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- Eine Bestandesaufnahme zur vegetarischen Ernährung - Dokument zu den Auswirkungen des Fleischkonsums geheim gehalten -
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Nr. 52 – 2009 / 1 Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (SVV), 9315 Neukirch (Egnach)

www.vegetarismus.ch

Zeitschrift für Vegetarismus, Tierrecht und Ethik

Veg. Situation in der Schweiz

Veganer Mister Suisse Romandie

Ch. Darwin und die Tierethik

Weshalb lebt nur eine Minderheit in der Schweiz vegetarisch? Was behindert die Umsetzung der Erkenntnisse? ➥ Seite 3–6

Der vegan lebende Joshua Tyrell wurde als schönster Mann der Romandie gewählt. Er schrieb für das Vegi-Info über seine Erfahrungen. ➥ Seite 7–8

Veränderten die Erkenntnisse von Charles Darwin unseren Umgang mit den Tieren?

➥ Seite 26–27

Editorial

Inhaltsverzeichnis Editorial........................................2 Eine Bestandesaufnahme zur vegetarischen Ernährung...............3 Dokument zu den Auswirkungen des Fleischkonsums geheim gehalten.......................................6 Mister Suisse Romande und Veganer........................................7 Der Kampf um Personenstatus für den Schimpansen Hiasl ...........9 Ein Fest für das Tierrecht im Schatten staatlicher Willkür.........11 Vorsicht vor Mangelerscheinungen bei gemischter Kost....................12 Buchempfehlungen................14/15 Politische Parteien.......................18 Vegi-Werbung im Grossformat....19 Vorurteile....................................20 Gentechnik und Vegetarismus.....21 Zum 50. Todestag Magnus Schwantjes.................................22 Vegan in Tirol..............................24 «La Haute Cuisine Crue»............25 Kohlrabispaghetti «Bolognese»...25 200 Jahre Darwin und unser Umgang mit Tieren.....................26 Impressum..................................27 Soyananda: Veganer Sauerrahm und zwei Sorten Streichkäse .......28 EU-Konferenz über Welthandel und Nutztierschutz.............................28 Image-Postkarten: «Ich bin Vegetarier»....................29 Ansichtskartenset: Grosse Geniesser.........................29 Vegi-Porträt................................30 Noch mehr Antibiotika bei Tieren eingesetzt.........................30

Weshalb oder weshalb eigentlich nicht? Liebe Leserinnen und Leser Gut informierten Vegetariern fällt es angesichts der vielen Gründe, die für eine vegetarische Ernährung sprechen, immer schwerer zu verstehen, weshalb sie sich dafür rechtfertigen sollen, keine Tiere zu verspeisen. Für eine vegetarische Lebensweise sprechen alle Bereiche des Lebens: Es ist eine umweltschonendere, tierfreundlichere, mitfühlende, solidarische, ressourcensparende Lebensweise. Dennoch leben wir in einer Gesellschaft, in der das Töten und Aufessen von sogenannten Nutztieren eine Selbstverständlichkeit ist, die kaum hinterfragt wird. Egal wie unsinnig und zerstörerisch eine Handlung auch ist: Wenn die Mehrheit der Menschen sie regelmässig tut, muss sie nicht mehr gerechtfertigt werden. Sobald man sich aber anders verhält als über 90 Prozent der anderen Menschen im eigenen Umfeld, muss man sich dafür verteidigen. Genau dies erleben Vegetarier (und noch mehr Veganer) in ihrem Alltag: Sie müssen sich dafür rechtfertigen, keine Tiere zu töten, um sie aufzuessen. Es ist eigentlich eine absurde Situation, aber dennoch Realität. Glücklicherweise ändert sich aber die Situation. Heute kommt es immer häufiger vor, dass sich Fleischesser mit den Worten verteidigen: «Ich esse auch nur noch selten Fleisch.» Dies ist ein positives Zeichen, auch wenn man die Aussage so umformulieren kann: «Um meinen Gaumen zu befriedigen, lasse ich nur noch ab und zu ein Tier für mich töten.» Erstaunlicherweise gelten in unserer Gesellschaft nicht diejenigen als extrem, die tagtäglich Tiere töten lassen, um ihre Lust zu befriedigen, sondern diejenigen, die sich dazu entschlossen haben, keine Tiere mehr als blosse Nahrungsmittel anzusehen. Was für Mechanismen in der Schweizer Gesellschaft ablaufen, welche diese Situation aufrechterhalten, wird im Hauptartikel «Bestandesaufnahme» aufgezeigt. Jede gesellschaftliche grundlegende Veränderung braucht Zeit, insbesondere, wenn von der momentanen Situation viele Menschen profitieren. Immerhin scheinen wir aber nun schon an einem Punkt angelangt zu sein, wo die Frage: «Weshalb sollte ich vegetarisch leben?» sich zur Frage «Weshalb lebe ich eigentlich noch nicht vegetarisch?» wandelt. Die häufige Aussage «Ich esse ja auch nur noch wenig Fleisch» ist eine erste Tendenz in diese Richtung.

Kohlenhydratreduzierte Diät........30 V-Label.......................................31 A2-Poster....................................31

Renato Pichler Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (SVV)

Zum Titelbild:

Viele Artikel aus älteren VegiInfo-Ausgaben finden Sie auf der Homepage der SVV: www.vegetarismus.ch/heft 2

Das Osterlamm und den Osterhasen kennen viele heute nur noch als Braten auf dem Teller. Die wenigsten, die diese Symbole der Sanftmut und Fruchtbarkeit aufessen, würden es fertigbringen, sie auch eigenhändig zu töten. Doch für das Fest der Auferstehung werden sie zu Millionen getötet. Mit deren Tod feiert man das Leben. Wie viel Verdrängung braucht es, um diesen Widerspruch zu ignorieren? © Juliane Meyer – Fotonatur.de

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

Vegi-Info 2009/1

Bestandesaufnahme

Eine Bestandesaufnahme zur vegetarischen Ernährung: Weshalb trotz der immensen Nachteile für Mensch, Tier und Natur noch immer so viele Menschen Fleisch konsumieren Regelmässige Vegi-Info-Leser wissen, dass die Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Umwelt (Klimaveränderung), die Tiere (getötet, noch bevor sie erwachsen werden durften) und die Menschen (viele Zivilisationskrankheiten werden durch Fleischkonsum gefördert) unterschätzt werden. Wie kommt es, dass das Ausmass der Schäden, welche der Fleischkonsum verursacht, noch immer kaum bekannt ist? Oder anders gefragt, weshalb ist die Angewohnheit, Tiere zu töten, um den eigenen Gaumen zu befriedigen, noch so weit verbreitet? Um diese Fragen zu beantworten, lohnt es sich, die Situation in der Schweiz genauer anzusehen.

Gesundheit Die grösste Vereinigung von Ernährungsexperten (American Dietetic Association) hat schon vor Jahren in ihrem Positionspapier1 zur vegetarischen Ernährung aufgezeigt, dass der heutige Fleischkonsum viele gesundheitliche Nachteile birgt und viele Krankheiten fördert. Dennoch glaubt die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, dass die vegetarische Ernährung zumindest für Kinder problematisch sei und wenigstens etwas Fleisch für eine gesunde Ernährung notwendig ist. Wie kommt es zu diesem Widerspruch?

Anzahl Vegetarier in dieser Kommission: 0% Anzahl Fleischesser in dieser Kommission: 100% Unter den 15 Kommissionsmitgliedern findet man Experten aus den verschiedensten Bereichen (Kantonschemiker, Konsumentenvertreter, Ärzte, Ernährungsberater etc.), jedoch nur eine einzige Person, die ein bestimmtes Nahrungsmittel vertritt: Regula Kennel. Sie vertritt in dieser Ernährungskommission die Fleischlobby. Frau Kennel leitet die Werbeabteilung der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft (Proviande). Deren Werbeslogan lautet: «Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage».

Die EEK Das Bundesamt für Gesundheit verlässt sich in allen Ernährungsfragen auf die Eidgenössische Ernährungskommission (EEK). Die Mitglieder dieser wichtigen Kommission werden nicht demokratisch gewählt, sondern vom Bundesrat eingesetzt.2

Die Eidgenössische Ernährungskommission EEK hat grossen Einfluss darauf, was in der Schweiz als gesunde Ernährung gilt und was nicht. Das Bundesamt für Gesundheit BAG setzt die Entscheide der EEK um. Vegi-Info 2009/1

Das BAG Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist die oberste Gesundheitsbehörde der Schweiz. Auch wenn es sich auf die Aussagen der EEK stützt, fällt das BAG den definitiven Entscheid in Gesundheitsfragen. Die SVV hat das BAG im Jahre 2001 mit einer Petition aufgefordert, in seinen Ernährungsempfehlungen die vegetarische Ernährung nicht weiter

zu ignorieren. Da die EEK sich jedoch noch nie zur vegetarischen Ernährung geäussert hat, wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, welche die vegetarische Ernährung bewerten sollte. Diese «Arbeitsgruppe Vegetarier» debattierte mehrere Jahre, ob die vegetarische Ernährung der Schweizer Bevölkerung empfohlen werden kann und welche Vor- und Nachteile diese Ernährung bietet. Als Resultat wurde der erste Bericht des BAG bzw. der EEK zur vegetarischen Ernährung im Jahre 2007 erstellt. Obwohl geplant war, diesen Bericht in gedruckter Form zu verbreiten, wie es auch bei den anderen EEKBerichten der Fall war, wurde dieser Bericht über die vegetarische Ernährung nur als PDF-Datei im Internet veröffentlicht.3 Das BAG machte auch keine Pressekonferenz dazu. Die Öffentlichkeit wurde deshalb über das positive Resultat für die vegetarische Ernährungsweise nicht informiert. Als Begründung wurde der SVV mitgeteilt, dass die Sparmassnahmen es leider verhinderten, den Bericht in gedruckter Form zu veröffentlichen. Interessanterweise wurden die Berichte davor und danach jedoch gedruckt veröffentlicht. Weshalb das Geld ausgerechnet beim vegetarischen Bericht fehlte, bleibt ein Rätsel …

Die SGE Das BAG arbeitet oft mit der Schweizer Gesellschaft für Ernährung SGE zusammen und vergibt ihr auch Aufträge im Bereich Ernährung. Im Jahr 2007 erhielt die SGE Fr. 381 700.– vom BAG. Insbesondere erstellt die SGE auch Schulungsunterlagen und hat dadurch grossen Einfluss auf die Ernährungsbildung in der Schweiz (z.B. über die erstellte Ernährungspyramide).

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

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Bestandesaufnahme Gönner der SGE sind nebst Coop, Emmi, Migros, Nestlé, Unilever und weiteren Firmen auch die Fleischlobbyorganisation Proviande und die Schweizer Milchproduzenten (SMP). Deshalb erstaunt es nicht, dass die SGE in ihrer Zeitschrift regelmässig Fleischrezepte veröffentlicht und nie auch nur ein negatives Wort gegen die Milch schreibt. Ausserdem wird die vegetarische Ernährung konsequent ignoriert: Obwohl der damalige Präsident der SGE, Prof. Paul Walter, die «Arbeitsgruppe Vegetarier» des BAG geleitet hat, wurde der Bericht zur vegetarischen Ernährung in der Zeitschrift der SGE mit keinem Wort erwähnt. Der aktuelle Präsident, Prof. Wolfgang Langhans,4 arbeitet beim Institut für Nutztierwissenschaften der ETH Zürich. Seine Studien über Ernährung beruhen hauptsächlich auf Tierversuchen (Ratten, Mäuse etc.).

Steuergelder Die Fleischproduktion ist in der Schweiz völlig unrentabel. Kein einziger Tierhalter kann (im Gegensatz zu den Gemüseproduzenten) ohne staatliche Hilfen davon leben. Die Subventionspolitik des Bundes beeinflusst die Wirtschaftlichkeit stark. Das Einkommen eines Schweizer Bauern besteht oft bis zu drei

Viertel aus Steuergeldern über direkte und indirekte Subventionen (jedoch nur, wenn er Fleisch oder Milch produziert).5 Die einseitige Subventionspolitik zugunsten der Fleisch- und Milchproduzenten (welche immer auch [Kalb-] Fleischproduzenten sind) bringt die Bauern dazu, aus rein wirtschaftlichen Interessen auf die Tierhaltung zu setzen, obwohl gerade diese ohne Subventionen völlig unwirtschaftlich wäre. Durch die Subventionen werden die tierischen Nahrungsmittel verbilligt, was sie gegenüber dem gesunden Gemüse und den Früchten und allen Alternativprodukten, die kaum subventioniert werden, preiswerter macht.

Werbung Durch die vielen Millionen Franken, welche vom Staat in die Fleisch- und Milchindustrie fliessen, ist es auch nahe liegend, dass diese Industriezweige über grosse Werbebudgets verfügen. Als Grosskunden der elektronischen (Radio/TV) und Printmedien (Zeitungen, Magazine) wird es sehr schwer für diese Medien, eine kritische Berichterstattung gegenüber ihren Haupteinnahmequellen aufrechtzuerhalten. Die Haupteinnah-

Solche Bilder werden von den Produzenten tierischer Produkte immer wieder gezeigt. Wie es den Nutztieren tatsächlich geht, wird nicht nur verschwiegen, sondern es wird auch über Druck auf die Medien dafür gesorgt, dass auch andere die Öffentlichkeit nicht aufklären können. 4

mequellen der Medien sind fast ausnahmslos Inserate und Anzeigen. Sehen Sie sich eine x-beliebige Zeitung an und zählen Sie, für wie viele pflanzliche und für wie viele tierische Nahrungsmittel geworben wird, dann werden Sie schnell bemerken, auf welcher Seite das Medium aus finanziellen Gründen stehen muss: Einen Werbeboykott der Tierindustrie könnten nur die wenigsten Medien heute noch verkraften.

Werbezensur am TV Der Verein gegen Tierfabriken wollte einen kurzen TV-Spot ausstrahlen lassen, in dem die realen Zustände in Schweizer Schweinemastbetrieben aufgezeigt werden und zum Schluss dazu aufgerufen wird, den Fleischkonsum zu reduzieren. Dieser bezahlte (!) TV-Spot wurde vom Schweizer Fernsehen abgelehnt.6 Es ist für den Sender viel einfacher, auf diese einmalige Einnahme zu verzichten, als seine Hauptwerbekunden der Fleischindustrie zu verärgern. Ähnliches geschah auch bei einer Werbeaktion des Vereins gegen Tierfabriken in den SBB-Zügen.7

Umwelt Die Welternährungsorganisation der UNO, das World-Watch-Institut, das Max-Planck-Institut und viele andere renommierte Organisationen haben den weltweiten Fleischkonsum als eines der Hauptprobleme für die Umwelt erkannt.8 Insbesondere auch im Klimabereich9 und beim Wasserverbrauch10 hat die Produktion tierischer Nahrungsmittel die schädlichsten Auswirkungen. All dies ist in Fachkreisen (und unter den Vegi-Info-Lesern) längst bekannt. Dennoch weiss die Schweizer Bevölkerung darüber kaum Bescheid. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass die Medien und die zuständigen Umweltorganisationen den Zusammenhang zwischen dem Konsum tierischer Produkte und der Umwelt weitgehend ignorieren. Dies hat damit zu tun, dass sogar die Entscheidungsträger von WWF und

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

Vegi-Info 2009/1

Bestandesaufnahme Greenpeace fast alle selbst Fleischesser sind und ihre finanzielle Grundlage hauptsächlich Gelder von NichtVegetariern darstellen.11 Von den staatlichen Umweltbehörden kann leider auch nicht erwartet werden, dass sie gegen den Konsum der meistsubventionierten Nahrungsmittel werben, da sie sonst mit weiteren «Marktstützungsmassnahmen» einschreiten müssten.

