus dem Ausland. Die Mühe wird schließlich mit dem Theater-Oscar belohnt: Die Borderline Prozession wird im Februar 2017 als eine der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen im deutschsprachigen Raum zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Für die technischen Abteilungen die nächste große Aufgabe: Wie

soll das Bühnenbild, das nie dafür gedacht war, demontiert zu werden, abgebaut, nach Berlin transportiert, und dort in einer Halle wiederaufgebaut werden? Abgesehen davon, dass noch lange keine geeignete Spielstätte gefunden ist, denn auch die regulären Berliner Bühnen sind viel zu klein für diesen Aufbau. Doch das Bühnenbild der Borderline Prozession birgt noch weiteres Potential: Im Oktober 2016 eröffnet darin eine Zweigstelle des Dortmunder Finanzamts: Das Publikum ist zum Tag der offenen Tür eingeladen und kann in den Büros der Behörde auf dessen Mitarbeiter_innen, Heimliche Helden, treffen. Julia Schuberts Inszenierung überspitzt das Amts-Stereotyp: Alle Zuschauer_innen erhalten zu Beginn eine Wartemarke mit einem Ablauf der Büros, die sie anschließend nach und nach in kleinen Gruppen betreten. Das Bühnenbild ist bis auf die Grundrisse kaum wiederzuerkennen: Wo eben noch Zwiebeln geschält wurden und sich Familiendramen abspielten (Küche der Borderline Prozession) steht nun ein nüchterner Schreibtisch, an dem ein gekonnt unmotivierter Finanzamt-Mitarbeiter (Frank Genser) von der Anstrengung berichtet, einen Bleistift von einem Platz an den anderen zu bewegen. Eine freundliche Computerstimme lotst durch den Abend, an dem alle etwas anderes sehen: Das Publikum bewegt sich in einem Parcours durch die Räume, das Verpassen ist auch hier Teil des Konzepts, keine Zuschauer_innen-Gruppe kann alle Stationen sehen. Am Schluss finden alle bei Pfeffi und Schlager zur abschließenden Betriebsfeier im Bühnenbild-Garten zusammen – und tanzen Polonaise.

VA R I A B I L I TÄT A L S KONZEPT Neben dem Bühnenbild der Borderline Prozession wird schließlich noch eine kleine, dritte Spielstätte eingerichtet: der Megastore 3 – und auch diese verfügt dank mobiler Tribünen über eine erstaunliche räumliche Flexibilität, die von den hier zur Aufführung kommenden Inszenierungen reichlich genutzt wird. Anfang der Spielzeit 2016/2017 eröffnet Ed. Hauswirth hier mit Triumph der Freiheit #1 nach Joël Pommerat – ein Stück über die Anfänge und die Werte der modernen Demokratie, angesiedelt zur Zeit der Französischen Revolution. Im Zentrum des Raums steht eine schwankende Spielfläche, die Zuschauer sitzen sich auch hier auf zwei Tribünen gegenüber. Hier, im Megastore 3, entstehen aber auch Inszenierungen in im Theater gewohnten frontalen Setting, das eine räumliche Intimität wie im Schauspiel-Studio ermöglicht: Im Oktober 2016 duellieren sich Soapsternchen Katia (Merle Wasmuth) und Journalist Pierre (Carlos Lobo) in Theo van Goghs Das Interview in der Regie von Maximilian Lindemann verbal bis aufs Blut – im Kampf darum, dem/der anderen hinter die Fassade aus Unwahrheiten und Lügen zu blicken. Furcht und Hoffnung in Deutschland : Ich bin das Volk von Franz Xaver Kroetz in der Regie von Wiebke Rüter entführt die Zuschauer in die stickige Küche von Willi (Ekkehard Freye) und Marta (Marlena Keil) – und ihre Furcht vor Arbeitslosigkeit und damit einhergehender Xenophobie, die eine Dokumentarfilmerin (Julia Schubert) schonungslos mit der Kamera festzuhalten versucht – und dabei selbst die Orientierung zwischen Realität und Illusion verliert. Bei der Lecture Performance Flammende

Köpfe im März 2017 steht ebenfalls die Angst vor dem Fremden im Zentrum: Theatermacher Arne Vogelgesang analysiert, wie sich Menschen im Internet radikalisieren und zu entflammten Köpfen werden – Vogelgesang erschafft einen eindrucksvollen, virtuellen Chor von Kopf-Avataren auf dem Weg vom heimischen Wohnzimmer in den Online-Aufstand. Doch auch räumliche Experimente werden hier gewagt: Im Juni 2017 verwandelt sich der Megastore 3 in einen grünen Garten: Das Recherchestück Nach Manila der Gruppe Laokoon begibt sich darin auf die Spuren von Clickarbeitern auf den Philippinen, die unsere sozialen Netzwerke von digitalem Unkraut frei halten. Analog zu Gärtner_innen in einem Garten führen sie den schier aussichtslosen Kampf gegen das, was in unseren Timelines nicht erscheinen soll, aber permanent auf den Plattformen wuchert. Das Publikum sitzt mittendrin: Unter Bäumen und Büschen, zwischen Blumen und Gräsern – während die Schauspieler_innen den gesamten Garten bespielen und die Schicksale der Menschen hinter der „digitalen Drecksarbeit“ sichtbar machen, die zwölf Stunden am Tag mit Darstellungen von Gewalt, Missbrauch und Sexualität konfrontiert sind. Moritz Riesewiecks Inszenierung ist dabei erst der Auftakt zu großem medialem Echo: Sein kurz darauf auf seinen Recherchen basierender Dokumentarfilm The Cleaners geht international durch die Decke – und wird sogar für einen der begehrten Emmys nominiert. Auch für TRUMP wird der Megastore 3 auf besondere Art und Weise genutzt: „Mike Daisey erzählt vom Aufstieg des Populismus, personifiziert durch Donald Trump als 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Damit ist

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es gleichzeitig auch die Geschichte eines Landes und seiner zwei Parteien – der amerikanischen Republikaner und der amerikanischen Demokraten. Für mich lässt Daisey zwei Dinge gleichzeitig aufscheinen: Das Ende einer Parteienlandschaft, in der kompetent, sachbezogen und respektvoll miteinander um die Stimmen der Wähler gekämpft wird, aber auch das Ende aller Partys, also des fröhlichen Miteinanders der Meinungs- und Lebensvielfalt, wie es viele der Obama-Präsidentschaft zuordnen“, sagt Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz über die Inszenierung. Regisseur Marcus Lobbes und Ausstatterin Pia Maria Mackert beziehen sich in ihrem Raumkonzept genau darauf und inszenieren das Ende einer Party: „Die Zuschauer_innen betraten einen Raum mit durch blaue Vorhänge verdeckten Wänden, Stehtischen und kleiner Bühne, in dem eine Wahlkampfparty praktisch schon vorbei war – die Fähnchen standen noch auf dem Tisch, die Girlanden hingen, aber die Ballons lagen schon auf dem Boden und die Kartoffelflips waren fast alle“, so Schulz. Die Texte werden aufgeteilt auf zwei Personen, die durch den Abend führen: Bettina Lieder und Andreas Beck. Die beiden bewegen sich während der Inszenierung frei durch den Raum, das Publikum wird Teil des Bühnenbilds, wird angesprochen, muss z.T. ausweichen. Und: Beck und Lieder räumen während des Spiels, zunächst unmerklich, den Raum leer, eine besondere spielerische Herausforderung: „Die beiden mussten stimmlich und räumlich ganz anders arbeiten als in den meisten anderen Settings, sie mussten individuell entscheiden, wohin sie gehen und was sie genau tun – und wen sie an welcher Stelle konkret ansprechen. Und dabei dennoch natürlich immer für alle anwesenden Zuschauer_ innen spielen, auch für die, die

sie in diesem Augenblick nicht sehen konnten.“ Requisiten und Stehtische verschwinden, schließlich beginnen Bühnen- und Tontechnik abzubauen, die Beleuchtungsabteilung demontiert die Scheinwerfer, die blauen Aushänge werden abgerissen: „Eben noch ein blauer übersichtlicher Raum mit Hot Dogs und Musik und Glitzer und schummrig-stimmungsvollem Licht, plötzlich dann eine riesige Industriehalle im Neonlicht – die große Halle des Megastores“, fasst Schulz zusammen. Schließlich wird auch der Kunstrasen aufgerollt, die Zuschauer_innen müssen ausweichen, um nicht im Weg zu stehen – und schließlich wird auch die Partybühne weggezogen – es bleibt der leere Raum. Währenddessen berichten die Figuren: „Was ihr nicht versteht, ist, dass da draußen schon jemand ist, der ihn (Trump) beobachtet und sich Notizen macht. Und diese Person denkt sich: ‚Ich werd sein wie er, aber besser. Er hat die Straße gebaut, und jemand anderes kann jetzt einfach auf ihr langrennen. Langrasen‘“. Schulz beschreibt diesen Moment im Raum als „vielschichtige brutale Ratlosigkeit, die perfekt zu dem Thema passte.“ Je länger der Abend dauert, desto weniger bleibt von der schönen Fassade übrig – bis zuletzt die Leere des Megastore das Publikum in den Schlund der ungeschminkten Wahrheit blicken lässt. TRUMP lief so erfolgreich im Megastore, dass die Inszenierung den Weg ins Schauspielhaus fand – hier wurde die Inszenierung im Studio gezeigt, mit einigen Anpassungen. Für Schulz aber nicht das gleiche: „Der Effekt der abrupten Verwandlung eines gestalteten Theaterraums in einen ungestalteten Ort“ fand zwar auch hier statt, aber die schwarzen Studiowände warten

nicht mit der gleichen Nüchternheit auf wie der Megastore. Ein räumliches Experiment, das so nur im Megastore mit seiner großen Flexibilität möglich war. Dramaturgin Schulz würde sich öfter solche offenen Settings wünschen, denn „die im Theater oft ja architektonisch bedingte Trennung von Zuschauerraum und Bühne aufzulösen, ist für viele Theaterkünstler_innen sicher hochinteressant. Nicht nur, weil so die Zuschauer_innen wie bei TRUMP Teil des Bühnenbilds werden können, sondern auch, weil so mit viel mehr Perspektiven gearbeitet werden könnte. Aus szenographischer Sicht bot der Megastore uns nicht nur für TRUMP und Die Borderline Prozession ungeahnte Möglichkeiten, die wir so im Schauspielhaus nicht gehabt hätten.“ PERMANENTE I M P R O V I S AT I O N E N Doch neben aller Euphorie – der Megastore ist und war kein Theaterbau. Und das heißt, es fehlt an vielen Ecken und Enden am vom Schauspielhaus Gewohnten, Improvisationen sind an der Tagesordnung. Es gibt eigentlich nur zwei Garderoben, die sich das gesamte Ensemble teilen muss. Außerdem müssen sich die Schauspieler_innen eine einzige Dusche teilen – und um diese zu erreichen, auch noch an den Zuschauer_innen vorbei. Fließendes Wasser in der Maske? Fehlanzeige. In der kalten Jahreszeit macht sich die Kälte auch im Innern breit – und lässt sich nur sehr schwer vertreiben unter Zuhilfenahme lauter Heizlüfter. Im Sommer ist es heiß. „Diese Halle beherbergt zwar ein Theater, aber sie ist kein Theater. Die Schauspielmitarbeiter müssen sie jeden Tag aufs Neue dazu machen“, schreiben die Ruhr Nachrichten als erste Zwischenbilanz Anfang 2016. Das spüren auch

die Zuschauer_innen: Auf den Stühlen liegen immer Decken bereit, damit sie sich wärmen können. Denn die zu Beginn einer Vorstellung noch herrschende Wärme verfliegt schnell, sobald die Heizlüfter ausgeschaltet sind – sie eingeschaltet zu lassen ist aufgrund ihres Geräuschpegels keine Alternative. Und dann sind da natürlich auch die fehlenden Lagerkapazitäten: Normalerweise gibt es in einem Theaterbau ein Magazin, in dem die Bühnenbilder des Repertoires gelagert werden. Hier muss alles in der großen Halle untergebracht werden, neben dem Bühnenbild der Borderline Prozession. Als der Platz nicht mehr reicht, werden Container auf dem Parkplatz aufgestellt. Kay Voges sagt einmal „Die Halle ist eine Diva. Sie sagt: Wenn ihr meint, dass ihr hier Theater machen müsst, dann bitte. Aber glaubt nicht, dass ich mich dafür ändern werde. Also müssen wir uns anpassen, und diese Diva schafft es dann auch, dass hier neue Dinge entstehen.“ Dass dafür vor allem auch die technischen Abteilungen gesorgt haben, erkennt die Kritiker-Jury des jährlichen Preises der Theaterfreunde Dortmunder für ihr Schauspiel an: Sie zeichnet die technischen Abteilungen des Schauspiels für ihre Anstrengungen Ende der Spielzeit 2015/16 mit dem Preis der Kritiker-Jury aus. Irgendwann überwiegen dann aber doch die infrastrukturellen Nachteile die Attraktivität der künstlerischen Möglichkeiten. Voges und das Ensemble sehnen sich zurück ins Schauspielhaus: Ausreichend Garderoben, Sanitäranlagen, eine funktionierende Heizung und natürlich die Technik der Bühne mit Drehscheibe und Zügen. Der Rückzug im November 2016 ist vom Tisch als klar wird, dass es Verzögerungen auf der Baustelle am Theaterkarree gibt. Voges bemüht sich um ei-

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Carlos Lobo, Merle Wasmuth in Das Interview

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Bettina Lieder, Frank Genser in Furcht und Elend des Dritten Reiches

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nen Teilumbau im Megastore, der zumindest ein wenig Abhilfe schaffen würde. Die Ruhrbarone schreiben über dieses Teil-Zugeständnis seitens der Stadt süffisant: „Kay Voges bekommt ein Klo.“ Gemeint sind Sanitär-Container, die vor dem Megastore aufgestellt werden sollen, um die Situation für das Ensemble zu verbessern. Doch dann geht es doch schneller als gedacht mit dem Rückzug ins Schauspielhaus. Der Rückumzug beginnt mit Ende der Spielzeit 2016/17. Und am 22. Oktober 2017 dreht Die Borderline Prozession zum letzten Mal ihre Runden im Megastore und gipfelt in einem rauschhaften Exzess: Ensemble und technische Abteilungen zertrümmern das Bühnenbild während der Vorstellung mit Vorschlaghammer, Axt und Kreissäge. Es bleibt ein Trümmerhaufen. Einzig in der digitalen Welt sind das Bühnenbild und der Megastore noch erlebbar: Anfang 2017 wird das Bühnenbild in Kooperation mit der Künstlergruppe Cyberräuber mit Laserscans und tausenden Fotos in die virtuelle Welt übertragen, es entsteht die interaktive Virtual-Reality-Installation Memories of Borderline: Darin kann sich der/die Zuschauer_in auf einen individuell gesteuerten, virtuellen Spaziergang durch das Bühnenbild begeben, begleitet von Texten und Musik. Um am Ende im leeren Raum zu stehen. Und auch in der realen Welt heißt es Abschied nehmen, das Schauspiel Dortmund kehrt dem Megastore den Rücken, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Eine eineinhalbjährige, oft anstrengende Improvisation und eine stilprägende Epoche gehen für das gesamte Ensemble des Schauspiel Dortmund zu Ende. DIE FRAGE DES RAUMES Doch was bleibt vom Experiment Megastore? Klar ist:

Ohne den Megastore hätte es Theaterformen wie Die Borderline Prozession, Nach Manila oder Heimliche Helden nicht gegeben. Dafür braucht es offene, flexible Räume, die architektonisch wenig vorgeben und sich jedes Mal neu denken und nutzen lassen. Eine Situation, auf die sich die Künstler_innen zwar erst einstellen müssen – dann aber bald die Vorteile zu schätzen und zu nutzen wissen. Nur in solchen Räumen kann man dem Publikum verschiedenste Perspektiven ermöglichen, es unterschiedliche Dinge in derselben Vorstellung erleben lassen – Formen, in denen sich die Disparität der Wahrnehmung im digitalen Zeitalter spiegelt. Nach den Vorstellungen von Die Borderline Prozession war dann auch die häufigste Frage nicht mehr „Wie fandest Du es?“, sondern: „Was hast Du gesehen?“. Ist die Abwendung von der Zentralperspektive, bei der alle potentiell dasselbe sehen können, also eine Weiterentwicklung des Theaters als Institution? Eine Antwort auf zunehmende gesellschaftliche Individualisierungstendenzen, in der immer mehr das Individuum bestimmt, was es wann, wie lange und in welcher Reihenfolge sieht? Und falls ja, sollte das Theater dem nicht gerade etwas entgegensetzen und den Versammlungscharakter der Institution betonen? Die Antwort liegt dazwischen. Offene, flexible Architekturen ermöglichen es, die Anordnungen zwischen Bühne und Zuschauerraum, zwischen Szene und Publikum neu zu denken. Und auch die Rolle des Publikums selbst zwischen passiven Konsument_innen und selbstbestimmten Akteur_innen. Erst im Zusammenspiel beider Formen kann das Theater – will es der Gegenwart gewachsen sein – sowohl seine Stärken als Versammlungsort als auch als Ort zeitgenössischer

Dramaturgien ausspielen. Was es dafür braucht, sind mutige Infrastrukturen. Denn auf der anderen Seite wird auch deutlich, dass eine leere Halle Beschränkungen mit sich bringt, sie sich besonders dann zu wehren scheint, wenn man versucht, sie so zu nutzen wie einen klassischen Theaterbau: In Zentralperspektive inszenierte Stücke erforderten vielleicht die größte Anpassungsleistung von Schauspieler_innen und Regieteams. Genau so wie auf der Guckkastenbühne des Schauspielhauses ließen sich auch Stücke mit Zentralperspektive nicht inszenieren. Im Megastore 1 blieb die Halle fast immer dominant – am besten ließ sich damit umgehen, wenn man diesen vermeintlichen Nachteil konzeptuell mitdachte, wie beispielsweise in Kay Voges‘ Stückentwicklung hell | ein Augenblick. Im Mittelpunkt der Inszenierung stand der Moment, das Jetzt, der Augenblick, den es festzuhalten gilt – wie auf einem Foto. Der Megastore 1 verwandelte sich dafür in eine gigantische Dunkelkammer. Der Wechsel aus Dunkelheit und Helligkeit, das plötzliche Aufscheinen des Blitzlichts in den Dimensionen des Megastore – das funktionierte nur hier. Die geplante Übertragung der Inszenierung ins Schauspielhaus musste dann auch scheitern: Die Abmessungen des Schauspielhauses sind für einen solch raumgreifenden Ansatz nicht gemacht. Die Schauspieler_innen haben aus der Zeit im Megastore sicher Einiges mitgenommen: eine erweiterte Flexibilität im Spiel, performativere Ansätze, vielleicht sogar einen neuen Mut zur Größe. Das alles tragen sie zurück ins Schauspielhaus – und nehmen es mit auf ihren weiteren Weg.

Das Schauspiel Dortmund hätte den Megastore gerne als Spielstätte behalten. Nicht anstatt des Schauspiels am Hiltropwall, sondern zusätzlich. Als Ort für Experimente, alternative Formate und überraschende Begegnungen mit zeitgenössischen Formen der darstellenden Kunst, die sich in einer Guckkastenbühne und einer etwa 10x10m abmessenden Black Box nicht umsetzen lassen. Es gilt nicht, das alte abzureißen und ausschließlich neue Formate zu propagieren. Doch ein Theater der Gegenwart braucht mehr Flexibilität als noch vor wenigen Jahren bzw. Jahrzehnten, um mit den Entwicklungen in den darstellenden Künsten, veränderten Erzählweisen und Wahrnehmungsgewohnheiten mithalten zu können. Würde man heute einen neuen Theaterbau errichten – Diskussionen darum werden derzeit u.a. in Dortmund im Zusammenhang mit der Jungen Bühne Westfalen geführt, aber auch angesichts teurer Sanierungen von Bestandsbauten in anderen deutschen Städten –, gälte es diese Anforderungen an eine tatsächliche räumliche Flexibilität konsequent mitzudenken. Ein Bühnenraum müsste sowohl Guckkastenbühne sein können als auch Raumbühne. Sich leicht umwandeln, die Tribünensituation sich dem jeweils schlüssigsten Raumkonzept anpassen lassen. Große wie kleine Formate ermöglichen. Zentral-, Multiperspektive und Parcours zulassen. Von seiner Architektur her weniger restriktiv sein, was die Formate der darin stattfindenden Kunst betrifft. Solange wir solche Theaterbauten (noch) nicht haben, braucht es andere, zusätzliche Räume, die dazu gemacht werden. Wie den Megastore. Bei allen Nachteilen, die er für einen Repertoire-Theater-Betrieb hatte. Aus künstlerischer Sicht war der Megastore eines tatsächlich: Ein Sechser im Lotto.

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Mario Simon, Raafat Daboul, Caroline Hanke in Nach Manila

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Uwe Rohbeck in Triumph der Freiheit #1

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MITTENDRIN STATT NUR DABEI

Über die Arbeit mit Jugendlichen in zehn Jahren am Schauspiel Dortmund von Dirk Baumann und Sarah Jasinszczak

Theater ist nicht nur ein Ort für das Publikum im Zuschauerraum. Immer mehr und immer öfter richten sich Angebote an Bürger_innen, die selbst auf der Bühne stehen – denn sie sind es, die von ihrem unmittelbaren Lebensalltag, Begegnungen, Heraus- und Überforderungen am besten Zeugnis ablegen und anderen davon erzählen können. Vor diesem Hintergrund spielt die Arbeit mit jungen Menschen eine ganz besondere Rolle: Sie sind die Expert_innen ihrer Welt. Außerdem gilt das Theater noch immer als Ort der kulturellen und ästhetischen Bildung, sowohl im Schulzusammenhang als auch darüber hinaus. Es ist der Ort, an dem junge Menschen vielleicht zum ersten Mal mit den Mitteln der Kunst in Berührung kommen, und das mit allen Sinnen: sehend, sprechend, hörend, fühlend. Im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung ist das ein kaum zu überschätzender Prozess, der nicht immer in einen weiteren künstlerischen Lebensweg führen muss – aber kann. In jedem Fall öffnet ein freier Raum, in dem sich junge Menschen ausprobieren, mit Rollen und Rollenbildern experimentieren können, um zu erfahren, was es heißt, in der Haut von jemand ganz anderem zu stecken, vielleicht noch ungekannte Türen auf dem Weg ins Erwachsenenalter. Von diesen Grundsätzen war die theaterpädagogische Arbeit am Schauspiel Dortmund in den Jahren 2010-20 geprägt. Als Leitgedanke stand dabei immer im Zentrum, die Arbeit mit Jugendlichen als offenes Angebot zu formulieren jenseits von Castings, die zu einem möglichst ‚besten‘ Ergebnis auf der Bühne führen. Wer versteht, welche Potentiale durch die Konzentration auf den Prozess statt das Ergebnis stecken, wer zulässt, dass begangene Wege auch in Sackgassen führen können, dass sich szenische Investitionen erst im Moment der ersten Aufführung einlösen können, konnte und kann ungeahnte Entwicklungen bei den beteiligten jungen Menschen sehen. Theater im Schauspiel Dortmund war daher immer als Theater für alle gemeint – auf der Bühne und im Publikum. Das Schauspiel war in den Jahren 2010-20 in dieser Hinsicht daher nicht nur ein lebendiger Ort für Kunst, sondern vielmehr auch ein Begegnungsort vor allem für junge Menschen, die hier auf Schauspielprofis, Gleich- und Andersgesinnte treffen konnten. Und die das Theater in diesem Sinne vollumfänglich zu einem Ort der kulturellen Bildung haben werden lassen. Innerhalb der Sparte galt der Grundsatz: Wo bestehen Zusammenhänge zwischen der künstlerischen Beschäftigung mit Stoffen

und Themen im Schauspiel und was denkt die Jugend in Dortmund darüber? Was nehmen die jungen Leute wahr und wo können sie sich kreativ ausdrücken im Theaterkontext? Ein wichtiges Merkmal war dabei am Schauspiel Dortmund stets: Jede_r kann mitmachen, es gibt kein Casting. Ob im offenen Angebot des Improvisationstheaters oder bei der Entwicklung von Inszenierungen für die Studiobühne. Auch die Trennung zwischen Macher_innen und Spieler_innen wurde aufgehoben: Wer dabei war, konnte mitgestalten, Talente entdecken, Ressourcen erweitern und sich persönlich entwickeln. THEMEN Ein offenes Angebot beginnt bereits bei der Stoffauswahl. „Wichtig ist, dass die Jugend ihre eigenen Themen ins Theater mitbringt“, sagt Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak. Statt fertiger Bühnenstücke erzählten die Jugendlichen aus ihrem Leben, denn: „Die Jugendlichen wissen, wo es brennt, und wissen mehr als wir.“ Das galt gerade für den Beginn der Intendanz 2010 und die erste Spielzeit, die unter dem Motto „Stadt ohne Geld“ stand – das Theater konnte hier von den Erfahrungen der Jugendlichen lernen: „Als Leitungs-Team standen wir erstmal da mit Fragen wie: Was ist das für eine Stadt? Diese Stadt hat kein Geld – was bedeutet das für Jugendliche, die hier aufgewachsen sind? Gehen sie hier weg? Sehen sie hier eine Zukunft? Und dann auch: Was stinkt den Jugendlichen in Dortmund?“ Einem offenen Aufruf folgten zahlreiche junge Menschen, um beim geplanten Jugendclub mitzumachen. Aber wie sollte der heißen? „Die Jugendlichen sind selbst auf den Namen Theaterpartisanen gekommen – weil sie sagten: ,Wir sind eine Underground-Gruppe!´“, erinnert sich Jasinszczak. Seither begeben sich die Theaterpartisanen jede Spielzeit auf die Reise im Schauspiel – und mit vielen Aktionen in der Dortmunder Innenstadt, mit Flash Mobs, Free Hugs und spontanen Improvisationen. ZWISCHEN PROZESS UND ERGEBNIS Und trotzdem spielt auch das Moment der Aufführung eine Rolle für die fokussierte kreative Theaterarbeit. Nur damit lässt sich das Feuer am Leben erhalten, das es braucht, um aus tausenden von Ideen ein Konzept zu entwickeln. Zugleich gilt es den Raum und die Zeit offen zu halten zur freien Entwicklung von Ideen jenseits des

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Verwertungszwangs. Denn die Theaterstücke der Theaterpartisanen entstanden immer durch die Beteiligung aller: Die Inszenierungen konnten so die Sehnsüchte und Wünsche der Jugendlichen abbilden und den Prozess der gemeinsamen Erarbeitung zum zentralen Element der Inszenierung werden lassen. Das Wahrnehmen und die Auseinandersetzung mit der direkten Lebenswelt bildete das Zentrum, das aus heterogenen Einzelnen eine Gruppe Theaterbegeisterter werden ließ. „Obwohl wir alle so unterschiedlich waren, haben wir uns immer gegenseitig unterstützt für die Sache. Mit der Zeit hat man die Eigenheiten der anderen akzeptiert und auch gemerkt, dass man hier so sein kann, wie man ist, ohne anzuecken“, erinnert sich Frauke Becker, eine ehemalige Theaterpartisanin. Das Ergebnis – die Aufführungen im Frühjahr – bildete schließlich die intensiv verbrachte Zeit ab. Die stets ausverkauften Vorstellungen kamen dabei nicht nur bei Familien und Freunden gut an. Über zehn Jahre entstanden auf diese Weise immer wieder Stückentwicklungen zu spezifischen Jugendthemen: Anders aber anders, Identity, Voll normal?! oder, ganz zu Beginn, Ass Karta. Theaterspielen wurde hier zur Ästhetisierung der eigenen Lebenswirklichkeit, an der Spieler_innen, Textschreiber_innen, Live-Filmer_innen gleichermaßen beteiligt waren, begleitet von Theaterpädagog_innen, Choreograf_innen, Autor_innen und Dramaturg_innen. KÜNSTLERISCHE FORSCHUNG Ein wichtiges Format in diesem Kontext bildete ab 2013 die jährlich stattfindende Herbstakademie unter der künstlerischen Leitung von Dirk Baumann und Sarah Jasinszczak. Eine Herbstferien-Woche lang bevölkerten Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren alle Ecken des Schauspiels – und forschten künstlerisch zu jeweils einem anderen Motto. Und das zwar im, aber nicht nur mit den Mitteln des Theaters, denn die Herbstakademie war als interdisziplinäres Format noch offener in seiner thematischen und formalen Ausgestaltung. In sieben Jahren Herbstakademie wurde geschrieben, gefilmt, komponiert, geschnitten, fotografiert, performt, gesprayt, gescribbelt, programmiert, getanzt, gesungen, gerappt und vieles mehr. Und auch hier stand stets der Prozess der freien Arbeit im Mittelpunkt, nicht das Ergebnis, auch wenn die abschließende Präsentation Einblicke in die Arbeitsprozesse gab. Das Theater erlebte dadurch gleich mehrere Verwandlungsprozesse: eine Umnutzung seiner Räumlichkeiten, eine

interdisziplinäre Öffnung und einen Einblick in das, was jungen Menschen derzeit auf den Nägeln brennt: „Uns ist wichtig, auf die Ideen der Teilnehmer_innen einzugehen. Jugendliche kann man nur durch Faszination erreichen. Wenn die Augen erst einmal fürs Theater aufgehen, dann haben wir gewonnen“, sagt Jasinszczak. Zehn Jahre Arbeit mit und für Jugendliche haben im Schauspiel Dortmund ihre Spuren hinterlassen. Es kommen zwar in jedem Jahr neue Theaterbegeisterte mit Entdeckerlust und Ideenreichtum, doch ist für Theaterpädagogin Jasinszczak eine Veränderung wahrzunehmen: „Die Jugendlichen sind alle Digital Natives, das beeinflusst ihre Herangehensweise an Projekte. Es braucht mehr Zeit, um ins Tun, in die Bewegung zu kommen.“ Und: „Die Angst vor dem Scheitern im Experiment, im Prozess, ist viel größer geworden.“ Heißt das, die Anstrengung, den Prozess als solchen offen zu halten, ist schwieriger als früher? Vielleicht. Aber wo sonst gibt es einen Raum, in dem man ausprobieren kann frei von (Be-)Wertung, im geschützten Rahmen, mit Verbündeten statt Konkurrenten? Viele ehemalige Mitstreiter_innen sind dem Schauspiel über die Jahre verbunden geblieben – manche haben selbst ihren Weg ins Theater gefunden, andere sind ganz woanders. Tolga Güclü, heute noch in der Studi-Improgruppe, schrieb: „Ich habe mich besser kennengelernt. Die Liebe zum Theater wurde entfacht. Für mich gilt es nun, weiter zu machen. Läuft bei mir. Ich studiere mittlerweile an der RuhrUniversität in Bochum Theater- und Medienwissenschaften.“ Manche begleiten das Schauspiel noch im Netz, von einigen hat man nie wieder etwas gehört. Carina Fast, die FSKJlerin der letzten Spielzeit schrieb letztens: „Meine Zeit im Schauspiel war für mich ein riesiger Schritt in Richtung Erwachsenwerden. Ich bin sehr dankbar für meine abwechslungsreichen Aufgaben und das Vertrauen, das mir dabei entgegen gebracht wurde. Danke, Sarah!“ Und deshalb bleibt da dieses Gefühl, ihnen allen etwas mitgegeben zu haben auf den Weg, den das Leben schreibt.