Tierschutz Dass echter Tierschutz unmöglich ist, wenn man die zu schützenden Tiere umbringt und aufisst, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Dennoch konsumieren die Mehrheit der Personen, die sich selbst Tierschützer nennen, Fleisch. Kaum ein Tierschutzverein hat nicht auch ein oder mehrere Tierheime zu betreuen. Dies bringt Sympathie, Spendengelder und hilft natürlich auch den Tieren. Diesen Schutz der «Tierschützer» geniessen jedoch fast ausschliesslich die sogenannten Haustiere (allen voran Hunde und Katzen). Die emotionale Beziehung zu einem Schwein, einem Rind oder Huhn ist nicht so eng, dass man für deren Schutz viele Gönner mobilisieren könnte. Deshalb kommt es sogar bei Tierschutzvereinen (die eigentlich «Hunde- und Katzenschutz-Vereine» heissen müssten) vor, dass sie bei ihren Anlässen zum Schutz der Tiere auch Tiere aufessen (z.B. bei Grillfesten). Schweizer Schlachthöfe: «Wir haben nichts zu verbergen.» Dennoch verbieten alle das Filmen.

Gesetze Es ist allgemein bekannt, dass Steuergelder verwendet werden, um die Fleischwirtschaft zu unterstützen. Weniger bekannt ist, dass vegetarische Organisationen, obwohl sie für das Allgemeinwesen wertvolle Arbeit leisten (Gesundheit der Bevölkerung, Umweltschutz), noch nicht einmal überall als gemeinnützig anerkannt werden. Aus einem Schreiben des Finanzdepartementes des Kantons Thurgau bezüglich Steuerbefreiung der SVV: Vegi-Info 2009/1

«Unter dem Gesichtspunkt der marktwirtschaftlichen Wettbewerbsneutralität, die bei Steuerbefreiungen ganz besonders zu beachten ist, ergibt sich anhand der unterbreiteten Unterlagen, dass Ihre Vereinigung eine Ernährungsform propagiert, die andere Lebensmittelproduzenten klar benachteiligt.»12 Dies bedeutet: Wenn in der Schweiz sich jemand gegen ein ungesundes oder unökologisches Lebensmittel einsetzt und somit den Hersteller eines solchen Produktes benachteiligt, ist dies nicht gemeinnützig. Als gemeinnützig wird offensichtlich nur anerkannt, was der Wirtschaft nicht schadet. Wenn es darum geht, die Umsätze der Fleischindustrie zu schützen, sind die Behörden sehr einfallsreich. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn die Fleischindustrie gegen geltende (Tierschutz-)Gesetze verstösst. Selbst Wiederholungstäter werden, falls überhaupt, nur sehr zurückhaltend bestraft, wenn sie von der Tierhaltung leben und es sich bei den gequälten Tieren um sogenannte Nutztiere handelt.13 Wenn einzelne Staatsangestellte ihre Arbeit ernst nehmen und diesen Missstand veröffentlichen wollen, werden sie von ihren Vorgesetzten und der Fleischindustrie unter Druck gesetzt. So geschehen beim Kantonsveterinär Thomas Giger vom Kanton St. Gallen, der gegenüber Journalisten des «Beobachter»-Magazins bekannt gab: «Mindestens 50 Prozent der Schweinezüchter verstossen gegen das Tierschutzgesetz.»14 Selbst diese Aussage der zuständigen Kontrollperson hatte keine Folgen für die Tiere, die Tierhalter oder die untätigen Behörden. Der Tierschutzbeauftragte des Kantons Thurgau, Jörg Cadisch, teilte daraufhin den Medien mit, dass es in seinem Kanton ebenfalls rund 50 Prozent aller Schweinehalter betrifft. Die Behörden haben kein Interesse, hier einzuschreiten, obwohl offensichtlich tagtäglich massenweise Gesetzesbrüche auf Kosten der Tiere in ihren Kantonen vorkommen. Welche Motivation sollten sie

auch haben? Oft kennen sich die zuständigen Kontrollbehörden und die Gesetzesübertreter schon seit vielen Jahren persönlich. Den Steuereinnahmen schadet Tierquälerei nicht. Im Gegenteil: Wenn jeder Tierhalter alle Gesetze einhalten würde und für das Wohl seiner Tiere besorgt wäre, könnte er nicht mehr so viele Tiere auf engstem Raum halten und somit weniger produzieren, was auch weniger Steuern zur Folge hätte. Die Gesetze wären in der Schweiz also nicht einmal so schlecht (obwohl verbesserungsbedürftig). Da jedoch deren Umsetzung alleine vom guten Willen der zuständigen Behörden abhängt (Tierschutzorganisationen haben kein Klagerecht), merken die Tiere an manchen Orten wenig davon.

Zusammenfassung Die gesellschaftliche Situation ist heute offensichtlich so, dass in allen wesentlichen Bereichen die Fleischindustrie sich durchgesetzt hat. Ein Grund dafür sind sicher auch das geeinte Auftreten dieser Industrie und ihre finanziellen Mittel. Würden alle Vegetarier der Schweiz die vegetarische Vereinigung unterstützen, könnte auch wesentlich mehr bewegt werden. Erste positive Tendenzen sind jedoch auch auszumachen: Der Trend zu einer verantwortungsbewussten Ernährung ist langsam spürbar. Selbst die Fleischwirtschaft kann sich dem nicht entziehen: Die Grossmetzgerei Bell AG von Coop produziert einen Vegi-Burger und der grösste Hühnerfleischlieferant der Migros hat bereits eine ganze Palette vegetarischer Fleischalternativen im Angebot. Dass das BAG überhaupt einen

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

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Politik Bericht über die vegetarische Ernährung erstellen liess, ist auch ein positives Zeichen. Und nicht zuletzt hat sich ja kürzlich ein Bundesrat (M. Leuenberger) zur vegetarischen Ernährung bekannt. Die gegenwärtige Situation erfordert deshalb grosse Anstrengungen, doch die Zukunft spricht deutlich für die Ausbreitung der vegetarischen Ernährung, sofern die Vegetarier bereit sind, dafür einzustehen und gemeinsam vorzugehen. Renato Pichler Journal of the American Dietetic Association, Juni 2003, Volume 103, Nr. 6: Vegetarian Diets. Das ganze Positionspapier kann auch vom Internet heruntergeladen werden: www.eatright.org/ cps/rde/xchg/ada/hs.xsl/advocacy_933_ ENU_HTML.htm 2 Liste der EEK-Mitglieder: www.admin .ch/ch/d/cf/ko/index_50.html 3 www.bag.admin.ch/themen/ ernaehrung_bewegung/05207/05219 4 www.ptinwagrl.ethz.ch/people/ wlanghan 5 Subventionsdatenbank des Bundes: www.efv.admin.ch/d/themen/bundesfi nanzen/subventionen/subventionsdb6. php 6 Vegi-Info 2007/4: Zensur eines TVSpots gegen Tierfabriken 7 Vegi-Info 1998/1: Werbung für vegetarische Ernährung wird zensuriert – Fleischwerbung erlaubt! www.vegetarismus.ch/heft/98-1/ werbung.htm 8 Siehe Broschüre: Ökologische Folgen des Fleischkonsums. Online unter: www.vegetarismus.ch/info/oeko.htm 9 Klimaschutz durch verantwortungsbewusste Ernährung, www.vegetarismus. ch/klimaschutz 10 Wasserverbrauch in der Ernährung, www.vegetarismus.ch/wasser 11 Ausführliche Informationen dazu in: Vegi-Infos 2007/4 und 2008/1 bzw. im Internet unter: www.vegetarismus.ch/ organisationen.htm 12 Zitat aus dem Brief von 8.1.2004 vom Generalsekretär lic. jur. B. Rutz des Departementes für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau an die SVV. 13 Ein Beispiel: Pferdehändler Ulrich Kesselring aus Hefenhofen TG ist bereits seit 1998 als Tierquäler bekannt. Bis heute wurde gegen ihn jedoch kein Tierhalteverbot ausgesprochen, obwohl er sich immer wieder über gesetzliche Vorschriften hinwegsetzte (und regelmässig kleinere Bussen dafür bekam) und die Tiere in seinen Ställen leiden. 14 www.vegetarismus.ch/heft/20081/Schweinezuechter.htm

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Dokument zu den Auswirkungen des Fleischkonsums geheim gehalten Immer öfters erscheinen Studien, die beweisen, wie schädlich die Massentierhaltung für das Klima ist. Zu oft – wie anscheinend einige Verantwortliche in Deutschland finden. So wurde im September 2008 der deutschen Agrarministerkonferenz ein Bericht vorgelegt, der einen erheblichen Einfluss auf das Ernährungsverhalten der deutschen Bevölkerung haben könnte. Denn die Schlussfolgerungen aus diesem Bericht «für eine klimaschonende Ernährung» lesen sich unmissverständlich: Mehr pflanzliche und weniger tierische Lebensmittel sollten auf dem Speiseplan stehen. Also erneut ein deutlicher Hinweis auf die weitreichenden Auswirkungen, die der Fleischkonsum auf das Klima hat. Doch aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet diese Änderung im Ernährungsverhalten zuerst einmal eine Gewinneinbusse, weshalb bis jetzt versucht wurde, das Dokument vor der Öffentlichkeit geheim zu halten

– zu kostspielig sind anscheinend die Konsequenzen, die aus diesem Schreiben folgen. Es ist dem umweltpolitischen Direktor der Organisation Euronatur, Lutz Ribbe, zu verdanken, dass zentrale Teile des Reports schlussendlich doch im Rahmen des Agrarberichts 2009 veröffentlicht wurden. Auszug aus der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema «Die Beziehungen zwischen dem Klimawandel und der Landwirtschaft in Europa»: «Fleischkonsum insgesamt besitzt Klimarelevanz. Etwa 10 pflanzliche Kalorien werden benötigt, um eine Kalorie tierischen Ursprungs herzustellen. Wächst der Fleischkonsum, müssen mehr Futtermittel angebaut werden, was den Einsatz von Energie erfordert und den Ertragsdruck auf landwirtschaftliche Flächen erhöht. Europa mit seinem vergleichsweise hohen Fleischkonsum importiert einen hohen Anteil seiner Futtermittel, deren Anbau (siehe z.B. Soja im Amazonas-Becken) oft extreme Probleme verursacht. Daher spricht sich der EWSA auch für die Erarbeitung und Umsetzung einer europäischen Eiweissstrategie aus.»

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

Die ganze Studie kann vom Internet heruntergeladen werden: www.euronatur.org/up loads/media/Stellungna hme_WSA_LW_und_Kl ima_jul2008.pdf

Vegi-Info 2009/1

Prominent Joshua Emanuel Tyrell:

Mister Suisse Romande und Veganer Ich sehe diesen Titel als Chance und auch als Verantwortung, den Leuten zu sagen, dass es höchste Zeit ist, ihre schlechten Gewohnheiten zu ändern und sich für eine vegetarische oder gar vegane Ernährung zu entscheiden, denn durch letztere müssen noch weniger Tiere leiden. Es liegt mir sehr am Herzen, allen zu danken, die für mich gestimmt haben. Obwohl der schlussendliche Entscheid bei der Jury lag, bin ich überzeugt, dass alle eure Stimmen einen grossen energetischen Einfluss hatten. Nachdem ich mich für ein Casting für einen Kalender der Universität beworben hatte, wurde ich aus mehreren Hundert Studenten ausgewählt, mich vorzustellen. Als ich dann gewählt wurde, war meine Freude sehr gross, denn für mich bedeutete dies ein Abenteuer, eine neue Erfahrung. Als mir jedoch klar geworden war, dass meine Wahl zu viele organisatorische Schwierigkeiten während der ganzen Phase der Ausarbeitung des Kalenders mit sich bringen würde, entschied ich mich, darauf zu verzichten. Mein Studium hat ganz klar Priorität, und so wurde ich als Vize eingeschrieben. An jenem Abend kam ich spät nach Hause und hatte grossen Hunger, da es dort keine vegetarischen Speisen für mich gegeben hatte. Meine Mutter wartete zum Glück mit einer köstlichen Mahlzeit auf mich. Während ich ass, erzählte ich ihr, was ich erlebt hatte. Sie war der Meinung, dass ich mich ganz klar hätte wehren müssen. Ich hätte nachhaken, insistieren sollen, um eine vegane oder zumindest vegetarische Mahlzeit zu erhalten. Es ist sehr wichtig, dass wir die Leute damit konfrontieren, denn es ist die einzige Möglichkeit zu bewirken, dass sich die Dinge verändern. Sie sagte, dass all diese falschen Gewohnheiten der Menschen, die sich noch immer ernähren wie unsere Vorfahren zu Zeiten der Höhlenbewohner (und ebenso Vegi-Info 2009/1

die Gewohnheit der Pelzmantelträger), endlich und definitiv verschwinden müssen von dieser Welt. Ihrer Meinung nach sind die Konsequenzen des Fleischkonsums der Menschen Ruin in jeder Hinsicht. Konkret bedeute dies, als Resultat der fleischgeprägten und verfehlten Ernährung, einen zunehmenden Anstieg der Brutalität und der Krankheiten auf der Welt und eine immer früher einsetzende Geschlechtsreife der jungen Menschen, die grosse Mühe haben, ihre verfrühte Sexualität und ihre im Gegensatz dazu viel langsamere, seelische Entwicklung und immer später einsetzende mentale Reife miteinander zu vereinbaren und in einen Ausgleich zu bringen. Vor dem Schlafengehen tröstete mich meine Mutter, indem sie sagte, es würde bestimmt weitere Chancen für mich geben. Kaum eine Woche später, als ich eines Abends von der Uni nach Hause kam, erzählte sie mir von einem Wettbewerb, von dem sie am Radio gehört hatte. Von dem Moment an, als ich davon erfahren hatte, blieb nur noch ein Tag bis zur Einschreibungsfrist. Nach einer Diskussion

mit meinen Eltern und meinen Freunden entschloss ich mich kurzerhand, meine Fotos zu schicken, um so an einer Bewertung der Jury zur Vorausscheidung teilzunehmen. Ich ahnte zu jenem Zeitpunkt noch nicht im Geringsten, welche Wende diese Entscheidung für mein Leben bringen würde. Die Antwort auf meine Bewerbung erhielt ich kurz darauf, da das Casting bereits eine Woche nach der Vorausscheidung stattfand. Am Ziel (in Genf) angekommen, beschäftigten mich unzählige Fragen: Werde ich mich nicht lächerlich machen? Sollte ich nicht doch lieber gleich mit dem nächsten Zug wieder nach Hause fahren und diese ganze Geschichte vergessen? Doch ich hatte mich dafür entschieden, mich mit meinen Zweifeln auseinanderzusetzen, indem ich mich an diese anfangs eher einschüchternde Prüfung heranwagte. Ich erinnere mich, dass ich genau in dem Moment, als die 10 Finalisten ausgerufen wurden, meine Tasche gepackt hatte, fest überzeugt davon, dass dieses Abenteuer nun hier für mich enden würde. Doch dem war nicht so: Zu

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Prominent meiner grossen Überraschung wurde mein Name als erster ausgerufen! Die darauf folgenden 2 Wochen galten den Vorbereitungen auf das Finale. Es war eine Zeit, die ich als sehr positiv erlebte und in der ich jeden Moment dazu benutzte, die anderen Kandidaten besser kennenzulernen. Eric (26, Gärtner), den ich seither regelmässig treffe, war mir sofort sympathisch. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er gewinnen würde.

Da ich diesen Wettbewerb nie wirklich als solchen, sondern vor allem als ein Abenteuer betrachtet hatte, versäumte ich auch nie die Gelegenheit, selber viel zu fotografieren. Am Tag des grossen Finale war ich frei von allen Befürchtungen und Ängsten. Ich war an einem Punkt angekommen, wo ich Vertrauen gefasst hatte und mich nun bezüglich der Schlusswahl der Jury nichts mehr hätte enttäuschen können. So

konnte ich während der Show und meiner Rede vor dem Publikum zeigen, dass ich gerade in dem Moment meine Leidenschaft lebte, indem ich ruhig und natürlich blieb … So bin ich Mister Suisse Romande 2009 geworden! Joshua Emanuel Tyrell Übersetzung: Olivia Joanne Villard

Interview mit Joshua Tyrell Zuerst: Herzliche Gratulation zu Deiner Wahl! Hast Du mit einem Sieg gerechnet oder war er eine grosse Überraschung für Dich? Es war eine riesige Überraschung für mich! Ich hatte eigentlich an dieser Wahl mehr zum Sammeln von Erfahrungen teilgenommen, ohne an einen Titel zu denken. Weshalb lebst du vegan? Zu Hause gibt es nie Milch oder Eier, aber es kam trotzdem vor, dass ich beides bei Kollegen oder unterwegs ass. Nun ist für mich das Bewusstsein ausschlaggebend, dass tierische Eiweisse eigentlich gar nicht zur richtigen Ernährung des Menschen gehören. Auch Leder will ich nicht tragen, weil es ebenfalls Tierleid verursacht. Es gibt genug moderne Technologien, durch die sehr gute Materialien hergestellt werden – wir sollten von den Gewohnheiten der Höhlenbewohner wegkommen. Ich empfinde es als einen grossen Vorteil und ein Glück, dass ich eine Mutter habe, die mich seit meiner Geburt vegetarisch ernährt hat. Also lebt Deine ganze Familie vegan? Ja, seit einigen Jahren hat meine Mutter ihren Koch-Stil umgestellt, es war ein stetiges Wachstum und eine Verbesserung für die ganze Familie. Hast Du noch nie in Deinem Leben Fleisch gegessen? Fleisch habe ich nur einmal in meinem Leben probiert. Ich mag mich an den Geschmack nicht mehr 8

erinnern, aber an mein schlechtes Gewissen sehr wohl! Es ist für mich unmöglich, Tieren in die Augen zu schauen, mit ihnen zu spielen und sie anschliessend auf dem Teller zu haben. Eier hatten wir sehr selten, aber Käse war noch Teil unserer Ernährung. Für mein Getränk am Morgen hatte ich schon immer Sojamilch. Hattest Du mit Deiner Ernährungsweise nie Probleme in der Schule oder unter Kollegen? In den ersten Jahren im Gymnasium war es sehr schwierig für mich. Ich denke da an die vielen Male, wo man mir sagte, ich sei komisch, weil ich kein Fleisch esse. Heute kann ich darüber lachen, vor allem, wenn mich jemand fragt: «Aber was isst Du denn?» Heute kann ich solchen Leuten Erbarmen zeigen. Nun respektiert man mich, denn ich weiss, dass der Fleischkonsum barbarisch und abartig ist und dass ich für eine gute und vor allem wichtige «Sache» einstehen muss. Musstest Du dafür kämpfen, in der Schule und an der Uni etwas Veganes zu bekommen? Ja, ich muss es vor allem erklären, denn die meisten wissen gar nicht, was damit gemeint ist. Du treibst viel Sport. Siehst Du es als einen Vor- oder Nachteil dabei an, keine tierischen Produkte zu konsumieren? Auf jeden Fall ist es ein Vorteil, denn ich habe bei weniger Belastung defi-

nitiv mehr Energie. Du siehst sehr fit aus. Musst Du bei der veganen Ernährung auf etwas Spezielles achten, um so leistungsfähig zu bleiben? Ich habe immer Sonnenblumenkerne und Sultaninen bei mir und je nach Saison auch Früchte, denn man kann nicht erwarten, in Schulkantinen oder Restaurants eine vitaminreiche Nahrung zu bekommen. Es wird immer wieder behauptet, dass man tierische Nahrung braucht, um leistungsfähig zu sein. Was sind Deine Erfahrungen dazu? Ich weiss, dass das nicht stimmt, im Gegenteil! Ich konnte immer wieder beobachten, wie ich nach dem Konsum von Milchprodukten oder Eiern nicht nur eine schwere Verdauung hatte, sondern auch am nächsten Tag mit einem Schnupfen aufwachte. Meine Haut war auch immer ein gutes Barometer für mich. Joshua, ich danke Dir für das Interview und wünsche Dir alles Gute und viel Erfolg als neuer Mister Suisse Romande. Dein Beispiel kann sicher viel bewirken. Dies ist die gekürzte Fassung des Interviews. Sie können das vollständige Interview hier abrufen: www.evana.org/?id=40133

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

Vegi-Info 2009/1

Tierrecht

Der Kampf um Personenstatus für den Schimpansen Hiasl Ein EVANA-Interview mit Paula Stibbe vom November 2008 Paula Stibbe, eine in Österreich lebende englische Sprachtrainerin, hat sich der schwierigen Aufgabe des Kampfes um Grundrechte für den Schimpansen Hiasl angenommen. EVANA1 fragte Paula nach ihrer Freundschaft mit Hiasl und der Entwicklung der Gerichtsverfahren. EVANA: Paula, wie geht es Ihrem haarigen Freund Hiasl? Paula: Danke für die Nachfrage! Es geht Hiasl so gut, wie es bei einem wilden Tier in Gefangenschaft eben möglich ist. Jetzt ist der Sommer vorbei und er findet die Tage etwas langweilig. Er verbringt weniger Zeit draussen während der Wintermonate. In Wien kann es recht kalt werden. Seine Partnerin Rosi bleibt normalerweise während der Wintermonate in ihrem Bett und kann nur durch Besuche ihrer menschlichen Freunde oder durch Leckerbissen herausgelockt werden. Wann und wie haben Sie ihn kennengelernt? Nun, als ich um 2000 gerade in Österreich angekommen war, habe ich mich für das «Great Ape Project» (Projekt für Menschenaffen) gemeldet. Man sammelte Daten über in Gefangenschaft lebende Menschenaffen auf der ganzen Welt für eine Auflistung, wer war wo und unter welchen Bedingungen lebten sie. Ich besichtigte Zoos und Forschungsinstitute, in denen die verschiedenen Menschenaffen in Österreich gehalten wurden. Direkten Kontakt mit den Schimpansen in den Forschungszentren hatte ich allerdings nicht, sondern man führte mich in das Erdgeschoss eines Gebäudes, in dem der Boden unter meinen Füssen aus dickem Glas war, von dem aus ich die Schimpansen in ihren Einzelkäfigen im Keller sehen konnte! Ich hatte genug über Schimpansen gelesen, um zu wissen, dass es keine übertriebene Sentimentalität von mir war, nicht buchstäblich über sie hinweggehen zu wollen. Ich war entsetzt zu sehen, dass viele der Schimpansen an die Decke spranVegi-Info 2009/1

«Tauziehen» ein, indem er mir den Zipfel eines Lakens hinhielt und seinen Kopf auf und ab bewegte.

gen und ihre Fäuste gegen das Glas schlugen. Andere kauerten in der Ecke, umarmten ihre Knie und wagten keinen Blick nach oben. Erfreulicherweise kann ich sagen, dass diese Schimpansen inzwischen vom Labor «pensioniert» wurden und in Gruppen in einem österreichischen Safaripark leben.

Wie ist das Tierasyl? Hiasl hat im Wiener Tierschutzverein (WTV) nun etwa 25 Jahre gelebt. Der WTV war die erste Tierschutzorganisation in Österreich, sie wurde vor 160 Jahren gegründet! Das Heim des WTV liegt am Stadtrand von Wien und hat finanzielle Schwierigkeiten wie fast alle anderen Organisationen, die uner-

Zurück zu Hiasl … Er und seine Partnerin Rosi waren von dem oben erwähnten Labor in Afrika bestellt worden, um als Forschungsinstrumente verwendet zu werden. Dies geschah in den frühen 80er-Jahren. Der Wiener Tierschutzverein (WTV) erhielt einen Hinweis auf die Ankunft der Schimpansen am Flughafen und alarmierte die Behörden, die sofort nach der Landung die beiden Babyschimpansen konfiszierten. Hiasl und Rosi hatten die traumatische Reise von Afrika nach Europa überlebt und wurden in das Tierasyl der Organisation transferiert. Es war in dieser Einrichtung, in der ich Hiasl zum ersten Mal traf. Nachdem er mich von Weitem kritisch überprüft hatte, kam er und lud mich zum

wünschten und missbrauchten Tieren helfen wollen. Unter der jetzigen Leitung des Vereins ist Hiasl in Sicherheit, aber ich mache mir Sorgen wegen der Gefahren, sollte der Verein je in Konkurs gehen, was in der Vergangenheit mehrmals fast geschehen wäre. Meine Furcht ist, dass die Konkursverwaltung verpflichtet sein könnte, Vermögenswerte zur Begleichung der Schulden zu verkaufen. Viele wilde Tiere könnten als Vermögenswerte gelten, einschliesslich Schimpansen. Wer könnte verhindern, dass Hiasl an einen Zirkus oder ein Forschungslabor in ein Land verkauft wird, in dem das Tiergesetz erlaubt, Schimpansen auf diese Weise zu benutzen?

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Tierrecht

Erstaunliche Studien haben gezeigt, dass Schimpansen altruistisches Verhalten und Neugier gegenüber wilden Tieren zeigen und sogar die Schönheit der Natur schätzen. Erlaubt man Hiasl in seinem eingeschränkten Alltag irgendwie, sein Leben als empfindsames und intelligentes Wesen zu geniessen, auf das er ein Recht hat? So weit wie möglich, ja. Hiasl hat auch schon seine Freundlichkeit unter Beweis gestellt. Ich erinnere mich, dass ich während eines Besuchs bei Hiasl vor einigen Jahren schlechte Nachricht auf meinem Handy erhielt und deswegen einige Tränen vergoss. Hiasls Reaktion kann ich nur als «besorgt» beschreiben. Er kam zu mir und setzte sich neben mich, machte weiche «uh»Laute, schaute mir aufmerksam ins Gesicht und streichelte sanft meinen Arm. Bei anderen Gelegenheiten habe ich auch gesehen, dass er durch den Regen ins Aussengehege ging und Essen holte, das er dann mit seiner Gefährtin Rosi teilte. Schimpansen sind nicht gerade für ihre Grosszügigkeit berühmt, wenn es um das Teilen von Futter geht, daher war ich ziemlich überrascht. Allerdings muss ich sagen, dass Rosi sehr hartnäckig bettelt und Hiasl hat vielleicht nicht aus Freundschaft sein Essen mit ihr geteilt, sondern um seine Ruhe zu haben. Ich schliesse die Möglichkeit nicht aus, dass die beiden ein Abkommen haben, in 10

das ich nicht eingeweiht bin. Aber es stimmt, es gibt viele dokumentierte Fälle des nicht menschlichen Altruismus. Schimpansen mögen Spass und Rumalbern. Was amüsiert, unterhält oder interessiert Hiasl? Hiasl liebt es zu spielen. Seine Lieblingsspiele sind Fangen, Tauziehen und Kitzeln. Eines der sehr rührenden Dinge bei Hiasl ist seine rücksichtsvolle Art. Weil wir normalerweise nur Babyschimpansen in den TV-Werbungen sehen, sind viele Leute überrascht, wie gross und stark ein erwachsener Schimpanse wirklich ist. Sie sind tatsächlich um vieles stärker als ein erwachsener männlicher Mensch. Wenn Hiasl und ich spielen, ist er immer sehr vorsichtig beim Einsatz seiner Kraft und ist auch nicht zu grob. Ich denke häufig, dass so ein erwachsener Mensch mit einem Kind spielt. Sie haben ein Gerichtsverfahren eingeleitet, damit Hiasl eine Art von Personenstatus geniessen kann. Was brachte Sie auf die Idee und wer sind Ihre Verbündeten in diesem Fall? Die Idee, dass Hiasl Grundrechte gewährt werden müssen, war das Ergebnis von Sorge um seine Sicherheit, sollte das Asyl nicht länger für ihn sorgen können. Nach einem Austausch mit aufgeschlossenen Rechtsanwälten wurde es offensichtlich, dass die Möglichkeit seiner

Zukunftssicherung darin besteht, seinen legal Status zu verändern. Das Gesetz gewährt Personen einen bestimmten Status, der, nüchtern betrachtet, den Unterschied darstellt, ob ein Lebewesen wie eine Sache behandelt wird, die gekauft und verkauft werden kann, oder als jemand mit Bedürfnissen, die verletzt oder respektiert werden können. Im letzten Fall treffen die drei Grundrechte zu: das Recht auf Leben, Freiheit und ein Verbot von Folter. Die Zukunft Hiasls hängt also davon ab, ob er Grundrechte hat. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob eine Person identisch ist mit einem menschlichen Wesen, aber das ist nicht der Fall. Man kann argumentieren, dass es Menschen gibt, die nicht die Kriterien des Personenstatus erfüllen und auch Personen, die nicht Mitglieder der Spezies Homo sapiens sind. Wenn ein Gericht von Hiasls Personenstatus überzeugt werden kann, dann werde ich seine Interessen verteidigen können, genau wie die Interessen unmündiger Menschen von legalen Vertretern wahrgenommen werden. Wir sammelten vier Gutachten von Experten mit der Feststellung, dass Hiasl die Kriterien erfüllt, die eine Person ausmachen. Es gibt ebenfalls spannende Entwicklungen in anderen Teilen der Welt bezüglich eines Personenstatus für nicht menschliche Tiere. Dieses Jahr unterzeichnete das spanische Parlament eine parteiübergreifende Erklärung, die Menschenaffen Grundrechte zugesteht. Was ist der Status dieser berühmten Rechtssache im Augenblick? Obwohl alle Gerichte im österreichischen Rechtssystem sich mit der Angelegenheit vom Personenstatus für Hiasl nicht beschäftigten, fanden sie Gründe dafür, den Fall abzuschmettern. Das höchste Gericht entschied, dass wir kein Recht haben, Vormundschaft für Hiasl zu beantragen und deswegen haben wir Berufung eingelegt beim Europäischen Gerichtshof für Menschen-

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Tierrecht rechte mit dem Argument, dass Hiasl ein faires Verfahren verweigert wurde. Was sind Ihre nächsten Schritte? Wir erwarten den Urteilsspruch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Unsere Berufung Rekurs wurde Anfang des Jahres registriert, aber bis zu einer Entscheidung kann es bis zu zwei Jahre dauern. Was kann man tun, um Ihren Kampf zu unterstützen? Wer Hiasl unterstützen will, kann

dem europäischen Beauftragten für Menschenrechte, Herrn Thomas Hammarberg, schreiben mit der Bitte, diesen Fall zu verhandeln. Denken Sie, dass die neuen Absichten der EU, Versuche am nächsten Verwandten der Menschen zu verbieten, den Fall Hiasls stärken werden? Dieses Verbot macht es wahrscheinlicher, dass Hiasls Fall gehört wird. Wenn Versuche an Menschenaffen noch zur Diskussion stünden, wäre es sicher sehr viel schwieriger, den

Fall eines Personenstatus für Hiasl ernst zu nehmen. Wir wünschen Hiasl und all seinen Freunden, dass sie mit der Zeit den Respekt erhalten, der ihnen schliesslich zusteht. Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Das ganze Interview kann hier nachgelesen werden: www.evana.org/?id=40157

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European Vegetarian and Animal News Alliance (EVANA): www.evana.org

Ein Fest für das Tierrecht im Schatten staatlicher Willkür Eindrücke vom Tierrechtskongress in Wien Die Kunst besteht darin, Menschen zusammenzubringen, die guten Willens sind – für die Sache der Tiere. Das ist am 3. österreichischen Tierrechtskongress in Wien auf einnehmende Art und Weise geglückt. Zwischen dem 27. und 30. November 2008 tauschten über 500 Personen vornehmlich aus dem In-, aber auch aus dem Ausland ihr Wissen über den schwierigen Platz der Tiere in einer von Menschen beherrschten Welt aus. Referate aus historischer, biologischer, juristischer, philosophischer, erziehungsund ernährungswissenschaftlicher Sicht wechselten sich am Kongress ab mit Beiträgen über Strategien und Erfahrungen aus der weiten Welt des Tierrechtsaktivismus. Zu den Referaten und Workshops gesellten sich Filme, Ausstellungen, Bücherangebote, eine Antipelzdemo auf den Strassen Wiens sowie ein geselliger Abend. Aber was wären Wissen, Moral und Aktion ohne entsprechendes Essen?! Die Grossküche des Tagungszentrums «Don

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Die Rechtsphilosophin Prof. Dr. Eva-Maria Maier referiert zum Thema: «Der rechtsphilosophische Status von Tieren».