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Theaterpartisanen-Ensemble in Anders aber Anders

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Theaterpartisanen-Ensemble in Voll normal und einzigartig

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Dominik Bay ist als Netzwerk-Ingenieur weltweit tätig und am Schauspiel Dortmund immer wieder auf, unter oder neben der Bühne im Einsatz, wenn in der analogen Welt digital Raum und Zeit überwunden werden müssen – seit 2019 auch an der Akademie für Theater und Digitalität. Lucas Pleß ist Software-Entwickler und seit 2017 fest für Coding und Engineering am Schauspiel Dortmund, seit 2019 auch an der Akademie für Theater und Digitalität. Sein erfolgreich absolviertes Studium der Technischen Informatik prägt auch seine Freizeit, in der er sich mit blinkenden Gadgets beschäftigt.

DIE DATENDOMPTEURE Lucas Pleß und Dominik Bay sprechen mit Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz über Parallelwelten, Elektronik-Spielzeug, Bonding zwischen Theater und Technik und ausfransendes Licht Schulz

Lieber Lucas, Du bist Programmierer, und Dominik, Du baust digitale Netzwerke. Ohne Euch beide wären in den vergangenen Jahren diverse Inszenierungen am Schauspiel Dortmund überhaupt nicht möglich gewesen. Lucas, wir haben uns das erste Mal im Juni 2012 bei Crashtest Nordstadt gesehen – das war ein riesiges Stadtspiel in der Dortmunder Nordstadt, erfunden und entwickelt von matthaei & konsorten. Ich war in einer Publikumsgruppe, die den Hackerspace des Chaostreff Dortmund besuchte, wo eines der Crashtest Nordstadt-Minigames stattfand.

Pleß

Durch Crashtest bekam ich einen ersten Einblick in eine für mich komplett andere Welt. Ich komme aus der Informatik-/Computer-Ecke und hatte nie direkt Kontakt zum Theater und keine Vorstellung davon. Damals habe ich dann auch meine erste Theateraufführung besucht.

Schulz

Und schnell auch selber am Theater mitgemacht. Im Februar 2013 hatte Daniel Hengsts Der Live Code: Krieg und Frieden im Globalen Dorf Premiere, ein Theaterabend über die technologische Evolution, die Werkzeuge der Gegenwart und Open Source. Daniel hat hierfür gleich mit drei damaligen Chaostreff-Mitgliedern zusammengearbeitet: Mit Dir, Lucas, Stefan Kögl und

mit Rolf Morgenstern. Diese Inszenierung sprach die Einladung an die Zuschauenden aus, aktiver Teil der menschlich-technologischen Evolution zu werden, statt nur Konsument zu sein. Es war eine Inszenierung ohne Schauspieler_innen – jedenfalls live vor Ort, denn Eva Verena Müller schwebte auf Gazen durch den dunklen Datenraum. Und die drei Menschen, die man sehen konnte, haben live an Computern gearbeitet: Rolf hat mit Fluxus programmiert, Daniel steuerte die Videokunst mit MAX/MSP, beide waren per Netzwerk verbunden mit dem Musiker Martin Juhls sowie Daten aus dem Internet. Und im Juni 2013 hat dann der gesamte Chaostreff Dortmund seinen Hackerspace vier Tage ins Schauspiel Dortmund verlegt, für das Festival CYBERLEIBER – Letzte Dramen zwischen Mensch und Maschine. Für mich waren das magische Stunden – ein völlig verwandeltes Oberes Foyer: Sofas, zauberhaftes Licht, viele Menschen an Laptops, Drucker, Lasercutter und natürlich ein Kühlschrank mit Mate. Ihr habt den Besucher_innen Geräte erklärt, Vorträge gehalten, Lucas mit Daniel Hengst vor Ort Mensch/Maschine-Schnittstellen für die Performance Bioadapter entwickelt, und Dominik musste erstmal ein WLAN bauen, da es das im Schauspielhaus noch nicht gab.

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Bay

Pleß

Ich war damals, glaube ich, noch nicht so in der Theaterwolke und habe es daher erstmal als einen normalen Event-Job gesehen. Irgendwo Infrastruktur zu bauen ist für mich nicht so ungewöhnlich. Dass das jedoch im Theater – was damals von mir sicherlich noch teilweise als spießiger/bürgerlicher Ort gesehen wurde – passierte, war schon ganz gut und machte Hoffnung auf mehr. Es ist gut, wenn solche Dinge ausprobiert werden, denn Menschen sollten sich solidarisieren und gemeinsam neue, schöne Dinge entdecken. Ich denke, dafür ist ein Theater neben Hackerspaces, Sportvereinen und ähnlichen Orten wie gemacht. Diese Art von Bonding ist gerade in der heutigen Zeit für die Gesellschaft wieder sehr wichtig geworden. Und wenn das Theater eine entsprechende Vielfalt an Themen anbietet, werden sich sicherlich auch Menschen finden, die das in Zukunft fortführen und weiterentwickeln möchten. Mir ist CYBERLEIBER durchweg als eine schöne Erinnerung geblieben. Das erste Mal so ein reger Austausch mit Schauspieler_innen und den ganzen lieben Menschen, die am Theater arbeiten. Auch mein erster Kontakt mit dem Thema Brandschutz kam so sehr früh zu Stande. Wir wollten ja auch mit Lötkolben arbeiten, und das ist im Theater nicht so einfach, ohne an Brandschutz zu denken. Mir ist damals klar geworden, dass man als Computer-/Elektronik-begeisterter Mensch hier noch viele neue Impulse geben kann. R O B U S T H E I T, P H I L O S O P H I E U N D S A U E R S T O F F S ÄT T I G U N G

Schulz

Pleß

Ich sprach eben von „Mensch/Maschine-Schnittstellen“, Lucas – da war ja der Bioadapter nur der Anfang. Denn kurz nach CYBERLEIBER hat Kay Voges Stefan und Dich gefragt, ob ihr bei 4.48 Psychose mitmachen würdet. Sarah Kanes Stück erforscht mit Poesie die menschliche Seele zwischen Psychologie, Biochemie und Philosophie – und Kay wollte diese Erforschung durch eine technische Ebene erweitern. Ich hatte bis dato überhaupt keine Idee, wie eine Inszenierung funktioniert, entwickelt und geprobt wird – für mich eine sehr neue Welt. Ich durfte das, was ich sonst so gerne in meiner Freizeit mache, mit in ein Stück einbauen. Wir haben uns viele verschiedene Komponenten und Platinen, zum Beispiel Arduino, Rasperry PI oder Olimex, bestellt und gemeinsam viele Sensoren probiert. Die Idee bei diesem Mensch/Maschine-Knoten war, dass man verschiedene Metriken des menschlichen Körpers erfasst, um diese Daten dann an Video/Sound/Effekte weiterzuleiten. Wir haben viel erforscht – auch zum Thema Robustheit, da

das Setup ja viele Vorstellungen durchhalten musste – und konnten am Ende erfolgreich den Puls, Sauerstoffsättigung, EKG, EMG, Atmung und Körpertemperatur messen, aufbereiten und weiterverarbeiten. Du und ich sind ja auch bei jeder der 4.48 Psychose-Vorstellungen sichtbarer Teil der Performance gewesen, zusammen mit den Schauspieler_innen Merle Wasmuth, Björn Gabriel und Uwe Rohbeck, Mario Simon am Video, Tommy Finke am Live-Soundtrack und Chris Sauer am Ton. Die drei Spieler_innen im Bühnenkubus, wir fünf ebenfalls im Studio an einem Techniktisch, der Teil des Bühnenbilds war. Ich habe live getextet, Du hast das Netzwerk am Laufen gehalten – in Maske und Kostüm.

Schulz

Das war spannend und anfangs auch sehr aufregend. Das erste Mal in einem Kostüm auf der Bühne zu stehen, war ein sehr schönes Gefühl. Ich habe gelernt, dass man in der Probenzeit viel probiert und auch manches dann wieder wegwerfen muss. Mir haben die vielen Experimente und Ideen von Kay sehr gefallen, und ich konnte mich als Teil einer ganzen Produktion mit meinen Kompetenzen einbringen.

Pleß

Die Vorstellung haben wir sogar dann live nach Berlin gestreamt, im Dezember 2014, zu einer Veranstaltung in der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Live-Streaming, einem damals heißen Thema in der Theaterwelt: „Live-Stream im Theater – Fluch oder Segen?“. Und für uns wäre das fast zum Fluch geworden. Dominik, Du warst mit Live-Cutter Nils Voges oben im Stellwerk, Lucas war im Studio neben mir am Tisch, und kurz nach Vorstellungsbeginn habe ich gemerkt, wie Du leicht unruhig schienst.

Schulz

Ich war mit Dominik per IRC-Chat verbunden, und wir mussten leider feststellen, dass der Ton in Berlin Probleme hatte. Ein Genlock-Problem am Audio-Interface des Streaming-Rechners führte zu ständigen Klick-Geräuschen in Berlin. Während ich die Vorstellung gefahren habe, diskutierte ich mit Dominik per Chat über Lösungen und war kurz davor, das Studio zu verlassen, um im Stellwerk mit ihm das Problem zu lösen.

Pleß

Gesagt hast Du aber nichts.

Schulz

PROBLEME LÖSEN, DIE VERMUTLICH N O C H N I E J E M A N D G E H A B T H AT Man muss in solchen Situationen versuchen, seinen Cool zu behalten, weil die anderen Beteiligten eben gar nicht helfen könnten und nur verunsichert

Pleß

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Michael Witte, Bettina Lieder und Eva Verena Müller in Hamlet

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würden. Unser komplexes Setup mit insgesamt fünf Computern brauchte viel Aufmerksamkeit und verzieh keine Fehler. Tommy war während der Vorstellung damit beschäftigt, den Sound unter Kontrolle zu halten und einen fetten Soundtrack zu generieren. Mario war eingebunden in das Generieren der visuellen Effekte und Videos auf den halbtransparenten Leinwänden. Es liefen während der Vorstellung nicht nur etliche Gigabyte an Messdaten der drei Schauspieler_innen über unser Netzwerk, wir mussten uns zusätzlich auch per Handzeichen oder verbal für bestimmte Cues synchronisieren. Bay

Dank der Probe am Vortag hatten wir einen sehr guten Mitschnitt, den wir vorübergehend in Berlin vor Ort ausgeben konnten. Wir haben also die nächste Stelle mit viel visuellen Effekten abgepasst und auf die Aufnahme gewechselt. Dann haben wir den PC in Dortmund neu gestartet, in Berlin checken lassen, ob‘s nun passt und wieder auf die Live-Übertragung gewechselt. Gemerkt hat den Wechsel in Berlin niemand, da die Leute einfach zu beschäftigt waren mit dem spannenden Stück.

Schulz

Kay Voges, der vor Ort in Berlin war, hat unsere vorübergehenden technischen Probleme dann aber natürlich transparent gemacht, also im Anschluss an den Stream dem Publikum berichtet, was währenddessen passiert war. Denn vieles von dem, was wir technisch in den letzten Jahren versucht haben, ist ein Experiment gewesen. Immerzu wurden neue Techniken erfunden oder bekannte Techniken neu kombiniert, ständig wurden neue Setups entwickelt, also ist völlig normal, dass nicht immer alles glatt läuft. Hätten wir damals für Hamlet 2014 z.B. schon die Azure Kinect gehabt, wäre es vermutlich eine andere Inszenierung geworden. Für Die Parallelwelt, unserem Theaterabend in Dortmund und Berlin zugleich, habt ihr beide den ganzen Sommer 2017 daran gearbeitet, Probleme zu lösen, die vermutlich noch nie jemand vor Euch gehabt hatte.

Pleß

Als Kay mir zum ersten Mal von der Idee zu Parallelwelt erzählt hat, gingen mir sofort viele Gedanken durch den Kopf, was alles nicht gehen und welchen immensen Aufwand seine Idee bedeuten würde. Aufgabenstellung war die Entwicklung einer möglichst latenzfreien Übertragung von zwei 1080p50 Videostreams und 32 Audiokanälen. Dominik und ich haben viele Abende im leeren Theater auf der Bühne verbracht und an Mischpulten, Dante-Adaptern und Madifaces mögliche Kombinationen probiert. Wir sind in Rechenzentren gewesen und haben extra für Parallelwelt zwei 120kg schwere Netzwerk-Router

eingebaut, viele hunderte Meter Glasfaserkabel verlegt und Switch-Konfigurationen probiert. E I N E E I G E N E FA R B E Die Glasfaserstrecke, die wir benutzt haben, verläuft zum großen Teil entlang der A2, aber wie war der Weg zu den beiden Bühnen des Berliner Ensembles und des Schauspiel Dortmund?

Schulz

Wir sind in Dortmund mit einem guten Leerrohrnetz der Stadt gesegnet, und die Stadt Dortmund hat fast all ihre Liegenschaften mit Glasfaser erschlossen. Vom Rechenzentrum im Dortmunder Osten war es daher ein leichtes, über die Mallinckrodtstr. zum Dortmunder U zu kommen, und von dort aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Theater gewesen. In Berlin sieht es leider nicht so schön aus. Trotz der vielen Glasfasern dort im Boden ist fast alles belegt, die Preise sind im Vergleich zu anderen Städten sehr hoch, und wenn in unserem Fall noch schlechte Dokumentation hinzukommt, darf man erstmal einen kleinen David-gegen-Goliath-Kampf führen. Der Anbieter, von dem wir die Glasfaser angemietet haben, um ins Rechenzentrum im Bezirk Tiergarten zu gelangen, hatte zwar auch das Berliner Ensemble erschlossen, dieses jedoch unter „Albrechtstraße“ dokumentiert – also nicht unter der Adresse des BE, sondern der Straße auf der anderen Gebäudeseite – , und es daraufhin selber nicht wieder gefunden. Immerhin waren beide Enden in Berlin vom selben Anbieter, und da wir eine Dark Fibre nutzten, mussten wir auch nicht auf die Konfiguration von aktiver Technik warten. Nachdem an beiden Enden die richtige Glasfaser gefunden war, konnte es auch schon losgehen. Auf Grund der eingesetzten Technik – Blackmagic Teranex und DANTE auf Focusrite Rednet – war das einfachste, ein langes LAN-Kabel zu bauen. Dies ermöglichte uns, auf eine einfache Konfiguration zurückzugreifen und die Latenz gering zu halten. Wir hatten natürlich Switche und einen Backbone aus Routern dazwischen, dort wurden die Daten jedoch transparent transportiert – per EoMPLS, also Ethernet over MPLS. Und auf der Long-Haul-Verbindung zwischen Berlin und Dortmund wurde noch ein sogenanntes DWDM eingesetzt: Dense Wavelength Division Multiplexing ermöglicht schon auf optischer Ebene, eine Glasfaser für denselben Zweck sehr oft zu nutzen. Während man in LAN-Netzen auf einer Glasfaser eine „Farbe“ – also eine spezifische Wellenlänge – nutzt, kann man auf einem DWDM-System üblicherweise ca. 160 Wellenlängen gleichzeitig nutzen. Solche Systeme benötigt man, um die Kapazität und damit

Bay

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auch Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Zudem leidet die optische Qualität des Lichts auf großen Entfernungen. Das Licht franst aus, durch die Reflektionen und Streuungen im Glasfaserkern, dadurch wird die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöht und die Modulation des Lichts wird „matschig“. Daher gibt es zwischen Berlin und Dortmund ca. alle 80 Kilometer eine Verstärker-Station, die das Licht aufbereitet und weiterschickt. Man kann sich das Ganze also so vorstellen, dass mehrere Leute zwischen mehreren Orten mit Taschenlampen morsen wollen, jede_r bekommt eine eigene Farbe an der Taschenlampe. Und die, die über einen Berg morsen wollen, haben noch Partner_innen auf dem Berg, welche dieselbe Farbe nutzen und zwei Taschenlampen haben und in beide Richtungen gleichzeitig senden und empfangen können. Schulz

Lucas, Du hast nicht nur Software fürs Schauspiel entwickelt, sondern auch immer wieder konstruiert, gebaut, gelötet. Z.B. Crazy Carts für Kasimir und Karoline, die ungemein wichtiger Teil von Gordon Kämmerers Inszenierung waren, ein besessenes Bett für Jörg Buttgereit, Blutduschen und blinkende Minicomputer für 4.48 Psychose. Ohne Dich wären auch die Leinwandlamellen von Einstein On The Beach nicht gefahren, und ohne Dich, Philipp Kramer und Dominiks Netz hätten Mona Ulrichs Kostüme für die Sänger_innen des ChorWerk Ruhr in Einstein nicht die magische Leuchtkraft im gesamten Parkett des Dortmunder Opernhauses entfalten können. Nicht nur intern giltst Du als der MacGyver oder Daniel Düsentrieb des Schauspiel Dortmund. Zusammen mit Kay Voges und Videokünstler Mario Simon hast Du 2018 sogar einen Vortrag beim hochrenommierten Chaos Communication Congress vom Chaos Computer Club gehalten, der nicht nur in der Theaterwelt für Aufsehen gesorgt hat.

Pleß

Der Vortrag war für mich der erste Schritt, unsere Reise im Theater ein Stück zurück in die Community, die Hacker- und Maker-Szene zu geben. Wir konnten uns und unsere Projekte vorstellen und den Leuten zeigen, dass es für das klassische Theater wichtig sein könnte, sich die Maker und Bastler ins Haus zu holen.

Schulz

Ihr seid in Euren Berufen als Software-Entwickler und Netzwerkexperte täglich damit beschäftigt, Probleme zwischen Hardware, Daten und Algorithmen zu lösen. Und dann kamen auf einmal für Euch mehr und mehr Theatermenschen dazu. Was findet ihr am erstaunlichsten am Theaterleben?

Dass der Apparat so funktioniert, wie er eben funktioniert. In der Software-Entwicklung läuft alles strikt nach Plan und man arbeitet z.B. in Sprints. Am Theater läuft vieles anders und das wirkte auf mich zunächst chaotisch. Für mich ist es rückblickend aber sehr schön, mit so vielen kreativen Menschen arbeiten zu dürfen und auch viele neue Impulse mitnehmen zu können.

Pleß

Die Offenheit und Experimentierfreudigkeit, die das Ensemble eh schon mitbringt, hat sehr dazu beigetragen, dass vieles einfach funktioniert hat. Natürlich gibt es die üblichen Begrenzungen wie Geld und Zeit, aber dafür kann man auf starre Prozesse und Projektplanung verzichten. Ebenso sind die „Expert_innen“ in viel kleineren Teams aufgestellt als es in der Wirtschaft der Fall ist. Dramaturgie, Kostüm, Bühne und eben auch die verschiedenen technischen Gewerke sind einfach kleine Gruppen. Das hat zumindest aus unserer Sicht die Reibungsverluste gering gehalten. Ebenso war es auch wichtig, gerade vor der Parallelwelt, das Vertrauen in die Technik zu stärken. Wir haben gesagt: Wir schaffen das, die Leitung wird rechtzeitig stehen, und damit konnten alle in die Proben gehen. Wir mussten natürlich auch noch das ein oder andere Problem lösen, aber dass schon in der Probenzeit so gut wie alles rund lief, hat uns sehr geholfen. Ebenso haben wir nur sehr wenige und eher kleine Probleme während der Vorstellungen gehabt – das Ensemble vertraut auf die Technik, und den Anspruch habe ich ebenfalls an das, was die Technik dem Ensemble liefert.

Bay

Was sind Eure persönlichen Highlights aus der Dortmunder Zeit?

Schulz

Für mich sind es viele Produktionen, allen voran Einstein On The Beach. Wo sonst kann man Hobby und Beruf so schön zusammenbringen?

Pleß

Highlights gab es wahrscheinlich viele, aber am Ende jedes Staubkorn zu kennen und Kabel zu verlegen, die hoffentlich in 50 oder 100 Jahren jemand findet und mit „Wer hat sich das denn damals ausgedacht, muss das denn so sein“ kommentiert, wird, glaube ich, das Beste bleiben. Im Berliner Ensemble habe ich viel technische Dokumentation aus DDR-Zeiten gefunden, und in Dortmund gab‘s auch einige Dinge, die dann wirklich von 1970 waren und noch in Kabelkanälen lagen – sowas zu finden ist immer schön.

Bay

E I N FA C H U N K O M P L I Z I E RT EXPERIMENTIEREN Die Forschungsreise zum Menschsein im Digitalen Zeitalter geht weiter: 2019 ist die lang ge-

Schulz

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plante Akademie für Theater und Digitalität an den Start gegangen – mit den ersten Fellows und Veranstaltungen. Pleß

Bay

Es freut mich sehr, bei diesem Projekt so maßgeblich meinen Input geben zu können. Ich bin seit Monaten dabei, Hardware zu beschaffen. Der Nerd in mir kann es gar nicht fassen, so viel Elektronik-Spielzeug zur Verfügung zu haben. Die ersten vier Fellows sind im August 2019 gestartet, und wir dürfen ihre spannenden Projekte begleiten. Wir haben die Möglichkeit, verschiedenste Hardware wie Mikros, Mischpulte, Lampen, Kameras, Kinects, 3D-Scanner und Drucker zu kaufen und den Fellows, Mitarbeiter_innen des Theaters und interessierten Menschen zur Verfügung zu stellen. Manchmal weiß man ja am Start eines Projektes noch nicht, was man an Hardware brauchen wird, und da hilft es, wenn man einfach unkompliziert experimentieren kann. Ich hoffe, die Akademie wird vielen Fellows die Möglichkeit geben, Technik zu entdecken und zu experimentieren. Ich hoffe auf eine gute thematische Mi-

schung – und auch etwas mehr Professionalität im Netzwerkbereich. Ton- und Videoabteilungen kaufen sich Equipment für 70.000 EUR, aber schließen es dann an einen Netzwerkswitch für 20 EUR aus dem Techniksupermarkt an. Dort sollte etwas mehr Bewusstsein geschaffen werden, dass Netzwerkkabel nicht maximal 100 Meter lang und dass Switche nicht nur eine Mehrfachsteckdose sind, sondern man viele schöne Dinge damit bauen und Probleme lösen kann. Zu guter Letzt – wenn das Schauspiel Dortmund ein Film oder ein Song wäre, welcher?

Schulz

Eine Mischung aus Footloose (1984) und Tron (wenn auch weniger dramatisch).

Bay

Es wäre für mich wohl Learn To Fly von den Foo Fighters. Der gute Vibe des Songs spiegelt für mich die Laune wieder, die ich am Schauspiel Dortmund erlebt habe. Es geht um immer neue Aufgaben und Versuche, um Scheitern und den Erfolg.

Pleß

The Memories of Borderline (Cyberräuber)

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Merle Wasmuth, Sina Martens, Frank Genser, Jan Isaak Voges in Die Parallelwelt

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EIN RAUM FÜR DIE KUNST. EIN RAUM FÜR DIE FORSCHUNG. Michael Eickhoff im Gespräch mit Marcus Lobbes über die neu gegründete Akademie für Theater und Digitalität, deren Künstlerischer Leiter er seit 2019 ist.

Marcus, Du bist seit mehr als 25 Jahren Regisseur, Bühnenbildner und Autor in Oper und Schauspiel. Und seit 2019 auch Künstlerischer Leiter der Akademie für Theater und Digitalität. Wie verbindet sich das eine mit dem anderen? Gibt es einen geradlinigen Weg vom einen ins andere? Wie in so vielen Lebensläufen heutzutage, gibt es auch in der Kunst kaum noch wirklich geradlinige Arbeits-Biographien. Bei mir ist das, zumindest auf dem Papier, auch nicht anders: Mit 13 habe ich begonnen, Musik zu machen, zuerst als Punk-, dann als Experimental- und Performance-Musiker mit Multimedia-Inhalten (Diaporama!), anschließend habe ich vier Jahre Operngesang studiert, bevor ich letztlich als Regisseur ans Theater kam. Regie allein hat mich aber auch nicht völlig ausgefüllt, weswegen ich Ausflüge in nahezu alles, was man am Theater künstlerisch machen kann, unternommen habe. Jetzt also die Akademie – für mich fühlt sich das konsequent an, wenn vielleicht auch nicht geradlinig. Und ganz persönlich gefragt: Seit wann beschäftigst Du Dich mit diesem Themenkomplex? Der Themenkomplex digitale Transformation, Wandel der Lebens- und Arbeitsmodelle sowie der Methodik, mit neuen Werkzeugen umzugehen, beschäftigt mich seit frühester Kindheit: Ich bin in einem IT-ler Haushalt aufgewachsen. Wann oder vielmehr mit welcher Inszenierung hast du das erste Mal realisiert, dass sich infolge von digitalen Verfahren oder Technologien ein grundlegender Wandel für die darstellende Kunst abzeichnet? Das war in der Spielzeit 2007/08, in der ich die Uraufführung von Felicia Zellers Kaspar Häuser Meer inszeniert habe. Wir haben dort den ganzen Abend über sequenzierte, selbst produzierte Mitschnitte aus verschiedenen Counterstrike-Matches hinterlegt: Zum ersten Mal sind Dinge aus meinem Computer direkt in eine Inszenierung gewandert. Die Möglichkeit, das selbst produzieren zu können, hat mich erstaunt - und neugierig auf mehr gemacht. Auf der Audioebene bin ich noch sehr viel früher mit digitalen Verfahren in Kontakt gekommen, nämlich schon bei meiner ers-

ten Inszenierung, White Out 1995, bei der wir in einem gerade auf digital umgestellten Theater-Tonstudio umfassende Remixes produziert haben.  In den allermeisten Fällen hat der Einsatz des Digitalen in den Theatern nicht auf der Bühne, sondern backstage begonnen. In welchen Arbeitsbereichen, in welchen Gewerken des Theaters ist der Wandel durch das Digitale am prägendsten? Backstage hat die Digitalisierung in der Organisation und in der Kommunikation ihren Anfang genommen. Dadurch wurde möglich, dass sich ein Publikum vorab auf den Homepages der Theater informieren kann, um dann auch direkt von zu Hause aus Theaterkarten zu erwerben. Mittlerweile gibt es aber kaum ein Gewerk, das davon nicht berührt ist. Die Akademie für Theater und Digitalität kümmert sich darum auch um die berufliche Weiterbildung. Welche zwei weiteren Schwerpunkte prägen die zukunftsweisende Arbeit der Akademie? Da gibt es die klassische Fort- und Weiterbildung möglichst vieler Mitarbeiter_innen aus den Theaterhäusern und der freien Szene, um sie mit den Möglichkeiten digitaler Technologien vertraut zu machen. Oft fehlen im hektischen Tagesgeschäft die nötige Zeit und der Raum, um sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Wir werden, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft und dem Deutschen Bühnenverein, Angebote erstellen, um hier eine größere Qualifizierung zu erreichen. Darüber hinaus planen wir, gemeinsam mit der Fachhochschule Dortmund, einen neuen Master-Studiengang: der Arbeitsauftrag lautet, Studierte aus künstlerischen und technischen Berufen miteinander In Verbindung zu bringen, um die Kommunikation zwischen Kunst und Technik zu verbessern. So können wir dafür sorgen, dass technische Entwicklung auch im Künstlerischen sich widerspiegelt und dass künstlerische Vision auch technisch auf höchstem Niveau umgesetzt werden kann. Nicht zuletzt – und das macht das technisch-künstlerische Herzstück unserer Arbeit aus – haben wir ein umfassendes Forschungsprogramm für Fellows aus dem In- und Ausland. Jeweils für fünf Monate erforschen sie ein prototypisches Projekt, das die Anwendung eines digitalen Themen-

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feldes wie Sensorik, Robotik oder Aktorik, Motion Capturing, Virtual und Augmented Reality, Künstliche Intelligenz für die Darstellenden Künste und ihre verwandten Disziplinen erprobt. Und zuletzt: Wie verbindet sich Deine Arbeit als Regisseur mit der Aufgabe als Leiter der Akademie? Seit Kaspar Häuser Meer (2008) habe ich mich immer wieder mit digitalen Inhalten in Bezug auf ein Bühnengeschehen beschäftigt. Mich interessiert die Dramaturgie der Bilder bei Computerspielen und ihre Anschlussfähigkeit an die Darstellenden Kunst. Also zu fragen, welche Formen des Gamings sich in theatralen Kontexten finden, welcher Bilder sich das Theater bedient und wie eine gegenseitige Befragung der erzählerischen Mittel zur Entwicklung der jeweiligen Genres beitragen kann. Und allgemeiner gesprochen war und bin ich als Regisseur immer bestrebt moderierend zu agieren. Das heißt, dass ich nicht autoritär die Um-

setzung meiner Vorstellungen erwarte, sondern meine Fragestellungen mit den Fragestellungen der Teams abgleiche, um gemeinsam einen Weg für eine Arbeit zu suchen. Meine Idee der Leitung einer Einrichtung orientiert sich sehr daran, auch wenn sich das Modell nicht ganz eins zu eins übertragen lässt. Doch genau wie als Regisseur vertraue ich hundertprozentig auf die jeweils fachliche Expertise der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und versuche, mich nicht im Micromanagement zu verlieren. Würdest Du daraus ableiten, dass sich in Folge der Digitalisierung holistisch gesehen das Modell eines tendenziell autoritär geprägten top-down Leitungsstils aufhebt? Das will ich doch mal sehr hoffen. Wenn nicht, bin ich der falsche auf dieser Position. www.theater.digital

Oliver Kraushaar, Owen Read, Xenia Snagowski, Tobias Hoeft, Jan Isaak Voges (beide Kamera), Bettina Lieder, Frank Genser, Andreas Beck, Merle Wasmuth, Uwe Schmieder in Die Parallelwelt

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ERINNERN / VERGESSEN #4

Über Gedächtnis, Zeit und Fragment. Essay von Alexander Kerlin I Bettina Lieder und ein Akkordeon, sie singt Lyrik von Lorca: „Es drehte, es dreht das Rad“, und man ahnt schon das unvermeidliche ROT auf dem WEISS (Blut auf Hochzeitskleid). Peer Oscar Musinowski, Ellenbogen und Knie sind geschützt. Er springt in einen See aus scharfkantigen Steinen, darüber schwebt sogleich eine Staubwolke im flachen Licht der Par-Scheinwerfer; DAS IST HEIMAT. Vor ausverkauftem Haus steht Eva Verena Müller als Schulmädchen an der Rampe. Die Debatte, die sie mit Kay Voges führt, dreht sich um die Musik unter/neben/über ihrem Text; sie ist dagegen (Kitsch?), er dafür. Die Tür schiebt sich auf, für alle völlig überraschend tritt ein Virus in den Raum, der hüpft im Takt der Musik die Treppe hinunter, rempelt ein paar Schulmädchen an und verschwindet dann wieder, und kommt auch nicht wieder (HOPE). Ein Wald aus Birken, der Geruch von Theaterblut wie Morgennebel zwischen den Ästen, fünf nackte Männer und „der Wind pfeift um die Klöten“ (Sebastian Kuschmann, Ekkehard Freye, Uwe Schmieder, Björn Gabriel, Christoph Jöde). Carlos Lobo spricht Heinrich Heine, hinter ihm (überlebensgroß) der Live-Stream vom Majdan während der Revolution der Würde (2014) in Kiew: WIR SIND NICHT AUS DEM PARADIESE VERTRIEBEN / WIR MÜSSEN ES UNS EROBERN / MIT UNSEREN FLAMMENDEN HERZEN. Rotkäppchen im transparenten Wolfsbauch, nach dem Mahl (vor der Geburt), und sie genießt es, zurück zu sein: Julia Schubert, am Ende, am Ursprung. Uwe Schmieder in rotem Kleid (um ihn das Publikum: stehend, ausweichend, großäugig), auf seiner Zunge die anrollenden Textwellen von William S. Burroughs (Speichel fliegt poetisch). Caroline Hanke drückt einen Tropfen Muttermilch auf das Plexiglas, sie verreibt ihn mit der nackten Brust (ON A STAGE: NEVER SEEN BEFORE; NEVER SEEN AGAIN) … Alexandra Sinelnikova hält eine Rede der Dankbarkeit an Deutschland (Tränen der Rührung überkommen mich. Aber nicht humanistische Rührung, man kann auch von der DEKONSTRUKTION berührt sein.).