Bosco» servierte vegan. Nun, wie rettet man aber einen Fuchs vor dem Jäger? Indem man beispielsweise als Jagdhelferin an der Jagd teilnimmt und den Jäger in die falsche Richtung schickt. Und wie schafft man die Jagd ab? Indem man Fotos und Videosequenzen über das Jagdgeschehen veröffentlicht – so geschehen im Falle der Fuchsjagd in England. «Das Wort ist ohne das Bild machtlos.» – Die Videokamera sei die grösste Errungenschaft für die Tierrechtsarbeit, so der renommierte britische Aktivist Mike

Huskisson. An der Tagung wurde auch deutlich, wie wichtig ein internationaler Austausch ist, um die grenzüberschreitende Ökonomie der Tiernutzung überhaupt einmal zu dokumentieren; angefangen von den elenden Pelztierzuchten in Skandinavien für die edlen Damen in Wien bis zum Handel mit dem «Überschuss» der Milchproduktion, den Kälbern. All diese Dokumente sind aber so lange wertlos, wie sie nicht öffentlich gemacht werden. Entsprechend wich-

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Fortsetzung auf Seite 13 unten 11

Gesundheit

Vorsicht vor Mangelerscheinungen bei gemischter Kost Fast jeder Artikel, der sich mit der vegetarischen Ernährung befasst (und nicht ausschliesslich Ethik, Tierschutz oder Ökologie behandelt), betont, dass man darauf achten sollte, keine Mangelerscheinungen durch die vegetarische Ernährung zu erhalten. Ist diese «obligatorische» Warnung gerechtfertigt? Und weshalb hört man selten eine solche Warnung bei der Ernährung mit Fleisch? «Worauf müssen Vegetarier achten, um keine Mangelerscheinungen zu bekommen?» Dies ist wohl die beliebteste Fragestellung vieler Autoren, wenn es um die vegetarische Ernährung geht. Dieselben Autoren würden nie zum Thema «Worauf müssen Fleischesser achten, um keine Mangelerscheinungen zu bekommen?» schreiben. Weshalb eigentlich nicht? Ist die vegetarische Ernährung so viel komplizierter, dass man dort schneller eine Mangelerscheinung erleidet, wenn man seine Ernährung nicht ausgewogen zusammenstellt? Kann es bei einer Ernährung mit Fleisch keine Mangeler-

scheinungen geben? Die Logik hinter der üblichen Argumentation ist: Fleisch enthält viele verschiedene Inhaltsstoffe. Da der Mensch auch aus Fleisch besteht, ist im tierischen Fleisch alles enthalten, was der menschliche Körper zu seinem Aufbau benötigt. Deshalb werde es schwieriger, ohne Fleisch alle nötigen Stoffe zu sich zu nehmen. Die Tatsachen sind allerdings nicht so eindeutig. Kein Vegetarier isst einfach um das Fleisch weniger, sondern ersetzt es meist durch gesunde pflanzliche Produkte (Getreide, Reis, Hülsenfrüchte, Früchte, Gemüse). Schliesslich ist die vegetarische Er-

nährung keine Diät, bei der man seine Ernährung einfach reduziert, sondern man stellt sie nur anders zusammen. Deshalb hier einmal die Sicht auf mögliche Mangelerscheinungen von der vegetarischen Seite her auf die Fleischesser. Diese Seiten werden kaum je als positive Aspekte der vegetarischen Ernährung in den Massenmedien berücksichtigt.

Folsäure

Fleischesser leiden so häufig unter einem Mangel am B-Vitamin Folsäure, dass das Bundesamt für Gesundheit darüber nachdenkt, Grundnahrungsmittel mit diesem Vitamin anzureichern. In der Schweiz wird rund 300 Nahrungsmitteln bereits Folsäure zugesetzt. Da gute Folsäurelieferanten vor allem Nahrungsmittel sind, die mehr von Vegetariern konsumiert werden (Salat, Gemüse, Vollkornprodukte), und Fleisch Folsäuregehalt einiger Nahrungsmittel in Mikrogramm pro 100 g nur sehr wenig davon enthält, ist bei fleischreicher Nahrung besonders auf genügend Folsäurezufuhr zu achten. Bei fleischessenden Frauen mit Kinderwunsch sollte eine Nahrungsergänzung mit Folsäuretabletten in Betracht gezogen werden, um eine Missbildung des ungeborenen Kindes in den ersten Schwangerschaftswochen zu vermeiden. Ein Folsäuremangel kann auch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, wie zum Beispiel die Arteriosklerose, fördern.

Vitamin C Das lebenswichtige Vitamin kommt hauptsächlich in Früchten und Gemüse vor. Fleisch und andere tierische Produkte enthalten praktisch kein Vitamin C. Darum sollten vor allem Fleischesser darauf achten, genügend Vitamin C aufzunehmen, und deshalb mindestens 5 12

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Vegi-Info 2009/1

Umweltschutz Gesundheit Portionen Früchte bzw. Gemüse pro Tag konsumieren.

Vitamin-C-Gehalt (mg/100 g): Salami (Muskel-)Fleisch Hühnerei Hering Weizen Milch Banane Kopfsalat Kartoffeln (gekocht) Tomate Broccoli Peperoni rot

0 0 0 0 0 1 12 13 6-15 18 110 165

Nahrungsfasern Tierische Produkte enthalten praktisch keine Nahrungsfasern. Deshalb sollten vor allem Nicht-Vegetarier (und Nicht-Veganer) darauf achten, genügend der wichtigen Nahrungsfasern zu sich zu nehmen. Die heute weitverbreiteten chronischen Verstopfungen sind eine Folge des zu geringen Konsums ballaststoffreicher pflanzlicher Nahrungsmittel.

Zu viel statt zu wenig Fleischesser sollten bei ihrer Ernährung darauf achten, nicht zu viele Fette (inkl. Cholesterin), zu viel Purinsäure, zu viele konzentrierte Umweltgifte und Medikamentenrückstände aufzunehmen. Diese

Nahrungsfasergehalt (g/100 g): Fleisch Fische Eier Milch Käse Tomate Reis, poliert Kopfsalat Banane Brokkoli Vollkornreis Weissbrot Vollkornbrot Mandeln

0 0 0 0 0 1,2 1,4 1,6 2,0 3,0 3,0 3,6 6,6 15,0

Substanzen, welche in tierischen Produkten gegenüber den pflanzlichen Produkten in konzentrierterer Form vorkommen, können gravierende gesundheitliche Nachteile mit sich bringen, da der menschliche Körper kaum Möglichkeiten hat, diese Stoffe in grösseren Mengen zu verarbeiten oder auszuscheiden. Bekommt der Körper von einem Nährstoff zu wenig, kann man den Nährstoff einfach ergänzen. Wird der Körper aber mit ungesunden Stoffen belastet, ist es schwer, diese wieder aus dem Körper zu entfernen.

Tatsachen, bei jedem Artikel über die vegetarische Ernährung auf mögliche Mangelerscheinungen hinzuweisen? Wohl kaum. Jede einseitige Ernährung ist problematisch, ob mit oder ohne Fleisch. Besonders lächerlich wird es, wenn (was häufig vorkommt) Vegetariern dazu geraten wird, genügend Früchte und Gemüse zu konsumieren. Natürlich kann man auch bei sehr einseitiger vegetarischer Ernährung mangelernährt sein ebenso wie bei einer einseitigen fleischorientierten Ernährung. Wenn jedoch ein Vegetarier sich falsch ernährt, wird dies als Beweis angesehen, dass die vegetarische Ernährung grundsätzlich problematisch sei, wenn ein Fleischesser Mangelerscheinungen erhält, wird dies als persönliches Problem der entsprechenden Person bewertet. Dies erweckt bei den Konsumenten der Massenmedien die Vorstellung, dass die vegetarische Ernährung eher zu Mangelerscheinungen führt. Hinzu kommt, dass gesund lebende Vegetarier eher selten einen Arzt aufsuchen. Deshalb bekommen die Ärzte nur Vegetarier zu Gesicht, die sich fehlernährt haben, und haben damit ein verfälschtes Bild dieser Ernährungsform (sofern sie keine gesunden Vegetarier kennen oder nicht selbst vegetarisch leben).

Neutralität Ist es angebracht angesichts dieser

Renato Pichler

das Leben der Tiere in einer von Menschen dominierten und verantworteten Welt inakzeptabel ist und dass grosse Veränderungen Not tun. Dass das nicht alle so sehen, zeigt der aggressive Übergriff der österreichischen Staatsgewalt auf die heimische Tierrechtsszene (vgl. VegiInfo Nr. 50 + 51). Und dieser fast schon surreal anmutende Übergriff schwebte als Schatten über der Tagung. Es zeugt von der Umsicht der OrganisatorInnen, dass auch dieser plötzlichen Rechtsunsicherheit eine Reihe von Beiträgen gewidmet wurde. Jemand brachte die Ohnmacht der Betroffenen mit dem folgenden

Votum auf den Punkt: Wenn eine behördlich legitimierte Sondereinheit die Wohnung stürmt, kann man als Betroffener nicht mehr nach der Polizei rufen. Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken Österreich, versuchte dieser Ohnmacht in einem Schlussstatement am Sonntagnachmittag Ausdruck zu geben, u.a. mit einer kurzen Videosequenz: Ein Nutztier wird von Männern misshandelt. Ins Bild gebracht wird, dass die Macht des Stärkeren kein Argument für ein gutes Leben sein kann – für Menschen nicht, für Tiere nicht. Martina Späni

Fortsetzung von Seite 11:

tig waren denn auch Fragen nach den Multiplikatoren: Ein Journalist widmete sich der Frage, was ein Aktivist oder eine Aktivistin beachten muss, damit eine Mail mit tierrechtlichem Inhalt von einer Zeitungsredaktion nicht innerhalb von drei Sekunden gelöscht wird. In eine ähnliche Richtung ging der Beitrag von Brigid Weizinger, Parlamentarierin der Grünen, die sich mit dem Tagesgeschäft und der Psychologie von VolksvertreterInnen befasste und davon ableitete, wie man diese für tierrechtliche Anliegen einbinden kann. Allen Voten gemeinsam war, dass Vegi-Info 2009/1

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Gesundheit

Bücher

Buchvorstellungen Roh-Köstlichkeiten zum Frühstück Gabriele Mauz, Hans-Nietsch-Verlag, 140 Seiten, Fr. 30.90, ISBN 978-3-939570-39-4 Öfters eine Rohkostmahlzeit einzunehmen stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern hilft dem Körper auch, jung und vital zu bleiben. Warum also nicht gleich schon beim Frühstück damit anfangen, etwas für sein Wohlbefinden zu tun? In Anlehnung an die gewohnten gekochten Speisen hat Gabriele Mauz die Rezepte so kreiert, dass man sich nur wenig umstellen muss. Frühstücken wie gewohnt – Müeslis in Rohkostqualität, schmackhafte Flakes, selbst gemachte rein pflanzliche Milch- und Käsevariationen und herzhafte Brotaufstriche – aber alles in Rohkostqualität. Passende Bilder zu jedem Rezept vereinfachen das Nachkochen zusätzlich.

Green for Life Grüne Smoothies nach der Boutenko-Methode Victoria Boutenko, Hans-Nietsch-Verlag, 220 Seiten, Fr. 30.90, ISBN 978-3-939570-43-1 Auf die Bedeutung des grünen Blattgemüses stiess Victoria Boutenko, als sie die Ernährungsgewohnheiten unserer nahesten Verwandten – der Schimpansen – untersuchte, deren Speiseplan zu mehr als einem Drittel aus grünen Blättern besteht. Da Blattgemüse für den Menschen in roher Form nur schwer verdaulich ist, müssen zum Verzehr die Zellwände der Pflanzen aufgebrochen werden. Daraus entstand die Idee der grünen Smoothies. Die sind nämlich für uns Menschen die beste Möglichkeit, grünes Blattgemüse zu uns zu nehmen, weil sie vollwertig und leicht verdaulich, frisch und voller Energie sind. Mit grünen Smoothies ist es möglich, sich die gesundheitsfördernden Eigenschaften des grünen Blattgemüses auf einfache, köstliche Art verfügbar zu machen. Besonders überzeugend ist die eindrückliche Geschichte der Familie Boutenko, die am eigenen Leib die gesundheitsfördernde Wirkung der grünen Smoothies erfahren hat, aber auch weitere Erfahrungen begeisterter Smoothies-Anwender motivieren dazu, selbst einmal einen grünen Cocktail auszuprobieren. Deshalb darf ein Rezeptteil mit frischen Smoothies zum Selbermixen natürlich nicht fehlen. Die Smoothies eignen sich hervorragend für eine Frühjahrskur zur Entgiftung und Reinigung, und man profitiert auch von ihnen, wenn man sie begleitend zur «normalen Kost» trinkt.

Vegetarisch essen – Krankheit vergessen? Wer ist der Krankmacher? Ein ärztlicher Ratgeber Dr. med. Hans Günter Kugler, Dr. med. Arno Schneider, Verlag Das Wort GmbH, 76 Seiten, Fr. 18.–, ISBN 978-3-89201-287-0 In diesem Nachschlagewerk zur vegetarischen Ernährung findet der Leser Antworten und Erklärungen zum Titelthema «Vegetarisch essen – Krankheit vergessen?». Der Hauptteil beschäftigt sich mit den gesundheitlichen Problemen einer fleischbasierten Ernährungsweise, insbesondere möglichen Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose, Arthrose und Krebs. Ein Abschnitt behandelt auch 14

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Vorurteile

Bücher

ausführlich die Problematik des Fischkonsums und der häufig empfohlenen Omega-3-Fettsäuren. Hinweise zu den ökologischen Folgen, die durch den übermässigen Fleischkonsum entstehen, werden ganz am Anfang des Buches erläutert. Auf jeden Fall finden sich in diesem Buch interessante Erläuterungen für alle, die mehr über ernährungsbedingte Zusammenhänge des Körpers erfahren wollen.

Überleben unter Fleischessern Tipps und Strategien für VegetarierInnen Carol J. Adams, Verlag Guthmann-Peterson, 338 Seiten, Fr. 54.20, ISBN 978-3-900782-55-9 Das Leben von Vegetariern ist oft von Problemen und Auseinandersetzungen geprägt, dabei sollte das fleischlose Leben nicht das private, emotionale und berufliche Leben komplizierter machen. Aufgrund dieser Überzeugung hat die Autorin ein Buch geschrieben, in dem sie den Fleischkonsum kritisch hinterfragt, aber auch Hilfestellung im Umgang mit Andersessenden bietet. Sie zeigt auf, wie man am besten in Konfrontationen mit Fleischessern reagiert und nicht ihre Einwände, Bedingungen und Absichten akzeptieren muss, sondern die Fleischesser in die vegetarische Welt einführen kann. Es geht dabei nicht mehr darum, die eigene Lebensweise zu verteidigen, sondern den anderen dabei zu helfen, ihre Blockiertheit zu durchbrechen und Verständnis für die armen Fleischesser zu bekommen, die nicht von ihrer Gewohnheit ablassen können.

Ausserdem bei uns erhältlich ist das erste Erfolgsbuch der Autorin «Zum Verzehr bestimmt» (The Sexual Politics of Meat). Über die Zusammenhänge zwischen sexistischer und rassistischer Diskriminierung und dem Diktat, Fleisch zu essen, stellt sie eine Verbindung zwischen Feminismus und Vegetarismus her. Verlag Guthmann-Peterson, 286 Seiten, Fr. 45.70, ISBN 3-900782-14-8

Tier im Recht transparent Gieri Bolliger, Antoine F. Goetschel, Michelle Richner, Alexandra Spring, Schulthess Verlag 2008, 600 Seiten, Fr. 49.–, ISBN 978-3-7255-5620-5 Seit dem 1. September 2008 gilt das neue Tierschutzrecht. Was dies für Heimtierhaltende bedeutet, wird im 600-seitigen Praxisratgeber erläutert. Die häufigsten rechtlichen Alltagsfragen rund um Heimtiere und die Antworten darauf sind sachlich von einem Fachteam zusammengestellt worden. Neben juristischen Informationen und tierschützerischem Grundlagenwissen erhält das Werk auch unzählige Praxistipps, Merksätze, hilfreiche Adressen, Links und Mustervorlagen zum richtigen Vorgehen in Tiernotfällen, bei der Anzeige von Tierquälereien oder im Umgang mit Behörden. Der Inhalt des Ratgebers ist deshalb bewusst so dargestellt, dass er auch für Nichtjuristen leicht und verständlich ist. Der Ratgeber wurde von der Stiftung für das Tier im Recht in Zusammenarbeit mit dem Schulthess Verlag erarbeitet.

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Die Zeiten haben sich geändert: Heute kann man sic

ch offen zur tierfreundlichen Ernährung bekennen.

www.t-rex-werbung.ch

www.vegetarismus.ch

Organisationen: Politische Parteien

Organisationen-Porträt In dieser Serie stellen wir Ihnen Organisationen aus dem Bereich Ernährung, Tierschutz und Umweltschutz vor. Wir zeigen deren Verhältnis zur vegetarischen Lebensweise in Worten und Taten auf. Alle bisher in dieser Serie erschienenen Porträts können Sie unter www.vegetarismus.ch nachlesen.

Politische Parteien Die Politik bestimmt Tierschutz- und Umweltschutzgesetze. Sie bestimmt, wohin die Subventionen in der Landwirtschaft fliessen und welche Massnahmen gegen den Klimawandel unternommen werden. Deshalb ist das Verhältnis der politischen Parteien zur vegetarischen Ernährung besonders interessant.

der Zeitung der GP, «Greenfo», unseren Klimaschutzflyer beilegen lassen (gegen Bezahlung), da wir noch nie in einer GP-Publikation das Thema Fleischkonsum angesprochen sahen. Von diesen beigelegten 8000 Flyern erhielten wir nur 11 Reaktionen! Ein besonders grosses Interesse an der vegetarischen Lebensweise scheint also auch unter «Grünen» nicht vorhanden zu sein. Unsere bezahlte Beilage löste aber offensichtlich auf der anderen Seite grössere Reaktionen aus: Im darauf folgenden «Greenfo»-Heft veröffentlichte die GP einen ganzseitigen Artikel, in dem sie zum Zusammenhang von Fleischproduktion und Klimawandel Stellung bezog. Geschrieben von zwei «Grünen» Bauern, die ihre Rinderhaltung verteidigten. Die GP distanzierte sich auf dieser Seite auch ausdrücklich vom Flyer der SVV, der fast ausschliesslich aus Zitaten von international anerkannten Organisationen zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Fleischkonsum besteht. Auch die anderen Taten der GP bestätigen diese offizielle Stellungnahme: Auf der Homepage der GP findet man das Dokument «10 Tipps für Ihren Beitrag zum Klimaschutz». Der Fleischkonsum wird darin mit keinem Wort erwähnt.

Da manche Parteien ganz offen- Grüne Partei Schweiz (GP) sichtlich sich weder für Tierschutz Die Antwort auf unsere Frage zum noch für Umweltschutz einsetzen Verhältnis der GP zum Vegetarismus: und auch Tierfabriken (über den «Viele Grüne sind Vegetarier und Schweizer Bauernverband und Sub- Vegetarierinnen. Wir erachten die ventionen) unterstützen, wurden vegetarische Ernährung als positiv. Durch vegetarische Ernährung lasnicht alle Parteien angefragt. Doch auch die Antworten derjeni- sen sich mehr Menschen mit einem gen Parteien, von denen man noch geringeren Energieaufwand und eiam ehesten erwarten könnte, dass ner nachhaltigeren Landwirtschaft sie offen wären für die Berücksichti- ernähren als mit Fleisch. Allerdings gung der Nachteile des Fleischkon- kann auch Fleisch nachhaltig produsums auf Mensch, Tier und Umwelt, ziert werden. Massentierhaltung lehkonnten auf keine einzige Tat auf nen wir ab. Wir setzen auf bio – bei allen Lebensmitteln.» diesem Gebiet verweisen. Interessanterweise hat jedoch jede Auf unsere Frage: «Hat sich Ihre Parangefragte Partei zugestimmt, dass tei schon einmal mit den Folgen des auseinandergeder Fleischkonsum bezüglich Klima- Fleischkonsums wandel und Umweltschutz im Allge- setzt?» erhielten wir folgende Antmeinen ein wesentlicher Aspekt ist, wort: «Natürlich. Es war immer wieden man eigentlich nicht vernach- der ein Thema. Gerade auch jetzt im Zeitalter des Klimawandels.» lässigen kann. Dass Worte und Taten jedoch in der Trotz mehrmaligem Nachfragen Politik nicht immer identisch sind, konnte aber keine einzige öffentzeigt der Vergleich zwischen Wort liche Aktion der GP zum Thema Fleischkonsum genannt werden. und Tat auch auf diesem Gebiet. Trotz der positiven Worte hat keine Die SVV hat im vergangenen Jahr einzige Partei irgendeine öffentliche auch konkrete eigene Erfahrungen Aktion bezüglich Fleischkonsum mit der GP sammeln können: Wir vorweisen können. Besonders inter- haben in der Ausgabe Nr. 1-2008 essant ist diese Haltung bei den GrüGeantwortet Fakten bekannt Worte Taten Auf Homepage nen, die sich ja besonders stark Grüne (GP) Ja ++ ++ o für die Umwelt Ja ++ ++ + o und gegen den Junge Grüne Klimawandel Grünliberale Nein o einsetzen und alJa ++ ++ o o lein schon des- Sozialdemokratische Partei (SP) halb das Thema Evangel. Volkspartei (EVP) Ja ++ ++ o o Fleischkonsum Ja + + o o kaum vernach- Alternative Liste (AL) lässigen dürften. CVP, FDP, EDU, Humanist. Partei Nein o

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Vegi-Info 2009/1

Vegi-Werbung Junge Grüne Schweiz Die Jungen Grünen kennen selbstverständlich auch die vielen Auswirkungen des Fleischkonsums. Sie haben aber auch noch keine Aktion zu diesem Thema gemacht. Ein wesentlicher Unterschied zu den anderen Parteien besteht allerdings: Sie können es sich vorstellen, in Zukunft auch dieses Thema aufzugreifen. Die SVV ist mit ihnen in Kontakt, um eine mögliche Kampagne zu diskutieren. Ob dies tatsächlich stattfinden wird, war bei Redaktionsschluss des Vegi-Infos noch nicht entschieden. Im vergangenen Jahr organisierten die Jungen Grünen ein dreitägiges Seminar über Agrarwirtschaft. Darin

war auch der Fleischkonsum ein Thema. Ganz offensichtlich wird also kein Bogen um das Thema Fleischkonsum gemacht. Die «Junge Grüne» ist zwar keine eigene Partei, wird aber von der Grünen Partei unterstützt. Durch diese Zusammenarbeit könnte sich die Grüne Partei in Zukunft auch positiv wandeln. Grüne Partei, Waisenhausplatz 21 CH-3011 Bern, Tel.: 031 312 66 60 www.gruene.ch Junge Grüne, Tel.: 031 312 67 57 www.jungegruene.ch

Die politische Situation in der Schweiz ist ernüchternd. Für Vegetarier ist keine der Parteien wirklich zu empfehlen. Die einzige Ausnahme sind die Jungen Grünen, die offen für das Thema sind. Es bleibt zu hoffen, dass der Einfluss der jungen Generation auf die etablierten Parteien und insbesondere auch auf die Grüne Partei künftig so stark wird, dass diese ihre Blockadepolitik gegenüber dem Thema Fleischkonsum aufgeben. Bis dahin bleibt für politisch aktive Vegetarier nur die Wahl des geringsten Übels oder eine Partei durch Beitritt von innen heraus zu verbessern.

Die Aussagen der anderen Parteien finden Sie auf der SVV-Homepage.

Renato Pichler

Vegi-Werbung im Grossformat

Ich bin nun seit fast 20 Jahren Vegetarierin und habe fast nie aktiv etwas unternommen, den Vegetarismus zu verbreiten. Mein Freund macht beruflich sehr tolle Beschrif-

Vegi-Info 2009/1

tungen und ist auf die Idee gekommen, mir ein Vegimobil zu kreieren. Und dazu noch den Gleitschirm zu beschriften. Wir bastelten über Wochen immer wieder an Ideen rum, änderten, überlegten, kreierten, bis dann diese Werke vollbracht waren. Ich möchte damit die Menschen zum Nachdenken über ihre Gewohnheiten anregen und ihre Gefühle aufrütteln. Schon manche Leute sind beim Betrachten des Autos stehen geblieben …! Meine Mitteilung an alle Vegis: Werbung wird gelesen! In der Stadt, der Kolonne, auf dem Parkplatz, zu Hause, im Parkhaus, ach, einfach

überall. Helft mit, unser Wissen zu verbreiten! Werbung wirkt! Wer Interesse hat, soll sich doch melden unter: [email protected] Esther Stierlin

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Vorurteile

Vorurteile Vegetarier werden immer wieder mit denselben Vorurteilen konfrontiert. In dieser Serie werden nacheinander die häufigsten vorgestellt.

«Wenn ich kein Fleisch esse, verändert dies doch nichts» Es mag ja stimmen, dass der massenhafte Fleischkonsum weltweit die Klimaveränderung und den Welthunger verstärkt. Auch dass die Fleischproduktion sehr viele natürliche Ressourcen verbraucht (Wasser, Boden …) und dem Tierschutzgedanken widerspricht, mag stimmen. Aber ob ich viel, wenig oder gar kein Fleisch konsumiere, ändert daran doch nichts. Obwohl diese hoffnungslose Einstellung («auf mich kommt es sowieso nicht an») weit verbreitet ist, trifft sie gerade bei der vegetarischen Ernährung aus mehreren Gründen nicht zu.

eigene kleine Beitrag nichts nützt, muss auch jede Form von Demokratie ablehnen, da dies immer die Summe der vielen kleinen Beiträge der Bürger ist.

Vorbildfunktion Nur das eigene Handeln kann die Welt verändern Im Gegensatz zu Demonstrationen, Petitionen und ähnlichen Aktionen kann man durch eine vegetarische Ernährung selbst ganz konkret etwas tun. Die meisten anderen Aktionen laufen darauf hinaus, dass man von anderen Menschen verlangt, etwas zu tun. Die vegetarische Ernährung kann man jedoch niemandem delegieren. Sie beginnt immer bei sich selbst. Dies macht es natürlich einfacher, sich anderen Themen zuzuwenden: Unterschriften sammeln oder für bessere Tierhaltung demonstrieren kann man nebenbei, ohne sein eigenes Verhalten ändern zu müssen. Eine Demokratie funktioniert nur, wenn jede Person handelt, als sei sie das Vorbild für alle anderen. Die vegetarische Ernährung hilft direkt: Im Laufe seines Lebens isst ein Durchschnittsschweizer über 1000 Tiere. Dies kann man direkt vermeiden, indem man sich pflanzlichen Nahrungsmitteln zuwendet. Durch die Ernährungsumstellung erreicht man auch, dass mit dem eigenen Geld statt Schlachthöfe Gemüse- und Obstkulturen unterstützt werden. Und wer glaubt, dass der 20

Die Schweiz gilt weltweit als reiches Wohlstandsland und dient somit als Vorbild für viele Menschen auf der Welt: «Ich möchte auch einmal so reich sein, um mir all das leisten zu können, was man sich in der reichen Schweiz leisten kann.» Würde in der Schweiz eine grosse Zahl der Einwohner vegetarisch leben, würde dies deshalb eine grosse Vorbildwirkung haben: Fleischkonsum wäre dann nicht mehr gleichbedeutend mit Wohlstand. Ausserdem würden durch den grossen entstehenden Markt die Fleischalternativen immer besser werden. Wovon auch im Ausland profitiert werden könnte, da die Lebensmittelbranche heute international tätig ist. Doch selbst im Kleinen hat das eigene Vorbild grosse Auswirkungen: Wie kann man sich glaubwürdig für die Tiere einsetzen, wenn man sie täglich umbringen lässt und aufisst? Oder wie glaubwürdig ist es, wenn man andere zu einem klimaschonenden Verhalten auffordert, selbst aber einer der klimaschädlichsten Angewohnheiten täglich nachgeht? Man kann noch so viel erklären und diskutieren: Eindrücklicher als jede Theorie ist immer das persönliche Beispiel.