Uwe Rohbeck allein, im Zug, auf der Reise nach Petuschki, die ganze Zerbrechlichkeit der Menschheit in einem Augenpaar, seine Zerbrechlichkeit, die kommende Stärke: der Moskauer Bahnhof, endlich in Sicht. In einem grünen Kleid: Merle Wasmuth, wie sie im Glaskasten aus den Sedimenten der Geschichte — aus LESSINGS GRAB — hinaufgefahren kommt, auf das Level des Publikums, die Musik ist golden und genau, der Chor ist auch schon da, wie immer. Sebastian Kuschmann, der sich die Socke rollt, während sechs Kollegen und 100 Zuschauerinnen warten. Und dann die andere. Die Orgel senkt sich vom Himmel / vom Schnürboden her auf den IRRGARTEN nieder, Christian Freund (und nur Christian Freund allein) kann sie halten und bewegen, mit der Theatermagie seiner Hände. Die Toten warten auf der Gegenschräge: Ich war Hamlet, ein Schwert, inmitten des Chors, Sebastian Graf. Zwischen Auto und Kiosk kommt Marlena Keil in einem Text-Labyrinth zum stehen, und es gibt keinen Ausweg (eher Borges als Knossos: Immer kämpft irgendwo irgendjemand gegen irgendwen, ausweglos). Raafat Daboul, zwischen Blättern hervorlugend (frech), und er sagt: „Wo ist Scully?“ Auf einer verschachtelten Hütte, deren Inneres nach außen und dessen Äußeres nach innen kippt, sitzt Björn Gabriel in Stiefeln: lässig, verschleppt, schön. Stumm, am Eingang zur Sprache, Frank Genser, zögernd, kurz vor dem ersten Wort, an der Rampe: 4 Stunden, WEISSER CLOWN. Der Dortmunder Sprechchor im Studio, auf der Probebühne 6, im Schauspielhaus, im Institut (sprechend oder tanzend oder essend), in der Thier-Galerie (singend), bei Karstadt Sport (liegend), auf dem Friedensplatz (in line), im Rangfoyer, in der Reinoldikirche. Zwischen den Lamellen der Jalousie hindurch sieht Andreas Beck eine Vergangenheit, die nicht aufgehört hat, ihn zu sich zu bitten. NACHRICHTEN AUS DER ANTIKE. Ekkehard Freye ist aufgehender Mond, American Cop, Hitlerdarsteller, kreiselnder Postbote, und das ist alles nichts im Vergleich zu dem, was er noch ist.

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Sina Martens, Stephanie Eidt, Annika Meier in Die Parallelwelt

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Bettina Lieder, Frank Genser in PLAY: Möwe | Abriss einer Reise

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Friederike Tiefenbacher, rücklings auf einem Tisch, der Scheinwerfer dokumentarisch oder pornographisch nah, im Dienste der Ausleuchtung, der Aufklärung, die das Theater ja immer sein will. Sie kämpft für jede Träne, die dem Regisseur (Peer Oscar Musinowski) als Ausweis dient für die Authentizität der dargestellten grausamen Handlung. Thorsten Bihegue sagt: „Kennt ihr James Last?“, und er tanzt, der aufgeklärte Katholik, wie er noch nie getanzt hat: für sich, so ernst und frei als schaute niemand zu.

II Indem auf der Bühne Poesie entsteht, ist sie auch schon da: für die Dauer eines Augenblicks, der bereits in seinem Erscheinen für immer zu verschwinden beginnt. Bühnenpoesie lässt sich, wie der Mensch, am Ende des Tages weder planen noch bewahren. Theater zu machen bedeutet, planlos sterben zu lernen, loszulassen, nichts festhalten zu wollen und dennoch irgendwie daran zu glauben, dass es einen Sinn macht, was man da tut. Wir wussten es vorher, man hatte uns ja gewarnt: Theater materialisiert sich nicht auf Trägermaterialien wie Zelluloid oder Papier, Leinwand oder Mikrochips, die zumindest theoretisch die Aussicht auf ein langes Leben genießen und von der schönen Illusion umgeben sind, einen Dialog mit der Zukunft, einem zukünftigen (einem ewigen) Publikum zu führen. Eine Theateraufführung kennt ihr Publikum nur in der räumlichen und zeitlichen Begrenzung. Da ist keine Ewigkeit im Theater. Nach neun Jahren und fast vierzig Premieren am Schauspiel Dortmund frage ich mich, wie mein gegenwärtiger Körper (hier, jetzt: Ich blicke aus dem Fenster meiner Wiener Wohnung hinunter auf die stille und leergefegte Rotensterngasse im Zweiten Bezirk. Die Menschen sind daheim, verschanzt vor’m Wind, der die Corona-Viren unsichtbar durch die Häuserschluchten weht.) — wie also mein gegenwärtiger Körper zu all den Kunstwerken steht, die während dieser Zeit in Dortmund entstanden und wieder vergangen sind. Und wenn wir es auch vorher gewusst haben, und wenn wir auch gewarnt wurden: Die Melancholie ist deswegen nicht weniger konkret. Genauso wie man Trauernde gern damit tröstet, dass die Verstorbenen in der Erinnerung ihrer Liebsten weiterleben, so spricht man im Theater gern davon, dass die Werke oder das, was man ihre „großen“ oder „poetischen Momente“ nennt, in den Köpfen der Zuschauer_innen fortbestehen. Ich weiß, dass das Theater angesichts der Wucht katastrophischer historischer Erfahrungen nie ausreichend Impfstoff zur Verfügung hatte,

um sie abzuwehren, und doch bin ich von der politischen Relevanz seiner Poesie überzeugt: in der Infragestellung des Eigenen gegenüber dem Anderen, im Studium des Verhältnisses von Fiktion und Realität, in der Suche nach Gegenbildern und Gegennarrativen, die einer Verflachung der Vorstellungskraft und der Vereinfachung von Komplexität etwas entgegenzusetzen wissen: Neukombination, Remix der Schöpfung! Was ist mit den Bühnenkunstwerken geschehen, die einmal waren und jetzt nicht mehr sind? Poesie entzieht sich jeder Messbarkeit, erst recht, wenn es um ihre Wirkung in den Köpfen der Zuschauer_innen gehen soll. Fragiler und flüchtiger noch als der poetische Bühnenmoment ist die Erinnerung an ihn. Unvollständige innere Bilder, ein paar Takte Musik, eine überraschende Bewegung oder Konstellation, eine kleine Wortfolge, ein Körper, der sich aus der Gruppe herausschält, ein Lichtwechsel, Blick ins Publikum, ein gelungenes Argument, der eiserne Vorhang fährt, Gänsehaut, der Blick in den Abgrund – das trügerische Gefühl, dem Strom der Erscheinungen etwas Bleibendes abgerungen zu haben, weil man es auf einer Bühne für die Dauer eines Augenblicks gerahmt hatte. Das ist der ganze Reichtum, das ist die ganze Armut des Vermögens, sich zu erinnern. Solche Fragmente, die irgendwo in uns abrufbar bleiben oder uns auch unwillentlich aus dem Nichts überfallen, wenn der Moment auch längst verronnen ist, haben in ihren Metadaten starke Gefühle gespeichert; Gefühle von Glück, Angst, Erleichterung und Heiterkeit, Hass und Neid, Zuneigung, Liebe oder Stolz. Sie verleihen dem Erinnerungsfetzen jene Tiefe, die er benötigt, um sich dauerhaft in uns festzusetzen. Indem sie dies jedoch tun, erzeugen die Gefühle zugleich den ungesicherten Status von Erinnerungen selbst: Denn starke Gefühle bürgen nicht für Objektivität, ganz im Gegenteil. Erinnerungen sind immer zugleich Rekonstruktionen und Konstruktionen, sie bilden sich vor dem Hintergrund eines aktiven Vergessens, indem sie Details ausblenden, mit bestimmten Protagonist_innen sympathisieren, Informationen hierarchisieren und verfälschen, Unangenehmes verdrängen, sich unter wildem Begehren neu einfärben, sich immer wieder mit anderen Erinnerungen überlagern (sie werden sich gegenseitig zu Wasserzeichen) und die eigene Rolle in Situationen überschätzen. So bilden sie Narrative aus, die sich von ihren Ausgangspunkten in der sogenannten Wirklichkeit beliebig weit entfernen können. Und wie ordnen sich Erinnerungen? Nach ihrer zeitlichen Abfolge? Nach Intensität des Gefühls? Nach Themen? Orten? Oder vielleicht viel willkürlicher: entlang von Gerüchen, Farben und Geräuschen? Wie

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Ekkehard Freye, Sebastian Kuschmann, Christoph Jöde, Uwe Schmieder, Björn Gabriel, Eva Verena Müller in Naked Lenz

funktioniert die Verkettung und Schichtung der Erinnerungsfetzen wirklich? Wie bringt mich ein inneres Bild zum nächsten? Wie bilden in Sätze gefasste Gedanken irgendwann eine Struktur? Entscheidet sich nicht auch entlang der Art des Verknüpfungstalents, ob eine/r Philosophin, Poet, Ingenieurin oder Rechnungsprüfer werden sollte? Entscheidet sich nicht an dieser Frage, wie ein Ding, ein Kunstwerk zum Beispiel, überhaupt wahrgenommen wird? Ob es etwas auslöst? Welches Bild, welcher Ton, welcher Geruch, welches Wort von ihm im Kopf bleibt? Poesie ist für mich eine politische Kategorie, denn sie trifft, wenn sie stattfindet, die äußeren Ränder der Wahrnehmung; dort, wo das Bekannte dem Unbekannten fremd und blank gegenüber steht, wo jede innere Wahrheit ihre Kraft einbüßt; dort, wo die Vorstellung von einer letzten Wahrheit selbst infrage steht, weil sich zwei oder mehr Phänomene begegnen, die im Aufeinanderprallen einen Abgrund (der Unvereinbarkeit) aufreißen, einen existentiellen Schlund, der sich nicht mal so eben mit den Kulturtechniken des Alltags überbrücken lässt. Der poetische Moment meint nicht den Genuss von Schönheit (obwohl dieser ein Teil von ihm sein kann), sondern er verbindet ein erregendes Gefühl von Erkenntnis mit der Infragestellung von allem, was gerade noch gesichert erschien. Man kann diesen Moment nicht planen, er fällt einem aber auch nicht zu, man kann nicht mit dem Finger auf ihn zeigen, man kann ihn nicht verallgemeinern, man kann sich nicht auf sein Wiederkehren verlassen. Er findet zwischen den Dingen statt – und nicht, wie häufig angenommen, in den Dingen. Aber man kann Bedingungen herstellen, unter denen es wahrscheinlicher wird, dass er sich ereignet. Wenn mich (jenseits meiner geschätzten Kolleg_innen) irgendetwas neun Jahre am Schauspiel Dortmund gehalten hat, wenn mich irgendetwas an dieser absurden, kraftraubenden Veranstaltung namens Theater so gefesselt hat, dass ich ihr bis heute nicht den Rücken kehren konnte, dann das: immer wieder mit den Schauspieler_innen und den Regieteams auf die Jagd zu gehen nach jenen poetischen Augenblicken, in denen plötzlich etwas Ungesehenes, Unerhörtes stattfindet, in denen sich etwas in der Schöpfung neu kombiniert. Unser Theater in Dortmund war mal erzählerisch, mal nicht. In einem bestimmten Strang unserer Entwicklung seit 2010 wurden Aufführungen zunehmend fragmentarischer und näherten sich in ihrer Struktur dem ungesicherten Status alles Erinnerten selbst an. Wir lösten die narrative Verkettung und dealten mit verlassenen Bildern, Texten, Gesten und Musiken als Solitäre, die sich Abend für Abend neu zusammensetzten, wie in einem geschüttelten Hirn. Wird ein Text ab- oder aufgewertet, wenn man ihn seiner ursprünglichen narrativen oder argumentativen Funktion enthebt und in neue Beziehungen eintreten lässt? Wenn er im Verhältnis zu einem Bild oder einer Musik mit einem Schlag anders hörbar wird? Viel wurde darüber geschrieben, inwiefern Vorstellungen wie Das goldene Zeitalter oder Die Borderline Prozession in ihren Erzähltechniken auf das Internet und auf zeitgenössische popkulturelle Techniken wie Mash-Up und Sampling reagierten, weniger jedoch darüber, inwiefern sie sich der existentiellen Ungesichertheit al-

Alexander Kerlin war zwischen 2010 und 2019 Dramaturg am Schauspiel Dortmund. Während dieser Zeit betreute er annähernd vierzig Produktionen, von denen er gemeinsam mit Kay Voges mehrere im Mash-Up-Verfahren schrieb (u.a. Das Goldene Zeitalter, DIE SHOW, Die Borderline Prozession), erfand und leitete er den Dortmunder Sprechchor und kuratierte drei Festivals.

len Erinnerns und damit auch Erzählens widmeten. Befragten sie nicht auch die lineare Vorstellung von Zeit, die dem Drama zugrunde liegt, in dem am Ende des Tages doch sicher eines auf das andere gefolgt sein wird? Wir fragten uns: Gibt es nicht noch ganz andere Formen der Verknüpfung von Phänomenen? Gibt es nicht doch auch ein anderes Wissen? Lässt sich Geschichte nicht ebenso als Cloud denken? Lassen sich Zeitalter nicht auch nebeneinander und durcheinander vorstellen, sich durchdringend und wiederholend – und nicht allein als Chronologie, als Abfolge auf dem Zeitstrahl? Ist das nicht die ganze Wahrheit des Theaters, das schon immer Heimat der Widergänger war, eine unberechenbare Zeitmaschine, eine wahnsinnig gewordene Bildfabrik, die entlegene Jahrhunderte miteinander sprechen lässt? Die sich immer schon geweigert hat, eine Ära abschließend für beendet zu erklären? Man kann sie ja wieder holen, diese Ära, wiederholen, für die Dauer eines Augenblicks. Ein euphorischer Gegendruck wider die melancholische Erstarrung. Wäre dann das Gewesene nicht irgendwie auch gegenwärtig? Kann man das für wahr nehmen? Wahrnehmen? In meinen Erinnerungen, auf meinen inneren Theaterbildern sind immer Menschen zu sehen. Menschen in Aktion. Diese Menschen — das sind all die großartigen Schauspieler_innen, mit denen ich in den letzten neun Jahren in Dortmund gemeinsam gearbeitet habe. Ihnen habe ich die größte Lust zu verdanken, Tränen der Erkenntnis und dieses wunderbare, wiederkehrende Lachen, das den ganzen Körper erfasst. Euch bewundere ich. Euch danke ich.

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EIN MASHUP MASHUP

Roman Senkl, Anja Neumann & Co

Vom Goldenen Zeitalter über Die Borderline Prozession und Schöpfung hin zu Die Parallelwelt und PLAY: Möwe | Abriss einer Reise – das Mashup gehört am Schauspiel Dortmund zum festen Vokabular. – Ein kurzes und höchst unvollständiges Mashup über Mashup am Theater, mit Godard, Gehlen uvm.

Szene aus Im Irrgarten des Wissens

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M O N TA G E / R E M I X / MASHUP – 3 KURZDEFINITIONEN Montage: „mit dem Zusammenfügen verschiedenartiger Bestandteile, Objekte arbeitendes künstlerisches Gestalten” (Duden); Produkt = Collage; liegt z.B. dem Film als Schaffensprozess zugrunde.

Remix: (engl. wieder / erneut mischen) Ursprünglich der Musik entstammende Bearbeitung eines bzw. mehrerer bereits existierender Werke durch Re-Arrangements, Zerlegung, (Re-)Montage, zu einem neuen Werk. – Beschreibt sowohl den Prozess des Sample-basierten Re-Mixens als auch das Produkt als künstlerisches Artefakt. Der Remix entstand im Bereich der DJ-Kultur: den frühen Mixen jamaikanischer DJs, ab den 1960er Jahren, und des Hip Hop in den 1970er Jahren; in den Folgejahren erfährt der Remix eine Ausweitung seines Anwendungsbereichs als kulturelle und künstlerische Praxis über die Musik hinaus.

Mashup: Kombination (und Re-Arrangement) von Teilen mehrerer Werke zu einem neuen Werk. Es ist eine Spezialform des Remix; populär seit Beginn der 2000er Jahre. Wie der Remix beschreibt auch „Mashup” sowohl eine Praxis als auch ein künstlerisches Produkt.

Als Genre entwickelte Mashup seine ursprüngliche Bedeutung in der Musik, bzw. im Zuge zunehmender Digitalisierung bald in Kombination mit audiovisuellen Mixen (DJing/VJing). Von dort weitet sich das Mashup auf vielfältige mediale Darstellungsformen aus. Mashups betonen auf besondere Weise den Dialog der gemixten Vorlagen und entwickeln auf ihrer Basis ihr kommentierend kritisches Potential. Stärker als die ursprünglich noch analog produzierten Remixe der 1970er/80er Jahre ist das Aufkommen des Begriffs als Genrebezeichnung an die digitalen Produktions- und Distributionsmöglichkeiten des Web 2.0 gebunden. Die digitalen Produktionsmöglichkeiten erlauben in stärkerem Maße Mixe, die das verwendete Material nicht nur einander gegenüberstellen oder aneinanderreihen, sondern gleichzeitig miteinander überblenden oder überlagern/layern und überdies transmediale Mixe erzeugen, die vormals häufig getrennte mediale Darstellungsweisen (Text/Sound/Bild/Schrift) in einem Produkt miteinander „mashen“.

260 Szene ausPLAY: Möwe | Abriss einer Reise

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Fun Facts: Besonders bekannt sind die musikalischen Remixe aus unterschiedlichen Songs ( ABastard-Pop; A Bootleg). Im Bereich der Internet-Entwicklung wird der Begriff Mashup (vom englischen to mash, vermischen) auch für die Neukombination von Inhalten und Techniken unterschiedlicher Anbieter benutzt. (Gehlen, 2011.)

3 ( S I N N G E M Ä S S E ) Z I TAT E VON JEAN-LUC GODARD: Mit Montage meine ich „einfach etwas in Verbindung bringen”. Jede Geschichte verfügt über Anfang, Mitte, Ende – aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Zwischen zwei Bildern entsteht ein drittes – „das ist es, was ich ‚Bild‘ nenne, dieses Bild, das aus zweien gemacht ist, das heißt ein drittes Bild.“ *************** WOZU MASHUP? – EINIGE THESEN: 1.) Sichtbarmachung einer Welt im Medienschein. Durch gezielte Gegenüberstellungen und Überlagerungen, und den daraus entstehenden Dialog mindestens zweier Werke, entsteht das dem Mashup eigene spielerische und zugleich kritische Potential – aber wodurch genau? Nach Godard liegt in der Montage die Grundbedingung des Sehens und des Wahrnehmens überhaupt. Erst im Kontrast zweier Dinge zueinander werden die spezifischen Eigenschaften beider Dinge erfahrbar – nichts ist an sich hell oder dunkel, sondern lediglich hell oder dunkel im Kontrast etwa zum es umgebenden Raum. Indem das Mashup mehrere bereits existierende Werke kombiniert bzw. montiert, setzt es deren Inhalte, Bilder, Sprache etc. nicht nur unmittelbar in Beziehung zum jeweils anderen konkreten Inhalt usw., sondern mittelbar auch zu den jeweiligen künstlerischen, gesellschaftlichen, politischen usw. Kontexten dieser Werke. Dem Mashup gelingt es, unseren Blick auf konkrete Praktiken und Produkte des Kunst- und Kulturbetriebs und deren Geschichte(n) zu lenken und darin gewohnte Sehweisen einer medial geprägten und geformten Welt in Frage zu stellen.

2.) Das Bild im Bild im Bild. Nicht zufällig entstand das Mashup im Kontext der seinerzeit neu aufkommenden digitalen Medien – und diese ermöglichen völlig neue Mittel der Gleichzeitigkeit und Überblendung von Bild, Sound, Text usw. Das Bild im Bild über dem Bild wird zu einer umfassenden Metapher unserer allgemeinen Erfahrung von Welt in einer fortwährend und simultan vernetzten Gesellschaft und Kulturlandschaft, welche sich permanent neu aktualisiert und überschreibt. 3.) Nieder mit den Genies! Remix und Mashup stellen mit ihren Strategien der Aneignung, Fragmentierung und künstlerischen Umdeutung von fremden und bereits bekannten Materialien etablierte Konzepte von Autorschaft und künstlerischer Genieästhetik in Frage. Dualismus von Original und Kopie haben hier keine Chance – alles kann Material sein, alles angeeignete Material Kunst! 4.) Für die freie Benutzung! – Genauso wie althergebrachte Vorstellungen von Genie und Autorschaft stellt das Mashup Fragen des geistigen Eigentums radikal in Frage –  inwieweit darf, im Dienste der Kunst, kopiert, selektiert, re-arrangiert werden? Nicht erst das Aufkommen des Internets verleiht Fragen des Urheberrechts ganz neue Sprengkraft.

1. „Die Geschichte der Kunst ist eine Geschichte der Kopierrituale, der Transformationen, die beim Akt des Kopierens vor sich gehen.“ (Hillel Schwartz, 2000) 2. „Weiterreichen und Neukombinieren“ (Gehlen, 2011)

„Das einzelne ‚Werk‘ löst sich […] zunehmend auf, es ist nur noch eine Ziffer […] – und doch spiegelt diese Ziffer einen ganzen, eigenen Kosmos an Bedeutungen. Der Komponist selbst ist Archivar und Archivbenutzer gleichermaßen...“ (Drees, 2017)

3. „Kopie wird [...] als notwendige (und auch hinreichende) Bedingung dafur angesehen, dass es Mashup geben kann und gibt und immer mehr gibt.“ (Viehoff, 2015) 4. „Das Urheberrecht erweist sich als die dieser Tage wohl stabilste Bastion eines überkommenden Denkens, das kompositorische Aneignungsstrategien systematisch deklassiert.“ (Döhl, 2017)

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5. „Das reproduzierte Kunstwerk wird in immer steigendem Maße die Reproduktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks.“ (Walter Benjamin [1939], 1980) 6. „Ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.“ (UrhG § 24 Abs. 1, Paragraph zur „Freien Benutzung“)

So entsteht weiteres Material, verschiedene Themen, Aspekte werden durchgespielt, der Raum und die Spielweisen erprobt, genauso wie das Textmaterial. Spätere, oft nächtliche, Sessions zwischen Dramaturgie und Regie sammeln die Ergebnisse, sortieren ein und aus, ordnen Zusammenhänge und Kontraste. So entsteht in mehrfachen Schichten oder Loops schließlich Stück für Stück erst ein Stücktext und beinahe parallel dazu ein Abend.

*************** 7. „Was da ist, das ist mein! [...] und ob ich es aus dem Leben oder aus dem Buche genommen, das ist gleich viel, es kam bloß darauf an, daß ich es recht gebrauchte!” (Johann Wolfgang von Goethe, zitiert nach Gehlen, 2011)

MASHUP AUF DER PROBE Im Theater bezieht sich „Mashup” häufig auf die Praxis der Produktion selbst – am Beispiel von PLAY: Möwe | Abriss einer Reise: Relativ am Anfang steht das Gespräch zwischen Regie und Dramaturgie: eine Ausgangsidee – 10 Jahre Schauspiel Dortmund vs. Godards L’histoire(s) du cinéma. Eine erste Idee für Bühnenraum, Spielfläche. Gespräche über mögliche Fremdtexte – Tschechows Die Möwe kommt ins Spiel. Man begibt sich auf Recherche – Fremdtexte werden gelesen und exzerpiert, eigene Texte geschrieben, die Materialmappe wächst. Man führt Gespräche und Interviews, mit dem gesamten Ensemble. Am Anfang steht der gemeinsame Austausch, das gemeinsame Erinnern. Video- und Sound-Abteilung begeben sich in die Archive. Die Probenphase: Der Bühnenraum, in seiner Grundstruktur, steht – eine Bühne auf einer Bühne auf einer Bühne, ein Schreibzimmer, ein Bett, Gänge und ein Badezimmer, mit ebenfalls rotem Theater-Badewannen-Vorhang. Auf der Bühnenhinterwand eine riesige LED-Fläche, davor: mehrere Ebenen von Vorhängen und Gazen, welche ebenfalls als Projektionsflächen dienen. Alle Departments sind anwesend. Genau wie das gesamte Ensemble. Man beginnt den Raum auszuprobieren, „jammt” gemeinsam – Kostüme werden den Spielenden auf der Hinterbühne gereicht, vorproduzierte und gefundene Musik schallt aus den Boxen, Videomaterial wird auf die LED-Leinwand und die installierten Gazen gefeuert. Die Dramaturgie drückt den Spielenden, aus der überberstenden Materialsammlung heraus, Texte in die Hände oder wirft mittels Live-Texting-Setup Zitate, Sprachfetzen oder Ideen unmittelbar auf die Bühne. Die Regie beobachtet, gibt Anweisungen über das Mikro, um über die dröhnende Musik zu kommen, treibt die große Mashup-Maschine an, befeuert sie mit Ideen und mit Energie. Nur ganz selten wird dieser Flow während einer Probe unterbrochen. Alles wird stets aufgezeichnet und mitgetippt.

BÜHNEN-MASHUPS Die Spielregeln: „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“ – „alte und neue Formen“ – „Und Loops. Und Remix und Mashup.“ (PLAY: Möwe | Abriss einer Reise) – Wiederanordnen, Aktualisieren und Umwidmen. (1) Strenggenommen stellt jede Neu-Inszenierung für sich bereits eine Re-Lektüre, ein Neu-Arrangement, eine inszenatorische wie dramaturgische Aktualisierung und damit eine neue Version, einen „Re-Mix“ von schon Gesagtem, Gehörtem, Gezeigtem dar, ohne dass man es gleich vordergründig mit „Mashup“ zu tun hätte. Dies allein beschreibt also nicht die ästhetische Qualität, die mit Remix und Mashup im Theater gemeint ist. Remix und Mashup zeigen sich hier erst im Fragmentieren, im Auslassen oder Hinzunehmen zusätzlicher Eigen- und Fremdmaterialien, in der Dekonstruktion von Kohärenz, dem tradierten Sinn der Vorlagen und in der simultanen Schichtung unterschiedlicher Medien und Medieninhalte. Das theatrale Mashup verletzt, verändert, verfremdet die Integrität seiner Ausgangsmaterialien. Musikalische Kompositionsprinzipien – Wiederholung/Loop, Rhythmus, Taktung und Tempiwechsel – gewinnen an Bedeutung gegenüber den sinngebenden Erzählstrukturen, geschlossenen Handlungen und der Repräsentanz schlüssiger Rollenfiguren. Texte, Figuren, Motive, Handlungsmuster sowie die Bühnenperformance selbst dienen als Material, das immer wieder aufs neue geloopt, gesampelt, überblendet, geschichtet und im Zuge absichtsvoller Wiederholungen neu arrangiert wird. (2) Mashup zeigt sich sowohl im Umgang mit den Inhalten als auch den medialen Formen. Das spielerische Potential medialer Uberlagerung, die Vielschichtigkeit der Darstellungsebenen wird zu einem materiellen Sinnbild. PLAY: Möwe | Abriss einer Reise: Wiedergänger aus zehn Jahren Schauspiel Dortmund finden im aktualisierten Kontext zu neuer Präsenz. Ihr Aufeinandertreffen ist es, was die Performativität des „Mashup“ ausmacht: Die „Heimsuchung“ des Augenblicks durch Momente offensichtlicher Nicht-Gegenwart in einer gemeinsamen Performance (Reynolds, 2011) – eine Kompilation, die das Vergehen der Zeit und die Flüchtigkeit theatraler Praxis in einer Szene festhält.

262 Jean-Luc Godard, Andreas Beck inPLAY: Möwe | Abriss einer Reise

PLAY: Möwe | Abriss einer Reise – dreimal vollzieht sich die Begegnung von Treplew und Nina in PLAY und verbindet dabei auf zyklische Weise Anfang und Ende von Tschechows Dramenvorlage in einer sich in verschiedenen Versionen reproduzierenden Sequenz.

(3) Mashups sind Zwittergestalten. Ihre Wirkung entfaltet sich zwischen Wiedererkennung, wissender Anerkennung und dem produktiven Vergessen der ursprünglichen Autorität des benutzten Materials. Sie sind Produkte einer individuellen Aneignung von Zeit, der Vermittlung individueller Erfahrung und kollektivem Gedächtnis, erlebter und erzählter Geschichte(n). PLAY: Möwe | Abriss einer Reise: Das Bild im Bild. Die Bühne auf der Bühne, auf der Bühne. Layer über Layer über Layer sich (re-)produzierender und variierender Inhalte und Formen. (4) Das Theater ist ein Live-Medium. Ihre mögliche „Liveness“ unterscheidet theatrale Mashups von anderen online verfügbaren Formen und Remix-Genres. Digitalität mag hier als Bedingung der Möglichkeit für neue (technische) Spielarten im Theater gelten. Die Live-Produktion des Mixes wird dabei zu einer spielerischen und improvisatorischen Komponente der Aufführung. Die Live-Überlagerung und der Loop der zum Teil in Echtzeit (re-)produzierten Bildsequenzen und Sounds führen das prozesshafte Wachsen der Darbietung aus einzelnen Komponenten unmittelbar vor Augen. Der Mix offenbart im Moment der Aufführung den Prozess seiner Entstehung.

PLAY: Möwe: Live-Texting als eine Komponente des Mixes erlaubt die (Re-)Integration der Zeichenhaftigkeit des Textes. Der Text erhält eine eigene und neuartige Auftrittsmöglichkeit, jenseits der sprachlichen Vermittlung. Das Auseinandertreten von gesprochener Sprache und live animiertem Schriftbild wird szenisch erfahrbar und schafft damit ein Differenzbewusstsein, das Raum schafft für Ambivalenzen, für „unerhörte“ Nuancierungen, Ergänzungen, Ersetzungen, Konkretisierungen und Kommentierungen.

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Material: Stefan Drees: Riffs, Beats, Loops und Remix, in: Döhl und Riethmüller (Hg.): Musik aus zweiter Hand. Laaber 2017, S.111-130, hier S. 129 Jean-Luc Godard, Youssef Ishaghpour: Archäologie des Kinos. Gedächtnis des Jahrhunderts. Zürich, Berlin 2008, S. 25 Hillel Schwartz: Déjà Vu. Die Welt im Zeitalter ihrer tatsächlichen Reproduzierbarkeit. Berlin 2000, S. 261. Walter Benjamin (1939): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Dritte Fassung). Suhrkamp, Frankfurt 1980, Seite 481. Vgl. https://de.wikisource.org/wiki/Seite:Das_Kunstwerk_im_Zeitalter_seiner_technischen_Reproduzierbarkeit_(Dritte_Fassung).pdf/11; letzter Zugriff: 27.01.2020. Alessandro Bertinetto: Improvisation und ‚Contrafacts‘, in: Döhl und Riethmüller (Hg.): Musik aus zweiter Hand. Laaber 2017, S.213- 236, hier S. 214. Frédéric Döhl: Auf der Anklagebank. Sound Sampling vor Gericht, in: Döhl und Riethmüller (Hg.): Musik aus zweiter Hand. Laaber 2017, S.177- 211, hier S. 181. Dirk von Gehlen: Mashup. Lob der Kopie. Suhrkamp, Berlin 2011, S. 206. Simon Reynolds: Ghosts of Futures Past: Sampling, Hauntology and Mash-Ups, in: Ders.: Retromania. Pop Culture’s Addiction To Its Own Past. London 2011, S. 311-361. Reinhold Viehoff: Mashup – Figur, Form und mediale Prägnanz […], in: Florian Mundhenke et al. (Hg.): Mashups. Neue Praktiken und Ästhetiken in populären Medienkulturen. Springer: Wiesbaden 2015, S. 45-57, hier S. 50.

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BIS ZUR UNENDLICHKEIT UND NOCH VIEL WEITER Ein Versuch über zehn Jahre am Schauspiel Dortmund von Sascha Westphal

Ensemble in Im Irrgarten des Wissens

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Eine auf einem Dolly montierte Kamera zieht ihre elliptischen Bahnen um ein eindrucksvolles Bühnenbild. Auf der einen Seite ist es ein bürgerliches Haus mit allem, was das Herz begehrt. Auf der anderen bildet es eine ganz alltägliche Straßenszenerie ab. Der Ausnahmezustand ist jedoch schon angelegt. Es gibt also reichlich zu sehen. Unzählige kleine Details warten darauf, entdeckt zu werden. Aber erst einmal zieht die Kamera die Blicke auf sich. Sie hat den Platz okkupiert, den bei katholischen Prozessionen das Kreuz, eine Marienstatue oder eine Monstranz innehaben. Die Schauspieler_innen folgen ihr wie einem Heiligtum, bis sie schließlich nach und nach aus dieser weltlichen Prozession heraustreten und ihre Plätze in dem Bühnenbild einnehmen. Das eigentliche Spiel kann beginnen, während die Kamera weiter das Set umrundet, nur darauf wartend, dass sich das Ensemble erneut hinter ihr versammelt und die Prozession wieder dem neuen Abgott huldigt, dem flachen Bild, das längst die göttliche Botschaft abgelöst hat und an das alle wie an ein sich ständig selbst erneuerndes Evangelium glauben. Seit der Premiere der von Kay Voges zusammen mit Dirk Baumann und Alexander Kerlin entworfenen Borderline Prozession am 15. April 2016 ist viel über diese bahnbrechende Inszenierung geschrieben und gesagt worden ... auch von mir. Und dem möchte ich an dieser Stelle gar nichts mehr hinzufügen. Aber dieses Bild der Prozession, die sich langsam auflöst, um sich dann nach einiger Zeit wieder neu zu formieren, geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. In ihm liegt wie auch in der kreisenden, das Bühnenbild fortwährend umrundenden Bewegung der Kamera so etwas wie ein Schlüssel für mich. Wie lassen sich beinahe zehn Jahre künstlerischer Arbeit an einem Theater beschreiben? Wie lässt sich das Wesen und Wirken einer zu einer Ära gewordenen Intendanz fassen? Das sind Fragen, die sich eigentlich kaum beantworten lassen. Jede_r Zuschauer_in hat eine eigene Perspektive auf diese Zeit. Aus persönlichen Erinnerungen formt sich ein nicht weniger persönliches Bild, das natürlich Schnittstellen zu und Schnittmengen mit anderen ebenso persönlichen Reminiszenzen aufweist, aber doch einzigartig bleibt. Und auch von der anderen Seite, der Seite der Künstler_innen, lassen sich zehn Spielzeiten kaum auf einen Punkt bringen. Es gibt nicht einmal eine sich klar abzeichnende Entwicklungslinie. Dafür sind einfach viel zu viele unterschiedliche Persönlichkeiten an einem Theater tätig. E I N E E R K U N D U N G D E R W E LT Aber es gibt eben dieses eingangs beschriebene Bild aus der Borderline Prozession. Diesen Umzug um eine Welt en miniature, dessen Teilnehmer_innen sich zerstreuen, wenn auch nicht in alle Winde, und wieder zusammenfinden, um sich erneut zu zerstreuen. In diesem Prozess, der anders als die Inszenierung niemals an ein Ende kommt und der auch keinen Anfang hat, spiegeln sich für mich die Jahre, die seit dem Herbst 2010 vergangen sind. Man ist in immer neuen Konstellationen zusammengekommen und hat gemeinsam nicht nur an einem Text oder einer Inszenierung gearbeitet. Jede Premiere war immer auch eine Erkundung der Welt und der Verhältnisse, in denen wir leben.

Oft ist das Dortmunder Schauspielhaus in diesem Jahrzehnt als ein »Theaterlabor«, als ein Ort der theatralen und medialen Forschung, bezeichnet worden, an dem die gerade aktuellen Fragen der Bühne und der Gesellschaft gestellt und auch bearbeitet wurden. Das ist sicher eine zutreffende Beschreibung. Mir klingt sie letzten Endes allerdings zu kühl, zu analytisch. Natürlich haben die Regisseur_innen dieser Ära gemeinsam mit dem Ensemble nach Ausdrucksweisen gesucht, die den rapiden gesellschaftlichen Veränderungen der 2010er Jahre gerecht werden ... aber nicht wie Wissenschaftler_innen in einem Labor, die unter geschützten Umständen ihren Untersuchungen und Versuchen nachgehen. Sie glichen eher einer verschworenen Theater-Glaubensgemeinschaft, die sich den Bruch- und den Baustellen des Lebens im digitalen Zeitalter aus dem freien Geist der Kunst genähert hat, ohne immer zu wissen, wo sie das hinführt. EINE VERSTÖRENDE, VERFÜHRERISCHE FREIHEIT Kay Voges’ Intendanz hat etwas von eben jener Kreisbewegung, die auch die Borderline Prozession geprägt hat. Es führt ebenso wenig ein gerader, zielgerichteter Weg von Woyzeck, Voges’ erster Inszenierung auf der großen Bühne, zu seiner Abschiedsinszenierung PLAY: Möwe | Abriss einer Reise wie von Marcus Lobbes’ Annäherung an Aischylos’ Die Perser zu dessen Beckett-Abend Warten auf Godot. Jede dieser Arbeiten reagiert auf eine ganz eigene Weise auf die Welt, die sie hervorgebracht hat. Natürlich gibt es Verbindungen, und natürlich hat sich auch etwas im Zusammenspiel der Theatermacher_innen mit dem Ensemble entwickelt. Aber in meinen Augen ähneln diese Entwicklungen eher Sprüngen, die in die eine oder auch in eine ganz andere Richtung führen, als kontinuierlichen Fortschritten. Die kann es so in der Kunst auch gar nicht geben. Die Idee einer zielgerichteten Entwicklung ist ein Mythos. Es ist eher wie bei der Prozession. Man kommt zusammen, wählt einen Ort aus und versucht sich an diesem Ausschnitt des Lebens und der Welt. Betrachtet man die Jahre von Kay Voges und seinem Ensemble in Dortmund so, dann ähnelt diese Schauspiel-Ära Inszenierungen wie der Borderline Prozession oder auch Das Goldene Zeitalter. Ihre Zeitschleifen und Variationen beschreiben das künstlerische Experiment, an dem wir Zuschauer_innen teilhaben durften, auf kongeniale Weise. Denn natürlich gab es Fragen und Ideen, Motive und Schwerpunkte, zu denen das Schauspiel Dortmund immer wieder zurückgekehrt ist, denen es sich mit großer Intensität und noch größerer Neugier gewidmet hat. Und es gab auch Inszenierungen, die den Boden für spätere Experimente und Exkursionen bereitet haben. Inszenierungen, in denen etwas Neues und Offenes aufschien, in denen das Ensemble sich befreit hat. So war es Martin Laberenz, der mit Visitor Q und Naked Lenz den Spieler_innen ebenso wie dem Publikum eine verstörende und verführerische Freiheit geschenkt hat. Die Möglichkeit, sich als Zuschauer_in frei im Raum zu bewegen, war Herausforderung und Erlösung in einem. Das Theater hat seine Grenzen aufgegeben und sich der Welt im Ganzen geöffnet, und im Gegenzug ließ das Publikum die Kunst in sein Leben eindringen. Diese Erfahrung der Entgrenzung hat sich dann Jahre später auf eine ganz andere und doch mit Martin

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Laberenz’ Arbeiten verknüpfte Weise wiederholt, als Thorleifur Örn Arnarsson mit seiner Welterschaffungs- und Vernichtungsinstallation Im Irrgarten des Wissens den Theaterraum endgültig aufgesprengt hat. In dieses Theater geht man nicht, wie es eigentlich heißt. Man taucht in diese Inszenierungen ein, lässt sich von ihnen um- und überspülen. Sie schleudern einen wie eine mächtige Welle herum, bis es kein Oben und kein Unten mehr gibt. Die Welle ist die Welt und das Leben. PUBLIKUM UND ENSEMBLE ALS EINHEIT Nicht nur die Arbeiten von Martin Laberenz waren für das Schauspiel Dortmund und sein Ensemble bahnbrechend. Auch einige Inszenierungen von Marcus Lobbes haben den Dortmunder Schauspielstil, diese Ästhetik maximaler darstellerischer Durchlässigkeit geprägt. Wahrscheinlich hatte ich einfach nur unfassbares Glück. Aber die Vorstellung von Marcus Lobbes’ Inszenierung von Peter Handkes Publikumsbeschimpfung, in die es mich verschlagen hat, werde ich niemals mehr vergessen. Sie hat meinen Blick auf das Theater erweitert und so für immer verändert. Schon damals gab es einen imaginären Kreis, in dem sich alle getroffen haben. Publikum und Ensemble haben die Hinterbühne gemeinsam betreten und saßen nebeneinander um mehrere zusammengestellte Tische. Erst einmal trennte die Spielenden und die Zuschauenden nichts. Erst als einige der Anwesenden Textbücher hervorholten und begannen, Handkes in den 60er Jahren revolutionäre Texte zu lesen, deutete sich eine Differenz an. Doch die war eine Imagination, die schnell wieder in sich zusammenfiel. Ein Zuschauer griff plötzlich ein, nahm Björn Gabriel das Textbuch mit den Worten »Das kann ich auch« weg und las einfach weiter. Aus Handkes Stück über alles, was die da oben auf den Brettern, die die Welt bedeuten, von denen da unten in den plüschigen Sesseln trennt, wurde eine Feier des Verbindenden, ein gemeinsames Nachdenken über das Theater und seine Möglichkeiten. In dem Moment, in dem Björn Gabriel seinem Nachbarn seinen Text überlassen hat, ist auch die vierte Wand in unserem Denken zu Staub zerfallen. Publikum und Ensemble sind eine Einheit, und nur gemeinsam können sie das Theater des 21. Jahrhunderts formen. Und nichts anderes hat die Prozession des Schauspiel Dortmund versucht. Blicke von Außen sind dabei trügerisch. Sie nehmen aufgrund der sich wiederholenden Topoi und Ästhetiken eine Kreisbewegung wahr. Doch in Wahrheit war der Weg, den Kay Voges und all seine Mitstreiter_innen gegangen sind, eine Spirale. Eine Spirale, die sich weiter und weiter öffnet, die keine Grenzen kennt. Wer das Ganze umschließen will, wer die Welt in all ihrer Brüchigkeit und Widersprüchlichkeit abbilden möchte, den darf das Unendliche nicht schrecken. Nach zehn Jahren endet dieser Weg in Dortmund. Aber die Spirale wird sich weiter und weiter öffnen...



Sascha Westphal arbeitet als freier Theater- und Filmkritiker, u.a. für nachtkritik. de, epd Film, Die Welt, kulturwest.de und Theater der Zeit. Er lebt in Dortmund.

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Friederike Tiefenbacher in Mighty Society – Die Restposten

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ERINNERN #5 Acht Fragen an: Andreas Auerbach, Voxi Bärenklau, Thorsten Bihegue, Liesbeth Coltof, Klaus Gehre, Wolf Gutjahr, Sascha Hawemann, Ed. Hauswirth, Laura N. Junghanns, Gordon Kämmerer, Marcus Lobbes, Pia Maria Mackert, Daniel Roskamp, Vanessa Rust, Mona Ulrich

Ekkehard Freye, Alexandra Sinelnikova, Uwe Rohbeck in Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm

269 Was kommt dir in den Sinn, wenn Du an das Schauspiel Dortmund denkst?

Andreas Auerbach (*1969 in Gera) ist Bühnen- und Kostümbildner. Langjährige Zusammenarbeit mit der Regisseurin Claudia Bauer. Am Schauspiel Dortmund entwarf er die Bühnenbilder für Republik der Wölfe, Die Simulanten und Schöpfung. Thorsten Bihegue (*1974 in Oberhausen) ist Regisseur, Autor, Dramaturg und Performer. Von 2012 bis 2015 war er Dramaturg am Schauspiel Dortmund und organisierte zusammen mit Lisa Kerlin das NRW-Theatertreffen 2014. Zudem wiederkehrende Arbeiten mit dem Dortmunder Sprechchor (u.a. After Life) sowie Regie-Arbeiten wie Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm oder Das Reich der Tiere. Voxi Bärenklau (*1960) arbeitet seit 1987 als Kameramann und Director of Photography in der Kino- und TV-Produktion u.a. für Regisseure wie Helge Schneider, Christoph Schlingensief oder Adolf Winkelmann. Seit 2015 regelmäßige Zusammenarbeit mit Kay Voges, u.a. bei DIE SHOW, hell | ein Augenblick, oder Die Borderline Prozession.

Der Küchentisch in meiner Gastwohnung in der Schillingstraße, wo so viel entsteht.

Hauswirth

Ich denke an viele lange Nächte gefüllt von der Dringlichkeit, Theater zu diskutieren.

Junghanns

Wenn du auf die Bühne gehst, und du bist zuerst an diesem Inspizientenpult und hast Tilla davor sitzen, denkst du nur: Da atmet das Theater. Ein pulsierendes, schlagendes Herz!

Bärenklau

Eine engagierte Gruppe von Schauspieler_innen und Dramaturg_innen, die immer bereit waren, über ihren Schatten zu springen. Der beste Geschäftsführer aller Zeiten mit einem großen Herzen für die Arbeiten und die Künstler_innen. Ein tolles Bühnentechnik-Team, das sich immer weiter entwickelt hat!

Coltof

Als Leiter des „NRW-Theatertreffen 2014“ wurde ich zwei Monate vor Beginn des Festivals von der Betriebsdirektion telefonisch geweckt und gefragt, wo ich denn sei? Ich hatte ganz offensichtlich ein wichtiges Gespräch verpennt. Auf dem Weg ins Theater dachte ich: „Jetzt spielst du seit zwanzig Jahren erfolgreich Erwachsensein und bis dato kamst du gut damit durch – aber dafür gibt‘s ne Abseifung.“ Mit angespanntem Unterkiefer klopfte ich bei der Theaterleitung an, öffnete die Tür und schaute: In vergnüglich grinsende, schadenfrohe Gesichter. So gehen vernünftige Leute mit vernünftigen Leuten um! Und seitdem bin ich nicht mehr richtig da weggekommen.

Bihegue

Das Haus selbst! Die grau verputzte Fassade, der pinke Duracell-Hase. Danach kommen schnell die verrauchten Herrengarderoben mit den alten Holztischen und Klappspiegeln. Die Renovierung mochte ich gar nicht… ;)

Rust

Das Plakat von Adam und Eva am Schauspielhaus.

Mackert

Pias riesiger Plüschhase neben dem Eingang.

Roskamp

Einen Vorplatz voller toller Menschen, mit denen ich viel Lebenszeit verbracht habe: feiernd, biertrinkend, diskutierend, glücklich.

Ulrich

Wie ich in Freiburg im Regen auf der Straße stehe und Kay mich anruft: „Ich bin gerade zum Dortmunder Schauspielintendanten gewählt worden!“

Lobbes

Imposante, kalte Lagerhallen mit Jesusbildern, EU-Stacheldraht, Autowracks, gewürfelte Wohnzimmeratmosphäre. Experimentierflächen, risiko- und kampfbereit. Bikram-Probebühne letzter Stock. Arktis-Probebühne unterm Dach. Strahlend grauer Block, darauf thronend die letzte Hoffnung einer linken Utopie.

Kämmerer

Das Schauspiel Dortmund ist und war für mich tatsächlich immer so etwas wie ein „Heimathafen“. Ein besonderer Ort, wie es ihn nur selten gibt, an dem ich willkommen bin, prägende Menschen getroffen und kennen gelernt habe – aber vor allem ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle.

Hawemann

270 Uwe Schmieder, Maximilian Brauer, Lilith Stangenberg, Bernhard Schütz, Jonathan Meese, Brigitte Meese, Anke Zillich in Lolita (R)evolution (Rufschädigendst) - Ihr Alle seid die Lolita Eurer Selbst!

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2020 © PHOTOGRAPHY JAN BAUER.NET COURTESY JONATHAN MEESE.COM

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Was ist deine prägendste Erinnerung an Deine Arbeit hier? Hauswirth

Rust Gehre Bärenklau

Junghanns

Ein festes Stadttheater, das 2015 in den Megastore auszieht und dort wie ein großes freies Theater funktioniert. Ariane Mnouchkine-Romantik inklusive. Wohl der Schlafmangel. Das war’s aber wert. Das Zusammenkommen von Diskurs und Spiel in Minority Report. Ich erinnere mich an Im Irrgarten des Wissens: Wie soll ich einen über fünf Stunden langen Abend so leuchten, dass es über diese Dauer interessant bleibt? Dann plötzlich die Idee: Ich lege da einfach eine einzige Altmann-Lampe auf den Boden, bisschen Nebel dazu und gucken, was dabei rauskommt und: Es sah geil aus! Ungefähr 30 Jahre Berufserfahrung kulminiert in einer Lampe und ein bisschen Nebel. Außerdem fand ich den Abend sensationell gut. Dass Kontinuität ein Geschenk ist, das Freiheit ermöglichen kann.

Roskamp

Weiß nicht. Die Ruhrpott-Mentalität wahrscheinlich. Das Rau-Herzliche der Leute.

Mackert

Mein erster Tag, an dem mich Kay voll Stolz durch „sein“ Haus geführt hat.

Ulrich

Die Dreharbeiten zu Einige Nachrichten an das All – das war unglaublich, was wir da in kürzester Zeit und mit unfassbar guter Laune erschaffen haben.

Coltof

Die letzte Szene von Wer hat Angst vor Virginia Woolf mit Friederike Tiefenbacher und Axel Holst: Inmitten des Publikums wurde ihre Liebe und ihr Schmerz so spürbar, so persönlich und ausweglos, dass es einem den Atem raubte. Und dann die Premiere von Verbrennungen – nach den letzten Sätzen eine längere Stille im Saal, man hörte Zuschauer_innen weinen. Vor Mitgefühl? Schock? Trauer? Verwirrung? Vielleicht ist es diese Stille, die unsere Arbeit so wertvoll macht.

Bihegue

Dass Kay Voges nicht nur ein toller Regisseur und Intendant ist, sondern auch der beste „Feuerwehrmann des Theaters“, der mir je begegnet ist. Was er, wenn es in Proben von Kolleg_innen mal nicht mehr weiter ging, in zwei Wochen, in drei Tagen oder selbst in fünf Stunden noch in die richtige Bahn zu lenken wusste, macht einen nicht unerheblichen Teil des Erfolges dieses Hauses aus.

Andreas Auerbach (*1969 in Gera) ist Bühnen- und Kostümbildner. Langjährige Zusammenarbeit mit der Regisseurin Claudia Bauer. Am Schauspiel Dortmund entwarf er die Bühnenbilder für Republik der Wölfe, Die Simulanten und Schöpfung. Thorsten Bihegue (*1974 in Oberhausen) ist Regisseur, Autor, Dramaturg und Performer. Von 2012 bis 2015 war er Dramaturg am Schauspiel Dortmund und organisierte zusammen mit Lisa Kerlin das NRW-Theatertreffen 2014. Zudem wiederkehrende Arbeiten mit dem Dortmunder Sprechchor (u.a. After Life) sowie Regie-Arbeiten wie Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm oder Das Reich der Tiere. Voxi Bärenklau (*1960) arbeitet seit 1987 als Kameramann und Director of Photography in der Kino- und TV-Produktion u.a. für Regisseure wie Helge Schneider, Christoph Schlingensief oder Adolf Winkelmann. Seit 2015 regelmäßige Zusammenarbeit mit Kay Voges, u.a. bei DIE SHOW, hell | ein Augenblick, oder Die Borderline Prozession.

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Was machen die Dortmunder Arbeiten in Deiner eigenen Arbeitsbiografie aus?

Liesbeth Coltof war Künstlerische Leiterin der Toneelmakerij in Amsterdam. Am Schauspiel Dortmund inszenierte sie Wer hat Angst vor Virginia Woolf, Verbrennungen von Wajdi Mouawad sowie Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden. Klaus Gehre (*1969 in Riesa) ist freischaffender Regisseur und entwickelte für seine Arbeiten das Format der Live-Film-Performance. Klaus Gehres erste Regiearbeit Minority Report oder Mörder der Zukunft wurde vom Dortmunder Publikum zur Besten Inszenierung 2014/15 gewählt, seine zweite Regiearbeit Rambo plusminus Zement feierte 2016 Premiere. Wolf Gutjahr arbeitet seit 1995 als freier Szenograph, Bühnen- und Kostümbildner. Am Schauspiel Dortmund fertigte er die Bühnenbilder für Sascha Hawemanns Inszenierungen Eine Familie (August: Osage Country), Furcht und Elend des Dritten Reiches, Der Kirschgarten und Die Dämonen.

Viel. Ich habe hier in Dortmund mein künstlerisches Zuhause gefunden. Das kontinuierliche und angstfreie Arbeiten hat meine künstlerische Handschrift geprägt.

Ulrich

Die Arbeiten in Dortmund durchbrachen meine Routine, sie sind daher stets in meinem Kleinhirn abgespeichert.

Hauswirth

10 von 25 Jahren! Krass!

Lobbes

Als Highlights die Nominierung zum „Faust“-Preis für Kays Regiearbeit zu Das Fest, meine Einladung zum „Faust“-Preis für meine Ausstattung zum Goldenen Zeitalter.

Mackert

Als Künstlerische Leiterin einer niederländischen Theatergruppe gab Dortmund mir immer die Freiheit, mich voll und ganz auf die Regie konzentrieren zu können: meine Arbeitsweise neu zu entdecken, Grenzen zu überschreiten, mein Handwerk zu nutzen und gleichzeitig zu ignorieren. Zudem war es der Beginn meiner Arbeiten in Deutschland und mit einer mir fremden Sprache.

Coltof

Es gibt in einer Biographie ja immer längere, intensivere und kürzere, weniger prägende Liebes- und Arbeitsbeziehungen. Dortmund gehört für mich eindeutig zu den ersteren, die Beziehung hierhin ist eine meiner wesentlichsten Liebes- und Arbeitsbeziehungen der letzten zwanzig Jahre.

Hawemann

Das Schauspiel Dortmund ist meine Theaterfamilie. Hier habe ich seit 2014 hospitiert, assistiert, inspiziert und inszeniert.

Junghanns

Da ich als Kostümassistentin in Dortmund angefangen habe und es auch mein allererstes Theater überhaupt war, ist das Dortmunder Schauspiel eigentlich der Startpunkt meiner Arbeitsbiografie. Zudem habe ich in der Zeit viele Menschen kennen gelernt, mit denen ich jetzt als Kostümbildnerin zusammenarbeite.

Rust

Für mich kam diese Arbeit mit Dortmund zu einem Zeitpunkt, als ich am Tod Schlingensiefs zu knabbern hatte und dachte, ich würde mit Theater nichts weiter anfangen können. Und dann kam die DIE SHOW: Ins kalte Wasser springen und anfangen, einen riesigen Film zu drehen. Und zu merken, dass es mit Kay eine ganz große Überlappung gibt: Was wir wollen, was wir anstreben und formal gut finden. Das war ein ganz großes Geschenk – wieder Zuversicht zu fassen im Leben und in der Arbeit – dafür werde ich dem Schauspiel Dortmund ewig dankbar sein.

Bärenklau

Das ist ein halbes Arbeitsleben. Unglaublich, jetzt, wo ich es aufschreibe. Dass man über eine solch lange Zeit zusammenbleibt, sich interessiert und sich zusammen entwickelt, ist schon besonders.

Roskamp

Dass sich Menschen jenseits eingefahrener Arbeitsteilungsmechanismen ausprobieren und weiterentwickeln durften. Nicht aus hippiesker Selbstgenügsamkeit heraus, sondern aus Lust am Experiment und an der Förderung der Talente, die in jedem oft nur dahin schlummern dürfen: All das kannte ich zuvor nur aus kollektiv arbeitenden freien Theatergruppen.

Bihegue

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Uwe Rohbeck, Luise Heyer, Björn Gabriel in Eskalation ordinär

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Amelie Barth, Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher, Frank Genser, Edith Voges Nana Tchuinang, Raafat Daboul in ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM

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Was macht das Ensemble in Deinen Augen besonders? Junghanns

Die künstlerische Konfrontation untereinander, eine gute Portion angemessener Größenwahn und am Theater zu arbeiten als Lebensstil zu begreifen.

Hawemann

Es ist ein Ensemble im wahrsten Sinne des Wortes, nach Innen und Außen stark auftretend, füreinander einstehend, Projekte tragend. Und in dem trotzdem niemand seine Eigenheiten und seine Begabung verliert. Hier kann man sehen: Autonomie und Talent kann Kollektiv.

Ulrich

Die Bereitschaft, „JA“ zu sagen. Es ist besonders, dass Spielende sich für eine Produktion die Haare bleichen oder abrasieren, es ist besonders, dass die Schneiderei in kürzester Zeit sieben große Aliens herstellt, es ist besonders, was das Schauspiel Dortmund trotz widriger Umstände im Megastore erschaffen hat, und es ist besonders, wie intensiv sich alle miteinander auseinandersetzen.

Kämmerer

Geist. Gemeinschaftsgefühl.

Mackert

Lauter wunderbare Menschen, die sich für nichts zu schade sind und mehr als ihr Bestes für das Haus geben.

Gehre

Dass sie mit dem Theater in dem Ort, in dem sie arbeiteten, zufrieden wirkten.

Rust Bihegue

Der Zusammenhalt und der Kampf für die Sache. Solidarität. Empathie. Und Kunstverständnis. Punkt.

Coltof

Es war wie eine Familie – mit all der Liebe und all den Streitigkeiten, doch letztlich passt man aufeinander auf. Die Freude am Ausprobieren, am Versuchen hat mich immer wieder begeistert: Das Ensemble war flexibel und verlor dennoch nie dessen Persönlichkeit!