Solidarität Mahatma Gandhi stammt aus einer wohlhabenden Familie. Aus Solidarität mit den ärmeren Bevölkerungsschichten Indiens hat er auf jeglichen Luxus verzichtet und glücklich ein einfaches Leben wie Hunderte Millionen anderer Inder geführt. Auch wir können uns heute solidarisch zeigen mit denjenigen, die sich Fleisch gar nicht leisten können. Nicht alles, was man sich leisten kann, macht auch glücklicher. Ausserdem war es noch nie so einfach wie heute, sich ohne Fleisch zu ernähren. Die Nahrungsmittelvielfalt lässt auch für Vegetarier kaum noch Wünsche offen. Auch Gandhi hat für sich bewusst die vegetarische Ernährung gewählt. Wer glaubt, sein Glück hänge davon ab, dass täglich in seinem Namen Tiere umgebracht werden, wird das echte Glück nie finden können. Die vegetarische Ernährung ist aber nicht nur ein symbolischer Beitrag gegen den Hunger in der Welt, sie zeigt auch einen Weg auf, wie man vom selben Stück Land und mit derselben Wassermenge ein Mehrfaches an Nahrung gewinnen kann, indem man die Nahrungskette nicht künstlich über den Tiermagen verlängert.

Wasserverschwendung In der Schweiz haben wir dank den Alpen keinen Trinkwassermangel. Vergessen wird jedoch, dass durch den Import von tierischen Nahrungsmitteln und Futtermitteln aus Ländern mit weniger guter Wasserversorgung viel «virtuelles» Wasser importiert wird: Der Anbau der Futtermittel benötigt viel Wasser, das in den Ländern dann für den Anbau eigener pflanzlicher Nahrungsmittel fehlt.

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Vegi-Info 2009/1

Gentechnik Jede Person, die keine Tiere mehr isst, trägt damit ganz konkret aktiv zur Schonung der Umwelt, der Tiere und sogar der eigenen Gesundheit

bei. Es ist nicht nur eine Forderung an andere, sondern ein aktiver eigener Beitrag. Renato Pichler

SVV-Infoblatt: «Ich allein kann doch ohnehin nichts verändern» von Helmut Kaplan, www.vegetrismus.ch/ einwand/f5.htm

Gentechnik und Vegetarismus Mit gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln müssen sich heute vor allem Fleischesser auseinandersetzen, da diese Technik fast ausschliesslich bei tierischen Nahrungsmitteln bzw. Futtermitteln eingesetzt wird. Das Fleisch und die Milch von Nutztieren, die mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden, muss nicht entsprechend deklariert werden und gelangt deshalb problemlos in den normalen Handel. Die vegetarische Ernährung definiert sich dadurch, dass keine Tiere gegessen werden. Deshalb gibt es auch keine offizielle Haltung gegenüber der Gentechnik, die von allen Vegetariern weltweit geteilt werden würde. Die meisten Vegetarier und die SVV lehnen jedoch Gentechnik in der Landwirtschaft ab, da es keinen nachvollziehbaren Grund dafür und viele Gründe dagegen gibt. Als Vegetarier bevorzugen wir naturbelassene Nahrungsmittel. Der Einsatz von Gentechnik trägt zur Verarmung der Artenvielfalt bei und hat deshalb auf die Nahrungsmittelauswahl negative Auswirkungen. Zum Beispiel hat es grosse Nachteile, wenn sich durch den Marktdruck der Gentechnikfirmen (und entsprechende Preispolitik bei der Einführung des Saatgutes) eine einzige gentechnisch veränderte Maissorte weltweit verbreitet und alle anderen natürlichen Sorten verdrängt. Die natürliche Nachzucht und Anpassung an die unterschiedlichen Klimaverhältnisse geht dabei ebenso verloren wie die geschmackliche Vielfalt. Ausserdem werden im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln besonders starke Gifte von den Landwirten eingesetzt, welche noch kaum erforschte negative Auswirkungen auf die Natur haben (z.B. das Gift Roundup beim «Gen-Soja» von Monsanto, das jede Pflanze tötet, ausser das Vegi-Info 2009/1

gentechnisch veränderte eigene Soja). Für die Ernährung der steigenden Weltbevölkerung wäre ein Umstieg auf eine pflanzenbasierte Ernährung (die vom selben Boden fast das Zehnfache an Kalorien hervorbringt gegenüber einer Ernährung mit Fleisch) viel effektiver als jede denkbare Gentechnik. Hinzu kommt, dass gerade in ärmeren Gebieten, wo Nahrungsmangel herrscht, das teure gentechnisch veränderte Saatgut, das jedes Jahr aufs Neue eingekauft werden muss, viel zu teuer ist und nur schon deshalb nicht zur Verbesserung der Welternährungslage beitragen kann. Für die Ablehnung der Gentechnik in der Landwirtschaft sind für die SVV vor allem folgende Punkte ausschlaggebend: • Die Verarmung der natürlichen Artenvielfalt • Die extrem starken Gifte, welche bei der Anpflanzung von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln oft verwendet werden, schädigen die Natur stark und langfristig (und die Auswirkungen auf die Personen, welche die Produkte konsumieren, sind noch zu wenig erforscht) • Die Werbeversprechen der Gentechnikfirmen wurden nicht eingehalten (und an vielen Orten ist sogar das Gegenteil eingetroffen) • Die weltweite Nahrungsmittelversorgung könnte mit einem Umstieg zur pflanzenbasierten Ernäh-

rung effektiver verbessert werden (viel mehr als die Gentechnik auch bei optimistischsten Annahmen je ermöglichen würde) • Gerade diejenigen Weltregionen, die am meisten an Hunger leiden, profitieren am wenigsten von der Gentechnik, weil das gentechnisch veränderte Saatgut entweder nicht an ihr lokales Klima angepasst ist und/oder das jährlich neu zu kaufende Saatgut zu teuer ist. • Eine Monopolisierung der Nahrungsmittelversorgung durch wenige weltweit agierende Grosskonzerne bringt grosse Gefahren mit sich • Die gesetzliche Lage bevorzugt extrem einseitig die Produzenten von gentechnischem Saatgut, indem diese bei Kontaminierung von nicht gentechnisch veränderten Feldern nicht schadenersatzpflichtig werden, sondern sogar Lizenzgebühren von den (Bio-) Bauern verlangen können, auch wenn diese einen grossen Schaden durch eine solche Kontaminierung ihrer Nahrungsmittel erleiden. Die Gentechnikfirma Monsanto hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie solche Gesetze nicht nur erkämpfen kann, sondern diese auch skrupellos einklagt. Renato Pichler Weitere Hintergrundinformationen zur Gentechnik: – Dokumentation des Kultursenders Arte: «Monsanto, mit Gift und Genen» (als DVD erhältlich). www.arte.tv/de/Die-Weltverstehen/Monsanto-mit-Giftund-Genen/DVD/1950490.html – Alliance for bio-integrity, www.biointegrity.org

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Historisches

Zuflucht Schweiz. Zum 50. Todestag Magnus Schwantjes Weihnachten 1934 überschritt ein politischer Flüchtling aus Deutschland die Grenze zur Schweiz. Mit 57 Jahren ging er in die ungesicherte Existenz eines Exils, das 16 Jahre dauern sollte. Der Todestag dieses Mannes, Magnus Schwantje, eines der wichtigsten Denker, Schriftsteller und Organisatoren auf den Gebieten der Ethik, des Tierschutzes und des Vegetarismus, jährt sich am 11. September 2009 zum 50. Male. Wenige wissen, dass das Wort «Ehrfurcht vor dem Leben», das heute allgemein Albert Schweitzer zugeschrieben wird, schon ab 1902 von Magnus Schwantje verwendet wurde, dass es sogar wahrscheinlich ist, dass Schweitzer selbst dieses Wort unbewusst von Schwantje übernommen hat.1 Magnus Schwantje, am 3. Juni 1877 in Oldenburg geboren, war ursprünglich Buchhändler und Redakteur, setzte sich schon ab 1897 in Schriften über die Jagd und die Vivisektion mit Themen des Tierschutzes auseinander.

Radikale Ethik

von lateinisch radix = Wurzel) aller gesellschaftlichen Übel angehen wollte. Diese sah er in der Gewöhnung der Menschen an Grausamkeit, an rücksichtslose Durchsetzung egoistischer Strebungen auf Kosten schwächerer Lebewesen, wie sie insbesondere die Gewohnheit des Fleischessens zwangsläufig mit sich bringt. Denn da der Mensch ohne Fleischnahrung gut bzw. sogar besser leben kann als mit, widerspricht es allen ethischen Prinzipien, aus Genusssucht anderen Lebewesen die Leiden zuzufügen, ohne die

eben deren Fleisch nicht zu erlangen ist.3

Vegetarismus und radikaler Tierschutz Vegetarisch zu leben war für Schwantje die zentrale Forderung des Tierschutzes, durch keine andere Massnahme könne mehr an Leiden für die Tiere und Grausamkeit der Menschen vermieden werden. Analog zum Begriff der radikalen Ethik prägte er den Begriff des «radikalen Tierschutzes», der gegen die schlimmsten Bereiche des Tiermissbrauchs gleichermassen vorging: gegen das Fleischessen, gegen die Vivisektion und gegen die Jagd und dabei deutlich über das hinausging, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter Tierschutz verstanden wurde.

Seine besondere Bedeutung liegt darin, dass er den inneren Zusammenhang der gegen Gewalt und Unterdrückung gerichteten Bestrebungen aufwies, sei es im Bezug auf das Verhältnis der Menschen zu den Tieren oder der Menschen und schliesslich auch der Staaten untereinander. «Tiermord und Menschenmord» gingen für ihn zusammen. Daher sprach er vom Tierschutz und den «verwandten Bestrebungen», unter denen er vor allem die Friedensbewegung und alle auf eine humanere, sozialere und weniger grausame und geSpeziesismuskritik Denjenigen, die meinten, walttätige Gesellschaftsordnung gerichteten Bemühundass die Behandlung der Tiere von untergeordneter Begen verstand.2 Später – im Ersten Weltkrieg – entwickelte er deutung sei, hielt er entgeden Begriff der «radikalen gen: «Die Ansicht, dass eine Ethik», einer Ethik, die wirk- Rund 100 Seiten umfasst diese Schrift von Magnus Handlung, die einem Wesen lich die Wurzel (daher radikal Schwantje von 1942. schadet, das einer andern 22

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Historisches Gattung als der des Handelnden angehört, nach andern Grundsätzen beurteilt werden müsse als eine, die einem Angehörigen der Gattung des Handelnden schadet, ist ganz unbegründet.»4 Heute benutzt die Tierrechtsbewegung hierfür den Begriff des Speziesismus. Die Begriffe Tierrechte und Tierschutz, die heute oft als entgegen-

gesetzt und unvereinbar aufgefasst werden, wurden von Schwantje noch synonym gebraucht. Er hat sich immer um praktischen Tierschutz und die Vermittlung der weitreichenden Ziele der radikalen Ethik und des radikalen Tierschutzes bemüht und pflegte einen Lebensstil, den wir heute als «vegan» bezeichnen.

Modernes Denken Er war in vielerlei Hinsicht ein sehr moderner Denker, der – ohne akademische Ausbildung – zu einer Zeit, als «Gebildete», Professoren und Schriftsteller oft hemmungslos Vorurteile und Pauschalisierungen verbreiteten, immer sehr genau analysierte und vor allem immer betonte, dass jeder einzelne Mensch und jeder einzelne Fall für sich beurteilt werden müsste. Er wandte sich gegen die Vorverurteilung ganzer Völker oder Gruppen, z.B. als Tierquäler wie im Falle Spaniens, und riet, doch auch bei den gewohnten einheimischen Tierquälereien genau hinzusehen. Er bezeichnete sich als «Internationalist von Jugend auf» und die Zahl seiner Briefpartner und Besucher aus vielen Nationen bestätigt es. Auch Antisemitismus, Rassismus oder die damals populäre «Rassenhygiene» trafen auf seinen energischen Widerspruch ebenso wie die Herabsetzung behinderter, auch geistig behinderter Menschen. Ebenso wenig hatte er Vorurteile gegen die Betätigung von Frauen in der Politik und im Tierschutz. Unter den Intellektuellen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik war er durchaus bekannt und respektiert. So hatte z.B. die Deutsche Friedensgesellschaft ihm 1912 die Eröffnungsrede zu ihrem 5. Kongress in Berlin übertragen.

Nationalsozialistische Verfolgung und Exil

Titelseite der allerersten Ausgabe der «Ethischen Rundschau» von 1912.

Die Historikerin Renate Brucker hat sich mit der Geschichte des Vegetarismus und Tierschutzes und besonders mit dem Werk Magnus Schwantjes beschäftigt. Zum 50. Todestag von Magnus Schwantje hat sie seine Schriften unter folgender Adresse veröffentlicht: www.magnus-schwantje-archiv.de

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Sein pazifistisches Engagement trug ihm Hausdurchsuchungen und Verhaftung ein und zwang ihn schliesslich zur Flucht in die Schweiz. Hier half er zuerst Dr. Ludwig Fliegel bei der Fertigstellung des Buches «1000 Ärzte gegen die Vivisektion», startete Tierschutzinitiativen, z.B. gegen das Essen von Froschschenkeln oder Insektenfangen der Kinder, hielt Vorträge, arbeitete auch inoffiziell als Redakteur der Zeitschrift «Der Vivisektionsgegner» und verfasste Artikel für vegetarische Zeitschriften. Seine Arbeiten sind zum grossen Teil im Internet in einem virtuellen Archiv zu lesen unter der

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Historisches / Ferien Adresse www.magnus-schwantje-archiv.de. Auch die in der Schweiz erschienenen Schriften aus den Jahren 1935–1950 sind dort zu finden, der Link «Flugblätter» enthält eine eigene Rubrik für diejenigen aus der Zeit des Schweizers Exils. Magnus Schwantje kehrte 1950 nach Deutschland zurück, wo er trotz grosser finanzieller und gesundheitlicher Probleme bis zu seinem Tode am 11. September 1959 weiter im Sinne der radikalen Ethik wirkte. Seine Schriften, in denen er scharfe Analysen und genaue Argumentationen mit tiefem Mitgefühl und umfassendem und unbestechlichem Gerechtigkeitsempfinden verband, sind zeitlos und heute zum grossen Teil noch ebenso aktuell wie vor achtzig Jahren. Renate Brucker 1

Schwantje berichtet, dass er den Begriff ab 1902 verwandt habe. Im Druck veröffentlicht wurde er zuerst 1912, Albert Schweitzer berichtet, dass er ihn 1915 gefunden habe, öffentlich verwandt hat er ihn zuerst 1919. Schwantje hat zu der Zeit, als Albert Schweitzer dort lebte, eine Reihe von Vorträgen im Elsass gehalten, über die Presseberichte erschienen, sodass Schweitzer diesen Begriff möglicherweise gelesen hat. Siehe auch Magnus Schwantje, Ehr-