Hauswirth

Die denken und spielen selber. Die Ensemblemitglieder sind hier im hohen Maße eigenverantwortliche Co-Autor_innen des entstehenden Theaterabends. Insbesondere, wenn man Autorschaft nicht nur als die bloße Produktion von Text begreift. (Aber auch dabei tragen sie lohnend bei!)

Sascha Hawemann (*1967) ist Regisseur und inszenierte vier Abende am Schauspiel Dortmund: Eine Familie (August: Osage Country), Brechts Furcht und Elend des Dritten Reiches sowie Der Kirschgarten und Die Dämonen. Ed. Hauswirth (*1965) ist Gründungsmitglied und künstlerischer Leiter des Theater im Bahnhof in Graz. Am Schauspiel Dortmund inszenierte er vier Abende: Die Liebe in Zeiten der Glasfaser, das Revolutionsdrama Triumph der Freiheit #1 von Joël Pommerat, den Philosophie-Krimi Memory Alpha von AK Schulz, sowie Der Widersacher über den Kriminalfall Jean-Claude Romand. Laura N. Junghanns (*1991) studierte Regie an der Folkwang Universität der Künste Essen. Seit 2014 ist sie mit dem Schauspiel Dortmund verbunden – ihr Regie-Debüt Orlando nach Virginia Woolf feierte 2018 Premiere, danach folgten Everything Belongs to the Future von Laurie Penny, Echte Liebe mit dem Dortmunder Sprechchor sowie Familien gegen Nazis von Laurence Young.

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Marlena Keil, Alexander Xell Dafov in Eine Familie

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279

Was nimmst Du mit aus Deiner Zeit in Dortmund?

Gordon Kämmerer (*1986) studierte Schauspiel in Leipzig und Theaterregie in Berlin. Mit seiner Inszenierung Kasimir und Karoline eröffnete er die Spielzeit 2016 im Megastore – rund ein Jahr später dann mit Biedermann und die Brandstifter / Fahrenheit 451 die Spielzeit 2017 im Schauspielhaus. 2018 feierte Tartuffe nach Molière als seine dritte Regie-Arbeit Premiere. Marcus Lobbes arbeitet seit 1995 als Regisseur und Ausstatter, seit 2010 inszeniert er in Dortmund regelmäßig, so u.a. Die Perser von Aischylos, Glückliche Tage/Das letzte Band und Warten auf Godot von Samuel Beckett, Ich, Europa sowie TRUMP von Mike Daisey im Megastore. Seit 2019 ist er Künstlerischer Leiter der Akademie für Theater und Digitalität.

Reichtum. Von der immateriellen Art.

Roskamp

Den tollsten Mann, den ich mir vorstellen kann!

Ulrich

Diese mannigfaltigen und enormen Bilder, die da entstanden sind, das ist schon ein Vielfaches von dem, was ich mit Christoph Schlingensief gemacht habe, auch wenn man das überhaupt nicht vergleichen kann.

Bärenklau

Das Zuschauer-Zitat „Bei der Komödie hört der Spaß auf.“

Lobbes

Eine gute Mischung an verschiedenen Arbeitsweisen, von denen ich in Gesamtheit wohl die Auffassung der Arbeitsmoral für mich mitnehme.

Rust

Eine ganz besondere Zeit, eine große Entwicklung in der Arbeit von Kay Voges zu begleiten. Ich bin traurig, dass dies nun zu Ende geht. Ich habe so viele Mitarbeiter_innen und Kolleg_innen ins Herz geschlossen!

Mackert

Ich verließ das Ruhrgebiet im Jahre 2000 aus Oberhausen mit dem festen Entschluss, nie wieder dorthin zurückzukehren (außer zum Selfie in der Christoph-Schlingensief-Straße). Ich studierte in Niedersachsen und Süd-England, lebte in Berlin und Leipzig, arbeitete in New York, Bangkok, San Francisco und Rudolstadt und ich fand dann: Zuerst das Schauspiel Dortmund, dann den Dortmunder Sprechchor und dann auch Dortmund. Heute wohne ich in Plauen. Im Autoverkehr genieße ich Narrenfreiheit durch mein Dortmunder Kennzeichen.

Bihegue

Erkenntnis: Dortmund ist nicht Urlaub.

Kämmerer

Menschen nehme ich mit, viele Menschen im reisenden Herzen, die ich nicht vergessen werde, versprochen. Und Versprechen halte ich, immer.

Hawemann Hauswirth

Zwei Fahrräder.

Axel Holst, Friederike Tiefenbacher in Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

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Caroline Hanke, Annou Reiners, Uwe Rohbeck, Alida Bohnen, Berna Celebi, Max Ranft in Familien gegen Nazis

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Kevin Wilke, Mario Lopatta, Bérénice Brause, Frieder Langenberger in Everything belongs to the Future

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Was war der schlimmste/beste Dortmunder Moment? Roskamp

Oh je, jetzt werd ich sentimental…

Rust

Für mich waren die beglückendsten Momente immer nach der Premiere. Bis dahin waren alle ungelösten Probleme gelöst und jeder Ärger wieder verflogen.

Hauswirth

Der schlimmste Moment war, als mir in der Endprobenphase von Triumph der Freiheit #1 die Kondition ausging. Der beste Moment kam vielleicht gleich darauf, als wir kooperativ mit Kay den Abend gemeinsam zu einem guten Ende brachten.

Ulrich

Der schwierigste Moment war wohl Das schweigende Mädchen – die erste Arbeit im Megastore, als noch nichts da war. Die Halle war beinahe leer, sie musste erst mit Leben und Wärme (tatsächlicher Wärme, es war saukalt) gefüllt werden, und wir mussten herausfinden, wie das Theatermachen in dieser Räumlichkeit funktioniert. Der beglückendste Moment waren die Endproben der Borderline Prozession. Wenn die Spielenden anfingen, singend im Kreis zu laufen, empfand ich irgendwie pure Liebe für jeden Einzelnen.

Bärenklau

Bester: Der Auftritt von Lydia Lunch bei Paul Wallfischs Abschiedskonzert – noch mal die Heldin meiner Jugend sehen können.

Gehre

Bester Moment: die Arbeit an Minority Report. Schlimmster Moment: zu merken, dass Scheitern vor dem Hintergrund eines persönliches Notfalls nicht möglich ist.

Lobbes

Der beste Moment: die Anwesenheit so vieler Autor_innen bei der Dernière zu Ich, Europa. Ein Geschenk!

Hawemann

Der schlimmste war, als es aus terminlichen Gründen darauf hinauslief, dass ich eine Spielzeit in Dortmund pausieren musste. Das schönste hängt aber auch damit zusammen: Nach der Pause wiederzukommen und dann Dostojewskis Dämonen inszenieren zu können, das ist das Schönste.

Junghanns

Das ist tatsächlich ein und derselbe: Die Erkenntnis, dass der erste Probentag immer und immer wieder kommen wird.

Coltof

Die schönsten Momente: als Friederike erstmals den Schlussmonolog bei Verbrennungen sprach – mit einer solchen Ruhe und gleichzeitig voller überwältigendem Gefühl. Andreas und Uwe im Tod eines Handlungsreisenden. Julia und Axel in Wer hat Angst vor Virginia Woolf. Die Arbeit mit den Dramaturgen Dirk und Michael. Kay mit Verbrennungen zum Weinen zu bringen. Mit Mirjam Beck in ihrem Büro zu sitzen. Und was schwer war, war am Anfang die deutsche Sprache. Ich fühlte mich wie ein Kleinkind, das einen Atomreaktor beschreiben sollte. Manchmal bin ich einfach aufs Klo gegangen, um eine Pause von dieser neuen Sprache zu machen.

Mackert

Die Arbeit am Goldenen Zeitalter war eine ganz besondere. Das Heikelste: die Konzeption und Ausstattung von Hamlet nach drei Wochen Probenzeit komplett zu kippen.

Pia Maria Mackert arbeitet seit 1993 als freie Bühnen- und Kostümbildnerin in Schauspiel und Oper, hauptsächlich mit den Regisseuren Kay Voges und Marcus Lobbes. Bedeutende Dortmunder Arbeiten waren u.a. Woyzeck, Das Fest, Das Goldene Zeitalter, Hamlet (Regie: Kay Voges), Ich, Europa und TRUMP (Regie: Marcus Lobbes) sowie Komm in meinen Wigwam und Das Maschinengewehr Gottes von Wenzel Storch. Daniel Roskamp (*1962 in Stuttgart) arbeitet seit 1993 als Bühnen- und Kostümbildner. Mit Kay Voges verbindet ihn seit 2002 eine Zusammenarbeit. In Dortmund entwarf er u.a. die Bühnen für Die 39 Stufen, Der Meister und Margarita, Der Theatermacher und Die Parallelwelt, darüber hinaus für Macbeth und Arsen und Spitzenhäubchen in der Regie von Peter Jordan und Leonhard Koppelmann.

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Bettina Lieder, Sebastian Kuschmann, Christoph Jöde in Leonce und Lena

Unlösbar erschien die Heizungsanlage der Probebühne, es waren häufig 15 oder 28 Grad.

Auerbach

Die Dämonen, erste Hauptprobe - weil sich so ein Ereignis nicht wiederholen lässt.

Gutjahr

Der schwierigste: Meine erste praktische Probe mit dem Dortmunder Sprechchor. 110 Menschen umringen einen im Ballettsaal und gucken mich an, als fragten sie sich: „Was will denn der Typ hier?!“ Der beglückendste: Meine Tochter, eineinhalb Jahre alt, ist zum ersten Mal bei einer Probe. Dutzende Leute in Kostümen, Videoleinwände überall. Papa brüllt freundlich angestrengt durch den Raum. Es wird geraunt, gelacht. Und ich merke: Sie fühlt sich sichtlich pudelwohl.

Bihegue

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Welches Stückzitat hat sich am meisten für Dich eingebrannt? Erst kommt X, dann kommt Y – die kurze Aufzählung gegen Ende der Borderline Prozession.

Vanessa Rust (*1988 in Bremen) wuchs in Hamburg auf und war seit 2014 Kostüm-Assistentin am Schauspiel Dortmund. Seit 2016 ist sie als freischaffende Kostümbildnerin tätig – in Dortmund entwarf sie u.a. die Kostümbilder für Triumph der Freiheit #1, Heimliche Helden, Der Futurologische Kongress und Tartuffe. Mona Ulrich arbeitet seit 2010 als freiberufliche Kostümbildnerin für Oper, Schauspiel und Film. Mit Kay Voges verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit, u.a. bei Endspiel, 4.48 Psychose, Geächtet (Disgraced), Peer Gynt,  PLAY: Möwe. Zudem arbeitete sie regelmäßig mit Thorleifur Örn Arnasson und Thorsten Bihegue zusammen.

Uwe Rohbeck, Andreas Beck in Woyzeck

Hauswirth

„Geh außen rum“ aus Peer Gynt.

Ulrich

Aus der aktuellen Arbeit, Becketts Warten auf Godot: „Komm, wir gehen.“ (Sie bleiben.) Passt doch gut...

Mackert

Es ist kein Zitat aus einem Stück und doch stets ein Teil: „Mit liebenden Augen schauen.“

Junghanns

Mir bleibt für immer die Raupe aus dem Goldenen Zeitalter.

Lobbes

„Als ob ich es geahnt hätte…“ (Thomas Bernhard, Der Theatermacher)

Roskamp

Das Nachdenken über Freiheit in Minority Report. Dass man der Vier nicht ansieht, ob sie aus 2 x 2 oder aus -2 x -2 entstanden ist.

Gehre

Mit Zitaten und beim Witzeerzählen bin ich ganz schlecht, aber ein „Nach Moskau, nach Moskau“ (eigentlich aus Tschechows Drei Schwestern, das ich in Dortmund nie gemacht habe) hatte immer Platz in allen meinen Inszenierungen, gesprochen oder zumindest stillschweigend gedacht, wie die Sehnsucht immer einen Platz bekommen sollte.

Hawemann

Im Goldenen Zeitalter fielen immer wieder diese zwei Zitate: „Ist das nun Kunst?“ und „Langweilen Sie sich?“. Ich liebte den Wagemut und die Intelligenz dieser Inszenierung.

Coltof

„Man sagt, die Liebe stirbt, sobald die Götter fliehen“ aus After Life. Ich hatte dieses Hölderlin-Zitat in das Stück gebastelt, als letzten Satz innerhalb der Narration des Abends. Und es hat mich, wie nach dem ersten Lesen, nach jeder gesehenen Aufführung ins Bett begleitet.

Bihegue

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BLACKBOX Seit 2014 war die BLACKBOX am Schauspiel Dortmund die diskursive Tauschbörse für gute Argumente: im Kampf gegen Vereinfachung, Populismus und Schwarz-Weiß-Denken. Ob Diskussion, Lesung oder Video Lecture – gemeinsam mit Forscher_innen, Künstler_innen, Journalist_innen und Aktivist_innen war die BLACKBOX auf der Suche nach diskursiven Waffen gegen jedwede Form der Radikalisierung. Die Reihe wurde kuratiert von Alexander Kerlin, Matthias Seier, Michael Eickhoff und und Bastian Pütter.

Andreas Beck in Helden wie wir

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9. Dezember 2014 #1 BLACKBOX ABSCHIEBUNG Zur Politik der Abschiebung und ihrer Überwindung. Mit Miltiadis Oulios 26. März 2015 #2 BLACKBOX FLUCHT Zwei Geflüchtete aus Eritrea und Syrien erzählen 21. Mai 2015 #3 BLACKBOX NSU 1 Was läuft beim NSU-Prozess in München? Die Rechtsanwältin der Angehörigen des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubaşik, Antonia von der Behrens, berichtet

1. Dezember 2016 #10 BLACKBOX TÜRKEI Mit dem Politikwissenschaftler Ismail Küpeli über die Türkei zwischen Terror, Putschversuch und staatlicher Willkür

7. Oktober 2018 #18 BLACKBOX DESINTEGRIERT EUCH

3. Mai 2017 #11 BLACKBOX FAKE NEWS Mit den Journalisten David Schraven und Peter Bandermann über Falschnachrichten, alternative Fakten und Verunsicherungsstrategien der Rechten

28. November 2018 #19 BLACKBOX KIK Zum Verfahren wegen eines Fabrikbrandes in Pakistan bei eine KiK-Zulieferer. Mit Saeeda Khatoon, Nasir Mansoor, Miriam Saage-Maaß, Remo Klinger und Thomas Seibert

13. Juni 2017 #12 BLACKBOX DEUTSCHER HUMOR

13. Januar 2019 #20 BLACKBOX FOLTER IN SYRIEN Mit Menschenrechtsanwalt Patrick Kroker (ECCHR) und der Überlebenden T. B.

Mit Comedian Shahak Shapira 21. Juni 2015 #4 BLACKBOX NSU 2 Was läuft beim NSU-Untersuchungsausschuss des Landes NRW? Gespräch mit Verena Schäffer (MdL), der Sprecherin des Ausschusses

6. November 2015 #5 BLACKBOX NSU 3 Das Versagen der Behörden. Mit Rechtsextremismus-Experte Robert Andreasch und der Politikerin Irene Mihalic, MdB

21. Januar 2016 #6 BLACKBOX DAS LACHEN DER TÄTER Mit Klaus Theweleit 17. Februar 2016 #7 BLACKBOX INSIGHT NSU Mit Steven Hartung, einem Aussteiger aus der Neonazi-Szene 18. März 2016 #8 BLACKBOX MITTELMEER Mit dem Seawatch-Aktivisten Ruben Neugebauer und dem Journalisten Frederik Richter 12. Mai 2016 #9 BLACKBOX DIGIHAD Mit dem Performer Arne Vogelgesang über Radikalisierung und memetische Kriegsführung im Netz

4. Februar 2018 #13 BLACKBOX POLEN Diskussion mit dem Theaterregisseur Oliver Frljic´ und Katarzyna Wielga-Skolimowska (geschasste Leiterin des Polnischen Kulturinstituts in Berlin)

10. März 2018 #14 BLACKBOX MIT RECHTEN REDEN Mit dem Philosophen Daniel Pascal-Zorn 7. April 2018 #15 BLACKBOX 1968 Mit dem Soziologen Thomas Wagner über performative Anleihen der Neuen Rechten bei den 68ern 27. Mai 2018 #16 BLACKBOX VERSCHWÖRUNG Mit dem Literaturwissenschaftler Michael Butter über Verschwörungsdenken 6. Oktober 2018 #17 BLACKBOX INTEGRATIONSPARADOX Mit dem Soziologen Aladin El-Mafaalani und Sascha Bisley über die Konflikte bei gelungener Integration

Mit dem Lyriker und Autor Max Czollek über das deutsch-jüdische Gedächtnistheater

12. April 2019 #21 BLACKBOX TIERE UND REVOLTE Mit dem Philosophen und Performer Fahim Amir über das revolutionäre Potential der Tiere in unseren Städten

17. Mai 2019 #22 BLACKBOX REPORTING POPULISM Mit Marcus Bensmann, Cristina Helberg und David Schraven am Vorabend der Europawahl 10. September 2019 #23 BLACKBOX QUEER IM FUSSBALL Mit Dr. Katja Sabisch, Laura N. Junghanns und Jannis Gluth über Männerbünde und Homophobie im Fußball

14. Dezember 2019 #24 BLACKBOX ROJAVA Mit Ismail Küpeli und Gästen über den Angriff der Türkei auf syrisch-kurdische Gebiete 2. Februar 2019 #25 BLACKBOX INCELS Mit der Expertin Veronika Kracher über frauenfeindliche, militante Netz-Ideologien

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INSZENIERUNGEN 2010-2020

R = Regie, B = Bühne, K = Kostüme, V = Videoart/Kamera, M = Musik/Sounds, LM = Live-Musik, CH = Choreographie, CE = Choreinstudierung, D = Dramaturgie, S = Schauspieler_innen, G = Gesang, E = Engineering, IM = Illustration/Modelldesign, UA = Uraufführung, DSE = Deutschsprachige Erstaufführung, DE = Deutsche Erstaufführung, AT = Arbeitstitel

SPIELZEIT 2010/2011 Woyzeck von Georg Büchner 01.10.2010

Stadt ohne Geld – Zero Tolerance 21.10.2010 (UA)

R: Kay Voges B: Pia Maria Mackert K: Michael Sieberock-Serafimowitsch LM.: Paul Wallfisch D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Caroline Hanke, Axel Holst, Sebastian Kuschmann / Sebastian Graf, Uwe Rohbeck

R: Alexander Kerlin / Nils Voges S: Matthias Breitenbach, Caroline Hanke, Sebastian Kuschmann

Miss Sara Sampson von Gotthold Ephraim Lessing 02.10.2010

R: Björn Gabriel S: Björn Gabriel

R: Christoph Mehler B+K: Nehle Balkhausen M: Oliver Urbanski D: Anne-Kathrin Schulz S: Jele Brückner, Ekkehard Freye, Luise Heyer, Julia Kubensky / Nora von Koenen, Bettina Lieder, Jakob Schneider

Die Perser von Aischylos 03.10.2010 R: Marcus Lobbes B+K: Christoph Ernst D: Michael Eickhoff / Alexander Kerlin S: Matthias Breitenbach, Björn Gabriel, Sebastian Graf, Christoph Jöde, Melanie Lüninghöner

Stadt ohne Geld Economy Death Match 06.10.2010 kainkollektiv / sputnic

Stadt ohne Geld In der Einsamkeit der Baumwollfelder von Bernard-Marie Koltès 14.10.2010 R: Fabian Lettow S: Ekkehard Freye, Bettina Lieder



Ostersonntag von Björn Gabriel nach Harriet Köhler 23.10.2010 39 Stufen von John Buchan und Alfred Hitchcock Dortmunder Premiere: 30.10.2010 R: Kay Voges B: Daniel Roskamp K: Larissa Hartmann V: sputnic D: Stefanie Winter / Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Axel Holst, Uta Holst-Ziegeler, Uwe Rohbeck

Publikumsbeschimpfung von Peter Handke 31.10.2010 R+B+K: Marcus Lobbes D: Michael Eickhoff S: Matthias Breitenbach, Björn Gabriel, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Christoph Jöde, Melanie Lüninghöner

Kohlhaas von Marco Baliani und Remo Rostagno nach Motiven von Heinrich von Kleist Dortmunder Premiere: 12.11.2010 R: Dieter Klinge B+K: Kerstin Handke M: Georgy Vysotsky D: Michael Eickhoff S: Uwe Rohbeck



Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht Musik von Kurt Weill 03.12.2010 R: Martin Nimz B: Ulrike Siegrist K: Ricarda Knödler M: Paul Wallfisch LM: Martell Beigang, Sebastian Gramss, Christoph Krieger, Edith Langgartner, Gilda Razani / Wim Wollner, Markus Scheltinga, Paul Wallfisch, Martin Wenk D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Sebastian Graf, Randolph Herbst, Luise Heyer, Axel Holst, Uta Holst-Ziegeler, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Melanie Lüninghöner, Uwe Rohbeck, Jakob Schneider, Rahel Weiss

Visitor Q frei nach Motiven aus dem Film von Takashi Miike 05.12.2010 (UA) R: Martin Laberenz B+K: Oliver Helf V: Daniel Hengst D: Alexander Kerlin S: Maik Franek, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Caroline Hanke, Jessy Key, Sebastian Kuschmann, Eva Verena Müller

Sauerstoff von Iwan Wyrypajew 09.01.2011 R+B: Björn Gabriel K: Ute Werner D: Anne-Kathrin Schulz S: Patrick Berg, Uta Holst-Ziegeler

Stadt ohne Geld – Abriss, Ruin, Erlösung 20.01.2011 (UA) R: Nils Voges LM: Philip Maike, Bastian Tebarth S: Sebastian Graf

Die Kleinbürgerhochzeit von Bertolt Brecht 21.01.2011 R: Charlotte Zilm B: Larissa Hartmann K: Yvette Schuster D: Alexander Kerlin S: Sebastian Graf, Luise Heyer, Axel Holst, Christoph Jöde, Christiane Lemm, Bettina Lieder, Melanie Lüninghöner / Eva Verena Müller, Uwe Rohbeck, Jakob Schneider / Frank Genser

Heimat unter Erde von Stefan Nolte unter Verwendung von Motiven von Hugo von Hofmannsthal und E.T.A. Hoffmann 22.01.2011 (UA) R: Stefan Nolte B+K: Mathis Neidhardt M: Paul Wallfisch LM: Hüseyin Aliev, Dogˇ an Bicer, Alan Mehovic, Rinas Mohammed, Männergesangsverein „Harmonie” Zeche Victoria, Lünen V: Felix Schnittker, Paul Hofmann, Ferdinand Fries CH: Christin Erdmann D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Jessica Chukwukere, Yusuf Dagdelen, Christin Erdmann, Isa Erker, Ekkehard Freye, Salih Gülhan, Caroline Hanke, Cindy Hempel, Annamaria Kaiser, Orhan Müstak, Abdullah Özmen, Max Rehfeld, Arif Sarikaya, Peter Thill

Stadt ohne Geld – Auf, auf zum Kampfe, zum Kampfe, ihr Holzwürmer 27.01.2011 (UA) R+B: Malte Jehmlich (sputnic), Mirjam Schmuck (kainkollektiv) K: Theresa Mielich S: Jakob Schneider

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Axel Holst, Jakob Schneider, Uwe Rohbeck, Melanie Lüninghöner, Christoph Jöde, Bettina Lieder in Die Kleinbürgerhochzeit

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Axel Holst und Ensemble in Die Dreigroschenoper

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Haarmannsland 11.02.2011 R: Matthias Heße B+K: Ariane Erbe D: Felix Mannheim S: Jakob Schneider

Sushi für Alle von Kristof Magnusson 11.03.2011 (UA) R: Oliver D. Endreß B+K: Pia Maria Mackert D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Uta Holst-Ziegeler, Christoph Jöde, Bettina Lieder

Macbeth von Heiner Müller nach William Shakespeare 12.03.2011 R: Peter Jordan B: Daniel Roskamp K: Michael Sieberock-Serafimowitsch CH: Klaus Figge D: Anne-Kathrin Schulz S: Björn Gabriel, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Luise Heyer, Sebastian Kuschmann, Melanie Lüninghöner, Annika Meier, Uwe Rohbeck, Jakob Schneider

Ass Karta Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 25.03.2011 R+B+K: Sarah Jasinszczak M+V: Tobias Bergmann D: Violetta Gringersch S: Theaterpartisanen

Ted Haggard Monologe von Michael Yates Crowley Dortmunder Premiere: 13.04.2011 R: Bastian Tebarth D: Fabian Lettow / Michael Eickhoff S: Ekkehard Freye

Embedded – Ein Jahr Afghanistan 30.04.2011 R+B: Jonas Fischer K: Theresa Mielich D: Alexander Kerlin S: Ekkehard Freye, Randolph Herbst

Bluthochzeit von Federico García Lorca 06.05.2011

Gespenster von Henrik Ibsen 01.10.2011

Der Gott des Gemetzels von Yasmina Reza 14.01.2012

R: Paolo Magelli B: Hans Georg Schäfer K: Leo Kulasˇ M: Paul Wallfisch D: Alexander Kerlin S: Jele Brückner, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Luise Heyer, Axel Holst, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Friederike Tiefenbacher

R: Kay Voges B+K: Pia Maria Mackert V: Salih Gülhan, Daniel Hengst D: Michael Eickhoff S: Björn Gabriel, Luise Heyer, Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher, Michael Witte

R: Marcus Lobbes B+K: Christoph Ernst D: Michael Eickhoff S: Ekkehard Freye, Axel Holst, Eva Verena Müller, Friederike Tiefenbacher

Waisen von Dennis Kelly 20.05.2011 R: Kay Voges B+K: Michael SieberockSerafimowitsch M: Daniel Hengst, Paul Wallfisch V: Daniel Hengst D: Anne-Kathrin Schulz S: Frank Genser, Christoph Jöde, Melanie Lüninghöner, Liam Adler

SPIELZEIT 2011/2012 GREEN FRANKENSTEIN & SEXMONSTER Ein Jörg Buttgereit Double-Feature in 3D 24.09.2011 (UA) R: Jörg Buttgereit B+K: Susanne Priebs M: André Abshagen, Dieter Hebben D: Alexander Kerlin S: Sebastian Graf, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Annika Meier, Uwe Schmieder

Nora von Henrik Ibsen 30.09.2011 R: Kay Voges B+K: Pia Maria Mackert V: Daniel Hengst, Salih Gülhan D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Luise Heyer, Axel Holst, Eva Verena Müller



Die Launen der Marianne von Alfred de Musset 02.10.2011 R: Jonas Fischer B+K: Larissa Hartmann D: Alexander Kerlin S: Sebastian Graf, Randolph Herbst, Christoph Jöde, Bettina Lieder

Naked Lenz Eine reale Illusion frei nach Georg Büchner und David Cronenberg 25.11.2011 (UA) R: Martin Laberenz B+K: Oliver Helf V: Daniel Hengst D: Alexander Kerlin S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder

Winkelmanns Reise ins U von Adolf Winkelmann 26.11.2011 (UA) R: Adolf Winkelmann B: Pia Maria Mackert K: Birgitta Weiss M: Paul Wallfisch V: Nick Byerly, Rudi Heinen, Maren Heyn, Leonie Steeger, Adolf Winkelmann D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Frank Genser, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Luise Heyer, Axel Holst, Uta Holst-Ziegeler, Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher

Sonjas Entscheidung von Lorenz Hippe 16.12.2011 R: Christian Quitschke K: Valerie Gasse D: Sarah Jasinszczak S: Randolph Herbst, Sibylle Mumenthaler

Eskalation ordinär von Werner Schwab 20.01.2012 R: Martin Nimz B: Cornelia Brückner K: Mona Ulrich D: Alexander Kerlin S: Andreas Beck, Björn Gabriel, Caroline Hanke, Luise Heyer, Sebastian Kuschmann, Uwe Rohbeck

Antigone von Sophokles 04.02.2012 R: Charlotte Zilm B: Kathrine von Hellermann K: Yvette Schuster CE: Christoph Jöde, Mirjam Schmuck D: Anne-Kathrin Schulz S: Frank Genser, Sebastian Graf, Uta Holst-Ziegeler, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Dortmunder Sprechchor

Anders aber Anders Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 02.03.2012 R: Sarah Jansinszczak K: Valerie Gasse S: Theaterpartisanen

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Der Meister und Margarita von Kay Voges und Paul Wallfisch nach Michail Bulgakow 16.03.2012 R: Kay Voges B: Daniel Roskamp K: Michael Sieberock-Serafimowitsch M: Paul Wallfisch, Botanica LM: Botanica: John Andrews, Jason Binnick, Brian Viglione, Paul Wallfisch V: Niels Beck, Daniel Hengst, Roman Paulus, David Wesemann CE: Christoph Jöde, Alexander Kerlin D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Caroline Hanke, Luise Heyer, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Eva Verena Müller, Uwe Rohbeck, Dortmunder Sprechchor

Die Leiden des jungen Werther 22.03.2012 R: Björn Gabriel B+K: Tobias Schunck V: Daniel Hengst D: Michael Eickhoff S: Ekkehard Freye, Sebastian Graf, Bettina Lieder

Lessings Gespenster nach Lessings „Nathan der Weise“ 31.03.2012 (UA) R: kainkollektiv (Alexander Kerlin, Fabian Lettow, Mirjam Schmuck) B+K: Oliver Helf V: sputnic LM: Carsten Langer, Eva Maria Mitter, Benjamin Reissenberger S: Merle Wasmuth, Dortmunder Sprechchor

Metalloid Extra hart arbeitendes Material Ein musikalischer Abend über Industrial 11.05.2012 (UA) R: Axel Holst B: Valerie Gasse, Axel Holst K: Valerie Gasse V: Daniel Hengst, Axel Holst D: Alexander Kerlin S+LM: Andreas Beck, Sebastian Graf, Uta Holst-Ziegeler, Uwe Schmieder

Leonce und Lena Lustspiel von Georg Büchner 19.05.2012

Kabale und Liebe von Friedrich Schiller 29.09.2012

R: Paolo Magelli B: Hans Georg Schäfer K: Leo Kulasˇ M: Paul Wallfisch V: Niels Beck, Sebastian Salanta, David Wesemann D: Anne-Kathrin Schulz S: Frank Genser, Luise Heyer, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Uwe Rohbeck

R: Jean-Claude Berutti B: Rudy Sabounghi K: Colette Huchard D: Dirk Baumann, Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Caroline Hanke, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Axel Holst / Carlos Lobo, Jürgen Mikol, Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher

Crashtest Nordstadt Mach mein Spiel 15.06.2012 (UA) R: Jörg Lukas Matthaei B+K: Dorothea Ronneburg V: Maria Goinda, Daniel Hengst, Heinrich Müther-Scholz, Roman Paulus E: Daniel Boy, Lis Marie Diehl, Jörg Lukas Matthaei, Sebastian Quack D: Michael Eickhoff S: Akteure aus der Nordstadt

La Cantina Adrenalina Ein Lampenfieber-Abend mit Musik 20.10.2012

SPIELZEIT 2012/2013

R: Christian Quitschke B: Stefanie Dellmann K: Wibke Winterwerber M: Paul Wallfisch LM: Martell Beigang, Gregor Kerkmann, Marcus Scheltinga, Paul Wallfisch D: Thorsten Bihegue S: Andreas Beck, Sebastian Graf, Uta Holst-Ziegeler, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Eva Verena Müller

Einige Nachrichten an das All von Wolfram Lotz 14.09.2012

Kannibale und Liebe von Jörg Buttgereit 21.10.2012 (UA)

R: Kay Voges B: Michael Sieberock-Serafimowitsch K: Mona Ulrich M: Paul Wallfisch V: Daniel Hengst, Karsten Jäger, Felix Rodenjohann, Annika Rübhausen, Felix Schnittker, Miriam Scott IM: sputnic D: Alexander Kerlin, Anne-Kathrin Schulz S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Sebastian Graf, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder, Julia Schubert

R: Jörg Buttgereit B+K: Susanne Priebs V: Maria Goinda D: Anne-Kathrin Schulz S: Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Axel Holst, Uwe Rohbeck, Julia Schubert

Crashtest 2 Rückkehr zur Nordstadt 28.09.2012 (UA) R: Jörg Lukas Matthaei B+K: Dorothea Ronneburg V: Maria Goinda, Daniel Hengst E: Dominik Bay, Daniel Boy, Hendrik Fellerhoff, Jörg Lukas Matthaei, Sebastian Quack D: Michael Eickhoff S: Akteur_innen der Nordstadt, Uwe Schmieder

Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs von Mike Daisey Deutsch von Jennifer Whigham und Anne-Kathrin Schulz 03.11.2012 (DSE) R: Jennifer Whigham B+K: Antonella Mazza D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck

Endspiel von Samuel Beckett 11.11.2012 R: Kay Voges B: Michael SieberockSerafimowitsch K: Mona Ulrich M+LM: Mario Simon D: Dirk Baumann, Thorsten Bihegue S: Frank Genser, Uwe Schmieder

Wer hat Angst vor Virginia Woolf? von Edward Albee 21.12.2012 R: Liesbeth Coltof B: Guus van Geffen K: Carly Everaert D: Thorsten Bihegue S: Björn Gabriel, Axel Holst / Ekkehard Freye, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher

Arsen und Spitzenhäubchen von Joseph Kesselring 30.12.2012 R: Peter Jordan, Leonhard Koppelmann B: Daniel Roskamp K: Michael SieberockSerafimowitsch M: Paul Wallfisch D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Frank Genser / Julia Schubert, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder

Der Live-Code: Krieg und Frieden im globalen Dorf 21.02.2013 (UA) R+V: Daniel Hengst B: Antonella Mazza K: Antonella Mazza, Laura S. Rehkuh M+LM: Martin Juhls E: Stefan Kögl, Rolf Morgenstern, Lucas Pleß D: Anne-Kathrin Schulz S: Daniel Hengst, Martin Juhls, Rolf Meinecke, Eva Verena Müller

Das Fest nach Thomas Vinterberg und Mogens Rukov 22.02.2013 R: Kay Voges B+K: Pia Maria Mackert V: Mario Simon, Jan Isaak Voges D: Dirk Baumann, Alexander Kerlin S: Andreas Beck, Ekkehard Freye / Carlos Lobo, Björn Gabriel, Frank Genser, Sebastian Graf, Caroline Hanke / Merle Wasmuth, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher



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Friederike Tiefenbacher, Carlos Lobo, Caroline Hanke und Statistinnen in Verbrennungen

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Melanie Lüninghöner und Liam Adler in Waisen

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Vakuum im Überfluss Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 16.03.2013 R: Sarah Jasinszczak B+K: Nejla Kalk S: Theaterpartisanen

Mighty Society – Die Restposten von Eric de Vroedt 12.04.2013 (DSE) R: Eric de Vroedt B: Maze de Boer K: Lotte Goos M: Florentijn Boddendijk, Remco de Jong D: Alexander Kerlin S: Frank Genser, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Sebastian Kuschmann, Friederike Tiefenbacher, Dortmunder Sprechchor

Das phantastische Leben der Margot Maria Rakete Eine Kollektivsimulation mit dem Dortmunder Sprechchor 01.06.2013 (UA) R: Thorsten Bihegue, Christoph Jöde, Alexander Kerlin B+K: Nejla Kalk M+V: Mario Simon S: Dortmunder Sprechchor

Welt am Draht von Rainer Werner Fassbinder und Fritz Müller-Scherz. Nach einem Roman von Daniel F. Galouye 02.06.2013 (DSE) R: Claudia Bauer B: Bernd Schneider K: Patricia Talacko M: Martin Juhls D: Anne-Kathrin Schulz, Dirk Baumann S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Sebastian Graf, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Julia Schubert

cyberleiber (Festival) 06.06.-08.06.2013

SPIELZEIT 2013/2014 Das Goldene Zeitalter von Alexander Kerlin und Kay Voges 13.09.2013 (UA) R: Kay Voges B+K: Pia Maria Mackert M: Tommy Finke, Jan Isaak Voges V: Daniel Hengst, Robin Otterbein D: Alexander Kerlin S: Björn Gabriel, Caroline Hanke, Carlos Lobo, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder, Merle Wasmuth

Männerhort von Kristof Magnusson 21.09.2013 R: Jens Kerbel, Jennifer Whigham B+K: Larissa Hartmann D: Dirk Baumann S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Frank Genser / Hendrik Richter, Sebastian Kuschmann

Peer Gynt von Henrik Ibsen 28.09.2013 R: Kay Voges B: Michael SieberockSerafimowitsch K: Mona Ulrich M: Thomas Truax D: Thorsten Bihegue S: Sebastian Graf, Bettina Lieder, Peer Oscar Musinowski, Uwe Rohbeck, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher

Drama Queens nach einer Idee von Christian Quitschke 06.10.2013 R: Andreas Beck B: Stefanie Dellmann K: Mona Ulrich M: Paul Wallfisch LM: Martell Beigang, Gregor Kerkmann, Marcus Scheltinga, Paul Wallfisch D: Thorsten Bihegue S: Andreas Beck, Sebastian Graf, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Merle Wasmuth



Der Elefantenmensch von Bernard Pomerance 29.11.2013 R: Jörg Buttgereit B+K: Natascha Kohnke, Katja Motz, Susanne Mundt, Susanne Priebs D: Anne-Kathrin Schulz S: Frank Genser, Luise Heyer, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder

Verbrennungen von Wajdi Mouawad 30.11.2013 R: Liesbeth Coltof B: Guus van Geffen K: Carly Everaert D: Dirk Baumann, Thorsten Bihegue S: Andreas Beck, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Carlos Lobo, Peer Oscar Musinowski, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

Radikal wirklich Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 15.03.2014 R: Sarah Jasinszczak B+K: Jennifer Schulz S: Theaterpartisanen

Kassandra von Dirk Baumann und Lena Biresch nach Christa Wolf 04.04.2013 R: Lena Bieresch B+K: Mareike Richter D: Dirk Baumann S: Bettina Lieder

Der nackte Wahnsinn von Michael Frayn 05.04.2013

Der Prozess von Thorsten Bihegue und Carlos Manuel nach dem Roman von Franz Kafka 14.02.2014

R: Peter Jordan, Leonhard Koppelmann B: Pia Maria Mackert K: Michael Sieberock-Serafimowitsch D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Frank Genser, Sebastian Graf, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

R: Carlos Manuel B+K: Vinzenz Gertler D: Thorsten Bihegue S: Andreas Beck, Björn Gabriel, Sebastian Graf, Uwe Rohbeck, Merle Wasmuth

Autschland d'Amour / Der Revisor von Fred Hundt / Nicolai Gogol 03.05.2014 (UA)

Republik der Wölfe von Claudia Bauer + The Ministry of Wolves nach den Brüdern Grimm + Anne Sexton 15.02.2014 (UA)

R+B: Marcus Lobbes K: Mona Ulrich V: Michael Deeg CE: Andreas Beck D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Eva Verena Müller, Julia Schubert, Uwe Schmieder, Dortmunder Sprechchor

R: Claudia Bauer B: Andreas Auerbach K: Patricia Talacko M: Paul Wallfisch LM: The Ministry of Wolves (Alexander Hacke, Mick Harvey, Danielle de Picciotto, Paul Wallfisch) V: Jan Voges D: Alexander Kerlin S: Ekkehard Freye, Frank Genser, Caroline Hanke / Merle Wasmuth, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, Dortmunder Sprechchor



4.48 Psychose von Sarah Kane Deutsch von Durs Grünbein 03.05.2014 R: Kay Voges B: Jan Brandt, Kay Voges K: Mona Ulrich V: Mario Simon M+LM: TD Finck von Finckenstein E: Stefan Kögl, Lucas Pleß D: Anne-Kathrin Schulz S: Björn Gabriel, Uwe Rohbeck, Merle Wasmuth



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Die Hamletmaschine von Heiner Müller 18.05.2014 R: Uwe Schmieder B: Udo Höderath, Birgit Rumpel, Jennifer Schulz K: Jennifer Schulz M+LM: Ole Herbström D: Alexander Kerlin S: Sebastian Graf, Merle Wasmuth, Dortmunder Sprechchor

You’ll never walk alone von Björn Gabriel 24.05.2014 R: Björn Gabriel B: Jan P. Brandt K: Jan P. Brandt, Mona Ulrich V: Jan Isaak Voges D: Dirk Baumann S: Ekkehard Freye, Peer Oscar Musinowski, Tilman Oestereich, Jan Voges

SPIELZEIT 2014/2015 Hamlet nach William Shakespeare 12.09.2014 R: Kay Voges B+K: Pia Maria Mackert V: Daniel Hengst, Robin Otterbein, Jan Voges M: Paul Wallfisch E: Lucas Pleß D: Anne-Kathrin Schulz S: Frank Genser, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Michael Witte

Minority Report Ein Live-Film von Klaus Gehre nach Steven Spielberg und Philip K. Dick 14.09.2014 R: Klaus Gehre B: Klaus Gehre, Mai Gogishvili K: Mai Gogishvili V: Mario Simon M: Michael Lohmann E: Georg Werner D: Alexander Kerlin S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Julia Schubert, Merle Wasmuth



Out! – Gefangen im Netz Mobiles Klassenzimmerstück von Knut Winkmann 18.09.2014 R: Sarah Jasinszczak K: Clara Hedwig D: Michael Eickhoff S: Peer Oscar Musinowski, Nadja Schürmann

Komm in meinen Wigwam von Wenzel Storch 17.10.2014 (UA) R: Wenzel Storch B+K: Pia Maria Mackert D: Thorsten Bihegue S: Heinrich Fischer, Ekkehard Freye, Maximilian Kurth, Jana Katharina Lawrence, Finnja Loddenkemper, Leon Müller, Dortmunder Sprechchor

Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller 18.10.2014 R: Liesbeth Coltof B: Guss van Geffen K: Carly Everaert V: Mario Simon, Jan Voges D: Dirk Baumann S: Andreas Beck, Sebastian Graf, Peer Oscar Musinowski, Uwe Rohbeck, Carolin Wirth

Szenen einer Ehe von Ingmar Bergman 28.11.2014 R: Claudia Bauer B+K: Patricia Talacko M: Smoking Joe V: Robin Otterbein, Mario Simon D: Michael Eickhoff S: Frank Genser, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

Jörg Buttgereits Nosferatu lebt! von Jörg Buttgereit nach Stoker, Murnau, Galeen 29.11.2014 R: Jörg Buttgereit B+K: Susanne Priebs M+LM: Kornelius Heidebrecht V: Mario Simon D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Annika Meier, Uwe Rohbeck

Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette nach Johann Nestroy 24.01.2015 R: Andreas Beck B: Sven Hansen K: Mona Ulrich M+LM: Die Kassierer (Volker Kampfgarten, Mitch Maestro, Nikolaj Sonnenscheiße, Wolfgang Wendland) V: Jan Voges D: Thorsten Bihegue S: Ekkehard Freye, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Wolfgang Wendland

Das Bekenntnis eines Masochisten von Roman Sikora 31.01.2015 (DE) R: Carlos Manuel B+K: Vinzenz Gertler D: Dirk Baumann S: Björn Gabriel, Sebastian Graf, Marlena Keil

Elektra von Alexander Kerlin nach Euripides 07.02.2015 (UA) R: Paolo Magelli B: Hans Georg Schäfer K: Leo Kulasˇ M: Paul Wallfisch LM: Geoffrey Burton, Larry Mullins (alias Toby Dammit), Paul Wallfisch V: Robin Otterbein, Mario Simon D: Alexander Kerlin S: Frank Genser, Caroline Hanke, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Peer Oscar Musinowski, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

The Return of Das Goldene Zeitalter 27.2.2015 (UA) R: Kay Voges B+K: Pia Maria Mackert M: Tommy Finke V: Daniel Hengst D: Alexander Kerlin S. Björn Gabriel, Caroline Hanke, Carlos Lobo, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder, Merle Wasmuth

Identity Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 13.03.2015 R: Sarah Jasinszczak, Thorsten Bihegue B+K: Clara Hedwig S: Theaterpartisanen

MOBY DICK vs. A.H.A.B. – All Heroes are Bastards Ein Rachefeldzug mit Puppen und Menschen von Roscha A. Säidow nach Herman Melville 27.03.2015 (UA) R: Roscha A. Säidow (Retrofuturisten) B+K: Julia Plickat M: Bernhard Range IM: Magdalena Roth D: Dirk Baumann S: Franziska Dittrich (Retrofuturisten), Sebastian Graf, Johannes Hubert, Magdalena Roth (Retrofuturisten), Uwe Schmieder

Die Möglichkeit einer Insel Eine live-animierte Dystopie nach Michel Houellebecq 28.03.2015 R: Nils Voges (sputnic) B+K: Malte Jehmlich (sputnic) IM: Artur Gerz, Julia Praschma, Julia Zejn M: Philipp Maike, Nicolai Skopalik E: Lucas Pleß V: Mario Simon D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Frank Genser, Bettina Lieder, Merle Wasmuth

Kaspar Hauser und die Sprachlosen aus Devil County von Thorsten Bihegue und Alexander Kerlin 13.06.2015 (UA) R: Thorsten Bihegue, Alexander Kerlin B: Jan P. Brandt K: Clara Hedwig M+LM: Tommy Finke S: Dortmunder Sprechchor, Dortmunder Kindersprechchor



Uta Holst-Ziegeler, Ekkehard Freye, Christoph Jöde, Bettina Lieder in Sushi für alle

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Ekkehard Freye, Sebastian Kuschmann, Frank Genser, Andreas Beck in Männerhort

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SPIELZEIT 2015/2016 DIE SHOW Ein Millionenspiel um Leben und Tod von Kay Voges, Anne-Kathrin Schulz und Alexander Kerlin, frei nach Tom Toelle und Wolfgang Menge 23.08.2015 (UA) R: Kay Voges B: Michael SieberockSerafimowitsch K: Mona Ulrich M: Tommy Finke LM: Daniel Brandl, TD Finck von Finckenstein, Stefan Götzer, Sven Petri, Stephan Schott, Jan-Sebastian Weichsel V: Voxi Bärenklau, Oliver Moser, Robin Otterbein, Marvin Perchner, Natalie Plaskura, Mario Simon, Nicolai Skopalik (sputnic), Jan Voges E: Dominik Bay, Lucas Pleß D: Alexander Kerlin, Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Sebastian Graf / Christoph Jöde / Christian Freund, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Uwe Rohbeck, Wiebke Rüter / Alexandra Sinelnikova, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

Glückliche Tage / Das Letzte Band von Samuel Beckett 05.09.2015 R: Marcus Lobbes B+K: Pia Maria Mackert V: Michael Deeg D: Anne-Kathrin Schulz S: Ekkehard Freye, Merle Wasmuth

2099 Eine Kooproduktion des Schauspiel Dortmund mit dem Zentrum für Politische Schönheit 19.09.2015 (UA) R: Zentrum für Politische Schönheit B+K: Christoph Ernst V: Joscha Richard, Jan Voges M: TD Finck von Finckenstein, Georg Nägle (cosmic berlin) D: Michael Eickhoff S: Björn Gabriel, Christoph Jöde, Sebastian Kuschmann, Uwe Schmieder



Besessen von Jörg Buttgereit und Anne-Kathrin Schulz. Inspiriert von „Der Exorzist“ von William Peter Blatty und William Friedkin 23.10.2015 (UA) R: Jörg Buttgereit B+K: Susanne Priebs M: TD Finck von Finckenstein E: Lucas Pleß D: Anne-Kathrin Schulz S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Uwe Rohbeck, Sarah Sandeh

Eine Familie August: Osage County von Tracy Letts 24.10.2015 R: Sascha Hawemann B: Wolf Gutjahr K: Hildegard Altmeyer M: Alexander Xell Dafov V: Mario Simon D: Dirk Baumann S: Andreas Beck, Frank Genser, Marlena Keil, Janine Kreß, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Peer Oscar Musinowski, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

PENG! Gründungsparty 06.11.2015

Theater trifft Aktion (Festival) 06.11.+07.11.2015 Das Glitzern der Welt von kainkollektiv 27.11.2015 (UA) R: kainkollektiv (Fabian Lettow, Mirjam Schmuck) B+K: Clara Hedwig M: TD Finck von Finckenstein V: Nils Voges D: Dirk Baumann S: David Guy Kono, Carlos Lobo



Das Maschinengewehr Gottes Eine Kriminal-Burleske aus dem Messdienermilieu von Wenzel Storch 10.12.2015 (UA)

Rambo plusminus Zement Ein Live-Film von Klaus Gehre nach Heiner Müller, Sylvester Stallone und David Morrell 17.02.2016

R: Wenzel Storch B+K: Pia Maria Mackert D: Alexander Kerlin S: Andreas Beck, Thorsten Bihegue, Heinrich Fischer, Ekkehard Freye, Maximilian Kurth, Finnja Loddenkemper, Leon Müller, Julia Schubert, Dortmunder Sprechchor

R+B: Klaus Gehre B+K: Mai Gogishvili M: Michael Lohmann V: Joscha Richard, Jan Voges D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Marlena Keil, Sebastian Kuschmann

Das schweigende Mädchen von Elfriede Jelinek 11.12.2015

Die Liebe in den Zeiten der Glasfaser Ein Stück Skype von Ed. Hauswirth und Ensemble 25.02.2016

R+B: Michael Simon K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein D: Michael Eickhoff S: Frank Genser, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth, Dortmunder Sprechchor

Die Reise nach Petuschki von Stephen Mulrine nach Wenedikt Jerofejew 16.01.2016 R: Katrin Lindner B+K: Tobias Schunck D: Dirk Baumann S: Uwe Rohbeck

Geächtet von Ayad Akhtar 06.02.2016 R: Kay Voges B: Michael SieberockSerafimowitsch K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein V: Mario Simon E: Lucas Pleß D: Michael Eickhoff S: Frank Genser, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Merlin Sandmeyer / Björn Gabriel, Merle Wasmuth



R: Ed. Hauswirth B: Michael Sieberock-Serafimowitsch K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein V: Joscha Richard, Mario Simon E: Lucas Pleß D: Alexander Kerlin S: Peer Oscar Musinowski, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher

Watch me! Jugendclub Theaterpartisanen 12.03.2016 R: Thorsten Bihegue, Sarah Jasinszczak B+K: Clara Hedwig, Vanessa Rust LM: Zirkuscombo des gesamtkunstwerk e.V. / Inklusive Projekte S: Theaterpartisanen



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Die Borderline Prozession Ein Loop um das, was uns trennt von Kay Voges, Dirk Baumann und Alexander Kerlin 15.04.2016 (UA) R: Kay Voges B: Michael SieberockSerafimowitsch K: Mona Ulrich M+LM: TD Finck von Finckenstein V: Jonas Schmieter, Mario Simon E: Lucas Pleß D: Dirk Baumann, Alexander Kerlin S: Paulina Alpen, Amelie Barth, Andreas Beck, Carl Bruchhäuser, Raafat Daboul, Ekkehard Freye, Frank Genser, Caroline Hanke, Thomas Kaschel, Marlena Keil, Nils Kretschmer, Anja Kunzmann, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski / Christoph Jöde / Christian Freund, Lorenz Nolting, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, David Vormweg, Merle Wasmuth, Michael Wischniowski

Der goldene Schnitt von Tugˇ sal Mogˇ ul 16.04.2016 (UA) R: Tugˇsal Mogˇul B+K: Ayşe Gülsüm Özel D: Michael Eickhoff S: Jasmina Musić, Murat Seven, Nima Majedzadeh / Levin Can Engin

In Ewigkeit Ameisen von Wolfram Lotz 21.04.2016 R: Wiebke Rüter D: Matthias Seier S: Bettina Lieder, Julia Schubert

Die Simulanten von Philippe Heule – Koproduktion von Schauspiel Dortmund und den Ruhrfestspielen Recklinghausen 04.06.2016 R: Claudia Bauer B: Andreas Auerbach K: Patricia Talacko M: Smoking Joe D: Dirk Baumann S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Julia Schubert



Das Bildnis des Dorian Gray von Thorsten Bihegue nach Oscar Wilde 18.06.2016 R: Thorsten Bihegue, Alexander Kerlin B+K: Clara Hedwig, Vanessa Rust M: TD Finck von Finckenstein V: Tobias Hoeft, Joscha Richard, Mario Simon, Oliver Wessler S: Dortmunder Sprechchor, Dortmunder Kinderchor

SPIELZEIT 2016/2017 Triumph der Freiheit #1 Bearbeitung nach dem Theaterstück Ça ira (1) Fin de Louis (La Révolution #1) von Joël Pommerat 16.09.2016 R: Ed. Hauswirth B: Susanne Priebs K: Vanessa Rust M: TD Finck von Finckenstein V: Voxi Bärenklau, Tobias Hoeft D: Alexander Kerlin S: Andreas Beck, Raafat Daboul, Björn Gabriel, Lukas Gander, Caroline Hanke, Marlena Keil, Sebastian Kuschmann, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Leonhardt Walkenhorst, Merle Wasmuth, Dortmunder Sprechchor

Kasimir und Karoline von Ödön von Horváth 18.09.2016 R: Gordon Kämmerer B: Jana Wassong K: Josa Marx M+LM: Max Thommes E: Lucas Pleß D: Anne-Kathrin Schulz, S: Ekkehard Freye, Frank Genser, Christoph Jöde, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Julia Schubert, Max Thommes

Truck Tracks Ruhr #4 Album Dortmund 06.10.2016 (UA) R: Rimini Protokoll / Jörg Karrenbauer M: Rasmus Nordholt D: Michael Eickhoff

Das Interview von Theodor Holman nach dem Film von Theo van Gogh 21.10.2016 R: Maximilian Lindemann B: Jan P. Brandt K: Clara Hedwig D: Dirk Baumann S: Carlos Lobo, Merle Wasmuth

Heimliche Helden Anatomie eines Großraumbüros 21.10.2016 R: Julia Schubert B: Clara Hedwig K: Vanessa Rust M: TD Finck von Finckenstein D: Matthias Seier S: Thorsten Bihegue, Ekkehard Freye, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Matthias Seier, Dortmunder Sprechchor

Die Schwarze Flotte von Anne-Kathrin Schulz Frei nach einer Recherche von C. Anesi, F. Richter, G. Rubino und D. Schraven (CORRECTIV) 23.10.2016 (UA) R+B: Kay Voges K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein V: Julia Gründer, Tobias Hoeft, Mario Simon D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck

Furcht und Elend des Dritten Reiches von Bertolt Brecht Mitarbeit: Margarete Steffin 10.12.2016 R: Sascha Hawemann B: Wolf Gutjahr K: Ines Burisch M+LM: Alexander Dafov Xell D: Dirk Baumann S: Andreas Beck, Raafat Daboul, Frank Genser, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth



Furcht und Hoffnung in Deutschland: Ich bin das Volk Szenen aus dem deutschen Alltag von Franz Xaver Kroetz. Fassung von Wiebke Rüter 17.12.2016 R: Wiebke Rüter B: Tobias Schunck K: Vanessa Rust M: TD Finck von Finckenstein V: Julia Gründer, Tobias Hoeft D: Alexander Kerlin S: Ekkehard Freye, Marlena Keil, Julia Schubert

hell | ein Augenblick von Kay Voges mit Dirk Baumann, Alexander Kerlin, Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier und Ensemble 11.02.2017 (UA) R: Kay Voges B: Pia Maria Mackert K: Michael SieberockSerafimowitsch, Vanessa Rust M+LM: Daniel Brandl, TD Finck von Finckenstein V: Voxi Bärenklau, Marcel Schaar, Mario Simon D: Dirk Baumann, Alexander Kerlin, Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier S: Andreas Beck, Raafat Daboul / Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Julia Schubert / Alexandra Sinelnikova, Yaroslava Sydorenko, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

TRUMP von Mike Daisey Deutsch von Anne-Kathrin Schulz und Matthias Seier (Mitarbeit) 03.03.2017 (DSE) R: Marcus Lobbes B: Pia Maria Mackert K: Mona Ulrich V: Julia Gründer, Tobias Hoeft D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Bettina Lieder

Surprise Meetings Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 11.03.2017 R: Sarah Jasinszczak CH: Birgit Götz S: Theaterpartisanen



303 Anke Zillich, Friederike Tiefenbacher in Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte

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Flammende Köpfe Eine Video-Lecture von und mit Arne Vogelgesang 25.03.2017 (UA) R+B+V+S: Arne Vogelgesang Co-R: Wiebke Rüter K: Yaroslava Sydorenko D: Anne-Kathrin Schulz

Die Wiedervereinigung der beiden Koreas von Joël Pommerat Deutsch von Isabelle Rivoal 08.04.2017 R: Paolo Magelli B: Christoph Ernst K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein D: Dirk Baumann S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Sebastian Kuschmann, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

Nach Manila von Laokoon 03.06.2017 (UA) R: Moritz Riesewieck B: Christian Maith K: Miriam Marto M: Hans Block V: Julia Gründer, Mario Simon D: Tina Ebert, Alexander Kerlin S: Raafat Daboul, Björn Gabriel, Caroline Hanke, Merle Wasmuth, Dortmunder Sprechchor, Theaterpartisanen

Der Futurologische Kongress nach „DER FUTUROLOGISCHE KONGRESS. Aus Ijon Tichys Erinnerungen“ von Stanisław Lem. Deutsch von I. ZimmermannGöllheim. Bearbeitung von N. Voges 11.06.2017 R: Nils Voges (sputnic) B: Malte Jehmlich (sputnic) K: Vanessa Rust M+LM: TD Finck von Finckenstein V: Tobias Hoeft, Jan Isaak Voges E: Lucas Pleß IM: Silvia Dierkes, Artur Gerz, Carolyn Perez Hemphill, Elena Minaeva, Julia Zein D: Anne-Kathrin Schulz S: Frank Genser, Marlena Keil, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher

Ensemble in Das Reich der Tiere

SPIELZEIT 2017/2018 Biedermann und die Brandstifter / Fahrenheit 451 von Max Frisch / Ray Bradbury 16.12.2017 R: Gordon Kämmerer B: Matthias Koch K: Josa Marx M: Max Thommes V: Tobias Hoeft D: Anne-Kathrin Schulz S: Frauke Becker, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Alexandra Sinelnikova / Caroline Hanke, Max Thommes, Merle Wasmuth, Dortmunder Sprechchor

ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM Ein europäisches Abendmahl von Werner Schwab 17.12.2017 R+B: Johannes Lepper K: Sabine Wegmann D: Michael Eickhoff S: Amelie Barth, Andreas Beck, Raafat Daboul, Christian Freund, Frank Genser, Marlena Keil, Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher, Edith Voges Nana Tchuinang / Nina Karimy

Der Kirschgarten Komödie von Anton Tschechow 29.12.2017 R: Sascha Hawemann B: Wolf Gutjahr K: Hildegard Altmeyer M+LM: Alexander Dafov Xell D: Dirk Baumann S: Raafat Daboul / Kevin Wilke, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth



Das Internat von Ersan Mondtag Text von Alexander Kerlin und Matthias Seier 09.02.2018 (UA) R+B+K: Ersan Mondtag M: TD Finck von Finckenstein V: Tobias Hoeft, Mario Simon CH: Marcus Grolle, Anna Pocher D: Alexander Kerlin S: Massiamy Diaby, Klara Eham, Christian Freund, Frank Genser, Johannes Hoff, Bettina Lieder, Max Poerting, Philipp Reinhardt, Uwe Rohbeck, Alicja Rosinski, Johanna Rösler, Ansgar Sauren, Vera Schmidtke, Uwe Schmieder, Nairi Sevinc, Philipp Steinheuser, Merle Wasmuth

Orlando nach Virginia Woolf 11.02.2018 R: Laura N. Junghanns B: Maria Eberhardt K: Natalia Nordheimer M: aniYo kore D: Dirk Baumann S: Ekkehard Freye, Marlena Keil, Friederike Tiefenbacher

Der Theatermacher Eine Künstlerkomödie von Thomas Bernhard 03.03.2018 R: Kay Voges B: Daniel Roskamp K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein V: Tobias Hoeft, Mario Simon D: Michael Eickhoff, Matthias Seier S: Andreas Beck, Christian Freund, Janine Kreß, Uwe Rohbeck, Alexandra Sinelnikova / Xenia Snagowski

After Life Ein Stück des Dortmunder Sprechchors von Thorsten Bihegue nach H. Koreeda 04.03.2018 R+B: Thorsten Bihegue K: Theresa Mielich V: Tobias Hoeft D: Alexander Kerlin S: Dortmunder Sprechchor