Vegan in Tirol Letzten Herbst war ich als Coach mit einer Klientin im Aqua-Dome in Tirol und ich möchte Euch diese tolle Adresse auf keinen Fall vorenthalten, denn dort gibt man sich echt Mühe, auch die Veganer zufriedenzustellen. Auf der täglich neuen Speisekarte gibt es das mindestens 5-gängige vegetarische Menü auf der einen Seite und auf der anderen das herkömmlich «tierische». Nun hatten wir bei unserer Reservation gefragt, ob wir vegan essen könnten, was bejaht wurde, und zu unserer angenehmen Überraschung hatten wir täglich eine 24

furcht vor dem Leben, Brüderlichkeit und Vegetarismus, 1949 in: www.magnus-schwantje-archiv.de. Schwantje, Magnus; Die Beziehungen der Tierschutzbewegung zu andern ethischen Bestrebungen, insbesondere zu denen der Vereine für soziale und strafrechtliche Reformen, für Bekämpfung des Alkoholismus, für Erhaltung des Friedens, für Erweiterung der Frauenrechte, für Kinderschutz und Erziehungsreform, für Reform der Lebensund Heilweise, der christlichen, der the-

osophischen und der monistischen Vereine usw., Rede, gehalten am 8. Juni 1909 auf dem Internationalen Tierschutz- und Antivivisektionskongress in London, Berlin, o.J. 3 Ders., Hat der Mensch das Recht, Fleisch zu essen? 2. Aufl., Dresden 1923, S. 22, ders., Sittliche Gründe gegen das Fleischessen. Erweiterte dritte Auflage der Schrift «Hat der Mensch das Recht, Fleisch zu essen?», Zürich 1942. 4 Ders., Hat der Mensch das Recht ..., S. 22.

neue, extra für uns angefertigte Speisekarte auf dem Tisch und genossen die vielen verschiedenen künstlerisch sehr schön arrangierten veganen Köstlichkeiten. Der Well-

ness-Bereich ist gigantisch und ebenfalls stilvoll und abwechslungsreich. Allein um all die verschiedenen Saunas und Erholungsbereiche zu besuchen, braucht man mind. eine Woche. Die futuristisch gebauten Wasser-Pools erinnern an UFOS, und auch noch unter Wasser kann man die Musik hören, die von Klassisch bis New Age alles bietet. Der Ort eignet sich im Winter zum Skifahren und sonst zum Wandern, umringt von einem Kranz von Bergen, ein echt idyllischer Ort. Ananda Tyrell

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Internet: www.aqua-dome.at

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Ernährung: Rohkost Urs Hochstrasser, Rohkost-Pionier und Gourmet-Koch:

«La Haute Cuisine Crue» oder Die Hohe Schule der Rohkost Beim Wort Rohkost sieht wohl jeder spontan eine Karotte, einen Apfel, eine Birne oder vielleicht einen Salat oder ein Birchermüesli vor seinem geistigen Auge. Doch die moderne Rohkostküche von Urs Hochstrasser, auch «La Haute Cuisine Crue» genannt, ist wesentlich mehr: Mehrgängige, wunderschön angerichtete Köstlichkeiten vermögen es, das Auge zu verwöhnen und den Gaumen zu kitzeln. «Nahrung soll gesund, lebendig und vegan sein», sagt Urs Hochstrasser. Und nicht nur dies – was der Gourmet-Koch aus rohen Zutaten kreiert, ist hohe Kunst, Heilmittel und pure, farbenfrohe Genussfreude ohne Reue zugleich. Wer einen der Kurse besucht, lernt seine raffinierten Tricks kennen, von denen einige an mystische Alchemie erinnern. Oder wussten Sie, dass Avocado als Verdickungsmittel von Cremen eingesetzt werden kann? Dass Kokosnussfett, wenn es emulgiert, ein wertvoller Bestandteil eines raffinierten, gehaltvollen Drinks sein kann? «Kräuter und Gewürze sollten ein Gericht immer höher stellen und nicht übertönen, alles muss in Harmonie sein, wie in einem Orchester», erklärt der Koch, der auch

als Gesundheitsberater tätig ist. «Die Ganzheit darf nicht verloren gehen!» Kürzlich hat er sich eine Vision erfüllt: Zusammen mit der Schweizer Firma Soyana hat er ein biologisches Mandelpüree in Rohkostqualität auf den Markt gebracht, dessen Kerne aus Europa stammen. Überhaupt kennt er von allen Produkten, die er verwendet, die Herstellungsweise, weiss, welche Verfahren Rohkostqualität aufweisen und darum nicht über 45 Grad erhitzt worden sind. «Koch- und Backprozesse bewirken chemische Veränderungen, dabei gehen wertvolle Enzyme und Vitamine verloren», sagt er. Wärmende Effekte erzielt er dennoch – zum Beispiel dank etwas scharfem Chili oder Ingwer.

Als Vorreiter der Rohkostküche hat er beschwerliche Aufbaujahre hinter sich, doch unterdessen hat er eine erfolgreiche Wegstrecke erreicht. Bisher ist der Pionier vor allem in Deutschland und Österreich bekannt, doch auch die Schweizer kommen langsam auf den Geschmack. Urs Hochstrasser: «Unterdessen ist diese Ernährungsform nun erwachsen genug, sich auch in der Gastronomie behaupten zu können. Von Rohkost ernährt man sich, weil man will und nicht weil man muss, denn man erkennt den Gewinn lebendiger, liebevoll zubereiteter Nahrung.» Infos unter: www.urshochstrasser.ch Nell Andris

Kohlrabispaghetti «Bolognese» 2 Kohlrabi: Die Kohlrabi schälen und durch die Legumette drehen. Dabei entstehen ganz schlanke, lange Gemüsestreifen, welche wie Spaghetti aussehen. Bolognese: 3 St Tomaten 2 TA Wildroggen (normaler Roggen geht auch) 3 EL Olivenöl 1 TL Roher Agavendicksaft (z.B. von www.keimling.ch) ½ TL Italienische Gewürze* – etwas Muskat gemahlen, Koriander, Nelken 2 EL Tamari – NB Unraffiniertes Salz Den Roggen leicht ankeimen lassen. Dann den Roggen durch den Wolf passieren. Die Tomaten im Mixer zerkleinern, dann die übrigen Zutaten beifügen und gut mixen. Die so entstandene Sauce aus dem Mixer nehmen und mit dem Roggen vermengen. Optisch sieht diese Sauce wie eine echte Sauce Bolognese aus. Vegi-Info 2009/1

* Oregano, Majoran, Thymian, Maggikraut, evtl. Rosmarin. Diese Sauce eignet sich hervorragend zu: Blumenkohl, Brokkoli, Romanesco, Kohlrabi, ZucchiniSpaghetti, Steckrüben-Nudeln usw.

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Philosophie

200 Jahre Darwin und unser Umgang mit Tieren: Fortschritt oder Rückkehr ins Cartesische Zeitalter? von Klaus Petrus Wir feiern das Darwin-Jahr, und das gleich doppelt: Am 12. Februar 1809 wurde der wohl grösste Naturforscher aller Zeiten, Charles Robert Darwin, im englischen Shrewsbury geboren, und 50 Jahre später, im November 1859, erschien sein The Origin of Species, jenes bahnbrechende Werk, das den Menschen der Krone der Schöpfung beraubte oder ihn wenigstens vom Sockel holte. Oder etwa doch nicht?

Der Mensch: ein Tier wie sie? Menschen sind auch nur Tiere, meinte Darwin. Vielleicht andere Tiere, aber manche Tiere sind genauso anders wie wir, und alle Tiere sind sich, ob nun anders oder nicht, in vielem ähnlich. Das war ein Affront sondergleichen. Die Vorrangstellung des Menschen gegenüber Tieren beruht seit jeher auf der Idee, es gäbe ein Merkmal, das allein uns Menschen eigen ist: Menschen – nicht aber Tiere – seien das Ebenbild Gottes, sie hätten eine Seele, verfügten über Vernunft, Selbstbewusstsein oder die Fähigkeit, sich mit einer Sprache zu verständigen. Noch im 17. Jahrhundert betrachtete man Tiere offenbar als Automaten und ihre Schreie unter den Messern der Vivisektoren wurden mit den Geräuschen eines Uhrwerks verglichen. Dass Tiere Empfindungen haben, dass sie fähig sind, Lust und Leid zu erfahren, wurde mit dieser Auffassung, die man normalerweise dem

französischen Philosophen und Naturwissenschaftler René Descartes (1596–1650) zuschreibt, freilich abgestritten.

Die Entdeckung des tierlichen Geistes Heute wissen wir es besser. Fast alle Tiere sind empfindungsfähige Wesen, sie haben ureigene Wahrnehmungen, Bedürfnisse, Gefühle und Interessen, viele von ihnen besitzen ein ausgeprägtes Sozialverhalten, einigen schreibt man einen hohen Grad an Intelligenz zu, anderen räumt man sogar Selbstbewusstsein ein. All diese Befunde, die uns die moderne Verhaltensforschung am Laufmeter beschert, gehen Hand in Hand mit der zentralen Einsicht der Evolutionsbiologie: Es gibt keine geistige Fähigkeit, die einzig der Mensch aufweist und die allen anderen Tieren vollständig fehlt. Es scheint, als hätten wir, dank Darwin, das Cartesische Zeitalter endgültig überwunden.

Biologie und Moral Hat sich für die Tiere damit etwas verändert? Darwin hat uns keine Tierethik hinterlassen, ein Zusammenhang mit seiner Theorie besteht aber allemal. Denn die Suche nach einem Merkmal, das uns Menschen von allen anderen Tieren unterscheidet, war – und ist bis heute – immer auch eine Suche nach etwas, das uns moralisch wertvoller macht; und sei es nur ein gewisses Quantum an Intelligenz, an Selbstbewusstsein oder Autonomie. 26

Charles Darwin (1809–1882)

Wenn Darwin aber Recht hat, und wenn es solche Merkmale sind, die den moralischen Wert eines Lebewesens ausmachen, so hat dies unmittelbare Konsequenzen für unseren Umgang mit den Tieren. Jener Schutz, den Menschen geniessen, weil sie diese Merkmale besitzen, sollte entsprechend auch jenen Tieren zukommen, die sie ebenfalls aufweisen. Die Realität sieht anders aus. Zwar bewundern wir das Einfühlungsvermögen von Hunden, uns fasziniert das Seelenleben unserer Katzen, wir staunen über das Sozialverhalten der Hühner, die Intelligenz von Schweinen oder die Fähigkeit von Primaten, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Und doch hindert uns all das nicht daran, diese Tiere in unseren Dienst zu stellen, sie auf engstem Raum einzupferchen, sie zu mästen und zu schlachten, an ihnen zu experimentieren oder sie in Zoos auszustellen.

Mitglied im ehrenwerten Klub der moralisch Gleichen: doch zu welchem Preis? «Wie intelligent muss ein Papagei sein, bevor wir ihn als moralisches Lebewesen anerkennen?», fragt der

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Vegi-Info 2009/1

Philosophie amerikanische Rechtsphilosoph Gary L. Francione und meint das keineswegs rhetorisch. Es wäre in der Tat unklug, die Anforderungen an jene, die in den Klub der moralisch Gleichen aufgenommen werden dürfen, an immer höhere und komplexere geistige Fähigkeiten zu knüpfen. Weshalb? Weil es immer auch Menschen gibt, die über diese Eigenschaften nicht verfügen. Nicht alle von uns sind in der glücklichen Lage, sich sprachlich zu artikulieren, nicht alle von uns führen ein selbstbestimmtes Leben, sind mit Autonomie, Selbstbewusstsein oder Rationalität ausgestattet. Säuglinge, Schwerbehinderte oder demente Menschen sind es offenbar nicht. Heisst das nun, dass wir mit diesen Menschen umgehen dürfen wie mit nichtmenschlichen Tieren, dass wir sie im Zirkus vorführen, sie mästen, einsperren und aufessen oder an ihnen experimentieren dürfen?

Empfindungsfähigkeit – was mehr? Natürlich nicht! Es bedeutet aber, dass wir nach einem Merkmal suchen sollten, das diese Menschen ebenfalls besitzen und das sie moralisch genauso wertvoll macht wie die übrigen von uns. Dass auch Säuglinge, SchwerbehinDie Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus ist auch in der Romandie präsent: Association Suisse pour le Végétarisme (ASV) E-Mail: [email protected] Internet: www.vegetarisme.ch Bestellen Sie eine kostenlose Probenummer der französischen VegiInfo-Ausgabe (sie enthält auch Artikel, welche in der deutschen Ausgabe nicht vorhanden sind). Tel. deutsch: 071 477 33 77 Fax: 071 477 33 78 Das nächste Vegi-Info erscheint Ende Juni 2009. Bitte Artikel(-Vorschläge), Leserbriefe, Anzeigen etc. rechtzeitig einsenden. Redaktionsschluss: 15. Mai 2009

Vegi-Info 2009/1

tet sein sollten als andere, so gilt doch eines mit Sicherheit: Sie alle sind empfindungsfähige Wesen – genauso wie wir. Und also sollten wir ihnen denselben Schutz gewähren, den wir auch uns und unseresgleichen bieten.

Cartesisches Zeitalter, hier und jetzt derte oder Demente Gottes Ebenbild sind, dürfte seit Darwin ebenso wenig ein Argument sein wie der lapidare Hinweis, dass auch diese Menschen der Spezies homo sapiens angehören. Das einzige Merkmal, das alle von uns aufweisen, ist die Empfindungsfähigkeit. Sind wir der Überzeugung, dass Menschen gleichermassen moralisch wertvoll sind, dann muss es dieses Merkmal sein, das allein dafür ausschlaggebend ist, weshalb wir allen Menschen den Schutz fundamentaler Interessen am Leben, an Freiheit und Unversehrtheit zugestehen. Dann aber gibt es keinen Grund mehr, nichtmenschliche Tiere aus dem Klub der moralisch Gleichen auszuschliessen oder sie nur schon als Mitglieder zweiten Ranges zu behandeln. Auch wenn manche von ihnen intelligenter, sprachbegabter oder mit mehr Selbstbewusstsein ausgestat-

Die Realität, wie gesagt, sieht anders aus. Wir bewegen uns, Darwin hin oder her, immer noch im Cartesischen Zeitalter. Schlimmer noch: Obschon es für uns keinen Zweifel daran gibt, dass auch nichtmenschliche Tiere empfindungsfähige Wesen sind, sehen wir grosszügig über diese Tatsache hinweg und behandeln sie nach wie vor als Ressourcen, die für uns da sind und die wir nach Belieben ausbeuten dürfen. Vielleicht liegt genau darin das eigentlich Beschämende: Descartes’ Zeitgenossen mochten es tatsächlich nicht besser gewusst haben, als sie in Tieren blosse Automaten sahen. Wir aber müssen es besser wissen. Und doch verbergen wir uns auch weiterhin hinter dem Schleier der Unwissenheit. © Klaus Petrus

Impressum Vegi-Info, Zeitschrift für Vegetarismus, Tierrecht und Ethik (ISSN 1660-0797) Vegi-Info ist als offizielles Mitteilungsorgan der Schweizerischen Vereinigung für Vegetarismus (SVV) kostenlos für Mitglieder. Gönnerbeitrag: Fr. 35.– / Abo: Fr. 25.– auf das PC-Konto Nr. 90-21299-7 Erscheinungsweise: Vierteljährlich auf Deutsch und Französisch Herausgeber: SVV, Bahnhofstr. 52, CH-9315 Neukirch (Egnach) Internet: www.vegetarismus.ch/heft – [email protected] Redaktion: Renato Pichler, Bernadette Raschle, Lektorin: Josie Wendt Standaktionen: Peter Beck, [email protected] Romandie: Ananda Tyrell, Renée Maier Europa: Herma Caelen, Europa-Korrespondentin der SVV, Tel. +32(0)65/362584. E-Mail: [email protected] Layout: SVV, Bahnhofstr. 52, CH-9315 Neukirch, [email protected] Druck: Tiskarna Dobel s.r.o., CZ-56301 Lanskroun Zeichnung Rückseite: K. Läuffer, [email protected] Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Schriftleitung behält sich das Recht auch zum auszugsweisen Abdruck eingesandter Zuschriften vor.