Das Tierreich von Nolte Decar Mit dem Jugendclub Theaterpartisanen 16+ / Junge Theaterwerkstatt Vier D 17.03.2018 R: Sarah Jasinszczak B: Christiane Thomas K: Yaroslava Sydorenko CH: Birgit Götz S: Theaterpartisanen

Memory Alpha oder Die Zeit der Augenzeugen von Anne-Kathrin Schulz 06.04.2018 (UA) R: Ed. Hauswirth B: Susanne Priebs K: Vanessa Rust M: Sebastian Spielvogel V: Julia Gründer, Susanne Priebs E: Lucas Pleß D: Anne-Kathrin Schulz S: Christian Freund, Caroline Hanke, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher

Schöpfung nach Joseph Haydn. Unter Verwendung von Szenen aus „Die Ermüdeten“ von Bernhard Studlar und Motiven von Stanisław Lem (Deutsch von Friedrich Giese/Irmtraud Zimmermann-Göllheim) 07.04.2018 R: Claudia Bauer B: Andreas Auerbach K: Patricia Talacko M: TD Finck von Finckenstein LM: TD Finck von Finckenstein, Petra Riesenweber V: Tobias Hoeft, Aline Wyrwich E: Lucas Pleß D: Dirk Baumann S: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Rohbeck G: Ulrich Cordes, Robin Grunwald, Maria Helgath

Zerline Erzählung aus dem Roman „Die Schuldlosen“ von Hermann Broch 19.04.2018 R: Matthias Rippert B: Marlena Keil, Matthias Rippert K: Katja Neubauer S: Marlena Keil



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Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm Komödie von Theresia Walser 25.05.2018 R: Thorsten Bihegue B: Susanne Priebs K: Mona Ulrich D: Alexander Kerlin, Matthias Seier S: Ekkehard Freye, Uwe Rohbeck, Alexandra Sinelnikova

SPIELZEIT 2018/2019 Die Parallelwelt Eine Simultanaufführung zwischen dem Berliner Ensemble und dem Schauspiel Dortmund von Alexander Kerlin, Eva Verena Müller und Kay Voges 15.09.2018 (UA) R: Kay Voges B: Daniel Roskamp K: Mona Ulrich M: TD Finck von Finckenstein V: Voxi Bärenklau, Benjamin Hartlöhner, Tobias Hoeft, Miriam Kolesnyk, Mario Simon, Robin Voigt, Jan Voges, Domenik Wolf E: Dominik Bay, Lucas Pleß D: Sibylle Baschung, Alexander Kerlin, Matthias Seier S: Dortmund: Andreas Beck, Frank Genser, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder, Xenia Snagowski, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth S: Berlin: Stephanie Eidt, Oliver Kraushaar, Sine Martens, Annika Meier, Peter Moltzen, Josefin Platt, Owen Peter Read

Im Studio hört Dich niemand schreien von Jörg Buttgereit und Anne-Kathrin Schulz frei nach Strickland und Argento 16.09.2018 R: Jörg Buttgereit B+K: Susanne Priebs M: Frank Behnke D: Michael Eickhoff, Anne-Kathrin Schulz S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Marlena Keil, Uwe Rohbeck, Alexandra Sinelnikova / Berna Celebi



Everything Belongs To The Future von Laurie Penny in einer Fassung von Laura N. Junghanns Deutsch von Anne-Kathrin Schulz 12.10.2018 (UA)

Tartuffe von Molière. Deutsch von Luc Bondy und Peter Stephan Jungk. Unter Verwendung vereinzelter Passagen aus PeterLichts „Tartuffe oder Das Schwein der Weisen“ 01.12.2018

R: Laura N. Junghanns B: Maria Eberhardt K: Natalia Nordheimer M: Sonia Güttler V: Tobias Hoeft D: Dirk Baumann S: Bérénice Brause, Frieder Langenberger, Mario Lopatta, Kevin Wilke

R+B: Gordon Kämmerer K: Vanessa Rust M: Max Thommes V: Tobias Hoeft CH: Laura Witzleben D: Anne-Kathrin Schulz S: Bérénice Brause, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Marlena Keil, Frieder Langenberger, Bettina Lieder, Mario Lopatta, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Merle Wasmuth, Kevin Wilke, Dortmunder Sprechchor

Ich, Europa Europa in 11 Texten von Yavuz Ekinci, Anis Hamdoun, Iman Humaidan, Yasmina Khadra, Nermina Kukic, Ismail Küpeli, Sudabeh Mohafez, Muzaffer Öztürk, Burhan Qurbani, Tanja Šljivar u.a. 13.10.2018 (UA) R: Marcus Lobbes K+B: Pia Maria Mackert M: TD Finck von Finckenstein V: Mario Simon D: Michael Eickhoff, Matthias Seier S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Alexandra Sinelnikova, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth

Am Boden von George Brant Aus dem Amerikanischen von Henning Bochert 30.11.2018 R: Thorsten Bihegue B+K: Svea Sanyó LM: Manuel Loos V: Mario Simon E: Lucas Pleß D: Matthias Seier S: Alexandra Sinelnikova



norway.today von Igor Bauersima 26.01.2019 R: Frank Genser B+K: Ann Heine V: Laura Urbach D: Matthias Seier S: Frieder Langenberger, Alexandra Sinelnikova

Hedda Gabler von Henrik Ibsen Deutsch von Christel Hildebrandt, in einer Fassung von Jan Friedrich 15.02.2019 R+B: Jan Friedrich K: Vanessa Rust M: Felix Rösch V: Tobias Hoeft D: Dirk Baumann S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Rohbeck, Alexandra Sinelnikova

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte von Anna Basener und Gerburg Jahnke nach dem gleichnamigen Roman von Anna Basener 16.02.2019 (UA) R: Gerburg Jahnke B+K: Michael Sieberock-Serafimowitsch M: Tommy Finke D: Alexander Kerlin S: Andreas Beck, Caroline Hanke, Luise Kinner, Jens Kipper, Mario Lopatta, Friederike Tiefenbacher, Kevin Wilke, Anke Zillich

#SiehstDuMich von Guillaume Corbeil Eine Produktion der Theaterpartisanen 16.03.2019 R: Sarah Jasinszczak B: Christiane Thomas K: Svea Sanyó CH: Birgit Götz S: Theaterpartisanen

Echte Liebe Ein Stück des Dortmunder Sprechchors über Fußball und heimliches Begehren von Laura N. Junghanns und Matthias Seier 29.03.2019 (UA) R: Laura N. Junghanns B+K: Svea Sanyó D: Matthias Seier S: Dortmunder Sprechchor

Unsere Herzkammer 150 Jahre Dortmunder SPD – eine musikalische Erinnerung von Rainald Grebe 30.03.2019 (UA) R: Rainald Grebe B: Jürgen Lier K: Kristina Böcher M: Jens Karsten Stoll LM: Umut Akkus¸ , Tobias Bülow, Jens Karsten Stoll, Markus Türk / Radek Fedyk, Männergesangsverein „Harmonie” der Zeche Victoria (Lünen), Chor der Dortmunder Tafel V: Laura Urbach D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Christian Freund, Caroline Hanke, Marlena Keil, Uwe Schmieder, Anke Zillich; Ingeborg May

307 Merle Wasmuth in Furcht und Elend des Dritten Reiches

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Sebastian Graf, Eva Verena Müller in La Cantina Adrenalina

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Im Irrgarten des Wissens von Thorleifur Örn Arnarsson, Mikael Torfason und Ensemble 25.05.2019 (UA) R: Thorleifur Örn Arnarsson B: Daniel Angermayr K: Mona Ulrich M+LM: Gabriel Cazes, Bjarne Gedrath, Tobias Hoeft, Svea Sanyó V: Tobias Hoeft, Laura Urbach CH: Laura Witzleben D: Dirk Baumann, Michael Eickhoff, Alexander Kerlin, Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier S: Andreas Beck, Bérénice Brause, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Frieder Langenberger, Mario Lopatta, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Alexandra Sinelnikova, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth, Kevin Wilke, Dortmunder Sprechchor

SPIELZEIT 2019/2020 Das Reich der Tiere Komödie mit Live-Musik von Roland Schimmelpfennig 05.10.2019 R: Thorsten Bihegue B: Oliver Helf K: Theresa Mielich LM: Serge Corteyn, Manuel Loos D: Michael Eickhoff S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Frank Genser, Marlena Keil, Bettina Lieder / Friederike Tiefenbacher, Alexandra Sinelnikova

Familien gegen Nazis von Laurence Young 06.10.2019 (UA) R: Laura N. Junghanns B: Jule Saworski K: Natalia Nordheimer M+LM: aniYo kore V: Tobias Hoeft D: Dirk Baumann S: Alida Bohnen, Berna Celebi, Caroline Hanke, Maximilian Ranft, Annou Reiners, Uwe Rohbeck

PLAY: Möwe | Abriss einer Reise von Kay Voges, Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier, Roman Senkl und Ensemble frei nach Tschechow unter Verwendung von Passagen aus Anton Tschechows „Die Möwe“ in der Übersetzung von Thomas Brasch 01.10.2019 (UA) R: Kay Voges B: Michael Sieberock-Serafimowitsch K: Mona Ulrich M+LM: TD Finck von Finckenstein V: Tobias Hoeft, Mario Simon, Laura Urbach, Jan Isaak Voges D: Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier, Roman Senkl S: Andreas Beck, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Bjarne Gedrath, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Bettina Lieder / Julia Schubert, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Alexandra Sinelnikova / Annou Reiners, Friederike Tiefenbacher

Helden wie wir nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Brussig 09.11.2020 R: Andreas Beck B+K: Andreas Beck, Elizaweta Veprinskaja D: Anne-Kathrin Schulz, Roman Senkl S: Andreas Beck

Die Dämonen nach dem gleichnamigen Roman von Fjodor M. Dostojewski. Übersetzung „Böse Geister“ von Swetlana Geier. Bühnenfassung von Sascha Hawemann und Dirk Baumann 29.11.2019 R: Sascha Hawemann B: Wolf Gutjahr K: Hildegard Altmeyer M+LM: Alexander Dafov Xell D: Dirk Baumann S: Andreas Beck, Jakob Benkhofer, Christian Freund, Ekkehard Freye, Frank Genser, Annou Reiners, Uwe Schmieder, Alexandra Sinelnikova, Friederike Tiefenbacher

Der Widersacher nach dem gleichnamigen Roman von Emmanuel Carrère. Aus dem Französischen von Claudia Hamm 01.12.2019 R: Ed. Hauswirth B+K: Susanne Priebs D: Matthias Seier S: Alida Bohnen, Berna Celebi, Björn Gabriel, Caroline Hanke, Marlena Keil, Maximilian Ranft, Uwe Rohbeck

Konstellationen von Nick Payne Aus dem Englischen von Corinna Brocher 31.01.2020 R: Péter Sanyó B: Diana Kasperowitsch K: Friederike Wörner M: PC Nackt D: Roman Senkl S: Frank Genser, Louisa Stroux

Warten auf Godot von Samuel Beckett 01.02.2020 R: Marcus Lobbes B+K: Pia Maria Mackert M: TD Finck von Finckenstein D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Alida Bohnen, Berna Celebi, Christian Freund, Maximilian Ranft, Annou Reiners, Uwe Rohbeck, Martin Weigel, Dortmunder Sprechchor

Lolita (R)evolution (Rufschädigendst) – Ihr Alle seid die Lolita Eurer Selbst! von Jonathan Meese 15.02.2020 (UA) R+B+K: Jonathan Meese LM: Henning Nass D: Dirk Baumann, Henning Nass S: Maximilian Brauer, Jonathan Meese, Henning Nass, Uwe Schmieder, Bernhard Schütz, Lilith Stangenberg, Anke Zillich

Enoch Arden Versepos von Alfred Tennyson, Bühnenfassung von Bjarne Gedrath. Musik sehr frei nach Richard Strauss 23.02.2020 R: Bjarne Gedrath B: Christiane Thomas K: Svea Sanyó M+LM: Oliver Siegel D: Anne-Kathrin Schulz S: Marlena Keil, Uwe Rohbeck

Die Kassierer und die Drei von der Punkstelle Eine Punk-Operette von Andreas Beck und Thorsten Bihegue 07.03.2020 R: Andreas Beck, Thorsten Bihegue B: Susanne Priebs K: Mona Ulrich M+LM: Die Kassierer (Volker Kampfgarten, Mitch Maestro, Nikolaj Sonnenscheiße, Wolfgang Wendland) V: Tobias Hoeft, Laura Urbach D: Roman Senkl S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Uwe Schmieder, Wolfgang Wendland

Voll normal und einzigartig Jugendclub-Stück der Theaterpartisanen 14.03.2020 R: Sarah Jasinszczak B+K: Sandra Linde V: Carina Fast, Rafael Reiss CH: Birgit Götz D: Roman Senkl S: Theaterpartisanen

Delirium zu Zweit auf unbestimmte Zeit Einakter von Eugène Ionesco 28.03.2020 R: Paolo Magelli B: Anita Ackva K: Mona Ulrich M: Manuel Loos D: Michael Eickhoff / Matthias Seier S: Berna Celebi, Mareike Fiege, Friederike Tiefenbacher, Anke Zillich

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Tausend Deutsche Diskotheken Von Michel Decar Fassung von Matthias Seier und Björn Gabriel 18.04.2020 (UA) R: Björn Gabriel B: Christiane Thomas K: Friederike Wörner V: Tobias Hoeft D: Matthias Seier S: Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Max Ranft

Glaube, Liebe, Hoffnung von Ödön von Horváth 08.05.2020 R+B: Jan Friedrich K: Friederike Wörner M: TD Finck von Finckenstein V: Tobias Hoeft D. Dirk Baumann S: Christian Freund, Ekkehard Freye, Caroline Hanke, Tobias Hoeft, Marlena Keil, Uwe Rohbeck, Anke Zillich

Die Hamletmaschine frei nach Heiner Müller 09.05.2020

Das BILD-Zeitungs-Projekt (AT) Eine Readymade-Oper aus den Untiefen des Boulevards von Matthias Seier und Roman Senkl 30.05.2020 R: Roman Senkl B: Elizaweta Veprinskaja K: Friederike Wörner M: TD Finck von Finckenstein D: Matthias Seier S: Dortmunder Sprechchor

ALLES MUSS RAUS. Eine theatrale Austreibung 05.06.2020 R: Ed. Hauswirth B: Anita Ackva K: Friederike Wörner M: TD Finck von Finckenstein D: Michael Eickhoff S: Andreas Beck, Berna Celebi, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Max Ranft, Annou Reiners, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Friederike Tiefenbacher, Anke Zillich

R: Uwe Schmieder M: Ole Herbström D: Roman Senkl S: Max Ranft, Annou Reiners, Dortmunder Sprechchor

Fungus - Pilz des Grauens Live-Hörspiel nach einer Erzählung von William Hope Hodgeson 10.05.2020 R: Jörg Buttgereit M: Tommy Finke D: Anne-Kathrin Schulz S: Andreas Beck, Berna Celebi, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Uwe Rohbeck, Friederike Tiefenbacher, Anke Zillich

Four Times Everything 13.05.2020 von und mit Berna Celebi, Christian Freund, Tobias Hoeft, Laura N. Junghanns, Svea Sanyó, Annou Reiners, Elizaweta Veprinskaja

Ekkehard Freye, Frank Genser in Die Dämonen

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MITARBEITER_INNEN 2010-2020 Schauspiel Dortmund ENSEMBLE Andreas Beck, Raafat Daboul, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Sebastian Graf, Caroline Hanke, Luise Heyer, Axel Holst, Uta Holst-Ziegeler, Christoph Jöde, Marlena Keil, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Melanie Lüninghöner, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Jakob Schneider, Julia Schubert, Alexandra Sinelnikova, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth, Anke Zillich GÄSTE Amelie Barth, Frauke Becker, Jakob Benkhofer, Patrick Berg, Thorsten Bihegue, Maximilian Brauer, Matthias Breitenbach, Jele Brückner, Franziska Dittrich, Lukas Gander, David Guy Kono, Randolph Herbst, Johannes Hubert, Nina Karimy, Luise Kinner, Jens Kipper, Janine Kreß, Christiane Lemm, Jonathan Meese, Annika Meier, Jürgen Mikol, Sibylle Mumenthaler, Jasmina Musič, Orhan Müstak, Lorenz Nolting, Philipp Joy Reinhardt, Hendrik Richter, Magdalena Roth, Sarah Sandeh, Merlin Sandmeyer, Xenia Snagowski, Nadja Schürmann, Bernhard Schütz, Murat Seven, Lilith Stangenberg, Louisa Stroux, Bastian Tebarth, Max Thommes, Arne Vogelgesang, Edith Voges Nana Tchuinang, Rahel Weiss, Andreas Weißert, Carolin Wirth, Michael Witte DORTMUNDER SPRECHCHOR Gerlinde Albers, Heide Alscher, Regine Anacker, Angelika Bammann, Barbara vor den Bäumen, Bettina Bartsch, Sabine Bathe-Kruse, Regina Becker, Ramona Beissert-Dworschak, Birgit Bergstermann, Dorothea Borghoff, Barbara Born-Wildt, Ulrike Bracklow, Ulla Brinkmann, Angelika Brittner, Gabriele Brozio, Heidemarie Brüne, Heide Buhren, Jo Bullmann, Bärbel Capelle, Frank Claus, Margret Corcilius, Sina Corsèl, Krimhild Dahlheimer, Christin Dallinger, Lilo Diel-Greve, Silvia Disse, Kambiz Djalali, Julia Dobat, Agnes Doering, Barbara Domanski (†), Petra Dresler-Döhmann, Annette Eisler-Strenger, Constanze Emmerich, Solveig Erdmann, Isa Erker, Dirk Fahle, Maike Fischer-Wagner, Lilli Fehr-Rutter (†), Claudia Flenner-Nordhaus, Bernhild Flenner-Wechselberg, Dagmar Freytag, Jürgen Frins, Ursula Gelzinnus, Birgit Gesing, Reza Ghazi, Brigitte Giese, Bärbel Göbel, Elke Grevel, Gudrun Goltzsche, Regina Gottschalk, Waltraud Grohmann, Bozena Anna Gronert, Anne Grundmann-Sanz Pamies, Andrea Hartmann, Jürgen Hecker, Sylvia Heger, Sabine Henke, Sabine Hensel, Udo Höderath, Henri Hoffmann, Lia Imbach, Peter Jacob, Angelika Jankowski, Christine Jung-Bardy, Rika Kaestner, Tassilo Kaestner, Elke Kalwa-Feige, Rainer Karbe, Jörg Karweick, Sabine Kaspzyck, Ingrid Kemming, Sonja Kemler, Marianne Kempf, Emma Khalatbari, Andrea Kiessling, Margret Kloda, Sarah Klung, Karin Knoll, Birgit Kornrumpf, Birgit Korte, Norbert Kranz, Ingrid Kremin, Karl Michael Krieter, Petra Krug-Feldmeier, Silke Kuhnlein, Sabine Küpper, Ellamarie Kuke, Elke Kuran, Ursula Leschner, Thomas Litfert, Heike Lorenz, Jürgen Luga, Anne Malkowski, Ingeborg May, Beate Morgenthal, Marina Müller, Ulrike Müller, Inge Nieswand, Rainer Niggemeyer, Katrin Osbelt, Günter Ott, Heidi Ott, Elisabeth Pavel-Wohlert, Irene Pähler, Anja Eva Pietzsch, Elke Pries, Katja Priesmeier, Elke Recks, Wilma Redlich, Sylvia Reusse, Traudel Gundula Richard, Beate Ritgen, Karin Rolka-Thomas, Petra Maria Roth, Maria Rühling, Birgit Rumpel, Petra Runz, Edgar Rupp, Michael Satorius, Anette Schäfer, Monika Schlöter, Claudia Schmelter, Hannah Schmidt-Rottmann, Petra Schrader, Bärbel Schreckenberg, Maria Schriewer, Roland Schröter-Liederwald, Christoph Schubert, Jörg Schubert, Regina Schulz, Lothar Schwengler, Rosemarie Sitte, Regina Siebert, Nora Sladek, Ulrike Späth, Rita Spieker-Thiele, Angelika Spieler, Beate Spittank (†), Ursula Stadermann-Hellweg, Elisabeth Stamm, Verena Stanislawski, Nina Steinert, Monika Stragies, Monika Stahler, Anette Struck, Sigrid Täubert, Ulla Trachternach, Gisela Tripp, Marlis Troche, Leonie Uliczka, Isabel Uliczka, Andreas Vollmer, Rita Wahle-Voß, Reinhilde Walkenhorst, Saskia Warmers, Viola Wehn, Sabine Weiland, Irina Weinschenker, Lea Sofie Wesner, Sebastian Wien, Angelika Willers, Ulrike Wildt, Hedda Zeitler KINDERSPRECHCHOR Alexei Fihman, Anastasia Fihman, Carla Fischer, Rieke Grohmann, Nelly Jung, Shamayim Katz, Amelie Krämer, Ella Kruse, Alice Simon, Amelie Uliczka, Leonhardt Walkenhorst (Betreuung: My Dung Walkenhorst) SCHAUSPIELSTUDIO (Schauspiel-Studierende der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz) Alida Bohnen, Berenice Brause, Berna Celebi, Frieder Langenberger, Mario Lopatta, Maximilian Ranft, Annou Reiners, Kevin Wilke SCHAUSPIELSTUDIERENDE DER FOLKWANG UNIVERSITÄT DER KÜNSTE/BOCHUM (ALS GÄSTE) Paulina Alpen, Amelie Barth, Carl Bruchhäuser, Massiamy Diaby, Klara Eham, Johannes Hoff, Thomas Kaschel, Nils Kretschmer, Anja Kunzmann, Max Poerting, Jojo Rösler, Alicja Rosinski, Ansgar Sauren, Vera Hannah Schmidtke, Nairi Sevinc, Philipp Steinheuser, David Vormweg, Michael Wischniowski THEATERPARTISANEN Majed Alali, Mouayad Alchtouh, Hasan Alchtouh, Ibrahim Alchtouh, Polina Alexanders, Amer Alobeid, Sadoun Alsinou, Mohamad Alsuan, Anouk Amah, Erich Antonov, Dilara Aosjakar, Sarah Isabel Atouba, Carla Bachner, Seratu Bak, Klara Bazykin, Niels Beck, Frauke Becker, Lea Beckmannshagen, Margarita Borzykina, Tarak Boudaya, Patrick Brauer, Emily Breuer, Luisa Bronstein, Franziska Bünemann, Massi Caravante, Etienne Carl, Rosa Cizmowski, Alexandra Claar, Madalena Cocuzza, Mine Coskun, Mattia Currarone, Gianna Cusano, Helena Demantowsky, Dunja Dembon, Meryem Demir, Josefine Deschner, Verena Domwirth, Leah Dross, Francis Düsberg, Yassine Elkoumssi, Carina Fast, Anna Federlein, Celine Feldmann, Milan Gather, Sarah Gehrmann, Kathrin Glombik, Sam Gielisch, Leyla Gökcek, Lisa Goltzsche, Feier Gong, Melissa Gosewinkel, Line Grewe, Katharina Grimm, Jost Grünastel, Henri Gruss, Ikrom Gulamov, Tolga Güclü, Marie Güra, Mohammad Haidar, Labinot Halilaj, Jan Hampel, Lauritz Jonathan Hantschel, Pia Harting, Teresa Hartmann, Nele Hassel, Dejan Hauch, Johanna Heese, Florian Heier, Lisa Heinrich, Marvin Helbig, Tatjana Herdt, Marlina Hering, Leonardo Hering, Carolin Himmel, Kimberly Hoberg, Nadine Hövelmann, Jana Hoffmann, Ramsi Homssi, Mia Farina Hopf, Nadine Hövelmann, Sebastian Hrisca, Maja Ve Iser, Annika Jacobs, Jana Kagan, Ronahi Kahraman, Jana Kamm, Melis Karca, Natalie Kaß, Rebea Kern, Johanna Klammer, Anna Klimovitzkaya, Moritz Kopperschmidt, Carmen Körner, Dylan Körnig, Sophie Kössel, Annabelle Kottlange, Niklas Krause, Anna-Lena Kullmann, Maximilian Kurth, Alisa Kuznetsova, Eva Lotta Landskron, Lisa Lange, Jana Katharina Lawrence, Adriana Janina Ledda, Laura Lisboa, Finja Loddenkemper, Linda Lorenz, Sophia Lucic, Celina Luyeye-Matuta, Leah Maarschalk, Selma Mählmann, Syan Mahmud, Luke Mann, Tabea Marks, Alina Martin, Julian Martin, Ershad Maschjedi, Alicia

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Maselli, Miriam Meimers, Tina Melembe, Alina Mertens, Lilly Meyer, Maik Michallik, Linda Millinghaus, Monique Mirke, Katharina Missner, Lara Möhl, Merlin Mölders, Leon Müller, Jan Nwattu, Üfeyra Özdencanli, Rodolfo Parra-Scholz, Rebekka Pattison, Femke Pelzer, Philipp Rausch, Laura Rehkuh, Paula Reichmann, Adriana Reinecke, Mia Reiss, Rafael Reiss, Kathrin Remus, Fabian Rodatz, Ana Marlena Röhricht, Tanja Rosner, Katharina Roß, Marleen Rubart, Charlotte Rümenapp, Leo Rusche, Valentin Rusche, Mohamed Saal, Amelie Sack, Melissa Sadowski, Lea Sophie Salmann, Juri Scheffer, Elena Schembecker, Sina Schinner, Antonia Schnaake, Stephanie Scholz, Laurenz Schönborn, Helen Schröder, Daria Semenova, Lotta Severing, Ahmed Shershar, Philipp Skuza, Martina Sobrino, Charlotte Sonnabend, Savannah Sonntag, Sarah Sorhagen, Felix Spiekermann, Jil Sofie Steube, Slobodan Stevanovic, Sina Stieglitz, Maya Stiller, Majdal Suleman, Caroline Swiderska, Pia Tappe, Eugen Tarasov, Hannah Teigel, Marius Thielemann, Jeremias Timoner, Jessica Truernit, Gero Tünnermann, Henrike Tünnermann, Emma Uflacker, Finja Uibel, Jill Umberg, Marlene Unterfenger, Tiu Kha Vu, Daria Vogel, Alina Vogt, Jana Vollstädt, Elisa Voß, Alolis Wael, Dario Waltschew, Vanessa Wascher, Hanna Wawerla, Esther Wegelin, Anja Wenner, Lisa Wiele, Jana Wildoer, Anna Wilhelm, Kati Wohlfarth, Yasmin Wolfram, Joey Wood, Ryan Woolston, Rebecca Zöller, Dennis Zybin SENIORENCLUB Annegret Albert, Hannelore Bergentun, Helga Bothe, Beate Cassau, Susanne Esser, Ursula Fehlberg, Heinrich Fischer, Felicitas Foegen, Liesel Graf, Johst Bernd Henseler, Helga Brinkmann Hempel, Erika Kallweit, Rainer F. Kirchner, Joachim Krass (†), Jürgen Lorey, Inge Nieswand, Birgit Schachnat, Jutta zu Knyphausen REGIE Thorleifur Örn Arnarsson, Artúr van Balen, Claudia Bauer, Andreas Beck, Jean-Claude Berutti, Thorsten Bihegue, Lena Biresch, Jörg Buttgereit, Liesbeth Coltof, Oliver D. Endreß, Jonas Fischer, Jan Friedrich, Björn Gabriel, Bjarne Gedrath, Klaus Gehre, Frank Genser, Rainald Grebe, Ed. Hauswirth, Sascha Hawemann, Daniel Hengst, Matthias Heße, Axel Holst, Gerburg Jahnke, Sarah Jasinszczak, Christoph Jöde, Peter Jordan, Laura N. Junghanns, Gordon Kämmerer, kainkollektiv (Fabian Lettow, Mirjam Schmuck), Jens Kerbel, Alexander Kerlin, Dieter Klinge (†), Leonhard Koppelmann, Anna Kpok, Martin Laberenz, Johannes Lepper, Maximilian Lindemann, Marcus Lobbes, Paolo Magelli, Carlos Manuel, Jörg Lukas Matthaei (matthaei & konsorten), Jonathan Meese, Christoph Mehler, Tuğsal Moğul, Ersan Mondtag, Martin Nimz, Stefan Nolte, PENG! Collective, Christian Quitschke, Moritz Riesewieck, Rimini Protokoll, Wiebke Rüter, Roscha A. Säidow, Péter Sanyó, Uwe Schmieder, Julia Schubert, sputnic (Malte Jehmlich, Nikolai Skopalik, Nils Voges), Wenzel Storch, Bastian Tebarth, Arne Vogelgesang, Kay Voges, Eric de Vroedt, Jennifer Whigham, Adolf Winkelmann, Zentrum für Politische Schönheit, Charlotte Zilm AUSSTATTUNG Anita Ackva, Hildegard Altmeyer, Daniel Angermayr, Andreas Auerbach, Nehle Balkhausen, Kristina Böcher, Maze de Boer, Jan P. Brandt, Cornelia Brückner, Ines Burisch, Rainer Casper, Stefanie Dellmann, Ariane Erbe, Christoph Ernst, Susanne Esser, Carli Everaert, Marina Felix, Jan Friedrich, Valerie Gasse, Guus van Geffen, Klaus Gehre, Vinzenz Gertler, Artur Gerz, Mai Gogishvili, Lotte Goos, Wolf Gutjahr, Kerstin Handke, Sven Hansen, Larissa Hartmann, Clara Hedwig, Ann Heine, Oliver Helf, Kathrine von Hellermann, Colette Huchard, Nejla Kalk, Gordon Kämmerer, Daina Kasperowitsch, Ricarda Knödler, Matthias Koch, Leo Kulaš, Johannes Lepper, Jürgen Liehr, Sandra Linde, Marcus Lobbes, Pia Maria Mackert, Josa Marx, Christian Maith, Miriam Martho, Antonella Mazza, Jonathan Meese, Theresa Mielich, Ersan Mondtag, Mathis Neidhardt, Katja Neubauer, Natalia Nordheimer, Ayşe Özel, Julia Plickat, Julia Praschma, Susanne Priebs, Mareike Richter, Matthias Rippert, Louisa Robin, Dorothea Ronneburg, Daniel Roskamp, Magdalena Roth, Vanessa Rust, Rudy Sabounghi, Jule Saworski, Hans Georg Schäfer, Svea Sanyó, Bernd Schneider, Jennifer Schulz, Tobias Schunck, Yvette Schuster, Michael Sieberock-Serafimowitsch, Ulrike Siegrist, sputnic, Yaroslava Sydorenko, Patricia Talacko, Nane Thomas, Mona Ulrich, Elizaweta Veprinskaja, Arne Vogelgesang, Kay Voges, Jana Wassong, Sabine Wegmann, Birgitta Weiss, Sunneva Ása Weisshappel, Ute Werner, Wiebke Winterwerber, Friederike Wörner, Julia Zejn VIDEO Voxi Bärenklau, Daniel Boy, Michael Deeg, Maria Goinda, Julia Gründer, Rudi Heinen, Daniel Hengst, Tobias Hoeft, Robin Otterbein, Joscha Richard, Jonas Schmieta, Felix Schnittker, Mario Simon, sputnic, Bastian Tebarth, Laura Urbach, Marcel Urlaub, Jan Isaak Voges, David Wesemann MUSIK André Abshagen, Umut Akkuş, John Andrews, Peer Baierlein, Frank Behnke, Martell Beigang, Friederike Bernhardt, Doğan Bicer, Jason Binnick, Hans Block, Florentine Boddendijk, Botanica, Daniel Brandl, Tobias Bülow, Geoffrey Burton, Gabriel Cazes, Serge Corteyn, Miriam Eicher, T.D. Finck von Finckenstein, Tommy Finke, Stefan „Pele“ Götzer, Sebastian Gramss, Alexander Hacke, Mick Harvey, Dieter Hebben, Kornelius Heidebrecht, Ole Herbström, Smoking Joe, Remco de Jong, Martin Juhls, Volker Kampfgarten, Marko Kassl, Gregor Kerkmann, Christoph Krieger, aniYo kore, Carsten Langer, Edith Langgartner, Michael Lohmann, Manuel Loos, Mitch Maestro, Philipp Maike, MGV Harmonie der Zeche Victoria Lünen, Larry Mullins, Georg Nägele, Gerd Neumann, Sven Petri, Danielle de Picciotto, Bernhard Range, Gilda Razani, Benjamin Reissenberger, Petra Riesenweber, Felix Rösch, Marcus Scheltinga, Max Schweder, Oliver Siegel, Mario Simon, Nicolai Skopalik, Sonae, Nikolaj Sonnenscheiße, Sebastian Spielvogel, Jens-Karsten Stoll, Tafel-Chor der Dortmunder Tafel, Max Thommes, Thomas Truax, Oliver Urbanski, Brian Viglione, Georgy Vysotsky, Fiete Wachholtz, Paul Wallfisch, Wolfgang Wendland, Martin Wenk, Hannes Weyland, Anne de Wolff, Wim Wollner, Alexander Dafov Xell CHOREOGRAPHIE Klaus Figge, Birgit Götz, Laura Leona Witzleben CODING & ENGINEERING Dominik Bay, Hendrik Fellerhoff, Stefan Kögl, Rolf Morgenstern, Lucas Pleß, Lars Ullrich INTENDANT DES SCHAUSPIELS Kay Voges STELLVERTRETERIN DES INTENDANTEN Mirjam Beck PERSÖNLICHE REFERENTIN DES INTENDANTEN Ulrike Niestradt DRAMATURGIE Dirk Baumann, Thorsten Bihegue, Tina Ebert (Gast), Michael Eickhoff, Alexander Kerlin, Henning Nass (Gast), Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier, Roman Senkl MUSIKALISCHE LEITUNG Tommy Finke, Paul Wallfisch LEITUNG SCHAUSPIELSTUDIO Laura N. Junghanns DISPOSITION UND KÜNSTLERISCHES BETRIEBSBÜRO Juliane Abt, Mirjam Beck, Katrin Gern-Welbers, Lisa Kerlin, Annika Maria Maier, Lotta Stanke PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Djamak Homayoun, Lisa Bunse, Laura Sander ASSISTENZ DER INTENDANZ Lisa Kerlin, Lotta Stanke SOCIAL MEDIA Dirk Baumann, Laura Sander, Matthias Seier INSZENIERUNGSFOTOS Birgit Hupfeld, Edi Szekely THEATERPÄDAGOGIK Sarah Jasinszczak, Svenja Riechmann FSKJ Tobias Bergmann, Hannah Bünemann, Carina Fast, Tolga Güclü, Sara Hartmann, Norina Kindermann, Max Klemp, Leonie Lunkenheimer, Mia Reiss, Viktoria Storksberger REGIEASSISTENZ Lena Biresch, Emese Bodolay, Julia Börchers, Frank de Buhr, Lis-Marie

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Diehl, Damián Dlaboha, Oliver D. Endreß, Jonas Fischer, Bjarne Gedrath, Tolga Güclü, Marie Helbing, Friederike Helmes, Laura N. Junghanns, Liliane Koch, Hannah Koester, Aylin Kreckel, Anastasia Kuznetsova, Anja Lindner, Maximilian Lindemann, Leif Mieland, Steffen Moor, Kristin Naujokat, Tilman Oestereich, Markus Posse, Laura Rehkuh, Mia Reiss, Wiebke Rüter, Péter Sanyó, Philipp Skuza, Mario Simon, Maximilian Lindemann AUSSTATTUNGSASSISTENZ Anita Ackva, Noemi Baumblatt, Niels Beck, Emese Bodolay, Maike Bönkhoff, Jan Brandt, Annika Brose, Carla Ehrlich, Marina Felix, Nora Franzmeier, Valerie Gasse, Annika Groß, Clara Hedwig, Nejla Kalk, Julia Knies, Anja Lichtenegger, Antonella Mazza, Theresa Mielich, Maria Reyes Perez, Jula Reindell, Thomas Rodehuth, Vanessa Rust, Martina Suchanek, Jennifer Schulz, Valerie Seela, Saskia Seiffert, Svea Sanyó, Till Stauffer, Yaroslava Sydorenko, Nane Thomas, Elizaweta Veprinskaja, Verena Viehmann, Ronny Wollmann, Friederike Wörner INSPIZIENZ Hannah Koester, Ralf Kubik, Klaus Kudert, Tilman Oestereich, Philipp Skuza, Tilla Wienand SOUFFLAGE Lara Haucke, Marie Helbing, Christiane Hevicke, Lisa Kerlin, Gitta Kessler, Suse Kipp (†), Hannah Koester, Ginelle Lindemann, Solveig-Freya Ostermann, Daniela Stivelli, Tilla Wienand, Ruth Ziegler, Violetta Ziegler LEITUNG SPRECHCHOR Andreas Beck, Thorsten Bihegue, Christoph Jöde, Alexander Kerlin, Uwe Schmieder, Roman Senkl, Merle Wasmuth LEITUNG FOYERSERVICE Mirjam Beck, Annika Maria Maier, Ulrike Niestradt, Laura Sander FOYERTEAM Mouyad Achltouh, Sherin Ali, Carola Augschun, Frauke Becker, Julia Bock, Johannes Bohl, Rebekka Bohl, Anna Dehnhardt, Elaja Dräger, Karolina Dyrda, Beatrice Fischer, Isaak Henrichs, Burak Hoffmann, Maike Isermann, Elisabeth Kallert, Rohilat Kalmaz, Lydia Kels, Asadeh Khakban, Sonja Kleinrath, Mira Laczkowski, Denise Legrand, Christian Lüders, Aylin Mirjahana, Barbara Möller, Eva Möller, Bastian Müller, Inga Müller, Leon Müller, Chantal Otterbein, Philipp Pössel, Miriam Putz, Leon Sander, Leo Schneider, Nina Schröder, Jennifer Schulz, Anna Sohlenkamp, Lotta Stanke, Claas Steenweg, Pia Steenweg, Laura Urbach, Anna Winthuis, Jan Wosnitza, Jannes Zimmermann TECHNISCHE LEITUNG Thomas Bohl, Thomas Pohlmann PRODUKTIONSLEITUNG Louisa Robin BÜHNENMEISTER Peter Stephan, Gero Wendland, Klaus Winnecke BÜHNENTECHNIK Jens Bischoff, Jürgen Blaschke, Thorsten Busch, Tobias Busch, Ulrich Ernst, Lothar Fischer, Michael Fuhrmann, Yves-Heiko Gies, Markus Guder, Zemir Hamzic, Jan-Hendrik Hegemann, Frank Herbe, Stephan Hörling, Klaus Horn, Björn Krischker, Andreas Kubica, Melanie Kublun, Guido Lang, Oliver Lenz, Frank Liedtke, Jürgen Mathes, Helmut Michael (†), Markus Michalski, Manuel Milek, Rafael Mondaca, Ilyas Özdemir, Klaus Priebe, Rajan Raajalingam, Mahmoud Samaghi, Stephanie Schubert, Markus Schulz, Mario Wenzel, Thomas Widdermann, Kai Witkowski, Wilfried Zinke LEITUNG BELEUCHTUNG Sibylle Stuck BELEUCHTUNGSMEISTER Markus Fuchs, Rolf Giese, Stefan Gimbel, Johannes Richter MITARBEIT BELEUCHTUNG Julia Bilyk, Zisis Dalalakis, Manuela Gerkens, Michael Heidecker, Meike Hitzegrad, Marco Leo, Sabine Opitz, Umut Özkan, Nicolas Rohr, Richard Schlöbe, Christof Spiewak LEITUNG TONABTEILUNG Lutz Essfeld, Gertfried Lammersdorf, Andreas Sülberg MITARBEIT TON Günther Holtmann, Christian Sauer, Olaf Krüger, Robin Lockhardt, Jörn Michutta LEITUNG REQUISITE Hartmut Arendt (†), Anton Nesaraj, Natascha Sievert MITARBEIT REQUISITE Markus Neuhaus, Raliza Raleva, Stefanie Sareyka, Laura Tilstra, Uta Wils WAFFENMEISTER UND PYROTECHNIK Michael Otto STATISTERIE Liam Adler, Niels Beck, Nedim Begovac, Hannah Bortz, Julia Boxheimer, Emil Braun, Hannah Bünemann, Ilja Bultmann, Gianna Cusano, Jeannie Marianna Dressman, Sila Ekiztas, Oliver D. Endreß, Chantal Josephine Engelmann, Meret Eser, Carina Fast, Céline Feldmann, Jan Firgau, Heinrich Fischer, Maik Franek, Sarah Gehrmann, Lisa Goltzsche, Ulrike Großheim, Salih Gülhan, Lara Haucke, Lasse Immens, Annika Jakobs, Joia Jedwabski, Ivana Jenjic, Jessy Key, Shawn Peter Kiebgis, Sabine Kleffmann, Cedric Joel Koch, Hannah Koester, Lisa Kreis, Julia Kubensky, Konstantin Kunath, Maximilian Kurth, Jana Katharina Lawrence, Nora Lemjimer, Finja Loddenkemper, Sarah Marvic, Ingeborg May, Merlin Mölders, Mirco Mönnich, Leon Müller, Lisa Overmann, Rebekka Pattison, Dieter Pätzold, Roman Paulus, Georgios-Rafail Politakis, Laura Rehkuh, Amira Rezgui, Marianne Rickert, Jürgen Rieker, Till Stauffer, Manfred Tari, Ines Tricki, Emine Turhan, Yasemin Ucar, Fatma Ulutopcu, Verena Viehmann, Leonhardt Walkenhorst, Rahel Weiss, Chris Wolf, Jing Wu, Mischa Wulfgramm HOSPITANZ Kaoutar Aboueloula-Peindl, Anita Ackva, Mike Bahrenberg, Franziska Bald, Marina Biermann, Hanna Biresch, Daniela Blanck, Sarah Bockting, Emese Bodolay, Julia Börchers, Sebastian Bös, Valentina Böttger, Johannes Simon Brauns, Fedor Bräutigam, Ellena Bruchhäuser, Ida Helene Cosima Brückner, Hannah Bünemann, Luna-Elain Bystron, Serap Cig, Eva Collura, Robert Damaschke, Marie-Claire Delarber, Karen Dohr, Nathalie Eckstein, Marlene Emming, Robin Epkenhans, Isa Erker, Agnes Fink, Jan Firgau, Friederike Flüß, Johanna Förster, Benedict Fromme, Alix Fournier, Karolina Gaida, Ann-Sophie Gehrig, Juliane Gigler, Marvin Girula, Alexandra Gnielka, Violetta Gringersch, Jost Grünastel, Salih Gülhan, Shawn Hartkemeier, Sarah Hartmann, Laura Haucke, Fritz Haupt, Lisa Heinz, Eike Helf, Friederike Helmes, Ricarda Helmes, Fiona Marie Hennerkes, Isabell Höckel, Leandra Ilgner, Marie-Luise Jansen, Milica Jojevic, Laura N. Junghanns, Nejla Kalk, Katharina Keil, Asadeh Khakban, Sung-A Kim, Norina Kindermann, Julia Knies, Sebastian Knipp, Hannah Koester, Laura Kolbach, Julia Kragh, Aylin Kreckel, Lisa Kreis, Helge Kreisköther, Julia Kubensky, Hannah Kuhlmann, Konstantin Kunath, Tian Lai, Sophie Wilberg Laursen, Tina Lavrinova, Sanyeon Lee, Kathrin Leneke, Maximilian Lindemann, Friedrich Lohmeier, Leonie Lunkenheimer, Lion Mackert, Anna Lina Mangold, Marie Mann, Hannah Sophie Martell, Nicolas Martin, Sheala Selena Massie, Jouanna Mohamed, Lara Möhl, Stefan Moll, Steffen Moor, Nikolai Neugebauer, Johannes Nölting, Carolina Nooß, Lisa Oppermann, Ivan Orlenko, Chantal Otterbein, Robin Otterbein, Agnes Otto, Rosa Lynn Pakusch, Corinna Pietsch, Alix F. Pittaluga, Anja Plonka, Joey Gerome Porner, Kristin Posekardt, Johanna Raimund, Lena Mareike Räther, Lars Reincke, Mia Katharina Reiss, Dominik Renneke, Joscha Richard, Maren Linn Röhrig, Philipp Rose, Vicky Roters, Merle Ruge, Vanessa Rust, Anna Sacher, Rosina Saringer, Anna Maria Schedler, Philip Schimchen, Eva Schlömer, Mira-Alina Schmidt, Sabine Schmidt, Julia Schubeius, Nicola Schubert, Benedikt Schubert, Theresa Sophie Schwarz, Valerie Seela, Matthias Seier, Saskia Seifert, Marina Cajueiro Sell, Maren Sielaff, Philipp Skuza, Pia Soldan, Mirko Soldana, Vesela Stanoeva, Nina Steinert, Jennifer Stocksley, Tamer Tahan, Jordan Tanner, Lilith Tiefenbacher, Ayla Torun, Sabrina Toyen, Tim Vallender, Verena Viehmann, Julieth Villada, Jan Voges, Alina Vogt, Zhuo Wang, Marie Isabell Wiener, Ruth Ziegler, Christian Zipfel THEATER DORTMUND/ZENTRALER BEREICH GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Tobias Ehinger, Bettina Pesch VERWALTUNGS-

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DIREKTOR Martin Lizan BÜROLEITUNG GFD, ALLGEMEINE VETRAGSANGELEGENHEITEN, GEMA Hedi Struß ASSISTENZ GFD Ivonne Gambal, Katrin Schönfisch REFERENT FÜR ZENTRALE ANGELEGENHEITEN Dirk Struß DIREKTOR SONDERPROJEKTE UND SPONSORING Thomas Rink BIBLIOTHEK Kerstin Witt THEATERPÄDAGOGIK KOORDINATION Svenja Riechmann MARKETING LEITUNG Stefan Kriegl, David Porrmann, Annette Rosenbauer MITARBEIT MARKETING Claudia Bender, Massimo Buonerba, Janna Dittmeyer, Philipp Jüttner, Adrian Kels, Bastian Müller, Jennifer Müseler, Brigitte Pischke, Michaela Schloemann, Anja Terveen CONTROLLING Lukas Haroska, Martin Lizan LEITUNG PERSONAL, ORGANISATION Kerstin Kruck MITARBEIT PERSONAL, ORGANISATION Frauke Berger, Melanie Czernik, Sabine Dugnus, Vanessa Escherig, Holger Franz (stv. Leitung), Sandra Gartz, Daphne Greifenstein, Karen Gruß, Gudrun Kerkiehn, Mirka Kossak, Thomas Oberholz, Simone Schween, Matilde Tiete, Sigrig Winkler LEITUNG RECHNUNGSWESEN Christine Poclet MITARBEIT RECHNUNGSWESEN Susanne Bratz, Nicole Burkhardt, Jacqueline Börner, Kristina Kossack, Viktoria Skotkina, Christa Sprenger, Matilde Tiete, Tanja Witte IT KOORDINATION Peter Brodka, Daniel Landgrebe, Markus Wolke LEITUNG BAUKOORDINATION, VERGABE UND RECHT Daniel Buess ASSISTENZ BAUKOORDINATION Carolin Haker MITARBEIT BAUKOORDINATION, VERGABE UND RECHT Brigitte Pischke, Gabrielle Krüger LEITUNG ABO-SERVICE, THEATERKASSE, TICKET-HOTLINE Ute Batze, Cornelia Knör ABO-SERVICE Susann Bach, Birgit Clausen, Birgit Fröhlich, Ana Maria Römer THEATERKASSE Jessica Elsner, Jana Gravert, Kristina Kossack, Petra Kurenbach, Cora Laios, Katrin Miechowski, Nicole Nauber, Ingrid Potthast, Andrea Prenzel, Susanne Kolberg-Protmann, Marita Selchow, Brigitte Siepa DIREKTOR TECHNIK UND AUSSTATTUNG Thomas Meissner TECHNISCHE ASSISTENZ Christopher Huckebrink TECHNISCHES BETRIEBSBÜRO Daniela Leidag HAUS- UND BETRIEBSTECHNIK LEITUNG Wolfgang Bäsler, Marvin Biel, Anja Gambusch, Detlev Rabe PROJEKTE, SONDERAUFGABEN Detlev Rabe TEAMLEITUNG HAUS- UND BETRIEBSTECHNIK Stephan Müller, Markus Weber MITARBEIT HAUS- UND BETRIEBSTECHNIK Detlef Bokermann, Dirk Brück, Jürgen Druczinski, Peter Fischer, Julius Hackert, Stefan Kurtz, Martin Leinweber, Klaus Müller, Peter Nawotka, Helmut Pawlak, Markus Reckert, Ralf Sauer, Thomas Schimanski, Torsten Seynsche, Markus Weber, Peter Wolf PFORTE Ulrike Balke, Jacqueline Grieve, Sylvia Ilgner BOTIN Matilde Tiete REINIGUNG Miriam Baumeister, Hatice Kiracti, Suna Winnecke, Meryem Uslu TRANSPORTGRUPPE Peter Günther, Bekir Köse, Thomas Lapok, Frank Liedtke WERKSTÄTTEN-LEITUNG Hans-Joachim Klose KONSTRUKTION Jan Schäfer (stv. Leitung) TECHNISCHE ZEICHNERIN Annette Preik LEITUNG SCHREINEREI Andreas Schmelter, Uwe Leiendecker MITARBEIT SCHREINEREI Peter Beier, Morten Braunheim, Peter Fischer, Bettina Glogowski, Jörg Kalbow, Bülent Kirbas, Markus Knoch, Thorsten Lotte, Dirk Michel, Thomas Nolte, Waldemar Päselt, Bärbel Sumagang, Frank Völcker LEITUNG SCHLOSSEREI Frank Kallweit, Benjamin Rose MITARBEIT SCHLOSSEREI Lutz Essfeld, Waldemar Gratza, Frank Kalweit, Peter Kurtz, Marc Parucha LEITUNG MALSAAL Andreas Beuter, Bernd Schwarzer MITARBEIT MALSAAL Julia Bethke, Zhuo Chen, Gunter Mende, Nasir-Ahmad Noori, Manfred Piwellek, Anja Schmitz, Annina Seeliger, Stefan Sombetzki, Claudia Steiner, Sebastian Steinhauer-Dsenne PLASTIKER Sebastian Steinhauer-Dsenne, Manfred Piwellek, Claudia Steiner DEKORATION Peter Mues, Ludmilla Gross, Melanie Kublun-Fischer, Markus Mitrenga, Ida Sarezki MITARBEIT DEKORATION Ludmilla Gross, Markus Mitrenga, Ida Sarezki MASKENBILDNEREI Monika Knauer, Natascha Kohnke, Lisa Luke, Katja Motz, Susanne Mundt, Gabriele Paulus, Matthias Ritzrau KOSTÜMABTEILUNG Jana Bechert, Ute Werner; Katja Struck; Susanne Gregorzewski, Bettina Ingenpass, Anna-Lena Jeromin, Corinna Link, Ansgar Reul; Lothar Henkel FUNDUS Marianne Rickert GARDEROBIEREN Christiane Petri; Marika Erdmann, Sabine Gorski, Tanja Grewe SCHNEIDEREI Felizitas Berlt, Susanne Claßen, Tatjana Ebb, Waltraut Gensert, Lina Gomes Weimer, Mareike Grote, Sabine Groth, Heike Halle, Seraphine Karczewski, Eva Konopka, Cordula Magiera, Susanne Matull, Ursula Moufang, Anni Niehaus, Saskia Oetzel, Sonja Pape, Walnir Petri, Mareike Poggenpohl, Heike Scheika, Caroline Severin, Soja Skarbnik, Victoria Spodeck, Dana Stuchlik, Diana Ziolkowske HUTATELIER Brigitte Freienstein, Rita Hasenfratz, Melanie Immens WÄSCHEREI Dolores Castro-Costano, Daria Grek EHRENMITGLIEDER DES THEATER DORTMUND Horst Fechner (†), Karlheinz Engels, Heinrich Huber

SPONSOREN, FÖRDERER, PARTNER

Ensemble in Visitor Q

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SPONSOREN DEW 21, Dortmunder Volksbank, Dr. Schlensker & Team GmbH, NEOVAUDE GmbH, PSD Bank Rhein Ruhr eG, rrbone, SIGMA System Audio-Visuell GmbH Düsseldorf (Präsentations-Manufaktur), Sparkasse Dortmund FÖRDERER Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Auslandsgesellschaft NRW e.V., Bezirksmarketing Innenstadt-West, Caspar Ludwig Opländer Stiftung, Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Dortmunder für Ihr Schauspiel e. V., FH Dortmund, Gleichstellungsbüro der TU Dortmund, Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie (Stadt Dortmund), Kulturstiftung des Bundes, Kulturstiftung des Bundes, Kulturstiftung des Bundes aus Mitteln des Heimspiel-Fonds, LAG NW, Landesarbeitsgemeinschaft Tanz NRW, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Migrationsagentur der Stadt Dortmund – Kommunales Integrationszentrum, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, NRW Kultur Sekretariat, Regionalverband Ruhr (Interkultur.Ruhr), Rudolf Augstein Stiftung, Sparkasse Dortmund, Theater- und Konzertfreunde e.V., Volksband Dortmund eG, Wilo-Foundation PARTNER AstA der TU Dortmund, Bodo – Das Straßenmagazin, Bündnis Solidarität, Caritas, Chaostreff Dortmund e.V., CORRECTIV, Das diakonische Werk, DBM Deutsches Bergbau-Museum Bochum, DIDF-Jugend, die urbanisten e.V., Dietrich Keuning Haus, Empfohlen von Visions, Entwicklungszentrum für berufliche Qualifizierung und Integration (EWZ), esgehtwieder.de, ETC European Theatre Convention, European Homecare, Favoriten 2010, FH Dortmund – University of Applied Sciences and Arts, GründerinnenZentrum Nordstadt, Harenberg City Center Dortmund, Hartware MedienKunstVerein Dortmund (HMKV), Haus der Vielfalt Dortmund, Heinrich-Böll-Stiftung e.V., IN VIA e.V., JFK e.V., Jobcenter Dortmund, Jugendförderkreis Dortmund e.V. (Interkultureller Treff, Mallinckrodtstraße), Junge Tanztheaterwerkstatt Vier D., Kulturbüro Dortmund, Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung TU Dortmund, Literaturhaus Dortmund, llp, LWL Industriemuseum, medienwerk.nrw, Multikulturelles Forum e.V., Netzwerk Schule ohne Rassismus / Schule mit Courage, Quartiermanagement Nordstadt, Respektbüro im Kommunalen Integrationszentrum der Stadt Dortmund, REVAG Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannsbetreuung e.V., rrbone.net, Ruhr Universität Bochum, Ruhrbarone.de, Ruhrtriennale, Festival der Künste, Sozialpsychiatrischer Dienst, Stadt Dortmund, Stadtteil-Schule Dortmund e.V., Theater- und Konzertfreunde Dortmund e.V., trainofhope Dortmund e.V., Türkisches Bildungszentrum Dortmund, Universität Witten/Herdecke, Urbane Künste Ruhr, Verlag der Autoren, VISIONS – Musikmagazin aus Leidenschaft, VMDO – Verbund sozialkultureller Migrantenvereine DO e.V., WAM: Die Medienakademie, WDR 3, Zukunftsakademie NRW (UAK)

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FOTOS:

IMPRESSUM

Titelfoto: Szene aus Visitor Q

Voxi Bärenklau: 179 Jan Bauer (2020 © PHOTOGRAPHY JAN BAUER . NET COURTESY JONATHAN MEESE . COM): 270, 271 Julian Baumann: 134 Jennifer Bunzeck: 11 Daniel Hengst: 66-69 Thomas Hof: 240 Birgit Hupfeld: 1-3, 6, 9, 14-21, 27, 34, 35, 38, 39, 42, 46-49, 51-59, 62, 63, 73, 79, 83, 86, 99, 102, 103, 107, 118, 119, 121-123, 126, 127, 129-135, 139-142, 145, 146, 149, 150, 152, 153, 156, 157, 161-163, 167-169, 173, 174, 179-181, 185-187, 194, 198-200, 203, 209-211, 214, 217, 224, 227-230, 233, 234, 236, 237, 241, 249, 251, 253, 254, 257-265, 267, 268, 274, 275, 277, 278, 280, 281, 283, 284, 286-289, 291, 292, 295, 296, 299, 300, 303, 304, 307, 308, 311, 316, 317, 320

Herausgeber Schauspiel Dortmund c/o Theater Dortmund Theaterkarree 1-3 44137 Dortmund Geschäftsführender Direktor Tobias Ehinger Intendant Schauspiel Dortmund Kay Voges Redaktion Dirk Baumann, Michael Eickhoff, Sarah Jasinszczak, Anne-Kathrin Schulz, Matthias Seier, Roman Senkl. Die Rechte der Texte liegen bei den jeweiligen Autor_innen. Redaktionelle Mitarbeit Mirjam Beck, Lisa Bunse, Katrin Gern-Welbers, Djamak Homayoun, Lisa Kerlin, Lotta Stanke Schlussredaktion & Lektorat Alle mit allen. Grafische Konzeption Artur Gerz, Malte Jehmlich, Nils Voges (sputnic.tv) Buchgestaltung & Satz Markus Kossack

Thomas Jauk: 182, 183

Druck Druckerei Kettler

Nick Jaussi: 85

Stand 05. Mai 2020

Laura Sander: 111

theaterdo.de blog.schauspieldortmund.de

Flint Stelter: 112, 113 Wenzel Storch: 171, 172, 175 Edi Szekely: 23, 29, 30, 37, 74, 75, 117, 195, 202, 204, 244, 245 Marcel Urlaub: 87-93, 128, 213, 220, 221 Kay Voges: 40, 41, 222, 223

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Zerstörtes Bühnenbild in der letzten Vorstellung von Die Borderline Prozession Nächste Seite: Frank Genser in Die Dämonen

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ERINNERN #6 Wir machen Geschichten und diese Geschichten sind Geschichte geworden und wir erzählen uns diese Geschichten die Geschichte ergibt und wenn wir die Geschichte sammeln ergibt sich Geschichtsschreibung und in der Geschichtsschreibung stehen wieder die Geschichten die wir zur Geschichte werden ließen und es gibt verschiedene Arten von Geschichten und es gibt verschiedene Arten von Geschichte denn es gibt Theatergeschichte und Geschichten über das Theater und es gibt die Weltgeschichte und die Geschichten über die Welt und es gibt die Zeitgeschichte und die Geschichten über Zeit und es gibt die Ideengeschichte und die Geschichten über Ideen und es gibt die Stadtgeschichte und die Geschichten aus der Stadt und es gibt die Kriegsgeschichte und die Geschichten über Kriege u n d e s g i b t d i e Tr a u e r g e s c h i c h t e u n d e s g i b t d i e G e s c h i c h t e n ü b e r Tr a u e r u n d e s g i b t d i e Te c h n i k g e s c h i c h t e u n d e s g i b t d i e G e s c h i c h t e n ü b e r Te c h n i k aber wie erzählen wir die Geschichte und wie erzählen wir die Geschichten und wie produzieren wir die Geschichten und wie produzieren wir Geschichte und wie produziert die Geschichte uns und wie beeinflussen wir die Geschichte und wie beeinflussen uns die Geschichten und wie beeinflussen wir die Geschichten und wie beeinflusst uns die Geschichte und warum vergessen wir die Geschichte und warum vergessen wir die Geschichten über die Geschichte und warum hören wir mancher Geschichte zu und wer schreibt die Geschichte über die Geschichten und warum hören wir mancher Geschichte nicht zu und wer schreibt die Geschichten über die Geschichte und gibt es die eine Geschichtsschreibung oder gibt es verschiedene Geschichtsschreibungen und wer sorgt dafür dass die Geschichtsschreibung stimmt und wer sorgt nicht dafür dass die Geschichtsschreibung stimmt und sorgen wir dafür dass die Geschichten stimmen die wir machen oder sorgen wir dafür dass die Geschichten falsch sind die wir machen und wer sagt wann eine Geschichte oder die Geschichte stimmt und wer sagt wann eine Geschichte oder die Geschichte falsch ist denn wie erzählen wir die Geschichte und wie erzählen wir die Geschichten und wie produzieren wir die Geschichten und wie produzieren wir Geschichte und wie produziert die Geschichte uns und wie beeinflussen wir die Geschichte AUSZUG AUS und wie beeinflussen uns die Geschichten PLAY: MÖWE | und wie beeinflussen wir die Geschichten ABRISS EINER REISE und wie beeinflusst uns die Geschichte AUTOR: MATTHIAS SEIER

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