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Veranstaltungen

EU-Konferenz über Welthandel und Nutztierschutz Am 20. und 21. Januar 2009 fand die Konferenz statt (Originaltitel: Conference on Global Trade and Farm Animal Welfare), die von der EU, WSPA, Eurogroup for Animals, Compassion in World Farming und RSPCA organisiert wurde. Wie bei ähnlichen Veranstaltungen in den Vorjahren war auch hier der Schwerpunkt wieder glasklar: Fast alle der ca. 600 Teilnehmer kamen aus der Fleisch- und Lebensmittelindustrie, ausserdem waren anwesend Tierärzte, Vertreter nationaler Regierungen und der EU, FAO, EFSA, OIE, Weltbank, Universitäten usw. Unter dieser Wucht von kommerziellem Interesse an Fleisch verschwanden die wenigen Fürsprecher der Tiere völlig, vor allem auch deswegen, weil sie ihre fleischlose Lebensweise als Geheimsache behandelten. In so einem Umfeld lief der frustrierte Vegetarier durchaus Gefahr, beim Mittagessen zwischen Geschäftsleuten zu landen, die die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle von Hühner- und Sauenkäfigen diskutierten. Sollte einem nicht schon vorher der Appetit vergangen sein, weil vegetarische Gerichte nicht sicher zu identifizieren waren – solche Diskussionen schlugen endgültig auf den Magen. Obwohl das offizielle Thema der aufwendig gestalteten Konferenz (ein meterhohes Plakat baumelte über dem Eingang des Charlemagne-Gebäudes der Kommission

und viele der Glaskabinen der Simultanübersetzer waren besetzt) der Tierschutz war, blieb «Vegetarismus» das gefürchtete Un-Wort. Teilnehmer mit guten Manieren sprachen es nicht aus! Hier ging es vor allem darum, «Schmerzen und Leid der Tiere zu reduzieren und dadurch die Qualität von deren Fleisch zu erhöhen». Wer sich die Zeit für einen Blick auf die englische Tagesordnung nimmt, wird diese ziemlich ernüchternde und sehr deprimierende Wahrheit bestätigt finden. www.animalwelfareandtrade.com/ programme.php Fairerweise kann man es den Organisatoren nicht anlasten, dass sich diese Konferenz auch wieder wie eine «Internationale der Metzger» darstellte. Schliesslich waren alle Interessengruppen eingeladen. Tierrechts- und vegetarische Organisationen wären bei dieser Konferenz (für die keine Gebühren zu zahlen waren!) durchaus willkommen gewesen. Ob es allerdings ein bekennender Vegetarier auch aufs Rednerpult geschafft hätte – das ist eine Frage, bei der berechtigte Zweifel angebracht sind. Herma Caelen Europa-Korrespondentin der SVV Mehr Information: Vorschlag der EU-Kommission stärkt den Schutz von Tieren bei der Schlachtung. www.evana.org?id=37499

Veganer-/Vegi-Treffen In Zürich: Jeden 3. Freitag des Monats um 19.00 Uhr treffen sich Mitglieder der SVV (und Gäste) in einem vegetarischen Restaurant in Zürich zu einem vegetarischen/veganen Nachtessen. Alle sind dazu herzlich willkommen. Die nächsten Daten sind: 17. April, 15. Mai und 19. Juni. Bitte bis 3 Tage vorher anmelden, um genügend Plätze reservieren zu können, bei Maro: Tel./SMS 078 764 25 95. In Basel: alle drei Monate jeweils am ersten Freitag des Monats um 18.30 Uhr. Das nächste Datum ist der 5. Juni. Bitte Anmeldung bis spätestens 3 Tage im Voraus bei Doris: [email protected]

SVV-Frühjahrswanderung Diese findet am Sonntag, 19. April, statt und führt von Rapperswil auf dem Uferweg durch die Riedflächen der Jonaer Allmend zum Kloster Wurmsbach und weiter durch den Oberwald nach Schmerikon und zurück dem Seeufer entlang zur Bahnstation Bollingen. Die Wanderzeit beträgt ca. 3½–4 Stunden (eventuell auch Rückfahrt ab Schmerikon). Verpflegung aus dem Rucksack. Um 10.00 Uhr Zusammentreffen im HB Zürich auf dem Perron Gleis 23/24 und um 10.10 Uhr Abfahrt mit der S15 nach Rapperswil. Keine Anmeldung nötig. Durchführung bei jedem Wetter.

Lokalgruppe im Tessin Wer mitmachen möchte, melde sich bitte bei: Marta Brambilla, Tel.: 091 682 07 61, E-Mail: [email protected]

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Soyananda: Veganer Sauerrahm und zwei Sorten Streichkäse Soyana bringt gleich drei neue Milchproduktalternativen auf den Markt. Basis ist bei allen eine fermentierte Bio-Tofu-Zubereitung mit hochwertigem Kokosfett und Leinöl, welches kalt eingerührt wird. Mit dem Sauerrahm lassen sich feine Desserts und Dips zaubern, und die Streichkäsealternativen schmecken als ApéroHäppchen mit etwas Gemüse besonders fein. Zu bestellen überall, wo es Soyana-Produkte gibt. Infos: www.soyananda.com

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Werbematerial

Neues Werbematerial Image-Postkarten: «Ich bin Vegetarier» Vegetarier sind heute keine Aussenseiter mehr. Immer mehr bekennen sich zu dieser umweltfreundlichen, tierfreundlichen und gesunden Ernährungsweise. Der Govinda-Verlag zeigt dies mit einer Ansichtskartenaktion. Alle Vegetarier können mitmachen und ein Foto von sich einsenden. Es werden davon jeweils 1000 Ansichtskarten gedruckt. 100 Stück davon erhält das «Fotomodel». Die Kostenbeteiligung beträgt Fr. 160.–. Weitere Informationen zu dieser Aktion, die am Ende 1000 verschiedene Postkarten mit einer Gesamtauflage von einer Million umfassen soll, erhalten Sie bei: Govinda-Verlag Gmbh Postfach, 8053 Zürich, [email protected] www.vegetarisch-leben.ch/karten.html

Ansichtskartenset: Grosse Geniesser Ein gleich 24-teiliges Kartenset hat die Werbeagentur Typothek erstellt. Darauf ist jeweils eine Aussage eines Genies zur vegetarischen Lebensweise enthalten. Nebst den vielen Vegetariern der Geschichte kommen vereinzelt auch Nicht-Vegetarier zu Wort, die sich ebenso positiv über die vegetarische Lebensweise äusserten (z.B. Friedrich Nietsche und der Dalai Lama). Die Karten können online angesehen und bestellt werden: www.typothek.ch/genies-ser.html Typothek, Luisenstrasse 29, 8005 Zürich Tel. 044 440 71 40.

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Diverses / Vegi-Porträt Noch mehr Antibiotika bei Tieren eingesetzt

Kohlenhydratreduzierte Diät (Low-Carb-Diät) beeinträchtigt Hirnleistungsfähigkeit

Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic veröffentlichte am 4. Dezember 2008 die Zahlen über den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung für das Jahr 2007. Er stieg in dem Jahr um 5 Prozent auf 72 Tonnen. Haupteinsatzgebiet war die Schweinemast. Den Anstieg führt die Swissmedic darauf zurück, dass Nutztieren mehr Fütterungsarzneimittel verabreicht wurden. Die Zahlen werden seit 2004 erhoben, da der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung den Einsatz bei erkrankten Menschen erschweren kann. www.swissmedic.ch/aktuell/00003/ 00673

Kohlenhydrate kommen kaum in tierischen Produkten vor. Eine Ernährung, welche die Kohlenhydrate einschränkt, besteht deshalb zu einem Grossteil aus tierischen Produkten. Viele Fleischesser fühlen sich deshalb von einer solchen Diät angesprochen, und die Fleischindustrie versucht sie auch zu fördern. Doch die Folgen sind gemäss einer neuen Studie für das Gehirn sehr negativ. Da das Gehirn Kohlenhydrate als Energiequelle benötigt und sie nicht speichern kann, ist es auf eine ständige Zufuhr über das Blut bzw. die Ernährung angewiesen. In der Untersuchung stellte man fest, dass die Gruppe, die eine solche Low-Carb-Diät durchführte, an geistiger Leistungsfähigkeit einbüsste. Je länger sie diese Ernährung

Vortrag im Volkshaus Zürich Verkostungsvortrag: «Gesund leben – vegetarisch leben!». Bringen Sie Freunde, Verwandte und Bekannte mit. Der Eintritt ist frei. Referenten: Dr. Carsten Wirr (Arzt) und Dipl. oec. troph. Silke Dziallas (Ernährungswissenschaftlerin). Organisator: www.UniversellesLeben.org 6. Mai 2009, 20.00 Uhr, Volkshaus Zürich, Stauffacherstr. 60.

praktizierte, desto stärker war der Effekt. Glücklicherweise war der Effekt rückgängig zu machen, indem die Ernährung wieder normalisiert wurde (das heisst wieder mehr pflanzliche Produkte konsumiert wurden). In der Kontrollgruppe, die sich auch kalorienreduziert ernährte, aber mit einem genügend grossen Kohlenhydratanteil, war die geistige Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt. «Low-carbohydrate weight-loss diets. Effects on cognition and mood.» Kristen E. D'Anci, Kara L. Watts, u.a., Appetite, Volume 52, Issue 1, February 2009, Pages 96-103. http://dx.doi.org/10.1016/j.appet.2 008.08.009

Für ein Selbstversorger-Projekt braucht es kompetente Personen in BioLandwirtschaft, Bauarbeit, Handwerk und auch Investoren mit Vegi-Bewusstsein, die ihre eigene Seelenfarbe ausdrücken und ausleben möchten, um eine Regenbogen-Gruppe zu kreieren, deren Ziel es ist, im Einklang mit den universellen Gesetzmässigkeiten zu leben. Auch Hinweise für ein mögliches Gelände im In- oder Ausland sind willkommen. Interessenten können sich melden bei: [email protected]

Vegi-Porträt Esther Stierlin (34), med. Praxisassistentin aus Pieterlen (BE)

«Was man liebt, kann man doch nicht essen!» Bereits als kleines Kind fragte Esther ihre Mutter, was denn genau dieses Kalbfleisch auf ihrem Teller sei. Damals konnte sie es noch nicht verstehen, aber als sie mit 14 Jahren begriff, dass es sich dabei um dieselben Tiere handelt, die sie auch kannte und streichelte, war ihr klar, dass sie das nicht mehr essen kann. «Ich liebe alle Tiere seit jeher über alles und mache keinen Unterschied zwischen einem Schwein und einer Katze. Was man liebt, kann man doch nicht essen!» Als medizinische Praxisassistentin wird Esther immer wieder mit allen möglichen Vorurteilen zur vegetarischen Ernährung konfrontiert. Ei-

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nige Menschen reagieren mit Verständnis und wurden durch Esthers Beispiel sogar schon selber zu Vegetariern, andere dagegen machen ihre Ernährung für Eisenmangel verantwortlich oder lehnen sie als Person völlig ab. Doch mit solchen Reaktionen hat sie gelernt umzugehen. Den nötigen Ausgleich dazu findet sie dann in der Ruhe und der Natur. Besonders beim Gleitschirmfliegen, aber auch bei Spaziergängen mit ihrem Hund oder beim Klavierspielen kann sie Kraft tanken. Wenn Esther mit ihrem Gleitschirm durch die Lüfte fliegt, träumt sie davon, dass möglichst viele Menschen versuchen, bewusst mit un-

serer Erde und mit den Tieren umzugehen. Seit Kurzem bringt sie diese Überzeugung noch deutlicher zum Ausdruck, indem sie ihren Gleitschirm und auch ihr Auto mit vegetarischen Statements hat beschriften lassen. Das passt gut zu der naturverbundenen Frau, die aus ihrer vegetarischen Lebensweise kein Geheimnis macht. «Es ist meine felsenfeste Einstellung, nie mehr in meinem Leben Fleisch zu essen!», macht Esther ihre Überzeugung deutlich. Bernadette Raschle

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

Vegi-Info 2009/1

V-Label / EU / Poster

V-Label Das Europäische Vegetarismus-Label (V-Label) ist das einzige europaweit verbreitete Label für vegetarische und vegane Produkte, das einer firmenneutralen Kontrolle untersteht. Dennoch wird, vor allem von Nahrungsmittelproduzenten, immer wieder die Frage gestellt, weshalb es ein solches unabhängiges Label benötigt. Schliesslich seien die Grossfirmen kompetent genug, um ihre Produkte selbst korrekt zu deklarieren. Bei unserer Kontrollarbeit müssen wir jedoch immer wieder feststellen, dass dies nicht zutrifft. Einerseits fehlt es den zuständigen Personen in Detailfragen am nötigen Wissen, andererseits fühlt sich

bei den Firmen meist niemand dafür verantwortlich, dass die vegetarische Deklaration stimmt. Sie wird also nur nebenbei auch noch auf die Packung gedruckt. Deshalb passieren bei den firmeneigenen Labels immer wieder grobe Fehler. Ein Beispiel sehen Sie bei der hier abgebildeten Packung des MigrosLieferanten HACO: Die Beutelsuppe wurde als vegan deklariert, obwohl sie Milchpulver enthält. Achten Sie deshalb auf das offizielle V-Label und fordern Sie die Produzenten auf, die vegetarischen Kunden durch eine seriöse Deklaration mit dem V-Label ernst zu nehmen.

Weitere Informationen rund ums Europäische Vegetarismus-Label finden Sie auf der Homepage: www.v-label.info

Vegetarischer EU-Parlamentarier «Wir sollten die Subventionen für Fleisch abschaffen, die Fleischindustrie für die durch sie verursachten Umweltschäden zahlen lassen und dafür arbeiten, dass moderne vegetarische Lebensmittel billiger werden.»

Foto: Europäisches Parlament

Jens Holm, schwedischer Europaparlamentarier Auf seiner Internetseite www.meatclimate.org kann sein 24-seitiger Bericht «Die Tierindustrie und das Klima – EU schliesst die Augen und verschlimmert die Lage» auch auf Deutsch herunter geladen werden. Siehe auch seine Anfrage an die Europäische Kommission: «Viehzuchtsektor als grösster Umweltsünder»: www.evana.org/index.php?id=33606 Jens Holm ist Ko-Organisator (neben der SVV und EVANA) der Petition «Lebensmittel gegen Futter»: www.evana.org/UN

Vorstellung: Poster A2 Die Auswirkungen unserer Ernährungsweise auf das Klima sind gravierend und dennoch kaum bekannt. Das nebenan abgebildete Diagramm zeigt den Unterschied der verschiedenen Ernährungsweisen deutlich auf. Die Grafik können Sie als A2-Poster bestellen bei der SVV, Bahnhofstr. 52, CH-9315 Neukirch (Egnach). Das Poster kostet Fr. 5.–. Dazu kommen Porto und Verpackung für Fr. 8.–. Wir können das Poster auch gefaltet versenden, dann macht das Porto Fr. 2.– aus. Bitte geben Sie bei Ihrer Bestellung an, welche Verpackungsart Sie wünschen, und senden Sie uns den Betrag in Briefmarken oder Banknoten. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Internetseite unter: www.vegetarismus.ch/km Vegi-Info 2009/1

Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus, 9315 Neukirch

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Stark in Sachen Vegetarismus!

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